Sperberadler (Morphnus guianensis)

[647] Die bekannteste Art dieser Gruppe ist der Sper beradler (Morphnus guianensis, Falco guianensis). Seine Länge beträgt siebzig, die Breite einhundertfunfzig bis einhundertvierundfunfzig, die Fittiglänge vierzig bis zweiundvierzig, die Schwanzlänge dreißig Centimeter. Das auffallend lockere, eulenartige Gefieder, welches sich am Hinterkopfe zu einem funfzehn Centimeter langen Federschopfe verlängert, verändert sich mit dem Alter des Vogels. Nach Prinz von Wied sind Kopf, Hals, Brust, Bauch, Steiß und Schenkel weiß, ungefleckt, nur hier und da ein wenig gelblich beschmutzt, Rücken-, Schulter- und Flügeldeckfedern, weil die einzelnen Federn hier sehr fein grauröthlich quer gefleckt, punktirt und marmelirt, blaß grauröthlich, die Schwingen schwarzbraun mit schmalen grauröthlichen Querbinden, die Schwanzfedern ihnen ähnlich gezeichnet. Pelzeln dagegen meint, daß dieses Kleid das Jugendkleid sei, der Vogel im Alter aber dunkler werde. Dann sollen Kopf und Kehle dunkelbraun, Nacken, Rücken, Oberseite, Flügel, Unterhals und Brust grünlichschwarz und die oberen Schwanzdecken mit unregelmäßigen, weißen Querbinden und Endsäumen gezeichnet sein.

Der Prinz, Schomburgk und Burmeister theilen uns einiges über Aufenthalt und Lebensweise des noch immer wenig bekannten Vogels mit. Daraus geht hervor, daß der Sperberadler über den größten Theil Südamerikas verbreitet ist und sich ebensowohl in den Küstenwaldungen wie in den Oasen der Steppen, am liebsten aber an Flußufern aufhält. Man sieht ihn in den Lüften kreisen und erkennt ihn leicht an dem blendend weißen Gefieder, welches von dem dunkelblauen Himmel lebhaft absticht. Nach Schomburgk zeichnet er sich auch noch durch sein lautes Geschrei aus. Er wählt sich die dürren Wipfel hoher Bäume zu seinen Ruhesitzen, verweilt hier stundenlang, ohne sich zu rühren, und richtet dann zuweilen seinen herrlichen Federschopf empor. Seine Jagd gilt Säugethieren und Vögeln. Prinz von Wied fand in dem Magen eines von ihm untersuchten Ueberreste von Beutelthieren und erfuhr von den Jägern, daß der Vogel besonders den Affen nachstelle. Der Horst wird nach Schomburgk auf nicht allzuhohen Bäumen errichtet.

Die Jagd des Sperberadlers verursacht der hohen Bäume wegen Schwierigkeiten und gelingt fast nur den Büchsenschützen und den Indianern. »Zwei kräftige Männer der Camacanindianer«, erzählt der Prinz, »erlegten nicht weit vom Ufer des Flusses einen Sperberadler durch einen Pfeilschuß, als er eben auf seinem großen, von Reisern erbauten Horste in den höchsten Zweigen eines gewaltigen Baumes saß. Der lange, kräftige Pfeil war ihm unten in die Kehle gedrungen, demungeachtet wurde er noch völlig lebend in meine Hände abgeliefert. Er muß ein kühner, starker Vogel sein; denn der verwundete wehrte sich heftig mit Klauen und Schnabel. Den [647] Horst ersteigen zu lassen, war leider unmöglich; denn zu diesem schweren Unternehmen wollte sich niemand finden.«


Sperberadler (Morphnus guianensis). 1/5 natürl. Größe.
Sperberadler (Morphnus guianensis). 1/5 natürl. Größe.

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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 647-648.
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