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Auszüge aus den »Erläuternden Nachträgen« des Erstdruckes in der »Deutschen Klinik«

[127] .... Soviel zur Erinnerung an das fünfzigjährige Doktor-Jubiläum Hufelands. Noch einmal sollte ihm im Leben ein glänzender Beweis von der Anhänglichkeit treuer Schüler, von der hohen Achtung und Verehrung der ärztlichen Welt werden. Der bis zum letzten Augenblicke des Lebens unermüdlich tätige Mann ließ nur wenige Wochen vor seinem Tode sein umfangreiches Werk: »Encheiridion medicum oder Anleitung zur medizinischen Praxis. Vermächtnis einer fünfzigjährigen Erfahrung.« (747 S. in 8.) erscheinen und bestimmte den ganzen Ertrag für die Hufelandsche Stiftung. Er hatte die große Freude, die bedeutende Auflage auf das Schnellste vergriffen zu sehen, er mußte selbst noch, ernstlich bereits erkrankt, sich an die Durchsicht einer zweiten Auflage machen, und vollendete auch diese, obwohl er es an Verbesserungen und Zusätzen nicht fehlen ließ, in kürzester Frist. Sie wurde acht Tage vor seinem Tode fertig zur Druckerei gesandt. Mit dieser zweiten Auflage des Encheiridion war Hufelands irdisches Wirken geschlossen;[127] die Dysurie, an der er seit etwa fünf Jahren zeitweilig gelitten, hatte einen immer bedenklicheren Charakter angenommen, es trat zuletzt vollständige Harnverhaltung ein und machte diese endlich die Punctio vesicae nötig. Mutig und ergeben unterzog sich der Kranke der Operation, aber leider folgte derselben Gangrän und schnelle Erschöpfung. Hufeland starb in den Nachmittagsstunden des 25. August 1836. Die Sektion ergab, daß die hornartig indurierte Prostata die Uretra gänzlich verschloß, während sonst alle Organe normal waren.


In wenigen Wochen sind 27 Jahre seit jenem 25. August 1836 verflossen, und doch durfte ich hoffen, vielen Kollegen mit der einfachen Selbstbiographie Hufelands, die ich hier veröffentlichte, eine willkommene Gabe zu bieten. Es macht, weil sein Andenken noch frisch und lebendig ist, weil seine Bedeutung als Arzt, Lehrer, Schriftsteller unvergessen sind. Schön ist die Sitte, auf den Gräbern geliebter Verstorbener, wenn die ersten Frühlingskinder kommen, wenn des Sommers Blumen ihre köstlichen Düfte ausstreuen, volle Kränze niederzulegen, Zeichen treuer[128] Liebe, wacher Erinnerung. Als solche auf Hufelands Grab gelegt mögen diese Blätter gelten.


Ich kann mir nicht versagen, hier einige Worte einer der bedeutendsten und hervorragendsten deutschen Fürstinnen (Herzogin Amalie von Sachsen-Weimar) zu widmen, die auch dadurch für uns so unvergeßlich ist, daß unser großer Dichter wie mit dem Sohne, so mit der Mutter in dem innigsten geistigen Verbande so viele Jahre hindurch lebte. Goethe leitet unter anderm, was er zu ihrem »feierlichen Andenken« geschrieben, mit folgenden Worten ein: »Entsprossen aus einem Hause, das von den frühesten Voreltern an bedeutende, würdige und tapfere Ahnherren zählt; Nichte eines Königs, des größten Mannes seiner Zeit; von Jugend auf umgeben von Geschwistern und Verwandten, denen Großheit eigen war, die kaum ein ander Bestreben kannten, als ein solches, das ruhmvoll und auch der Zukunft bewunderungswürdig wäre; in der Mitte eines regen, sich in manchem Sinne weiterbildenden Hofes, einer Vaterstadt, welche sich durch mancherlei Anstalten zur Kultur der Kunst und Wissenschaft auszeichnete, ward sie bald gewahr, daß auch in ihr ein solcher Keim liege, und freute sich der Ausbildung, die[129] ihr durch die trefflichsten Männer, welche späterhin in der Kirche und im Reich der Gelehrsamkeit glänzten, gegeben wurde. Von dort wurde sie früh hinweggerufen zur Verbindung mit einem jungen Fürsten, der mit ihr zugleich in ein heiteres Leben einzutreten, seiner selbst und der Vorteile des Glückes zu genießen begann. Ein Sohn entsprang aus dieser Vereinigung, auf den sich alle Freuden und Hoffnungen versammelten; aber der Vater sollte sich wenig an ihm und an dem zweiten garnicht erfreuen, der erst nach seinem Tode das Licht der Welt erblickte.«

Anna Amalia, Tochter des Herzogs Carl von Braunschweig-Wolfenbüttel, wurde 1739 geboren, vermählte sich 1756 mit Herzog Ernst August Constantin von Sachsen-Weimar, durch dessen am 28. Mai 1758 erfolgenden Tod sie Witwe und, selbst noch minderjährig, Vormünderin ihres erstgeborenen Sohnes Carl August, sowie Regentin des Landes an seiner Statt wurde. Hinlänglich bekannt ist, wie musterhaft die hohe Frau in schwierigsten Zeiten sich dieser Aufgabe entledigte, bis sie 1774 des mündigen Sohnes eigenen Händen die Regierung übergeben konnte, um selbst, wie Goethe sagt, »eine sorgenfreiere Abteilung des Lebens« anzutreten. Sie sollte deren[130] noch eine lange Reihe von Jahren froh sein, bis ihr edles Herz, das, wie für so vieles Schöne und Würdige, warm auch schlug für des deutschen Vaterlandes Ehre und Heil, brach an der Schmach und dem Unglück, welches der so verhängnisvolle 14. Oktober 1806 bei Jena über dasselbe gebracht hatte. Sie starb am 10. April 1807.

Wie bei der Herzogin Mutter, bekleidete denn auch bei Herzog Carl August Hufelands Vater die Stelle eines Leibarztes, bis er zur Ausübung der Praxis unfähig wurde.


Dr. Goeschen,

Herausgeber der »Deutschen Klinik« 1863.[131]

Quelle:
Hufeland. Leibarzt und Volkserzieher. Selbstbiographie von Christoph Wilhelm Hufeland. Stuttgart 1937, S. 127-132.
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