Kapitel LIX.
De festis
oder
Von Festtägen

[235] Die Festtäge sind sowohl bei den Heiden als bei den Juden mit grosser Devotion feierlich begangen worden, welche sie alle in gewisse Jahreszeiten ausgeteilet und zu gewissen Tagen Gott also geehret haben; gleich als wann es vergönnet wäre, bisweilen vom Gottesdienste abzuweichen, oder als wann Gott nur zu gewissen Zeiten wollte geehret sein, welches Paulus den Galatern als eine Schande vorgeworfen hat, wann er also an sie schreibet: Dies observatis et menses et tempora et annos; timeo ne in vobis frustra et sine causa laboraverim. Das ist: Ihr haltet Tage und Monden, Feste und Jahreszeiten; ich fürchte, dass ich nicht vielleicht umsonst habe an euch gearbeitet.

Und hat auch deswegen die Colosser erinnert und ihnen dieses geboten, wann er weiter saget: Nemo vos judicet de cibo et potu in parte diei festi aut neomeniae aut sabbathorum, quae sunt umbra futurorum. Das ist: Lasset euch niemand ein Gewissen machen über Speise oder über Trank, oder über bestimmten Feiertägen oder Neumonden oder Sabbather, welche sind der Schatten von dem, was zukünftig sein wird.[235]

Bei rechtschaffenen und wahrhaftigen Christen aber soll kein Unterschied der Tage sein; sie sollen allezeit in der Feier, auch in Gott ruhig sein und ohne Unterlass den rechten Sabbath begehen, wie der Prophet Esaias geweissaget hat über die Väter der Juden: Fore aliquando, ut Sabbatum eorum tolleretur, cumque venerit Salvator, futurum Sabbatum perpetuum, perpetuasque Neomenias. Das ist: Es wird die Zeit kommen, dass euere Sabbather sollen aufhören, wann da kommen wird, der ist der Heiland und aller Heiden Trost, und wird ein immerwährender Sabbath und Neumonden angehen.

Hingegen dem grossen Volke und einer schwachen Gemeine, auch einem unvollkommenen Teile einer Kirchen, denen sind dergleichen Täge von den Vätern angeordnet und gesetzet worden, an welchen sie haben müssen zusammenkommen, die Predigt Gottes Worts anzuhören, den Gottesdienst abzuwarten und die heiligen Sacramenta zu gebrauchen, jedoch mit dieser Bescheidenheit, dass nicht die Kirche den Tagen gedienet, sondern die Tage der Kirchen; und sind diese Tage von den Vätern der Kirche zu dem Ende gesetzet, damit sich das gemeine Volk von ihren äusserlichen Geschäften und Leibesverrichtungen möchte abtun, Gott freier zu dienen, ihr Gebet und Andacht abzuwarten, die Predigten anzuhören und was sonsten zu ihrer Seelen Seligkeit dienlich ist, zu verrichten.

Aber jener Verkehrer der Billigkeit und Verstörer aller guten Ordnung, der Anfänger alles Übels, der Teufel, der trachtet stets darnach, wie er dasjenige, was der Heilige Geist aufgebauet, wieder übern Haufen werfen möchte, der bemühet sich, auch dieses Schloss zu verwüsten. Also wendet der grösste Teil des christlichen Volks diese heilige Feiertäge nicht an zum Beten und Gottes Wort zu hören, oder zu dem, warum diese Festtäge gewidmet sind, sondern vielmehr der christlichen Lehre zur Schande in Komödien und Gauklereien, in Spielen und Gesängen, in Saufen[236] und Schwelgereien und in andern fleischlichen Lüsten und in irdischen Werken, die dem Heiligen Geiste zuwider sind; und wie Tertullianus von Solennitäten der Kaiser spricht: Solent grande officium agere, focos et choros in publicum ducere, vicatim epulari, civitatem tabernae habitu abolefacere, vino gulam cogere, certatim cursitare ad injurias, ad impudentias, ad libidinis illecebras; sie exprimitur publicum gaudium per publicum dedecus. Das ist: Sie pflegen damit ein grosses Werk zu begehen, auf den Gassen herumzutanzen und springen, einer um den andern einen Schmauss zu geben und die ganze Stadt als eine einzige Stube mit gutem Rauchwerk anzufüllen, tapfer zu saufen und schwelgen, miteinander zu schlagen und balgen, und Ursache suchen zu Zank und allerhand anreizenden Wollüsten. Und also wird die allgemeine Freude durch öffentliche Schande am Tag gegeben. Sind wir derowegen nicht verdammenswert, die wir auf diese Art des Herrn Christi und der Heiligen Solennitäten begehen? Aber von diesen Festtägen haben wir über der Manichäer ihre Unsinnigkeit und Gotteslästerung und der Cataphrygum schändliche Lehre, fast keine oder doch wenig Ketzereien mehr erfahren; jedoch haben diese Sachen in der Kirchen Gelegenheit zur Spaltung gegeben; denn Victor, der römische Papst, hat fast alle Kirchen im Morgenlande von der Gemeine abgeschnitten und nur bloss aus der Ursache, dass sie bei Zelebrierung des Ostertages andern Gebräuchen, als zu Rom sind üblich gewesen, gefolget und angestellet haben; welche Gebräuche unter andern fürtrefflichen Leuten Polykrates, der Bischof in Asien, ihnen wiedergegeben hat; und obgleich Irenaeus, der Bischof zu Lyon, nach römischem Gebrauch das Osterfest zelebrieret hat, so hat er sich doch mit einer sonderbaren Libertät unterstanden, den Papst Victorem deswegen zu schelten, dass er ohne Exempel seiner Vorgänger als ein Friedenstörer die Kirchen, die nicht im Glauben geirret haben, sondern nur in gewissen Gebräuchen von der römischen Kirchen[237] sind different gewesen, alsobald von der Kirchen abgeschnitten hat.

Nachgehends aber sind über die Observation des heiligen Osterfestes viel Concilia und päpstliche Decreta und Bedenkungen der Väter, welche sie die Kirchenrechnungen genennet haben, für den Tag kommen, und gleichwohl haben sie noch bis auf den heutigen Tag zu diesem heiligen Osterfest durch die ganze Welt keinen bestimmten Tag setzen können, und wird noch immer von den Astrologis und Kalenderschreibern gestritten, aber kein Decisum gemachet. Und ist fürwahr eine schöne Sache, dass wegen eines einzigen römischen Papstes halsstarrigen Eifer die Kirche so grossen Schiffbruch leiden soll.[238]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 235-239.
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