Habicht (Astur palumbarius)

[591] Das Urbild der Familie, unser Habicht oder Hühnerhabicht, Stockfalk, Hacht-, Tauben-, Hühner-, Sperber- oder Pfeilfalk, Doppelsperber, Hühnergeier, Hacht-, Stößer-, Stech- und Eichvogel, Langschwanz usw. (Astur palumbarius, indicus, gallinarum, paradoxus und brachyrhynchus, Falco palumbarius, albescens, dubius, gallinarius, naevius, incertus, marginatus, tigrinus und longipes, Accipiter astur, Daedalion und Sparvius palumbarius) verdient die Ehre, welche man ihm angethan hat, indem man eine ganze Familie nach ihm benannte. Er ist nicht bloß dem Namen, sondern auch seinem Wesen nach der Habicht im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Kennzeichen der Untersippe, welche er vertritt, sind wesentlich dieselben wie bei den Sperbern; doch unterscheiden sich die Habichte von diesen durchgedrungenen Leib, längeren Schnabel, abgerundeteren Schwanz und stärkere Füße.

Der Habicht ist ein großer, kräftiger Raubvogel von 55 Centimeter Länge und 1,1 Meter Breite, bei 31 Centimeter Fitting- und 22 Centimeter Schwanz länge. Das bedeutend größere und stärkere Weibchen ist 12 bis 15 Centimeter länger und 15 bis 18 Centimeter breiter als das Männchen. Im ausgefärbten Kleide ist der Oberkörper schwärzlich graubraun, mehr oder weniger aschblau überflogen, der Unterkörper weiß, jede Feder mit braunschwarzen Schaftstrichen und Wellenlinien gezeichnet. Der Schnabel ist hornschwarz, die Wachshaut blaßgelb, das Auge hochgelb, der Fuß gelb. Im Jugendkleide ist der Oberkörper braun, jede Feder rostgelb gekantet und gefleckt, der Unterkörper roströthlich, später rostweißlich, braun in die Länge gefleckt. Der Schnabel und das Auge, der Fuß und die Wachshaut sind blasser als bei alten Vögeln. Spielarten sind selten, sehr licht gefärbte Habichte und Weißlinge dagegen mehrfach beobachtet worden.

Das Verbreitungsgebiet des Habichts erstreckt sich über den größten Theil Europas und Mittelasiens; innerhalb der inbegriffenen Länder kommt er jedoch keineswegs überall und, wenn doch, nicht in gleicher Häufigkeit vor. In Großbritannien gehört er zu den so seltenen Erscheinungen, daß die Fälle seines Vorkommens in den thierkundlichen Werken sorgfältig verzeichnet worden sind. Auf Island und den Färinseln fehlt er gänzlich. Dagegen bewohnt er Skandinavien, so weit es bewaldet ist, Dänemark, Holland, Deutschland und Frankreich, ganz Oesterreich, die Donautief länder, Rußland vom Norden bis zum Süden, Kleinasien und Nordpersien, Nord- und Mittelspanien als Brutvogel, die südlichsten Länder aber bei weitem seltener als Deutschland. Im Norden Amerikas wird er durch einen, ihm sehr nahe stehenden Verwandten, den Schwarzkopfhabicht (Astur atricapillus), vertreten.

Bei uns ist er in bewaldeten Gegenden eine gewöhnliche Erscheinung, nimmt da, wo die Jagden nicht scharf beaufsichtigt werden, auch eher zu als ab, wogegen in anderen Gauen das Gegentheil [591] stattfindet. So soll er in der Mark seltener geworden sein als früher, während er gegenwärtig in Ostthüringen häufiger auftritt als vor etwa dreißig Jahren. Im November beginnt auch er zu streichen, darf aber kaum als regelmäßiger Zugvogel angesehen werden, obgleich er eigenen Beobachtungen zufolge bis Nordegypten wandert. Dies aber geschieht immer selten und unregelmäßig; ja schon auf den südlichen Halbinseln trifft er nicht allwinterlich ein. Ich vermag nicht zu bestimmen, ob wie bei anderen Raubvögeln ein Geschlecht zäher an der Heimat hängt als das andere; wohl aber kann ich sagen, daß man in Deutschland während des Winters ebenso gut Männchen wie Weibchen beobachtet und erlegt.


Habicht (Astur palumbarius). Junges Männchen. 1/4 natürl. Größe.
Habicht (Astur palumbarius). Junges Männchen. 1/4 natürl. Größe.

Dasselbe gilt für Asien. Im Süden dieses Erdtheiles findet er sich, nach Jerdon, ständig, obwohl immer einzeln, nur im Himalaya, und wenn wirklich einer in den Ebenen bemerkt wird, gilt dies als Ausnahme. Da, wo sich der Habicht einmal festgesetzt hat, läßt er sich schwer vertreiben, falls die Bedingungen für sein Leben einigermaßen günstig sind. Er verlangt einen dichten Baumbestand, in welchem er der Ruhe pflegen und von welchem aus er leicht Beute gewinnen kann, macht zwischen Schwarz- und Laubholz kaum einen Unterschied, liebt daher besonders Wälder, welche mit Feldern und Wiesenflächen abwechseln, kommt jedoch in größeren Waldungen häufiger vor als in kleineren.

Nach meinem Dafürhalten ist die von meinem Vater vor nunmehr funfzig Jahren gegebene Beschreibung dieses Raubvogels noch nicht übertroffen; ich werde sie deshalb dem nachfolgenden [592] zu Grunde legen und nur hier und da neuere Beobachtungen, welche mir wichtig zu sein scheinen, einschieben.

Der Habicht, ein einsamer, ungeselliger Raubvogel, welcher sich nur in der Paarungs- und Brutzeit mit seinem Gatten zusammenhält, ist ein höchst ungestümer, wilder, dreister, schneller, starker und dabei listiger und scheuer Falk. Sein Flug ist immer schnell, wenn er stößt, aber reißend, rauschend, außerdem oft schwebend; der lange Schwanz wird dabei gewöhnlich etwas ausgebreitet. Der einigermaßen geübte Beobachter unterscheidet ihn leicht und in jeder Entfernung von allen heimischen Raubvögeln, vielleicht mit alleiniger Ausnahme eines Sperberweibchens; denn seine verhältnismäßig kurzen Flügel und der lange Schwanz, welche sein Flugbild dem einer Wildtaube nicht unähnlich erscheinen lassen, sind außer seiner beträchtlichen Größe bezeichnende Merkmale. Wenn er von einem Waldestheile zum anderen zieht und, zumal in bergigen Gegenden, von einer Erhöhung der anderen zustrebt, fliegt er auch wohl in bedeutender Höhe, der Schätzung nach zwei- bis vierhundert Meter über dem Boden dahin; für gewöhnlich schleicht er nach Strauchritterart niedrig über letzterem fort, Waldsäumen und Buschreihen folgend, Baumgruppen und Gebüsche oft kreuzend oder hart über deren Spitzen hinwegschwenkend. Kaum ein anderer Raubvogel entfaltet im Fluge so viele Verschiedenheiten der Bewegung wie der Habicht, welcher Schnelligkeit mit jähen und unerwarteten Wendungen, dahinstürmendes Jagen mit für einen so großen Vogel überraschender Gewandtheit in sich vereinigt. Jetzt steigt er rasch empor, schwebt einigemal umher, stößt plötzlich herab, fliegt mit der größten Sicherheit durch dichte Bäume hindurch und ist bald hoch, bald tief. Auf der Erde ist auch er ungeschickt, hüpft gewöhnlich und geht nur selten. Zum Aufbäumen wählt er sich stets die unteren Aeste und so viel als möglich die Stammnähe. Auf Felsen oder Gemäuer habe ich ihn niemals sitzen sehen; auf Häusern in Dörfern soll er sich jedoch zuweilen niederlassen. Die Stimme ist ein starkes, weit hörbares, widriges Geschrei, welches jedoch nicht häufig vernommen wird. Aus Bosheit oder Verdruß schreit der Habicht langgezogen »Iwiä«, aus Freude über einen Raub »Iwiä iwiä«, bei der Paarung »Gäck gäck gäck«, »Gick gick gick«, und nachher schnell nacheinander »Kjak kjak«; in Furcht gesetzt stößt er entweder das »Wiä wiä« oder ein leises »Wis wis« aus.

Man sieht den Habicht zu jeder Tageszeit, auch in den Mittagsstunden, welche die meisten übrigen Raubvögel der Ruhe widmen, in Bewegung und Thätigkeit. Er durchstreift ein großes Gebiet ziemlich regelmäßig und kehrt dahin, wo er einmal glücklich war, längere Zeit hindurch tagtäglich zurück. Seine erstaunliche Gefräßigkeit zwingt ihn zu fast fortwährendem Jagen: er ist, wie der Sperber, selten wirklich befriedigt, sondern immer hungrig und wenigstens mordgierig. Seine Jagd gilt sämmtlichem Geflügel, von dem Trappen oder Auerhuhne an bis zu dem kleinen Finken herab, und allen Säugethieren, welche er bewältigen zu können glaubt. Er stößt auf den Hasen, um ihn umzubringen, erhebt das bissige Wiesel vom Boden, wie er das Eichhörnchen vom Neste wegnimmt, raubt im Fliegen wie im Sitzen, den schwimmenden Vogel wie das laufende Säugethier, zieht seine Beute selbst aus ihren Versteckplätzen hervor. Ungeheuerer Schrecken ergreift die Thiere, welche sich ihm gegenüber gefährdet wissen; er bemeistert sich ihrer oft so, daß sie starr sitzen bleiben und, wie Naumann sagt, »schon unter seinen Klauen bluten, ehe sie sich noch entschlossen haben, die Flucht zu ergreifen oder sich platt an die Erde niederzudrücken«. Seine Raubgier wird nur durch seine Dreistigkeit überboten, die eine wie die andere aber durch seine Mordlust übertroffen: er kennt keine Schonung. Im Norden und Osten unseres Vaterlandes haben alle Rauchfußhühner vom Auerhuhne bis zum Schneehuhne herab von ihm zu leiden; bei uns zu Lande ist er der Schrecken der Rebhühner, Wild- und Haustauben, Wild- und Hausenten, in vielen Walddörfern der gefährlichste Feind unseres Hausgeflügels überhaupt. Wie der Sperber überrascht er stets durch seine Erscheinung und kommt dadurch fast immer zum Ziele. »Bei den Landwohnungen«, beschreibt Altum sehr richtig, »saust er ebenso unerwartet wie am Rande eines Gehölzes über das Dach eines niedrigen Nebengebäudes oder durch den Zwischenraum zweier [593] Gebäude, ergreift mit Blitzesschnelle auf dem Hofraume eines der Haushühner oder eine Taube und ist damit verschwunden, ehe man noch recht zur Würdigung des fremden Gastes kommt.« Unseren Haustauben jagt er fortwährend nach, und ein einziges Habichtspaar kann den reichsten Schlag binnen wenigen Monaten entvölkern. Die Tauben ergreifen, sobald sie den Habicht gewahr werden, eilig die Flucht; dieser aber stürzt in schiefer Richtung pfeilschnell hinter ihnen her und sucht eine zu ergreifen, indem er gewöhnlich von oben auf sie herabstößt. Dies geschieht ohne bemerkbare Flügelbewegung mit weit vorgestreckten Fängen und etwas eingezogenen Schwingen, aber mit einer solchen Geschwindigkeit, daß ein Rauschen entsteht, welches man auf hundert bis hundertundfunfzig Schritte weit hören kann. »Einstmals«, erzählt mein Vater »befand ich mich auf dem Felde und sah einen Habicht über einem hohen Berge umherschweben. Eine halbe Viertelstunde von ihm, tief im Thale, suchte ein Flug Tauben ruhig Futter; kaum hatte sie der Habicht erblickt, als er in schräger Richtung wohl tausend Meter weit herabschoß. Doch auch die Tauben hatten ihn sehr zeitig bemerkt; sie flogen möglichst schnell schon dem Schlage zu, als er die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte. Dies schien gegen seine Vermuthung zu sein; denn er war bei seinem Stoßen zu tief herabgekommen, als daß er den Tauben gleich war. Nun hob er sich wieder, flog mitten durch sie und griff nach einer, welche aber durch eine geschickte Wendung dem Räuber entging und glücklich den Schlag erreichte«. Gelingt es ihm nicht, die Tauben durch Verfolgung zu erbeuten, so greift er zur List. »Auf meiner Herrschaft in Podolien«, berichtet Graf Wodzicki, »wurden viele Tauben gezogen, und bald sahen wir die Taubenschläge überfüllt. Die große Anzahl der Tauben lockte bald alle Habichte und Falken der Umgegend herbei, da, wie bekannt, die Vögel sich gegenseitig über die Gefahr benachrichtigen, und sich auf dieselbe Weise zur Mahlzeit laden. Meine Tauben wurden nunmehr so verfolgt und vermindert, daß sie nicht mehr ins Feld zu fliegen wagten und ihre Nahrung zwischen den Gebäuden suchten. Gesammelte Erfahrung der Tauben spornte die Raubvögel zu größerer List. Die Tauben verließen ihre Verstecke sehr selten und immer am Boden streichend, gingen auch nie weit vom Hofe weg. Dieses sonderbare Spiel dauerte über eine Woche. Die Raubvögel mußten den Kürzeren ziehen; nur zwei schlaue Habichte wußten durch verständiges Jagen alle Tage ihre Nahrung zu bekommen. Einer derselben saß stundenlang mit aufgesträubtem Gefieder auf einem Strohdache ziemlich versteckt, ohne sich zu rühren, mit eingezogenem Halse, offenbar die Stellung einer Eule nachahmend. Die Tauben wurden bald zutraulicher, setzten sich auf dasselbe Dach, und der Bösewicht rührte sich nicht; sobald aber die Vögel aus-oder einflogen, schoß er wie ein Pfeil auf sie los und verfehlte selten die Beute, mit welcher er jedesmal in die Baumgärten flog, wohl durch Erfahrung belehrt, daß in denselben kein Feuergewehr abgeschossen wird, weil die Gärten zwischen den Gebäuden liegen. Der zweite Habicht, noch klüger, muthiger und durchtriebener als der vorige, kam jeden Tag um dieselbe Stunde, schreckte die Vögel in den Taubenschlag und machte darauf eine förmliche Treibjagd. Er setzte sich nämlich auf die Einflugbrettchen, lief um den Taubenschlag herum, stellte sich dann mit ausgebreiteten Flügeln auf eine Seite des Taubenschlages, und schlug so lange an die Bretter desselben, auf derselben Stelle herumtanzend, bis er endlich eine Taube hinaustrieb, welche er sogleich verfolgte.« Sehr erklärlich, weil nur zu gerechtfertigt, ist die Todesangst, welche alle von ihm bedrohten Vögel bei seinem Erscheinen ergreift. Sobald er sich in weiter Ferne zeigt, entsteht Aufruhr in der gesammten Vogelwelt. Tauben oder Hühner, welche von ihm ergriffen, aber noch gerettet wurden, bleiben bewegungslos am Boden sitzen, lassen sich vom Menschen mit den Händen ergreifen oder flüchten sich irgend welchem Versteckplatze zu und vergessen den gehabten Schrecken tage-und wochenlang nicht. Starke Hühner rennen mit Aufbietung der letzten Kräfte, den Räuber auf dem Rücken, in das Innere des Hauses, als wollten sie Schutz beim Menschen suchen, und nur die muthigen Krähen, welche ebenfalls arg von ihm zu leiden haben, ermannen sich zu Rachegefühlen.

Mit ebenso unermüdlicher Ausdauer wie den Vögeln stellt er auch Säugethieren nach. »Die jungen Hasen«, sagt mein Vater, »überwältigt er leicht; die alten aber greift er planmäßig [594] an. Er stößt nämlich, wenn sich Lampe durch die Flucht zu retten sucht, zu wiederholten Malen mit dem Schnabel auf denselben; und wenn der Hase dann verwundet und ermattet ist, greift er mit den Fängen zu und tödtet ihn allmählich mit dem Schnabel und mit den Nägeln. Dieser Kampf dauert gewöhnlich lange, und ich weiß ein Beispiel, daß sich der Hase einige Zeit mit dem Habichte herumwälzte, ohne daß ihn dieser losgelassen hätte, ob er gleich oft unten zu liegen kam. Ein glaubwürdiger Freund von mir schoß auf dem Anstande einen Hasen und einen Habicht auf einen Schuß, während dieser auf jenen stieß.« Im Norden, und zumal in Skandinavien, raubt er mehr Säugethiere als bei uns. Den Lemmingherden z.B. folgt auch er, weil sie ihm am leichtesten Beute gewähren.

Wenn der Habicht es haben kann, begnügt er sich übrigens durchaus nicht mit einem Opfer, sondern mordet zunächst so viele Vögel, als er zu fangen vermag, und frißt sie dann in Ruhe auf. So sah Riesenthal wie ein und derselbe Habicht in Zeit von einer Stunde fünf fast flügge Krähen hinter einander aus dem Neste holte, trotz den zur Vertheidigung scharenweise herbeigeströmten alten Krähen. Mit seiner unersättlichen Raub- und Mordlust verbindet dieser Strolch Dreistigkeit und Leckerhaftigkeit. Das Gehöft, auf welchem er einmal Beute gewonnen hat, wird von ihm wieder und immer wieder besucht, ganz unbekümmert um die Vorkehrungen, welche der Mensch zu seinem Empfange trifft. Kein Raubvogel weicht listiger allen ihm geltenden Nachstellungen aus als er. Das urplötzliche seines Erscheinens gewährt ihm nicht allein regelmäßig Beute, sondern ebenso auch Sicherheit. »Er hat mir«, klagt Riesenthal grollend, »vom einsamen Forstgehöfte in kurzer Zeit sechzig Küchlein und ältere Hühner geraubt; er hat sie vor meinem Augen, wenn ich ohne Flinte war, vom umfriedigten Hofe geholt, so daß ich mit Steinen und Knüppeln nach ihm warf; er kam nie, wenn ich ein Gewehr bei mir führte: stundenlang konnte ich ihm auflauern, aber kaum war ich ins Haus getreten, da kündete mir der Lärm auf dem Hühnerhofe einen neuen Raub an, und ich konnte sehen, wie er mit dem Hühnchen davonstrich. Natürlich hatte er mich vom nahen Walde aus beobachtet«. Ich weiß nicht, ob letztere Annahme richtig ist; so viel aber glaube auch ich verbürgen zu können, daß der Habicht den Menschen scharf beobachtet und den ihm gefährlichen Jäger genau von dem Landmanne unterscheidet. Sein ganzes Wesen ist das eines auf den rechten Augenblick lauernden Diebes, welcher ein von ihm wiederholt heimgesuchtes Gehöft beschleicht und sich auf seine List und Gewandtheit wie auf seine unvergleichliche Geistesgegenwart verläßt. Hiermit im Einklange steht, daß er schwächere Thiere, junge Hühner z.B., immer lieber nimmt als ältere, ebenso daß er, wie wenigstens Altum versichert, farbig auffallende Beutethiere aus einer Menge zuerst ergreift, ebenso daß er, letzteres allerdings nach Art aller Falken, seine Jagden auf ein einzelnes, etwas vom Schwarme abgesondertes zu richten pflegt. Ist er hungrig oder durch längere Verfolgung hitzig, durch mehrfach vereitelte Angriffe vielleicht auch unmuthig geworden, so vergißt er jede Rücksicht, jagt der sich flüchtenden Taube bis ins Innere eines Hauses, auch durch die Fenster nach, greift nach dem gefangenen Vogel im Bauer, trägt selbst, wie Nordmann in Finnland beobachtete, einen Lockvogel sammt dem Käfige davon, läßt sich dann, mit der ungewöhnlichen Bürde beladen, einige hundert Schritte davon nieder und zieht nunmehr den Vogel zwischen den Gittern heraus. In Gehöften hat man ihn auf einem von ihm geschlagenen Huhne mit Händen ergriffen, mit Körben zugedeckt, mit Knüppelschlägen vertrieben. Bemerkenswerth ist seine Leckerhaftigkeit. Wo er die Auswahl hat, wird er sicherlich immer nur das schmackhafteste Wild schlagen. Dies geht so weit, daß er, wie mir von Meyerinck schreibt, in wildreichen Gegenden, besonders da, wo es viele Fasanen und Rebhühner gibt, sich mitunter im Habichts korbe nicht fangen lassen will, wenn man als Lockvogel eine Taube einsetzte, meist aber sehr schnell fängt, wenn man den Habichtskorb dafür mit einem zahmen Huhne, einem Fasanen oder einem Rebhuhne köderte. Wo Tauben gehalten werden, stellt er diesen immer mehr nach als den Hühnern, obgleich letztere von ihm leichter sich fangen lassen, offenbar auch nur deshalb, weil ihm jene besser schmecken als die Hühner.

[595] Es ist wahrscheinlich, daß die Ungeselligkeit des Habichts in seiner unglaublichen Raubgier ihren Grund hat. An gefangenen haben wir Familienmord im weitesten Umfange beobachtet. »Vor einigen Jahren«, erzählt mein Bruder, »ließ ich für einen Thiergarten ein altes Habichtsweibchen mit seinen zwei Jungen am Horste fangen und bezüglich ausheben. Ich brachte die Mutter mit ihren Kindern am Vormittage in einen großen Käfig; nachmittags wollte ich der Alten Futter geben, bemerkte aber, daß sie sich bereits gesättigt hatte, und zwar mit dem Fleische und Blute ihrer eigenen Kinder. Ich fand das eine Junge halb aufgefressen und das zweite erwürgt! Wenige Tage später bekam ich ein Habichtspaar mit ebenfalls zwei Jungen. Ich sperrte sie einzeln in besondere Behältnisse, fütterte sie reichlich und schickte sie nach ihrem Bestimmungsorte ab. Hier wurden sie mit einem schon darin befindlichen einjährigen Vogel derselben Klasse vereinigt. Dieser griff sehr bald die beiden Jungen an und verschlang sie, überfiel schließlich die Alten, überwältigte und verzehrte auch diese, wurde aber selbst wieder von einem später dazu gesteckten Habichte verspeist. Ein mir befreundeter Förster hat mir versichert, daß er einst vierzehn Habichte in einem großen Behältnisse lebend gehalten habe, welche trotz reichlichen Futters einander nach fürchterlichen Kämpfen bis auf zwei aufgefressen hätten«. Ich meinestheils kann diese Angaben noch insofern vervollständigen, als ich ihnen hinzufüge, daß in der Gefangenschaft der stärkere Habicht den schwächeren auffrißt, sei letzterer sein Gatte, sein Kind oder eines seiner Eltern.

Unbeschreiblicher Haß begegnet ihm deshalb, sobald er sich sehen läßt. Namentlich die Krähen, welche er im Sitzen wohl zuweilen wegnehmen mag, sind unermüdlich in seiner Verfolgung und stoßen mit wahrer Todesverachtung nach ihm. »Ein Habicht«, fährt mein Vater fort, »welcher von drei Krähen verfolgt wurde, griff zuweilen nach ihnen; sie wußten aber so geschickt auszuweichen, daß es ihm nie gelang, eine zu verwunden. Nachdem sie so eine Weile mit dem Habichte herumgeflogen waren, sah dieser in einer Entfernung von dreihundert Schritten Tauben auf einem Dache; sogleich eilte er hinzu, und stürzte sich in schräger Richtung über hundertundsechzig Meter weit herab, aber er kam ohne Taube zurück. Die Krähen schienen über sein Stoßen ganz erstaunt. So lange er schwebte, konnte sie ihm sehr leicht folgen; als er aber zu stoßen anfing, war keine im Stande, ihn zu begleiten. Erst als er wieder emporkam, begannen ihre Angriffe von neuem. Sie jagten nun abermals einige Zeit herum; plötzlich fing er in wenig schräger, fast wagerechter Linie an zu stoßen, legte so eine Strecke von zweihundert Meter zurück, fing eine Taube und flog mit ihr fort. Doch die Krähen bemerkten ihn sehr zeitig, und setzten ihm so hart zu, daß er sie fahren lassen und jeden Versuch, eine andere zu fangen, aufgeben mußte.« Die Krähen sind überhaupt die einzigen Vögel, welche ihre Todfeindschaft mit dem Habichte bei jeder Gelegenheit zur Geltung bringen und ihm viel zu schaffen machen. Sobald er sich sehen läßt, wird er von der schwarzen Rotte umringt; lautes Schreien ruft fortwährend neue Helfer herbei, und so kann es kommen, daß die Krähen ihn förmlich stellen. Namentlich geschieht dies, wenn er mit einer geschlagenen Beute in den Fängen davonfliegt oder dieselbe auf dem Boden verzehren will. In der Hitze des Gefechtes vergessen dann beide Theile zuweilen vollständig die Außenwelt um sich her. So wurde am neunzehnten Mai 1868 ein von den Krähen angegriffener Habicht von dem Forstgehülfen Müller aus Hermannsgrün mit dem Hirschfänger erlegt. Durch den Lärm der Krähen herbeigezogen, glaubte der genannte, einem jungen Hasen zum Lebensretter werden zu können, schlich vorsichtig der betreffenden Stelle zu und bekam hier einen großen Raubvogel zu Gesicht, dessen Aufmerksamkeit von der schwarzen Bande um ihn her derartig in Anspruch genommen war, daß Müller bis auf etwa zehn Schritte sich nähern und mit dem unterdessen gezogenen Hirschfänger nach dem aufstiebenden Räuber werfen konnte. Der Zufall führte die Klinge so, daß sie den Habicht an dem Kopfe traf, betäubt zu Boden warf und dem Verfolger in die Hand gab. Hofjäger Braun, welchem ich die Mittheilung dieser bemerkenswerthen Thatsache verdanke, traf unmittelbar nach der absonderlichen Jagd mit Müller zusammen und sah den[596] Habicht selbst. Naumann sagt, daß es letzterem zuweilen gelinge, eine der ihn verfolgenden Krähen zu ergreifen; solche Fälle dürften jedoch selten vorkommen, weil die Krähen bei ihrer Jagd auf den Habicht stets mit größter Vorsicht zu Werke gehen. Nächst den Krähen stoßen unsere kleinen Edelfalken auf den auch von ihnen gehaßten Raubvogel, und die Schwalben machen sich regelmäßig ein Vergnügen daraus, ihn unter schallendem und warnendem Geschrei zu begleiten.

Der Horst wird auf den ältesten und höchsten Bäumen des Waldes, meist auf starken Aesten nahe am Stamme, angelegt, ist sehr groß und flach, besteht unten aus dürren Aesten, weiterhin aus Reisern und wird oben mit grünen Tannen-, Fichten- und Kieferzweigen belegt, welche fortwährend erneuert zu werden scheinen. Die eigentliche Nestmulde, eine sehr seichte Vertiefung, ist gewöhnlich mit Flaumfedern des Brutvogels selbst ausgekleidet. Schrader bemerkt, daß in Norwegen ein Habicht auch auf Felsen seinen Horst angelegt oder in einem bereits vorhandenen gebrütet habe; die Angabe widerspricht den Gewohnheiten des Vogels jedoch so entschieden, daß sie unbedingt bezweifelt werden muß. Der einmal gebaute Horst wird im nächsten Jahre von demselben Habichtspaare wieder benutzt, ausgebessert, erweitert und mit frischen Zweigen besteckt; bisweilen hat dasselbe jedoch drei oder vier Horste, welche in geringer Entfernung von einander errichtet wurden, und wechselt unter diesen. Schon im März sieht man an schönen, heiteren Tagen die beiden Gatten eines Paares in gleichmäßigen Drehungen sich emporschrauben, in der Absicht, ihre Liebesgefühle an den Tag zu legen. In der letzten Hälfte des April oder im Anfangen des Mai pflegt das aus zwei bis vier großen, mehr länglichen als rundlichen, in der Mitte sehr bauchigen, dick- und rauhschaligen, auf grünlichweißem Grunde spärlich mit gelben Flecken bezeichneten, oft aber auch fleckenlosen Eiern bestehende Gelege vollzählig zu sein. Das Weibchen brütet mit der wärmsten Hingebung und verläßt das Nest auch nach wiederholter Störung nicht, fliegt zuweilen nicht einmal auf, wenn man den Horst mit Hagel beschießt. Altum verbürgt sogar einen Fall, daß den brütenden Habicht ein Büchsenschuß, welcher ihm freilich nur einige Schwanzfedern kostete, nicht von den Eiern verscheuchte. Angriffe auf die Brut versuchen beide Gatten abzuwehren und beweisen dabei einen Muth, welcher zuweilen förmlich in Tollkühnheit übergeht. Man hat beobachtet, daß sie mit Heftigkeit Menschen angriffen, welche an ihrem Nestbaume emporkletterten; ja, es ist wiederholt vorgekommen, daß ein Habicht während der Brutzeit, ohne eigentlich gereizt worden zu sein, Menschen und selbst Pferde anfiel. Die Jungen wachsen rasch heran, fressen aber auch unglaublich viel, und beide Eltern haben vollauf zu thun, ihren Heißhunger zu befriedigen. Der Horst wird dann zu einer wahren Schlachtbank. Beide Alten schleppen herbei, was sie finden, nach der Beobachtung eines durchaus glaubwürdigen Mannes unserer Bekanntschaft sogar ganze Nester mit den in ihren befindlichen Jungen, namentlich Drossel- und Amselnester, welche sie aufgestöbert haben. Daß die stärkeren Nestjungen, wenn sie Hunger leiden, über ihre Geschwister herfallen und diese, wie behauptet worden ist, auffressen, dürfte kaum zu bezweifeln sein.

Des unschätzbaren Schadens wegen, welchen der Habicht anrichtet und welcher sehr häufig den Menschen ganz unmittelbar betrifft, wird der tückische Räuber selbstverständlich eifrig verfolgt. Jedoch geschieht dies leider noch in ungenügender Weise. Man gibt sich viel zu wenig Mühe, die Horste auszukundschaften und die Räuberbrut, sozusagen, gleich im Keime zu ersticken, stellt auch den alten Vögeln noch zu lässig nach. Ihre Jagd ist nicht eben leicht, weil die Klugheit und List der alten Habichte dem Jäger viel zu schaffen macht; um so besser belohnt sich der Fang oder eine kluge Benutzung des Hasses, welchen der Habicht gegen den Uhu an den Tag legt. So wenig er es liebt, durch andere streitlustige Vögel behelligt zu werden, so eifrig, heftig und anhaltend greift er den Uhu an. In eigenthümlicher Weise mit den Flügeln schlagend, mehr flatternd als rüttelnd nähert er sich der verhaßten Eule bis auf wenige Centimeter, so daß man oft verhindert ist, auf ihn zu schießen, um nicht den Uhu zu gefährden. Da er jedoch gelegentlich auf den Krackeln vor der Hütte aufzubäumen pflegt, schießt man ihn vor der Krähenhütte ohne Mühe, wie vom Horste [597] herab das brütende Weibchen. Auch in Netzen und Raubvogelfallen, zumal im Habichtskorbe, erbeutet man den listigen Schelm, wenn die Vorkehrungen gut getroffen sind, gewiß.

Ein gefangener Habicht ist für uns ein ebenso hassenswerther Vogel wie der freilebende. Seine Wildheit und Bosheit, seine Unverträglichkeit und Mordgier machen ihn uns bald im höchsten Grade widerwärtig. Freilich habe ich nie einen zahmen Habicht gesehen, sondern nur wilde und ungestüme, welche bei Annäherung eines Menschen wie unsinnig sich geberdeten, in ihrem Käfige umhertobten und rasten, gegen die Gitter stießen und dabei die Stirn entfederten oder die Flügel blutig schlugen, welche vor lauter Wuth und Ingrimm gar nicht wußten, was sie thun sollten. Daß sie gezähmt werden können, haben uns die alten Falkner bewiesen und beweisen uns die asiatischen Falkenjäger noch tagtäglich; wie man es aber anzufangen hat, solche Trotzköpfe zu brechen, bleibt mir ein Räthsel. Ich bin den alten Habichten mit vertrauensvoller Thierliebe entgegengekommen: vergeblich; ich habe den Jungen alle denkbare Freundlichkeit erzeigt: umsonst. Schnöder Undank ist mir geworden, wie auch ich mich anließ. Noch mehr: ein anderer Raubvogel gewöhnt sich endlich, wenn auch nicht an den Käfig, das heißt an den Verlust seiner Freiheit, so doch an das ihm gereichte Futter; der Habicht ist nie zufrieden, man mag ihm reichen, was man wolle. Immer und immer sitzt er verdrießlich, gleichsam zerfallen mit sich und der Welt, in einem Winkel des Gebaures, die gelben Augen rollend, mit dem Rücken halb an die Wand angelehnt, mit dem Schwanze aufgestemmt, beide Fänge bereit, jedmänniglich zu fassen und zu schlagen, scheinbar nur auf den Augenblick wartend, in welchem er seine tolle und unsinnige Wuth bethätigen kann. Er ist ein abscheulicher Vogel im Käfige wie im Walde, ein ebenso unbändiges als hinterlistiges Geschöpf, welches nun und nimmermehr von seinen Unthaten abläßt und mit keinem anderen Vogel gleicher Größe, möge er so wehrhaft sein als er wolle, zusammengehalten werden darf. Jeder Bussard, jeder Milan, jeder Baumkauz ist verloren, wenn man ihn mit einem Habichte in demselben Käfige unterbringt: früher oder später wird er überfallen, abgewürgt und aufgefressen. Zuweilen beginnt man, Hoffnung zu schöpfen. Es sind vielleicht Tage vorübergegangen, und kein theures Haupt hat gefehlt. Da plötzlich regt sich das Habichtsherz und einer der Mitbewohner des Käfigs fällt der Räuberklaue zum Opfer. Hat aber »der Löwe einmal Blut geleckt«, so vernichtet er alles lebende, mit welchem er denselben Raum theilt, und es scheint dann, als könne er es nicht ertragen, etwas lebendes vor sich zu sehen: er mordet wie ein vom Blute berauschter Marder.

Solchen Gesellen unter die Botmäßigkeit des Menschen zu beugen, ist ein Triumph der Zähmung. In den Augen unserer alten Falkner stand der Habicht hoch; von allen Asiaten, welche die Baize betreiben, wird er gegenwärtig noch sehr geschätzt. In Indien ist er, nach Jerdon, der geachtetste aller Jagdfalken. »Die Baz, wie er in Indien heißt, wird abgerichtet auf Kragentrappen, Milane, Aasgeier, Enten, Scharben, Reiher, Ibisse, Hasen usw. Zur Hasenjagd wird der Habicht mit Lederhosen gestiefelt, um zu verhüten, daß seine Füße von den Dornen zerrissen werden, wie es sonst gewöhnlich geschieht, weil der Hase regelmäßig den Räuber mit sich schleppt. Dieser greift nur mit einem Fange zu und streckt den anderen hinter sich aus, um Grashalme, Zweige und dergleichen zu ergreifen und so den Hasen festzuhalten. Er fliegt geradeaus auf seine Beute zu; wenn diese aber nicht in einer entsprechenden Entfernung ist (etwa hundert bis zweihundert Meter weit), gibt er die Jagd auf und kehrt entweder zu dem Falkner zurück oder setzt auf einen benachbarten Baum oder bezüglich auf den Boden. Ein gut abgerichtetes Habichtsweibchen wird gewöhnlich mit zwanzig bis funfzig, ein Männchen mit zehn bis dreißig Rupien bezahlt«. Thompson gibt neuerdings ausführliche Mittheilungen über den in Indien üblichen Fang und die Benutzung des Habichts. Nach seiner Meinung sind nur die eingeborenen Indier im Stande, ihn wirklich abzutragen. Der Vogel wird meist im Oktober und November in eigenthümlichen, durch eine Taube geköderten Netzfallen gefangen und an die Falkner verkauft, welche junge Weibchen mit vierzig bis sechzig Rupien, ältere Weibchen höher, Männchen verhältnismäßig geringer bezahlen. Unter allen kurzflügeligen Falken gilt er, einmal abgetragen, bei weitem als der vorzüglichste,[598] ebenso seiner Schnelligkeit und Kühnheit wie seiner Unermüdlichkeit halber. Je länger und je öfter man ihn benutzt, um so ausgezeichneter wird er. Verhältnismäßig rasch gewöhnt er sich an den Menschen, die Hunde und andere Gegenstände, welche geeignet sind, anfänglich ihn zu erschrecken, und seine Gelehrigkeit in der Hand eines guten Falkners ist geradezu wundervoll, sein Verständnis dem eines Hundes fast gleich. Thompson versichert, so zahme und kluge besessen zu haben, daß es genügte, die Hand auszustrecken, um sie auf diese zu locken; andere konnten ungefesselt vor den Zelten sitzen, flogen beim Aufbrechen der Jagdgesellschaft nach dem nächsten Baume, folgten dem Jagdzuge durch Wald und Lichtung, ohne jemals zurückzubleiben, bis ein Jagdvogel aufgestöbert war und ihre Arbeit begann. »Es war«, bemerkt er, »ein wundervoller Anblick, den Vogel, Sultana genannt, wie ein Geschoß hinter dem aufgeflogenen Wildhuhne herstürzen und es schlagen zu sehen, bevor man noch über seine Art ins klare gekommen war. Zuweilen gab es auch einen Wettkampf zwischen beiden: das Huhn voran, Sultana unmittelbar hinterdrein, jeder der beiden Vögel alle Muskeln anstrengend, der Falk mehr und mehr sich nähernd, bis es ihm endlich gelang, die Beute zu schlagen. In einer grasigen Gegend, welche den Blick nicht verwehrt, gestaltet sich solche Jagd zu einem großartigen Anblicke. Nicht minder anmuthend ist auch die Baize auf Frankoline im hohen, dicken Grase. Eine Reihe von Elefanten treibt die Beute auf, der Frankolin steigt gerade aus, der befreite Falk folgt ihm in wagerechter Linie, bis er ihn niederfallen sieht und ergreift, indem er fast senkrecht herabfällt.« Gut abgetragene Habichte lassen sich, nach Thompson, vom Pfau an bis zum Rebhuhne herab auf alle Hühnerarten Indiens verwenden und schlagen in einer Stunde oft über ein Dutzend derselben. Der Berichterstatter hat gesehen, daß sie Pfauen beim Anfliegen tödteten und Hasen schlugen, ohne bestiefelt worden zu sein. Bei Entenjagden in baumreichen Brüchen pflegt der geworfene Habicht sich auf einen der nächsten Bäume niederzulassen und hier zu lauern, bis das Wassergeflügel durch die Treiber aufgescheucht ist. Dann eilt er hinter demselben einher und stößt, sobald sich der Schwarm erhebt. In Persien wird der Habicht häufiger als jeder andere Falk abgetragen und nicht allzuselten mit funfzig Tomans oder vierhundert Mark unseres Geldes bezahlt. Einzelne der gebrauchten Vögel fängt man auf den bewaldeten Hügeln des Südens und Westens, den größten Theil aller aber bringt man aus den kaspischen Waldungen. Man benutzt den Tarlán, wie der Habicht bei den Persern genannt wird, zur Jagd der Steinhühner und des Frankolin. Die weiße, Sibirien entstammende Spielart wird nicht höher geschätzt als die gewöhnliche Form. Auch im südlichen Ural und den angrenzenden Steppen wird gerade dieser Falk am häufigsten abgetragen, theils weil er in allen bewaldeten Gegenden in Menge vorhanden und unschwer zu haben ist, theils weil er sich leicht abrichten läßt.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 591-599.
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