Kapitel LXVI.
De oeconomia in genere
oder
Von der Haushaltung insgemein

[296] Unter eine wohlbestellte Republik gehöret auch die Haushaltung, weil sie selbsten nichts ist, als eine häusliche Republik und eine Privatmonarchie; ihre Arten aber sind mancherlei. Denn manche wird genannt eine königliche oder höfische, manche eine herrliche oder kriegerische, manche wiederum eine öffentliche oder allgemeine oder eine gesellschaftige, manche eine private oder klösterliche; und diese Wissenschaft lehret uns, wie das Weib, Kinder, die Verwandtschaft und das Gesinde regieret werden muss, wie das Haus muss beschützet und bewahret werden und woher die Unkosten dafür zu nehmen sind; auch was im übrigen schlau gemachet werden muss bei den Einkünften, bei den Zöllen, Steuern, Zehnten, Zinsen, Monopolien und was sonsten zum Gewerbe gehöret; wie auch, was bei den Zünften, Sozietäten, Bündnissen, beim Krieg und Prozessen muss beobachtet werden. Dieses alles, weil es kein Mass noch Regul in sich begreifet, wird für ein Anomalum oder unregelmässige Sache gehalten. Derowegen kann die Ökonomie weder eine Kunst[296] noch eine Wissenschaft genennet werden, sondern vielmehr eine aus der Menschen Opinion, Gebrauch, Gewohnheit und Schlauheit herrührende beständige häusliche Disziplin, zu welcher die Handwerksstühle und artes mechanicae alle können gezogen werden, welche in Lein, Flachs, Holz, Eisen, Erz und andern Metallen arbeiten, auch die knechtliche Hantierungen der Barbierer, Bader, Wirte und anderer mehrer Arten kleiner Gewerbe, welche der privaten Lebensnot dienen und mit der Regierung des gemeinen Wesens und mit der Leitung der Geschäfte nichts zu tun haben, und welche auf nichts Hohes, Freies oder Heroisches, so da könnte genennet werden, ein Absehen haben.

Dergleichen Leute nun sind so viel, dass sie nicht alle können aufgezählet werden; doch haben sie alle etwas Knechtliches bei sich, die meisten auch sind mit gewissen Lastern besudelt, wie die Fuhrleute, Schiffer, Wirte und mehr solch Völkchen, welche sich nur an Zuträgereien und Fabeln belustigen und ein unnützes Geschwätze in der Stadt machen; gleichergestalt auch die Barbierer, die Bader und Hirten; denn diese machet die Fabel Midae, und jene die Fabel Batti infam und nichtswürdig; hierher gehören auch die Kantores, Pfeifer und Musikanten, welche bei denen Conviviis ums Lohn aufwarten. Unter allen aber ist das Leben der Schiffleute das erbärmlichste und elendeste, derer Wohnung wie ein Kerker ist, ihre Speise ist unrein und grob, ihre Kleider schmutzig und ihr Leben ein ewig währendes Exilium; sie müssen allezeit wandern und ohne Ruhe sein, und werden vom Wind und Wellen hin- und hergetrieben, sind der Hitze, Kälte, Regen, Blitz, Hunger und Durst stets unterworfen; hierzu kommen auch die gefährlichen Örter im Meere, die Scyllae, Charybdes, Symplegades und andere Gefährlichkeiten mehr, grosse Sturmwetter, über welche nichts Traurigers und Schrecklichers sein kann, und nebenst viel Bösen mehr sehen sie endlich die stetswährende Gefahr des Lebens für Augen; so wie sie nun unter allen Leuten[297] die unglückseligsten, also sind sie auch die allerverruchtesten. Aber unter allen mechanischen Künsten sind die Kaufmannschaft, der Ackerbau, der Militärdienst, die Medizin, der Advokaten Zungendrescherei die vornehmsten, von welcher wir unten nach der Ordnung was sagen wollen. Jetzo wollen wir erstlich die Generalfundamenta der Ökonomie betrachten.[298]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 296-299.
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