Goldralle (Rhynchaea capensis)

[415] In Afrika habe ich die Goldralle oder Goldschnepfe (Rhynchaea capensis, africana, madagascariensis, variegata, bengalensis, sinensis, orientalis und madaraspatana, Scolopax capensis, sinensis und madaraspatana, Gallinago madaraspatana, Rallus bengalensis) kennen gelernt. Das Gefieder des Männchens ist auf der Oberseite schwarzgrau; ein Längsstreifen über die Kopfmitte, ein Augenbrauen- und ein Schulterstreifen jederseits sind gelblich, die Oberflügel auf braunem Grunde schwärzlich gewellt, der Vorderhals und die Oberbrust tief schwarzgrau und weiß gewellt, die übrigen Untertheile weiß, die Schwingen und Steuerfedern durch goldgelbe Augen- und schwarze Querflecke gezeichnet. Beim Weibchen ist die Oberseite dunkel bisterbraun, unregelmäßig grünschwarz in die Quere gebändert, der Kopf braun mit grünlichem Schimmer, die Augenbraue gilblichweiß, ein über die Kopfmitte verlaufender Streifen gelblich, der Hals zimmetbraun, die Vorderbrust schwarzbraun, ein vom Halse zur Achsel ziehendes Band wie die Unterseite weiß; Schwingen und Steuerfedern sind grün und schwarz gewellt und mit goldgelben Flecken geziert, die Flügeldeckfedern grünlich, fein schwarz gebändert. Das Auge ist braun, der Schnabel an der Spitze zinnoberroth, an der Wurzel dunkelgrün, der Fuß hellgrün. [415] Die Länge beträgt beim Männchen vierundzwanzig, beim Weibchen sechsundzwanzig, die Breite bei jenem zweiundvierzig, bei diesem siebenundvierzig, die Fittiglänge vierzehn, die Schwanzlänge fünf Centimeter.

Das Verbreitungsgebiet der Goldralle reicht über einen großen Theil Afrikas und Südasiens. Ich fand sie am Mensalehsee und in Unteregypten überhaupt, einzeln aber auch im Sudân auf; andere Forscher sammelten sie am Senegal, in Mosambik und auf Madagaskar; außerdem lebt sie in Japan, China und Indien, auf Formosa, Ceylon und den Sundainseln und besucht ebenso Südaustralien. Nach meinen Erfahrungen wandert sie nicht, sondern gehört höchstens zu den Strichvögeln; denn man trifft sie zu gleicher Zeit in Unteregypten und im Ostsudân. Sie haust in Sümpfen, Brüchen, auf wasserreichen Feldern, aber auch zwischen Gebüsch, sogar im Röhrichte und begnügt sich mit einem sehr kleinen Gebiete. Im Frühjahre hält sie sich paarweise, später in kleinen Flügen von vier bis sechs Stück. Ihr Wesen erinnert in gewisser Hinsicht noch an die Schnepfen, hat aber doch größere Aehnlichkeit mit dem der Rallen. Sie ist Nacht-oder Dämmerungsvogel. So lange wie möglich sich verbergend, treibt sie sich zwischen deckenden Pflanzen umher, zeigt sich nur selten auf freieren Stellen und sucht, wenn sie wirklich eine solche überschreiten muß, baldmöglichst wieder das schützende Dickicht zu gewinnen.


Goldralle (Rhynchaea capensis). 1/2 natürl. Größe.
Goldralle (Rhynchaea capensis). 1/2 natürl. Größe.

Ihr Lauf geschieht sehr rasch, gleichviel, ob der Boden, auf welchem sie sich bewegt, hart oder schlammig ist. Um so schlechter ist der Flug. Alle Goldrallen, welche ich beobachten konnte, erhoben sich, nach Schnepfenart, erst hart vor meinen Füßen, flatterten mehr als sie flogen, unsicher und schwankend, niedrig dahin und fielen nach wenigen Augenblicken wieder herab. Mit der gewandten Flugbewegung der Schnepfen hat dieses erbärmliche Flattern keine Aehnlichkeit; selbst Wasserralle und Wachtelkönig sind [416] fluggewandter als sie. Der Lockton, welchen ich im Frühjahre vernahm, ist ein lauter, zweisilbiger Ruf, welchen ich in meinem Tagebuche durch die Silben »Näki, näki« wiedergegeben habe.

Ueber das Fortpflanzungsgeschäft konnte ich nichts bestimmtes erfahren, habe jedoch zwei Eier aus dem Legschlauche getödteter Weibchen herausgeschnitten, das erste am achten, das zweite am zwölften Mai. Beide ähnelten in Gestalt und Färbung denen unserer Sumpfschnepfe.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 415-417.
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