Kapitel LI.
De mundi pluralitate, et ejus duratione
oder
Von der Vielheit der Welt, und deren Dauer und Währhaftigkeit

[184] Aber wenn sie von der Welt disputieren, so sind sie erst recht strittig untereinander; Thales hat vermeinet, dass nur eine Welt von Gott geschaffen wäre, ingleichen auch Empedocles, aber sie sei ein kleiner Teil des Universums; hingegen haben Democritus und Epicurus dafürgehalten, dass unzählige Welten wären, denen ihr Discipul der Metrodorus nachgefolget, wenn er saget, es seien unzählige Welten, weil ihre Causae und Ursachen auch unzählig sind, und ist ebenso absurd, wenn man statuieren wollte, dass nur eine Welt wäre, als wenn man sagen wollte, es wüchse nur eine Ähre auf einem Acker. Von der Welt Währhaftigkeit oder Dauer aber hat Aristoteles, Averroës, Cicero und Xenophanes dieses gesaget, dass sie ewig und keiner Verwesung unterworfen wäre; weil man nicht penetrieren und ausgrübeln könnte (wie Censorius spricht), ob das Ei oder der Vogel erst gezeuget, da doch das Ei ohne Vogel und der Vogel ohne Ei nicht könne gezeuget werden; so haben[184] sie auch dafürgehalten, dass die Welt eines jedweden erschaffenen Dinges Anfang und Ende, und durch stetswährende Revolution und Bewegung sei. Pythagoras und die Stoici sagen, sie sei von Gott gezeuget, und dermaleins ihrer Natur nach wieder vergänglich. Diesen pflichten bei Anaxagoras, Thales, Hierocles, Avicenna, Algazel und Philo Hebräus. Plato aber bejahet, dass sie von Gott gemachet sei nach seinem Exempel und nimmermehr vergehen würde. Epicurus, dass sie vergeben werde. Democritus lehret, die Welt wäre einmal geschaffen und müsste auch einmal untergehen, und käme niemals wieder herfür; Empedocles hingegen und Heraclitus Ephesius vermeinen, dass die Welt nicht einmal, sondern allezeit geschaffen werde und wieder untergehe.

Es mag uns jetzo vergönnet sein, von einer Sache zu handeln, welche sie selbsten sagen, dass sie von einer natürlichen Ursache herkomme, als zum Exempel vom Erdbeben, so werden sie doch ihre natürlichen Ursachen nicht recht ergründen können, sondern sie werden rum vagieren und nichts Gewisses statuieren; der Anaxagoras saget, die Ursache wäre der Glanz des Himmels, den er Äther nennt; Empedocles saget, das Feuer, Democritus und Thales Milesius das Wasser, Aristoteles, Theophrastus und Albertus der Sturm und die Dünste unter der Erden, Asclepiades der Zusammensturz. Poseidonius, Metrodorus und Callisthenes halten dafür, es wären die Parzen oder die Göttinnen, welche die Lebenszeit und das Glück bestimmten und in ihren Händen hätten. Seneca und andere untereinander Streitende, die haben nach dessen Ursache und Effekt, wie sie sagen, umsonst sich bekümmert und denenselben nachgeforschet.

Derowegen die alten Römer, wenn sie gehöret haben, dass ein Erdbeben gewesen ist, haben sie zwar Feiertage gehalten, aber sie wussten nicht, wem unter den Göttern sie solche zu Ehren halten sollten, weil man nicht wüsste, durch welchen ihrer Götter oder durch wessen Kraft die Erde so wäre erzitternd worden.[185]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 184-186.
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