Kapitel LXVIII.
De oeconomia regia sive aulica
oder
Von fürstlicher Haushaltung zu Hofe

[306] ES ist noch übrig, dass wir die fürstliche oder höfische Haushaltung auch ein wenig betrachten. Aber fürwahr, der Hof ist nichts anders als ein Riesen-Kollegium oder ein Convent vieler adeligen bösen Buben, ein Theatrum loser Herren-Diener und – Trabanten, eine Schule böser Gebräuche und Sitten, und ein Asylum der Freiheit aller schändlichen Laster; und wo nichts anders als Hoffart, Hochmut, Räuberei, böse Lüste, Verschwendung, Neid, Zorn, Fressen und Saufen, Gewalt, Gottlosigkeit, Bosheit, Misstrauen, Betrug, Grausamkeit und andere Laster mehr wohnen, regieren und im Schwange geben. Da werden Hurerei, Ehebruch, Entführung und andere Schlechtigkeiten mehr, so von den Fürsten und Edelleuten begangen werden, für ein Spiel gehalten, da sind oft der Könige und Fürsten Mütter ihrer Kinder Kupplerinnen, da kommen alle Sturmwinde der Laster zusammen, da leiden die Tugenden unbeschreiblichen Schiffbruch. Der Fromme oder Gute wird unterdrückt und der Böse erhoben und befördert; Schlichte und Gerechte[306] werden ausgelachet und verfolget, Kühne und Unverschämte kommen empor; alleine die Schmeichler, die Ohrenbläser, die Verleumder, die Aufzieher, die Lästerer, die Hohlhöpler oder falschen Ankläger, die Ehrenschänder, die Beinunterleger und die Erfinder aller Mutwilligkeit, und welche die Bosheiten gleichsam an einem Schnürchen führen, die können allda ihre Fortune und Glücke machen. Ihr Leben ist unter allen das Schändlichste, und was nur die Perversität eines greulichen Tieres verüben kann, das fleusst hier wie eine Herde in ein Corpus zusammen; da ist die Grausamkeit des Löwen, das Wüten des Tigertiers, die Schröcklichkeit des Bären, die Vermessenheit des wilden Schweins, die Stolzheit des Pferdes, die Rauberei des Wolfes, die Obstinatigkeit des Kalbes, der Betrug des Fuchses, die Arglistigkeit des Chamäleons, die Unbeständigkeit des Panthertiers, die Beisswut des Hundes, die Verzweiflung der Elefanten, die Rache des Kameles, die Furcht des Hasen, das freche Gebaren des Bockes, die Unreinigkeit des Schweines, die Albernheit des Schafes, die Tölpelhaftigkeit des Esels und die Possenreisserei des Affen.

Da sind die wütenden Centauri, die schädlichen Chimerae, die unsinnigen Satyri, die hässlichen Harpijae, die gottlosen Syrenes, und zweigestaltigen Scyllae, da sind die greulichen Straussvögel, die fresshaftigen Greifen, die gierigen Drachen; und was sonst die Natur für ungeheure Monstra mehr herfür gebracht[307] hat, die werden alle da gesehen, und haben daselbst ihre Wohnungen. Hingegen finden die Tugenden ihre Henker und Tyrannen dar; in Summa, entweder man muss die Schalkheit, Bosheit und Gottlosigkeit an sich nehmen, oder muss vom Hofe bleiben.


Non impune licet, nisi cum tätig, exeat aula,

Qui vult esse pius.


Das ist: Wer ein fromm und gottesfürchtig Leben führen will, muss des Hoflebens ganz und gar müssig gehen. Es kann den Städten kein ärger Übel widerfahren, als der Hof eines Mächtigen; ist er da, so ist er wie ein Komet, der Böses wahrsaget, und bringet wie eine ansteckende Pest den äussersten Ruin mit sich; der Hof mag hingezogen oder hingelegt werden, wo er hin will, so wird er doch unheilvolle Bisse, als wie von einem tollen und rasenden Hund, hinter sich lassen. Er machet alle Sachen an Werte teuer, indem ein jedweder allda von den Hofleuten Gewinnst holen will; da steiget alles auf, der Überfluss in Speisen ist gemein, alles müssen fremde Gerichte sein, jedweder Mann lebet in Schmausen und Sausen, und das Seinige muss schmählich durch die Gurgel gejaget werden; der Übermut und der Pracht ist gross, welchen hernach die Bürger und Bürgers-Weiber auch nachahmen, also dass ein jedwedes Haus davon angestecket wird, und die Hoffart und Pracht annimmt; da werden die guten Sitten korumpieret und vielfältige Laster eingeführet, welches ein schändliches Übel ist.

Wann nun diese Hofleute von der Stadt Abschied nehmen, hilf lieber Gott, was lassen sie für einen garstigen Gestank hinter sich. Da hat einer ein Weib zur Ehebrecherin gemachet; ein anderer hat ehrlicher und vornehmer Leute Tochter zur Huren gemachet, oder wohl gar mit sich weggeführet; ein anderer hat eine Zahl Hurenkinder hingesetzet; was soll ich viel sagen, da entstehet gross Trauern, da wird die ganze Gestalt der Stadt verändert zu der Gestalt einer Hure.

Ich kenne eine berühmte Stadt in Frankreich, welche deswegen ganz und gar ist umgekehret worden, dass[308] man fast keine ehrbare Matrone oder ehrliche Jungfer mehr darinnen gefunden hat; ja es achtet sich's noch wohl eine für eine Ehre, wann sie eine berühmte Palast-Hure gewesen ist; und die alten Matronen sind der Jungen Kupplerinnen und ist diese Schande also eingerissen, dass fast an keinem Orte weder Scham noch Ehre mehr ist; und fraget der Mann nichts darnach, ob sein Weib huret oder nicht, wann nur, wie Abraham zur Sara spricht, es ihm wegen des Weibes wohlgehet, und er in Gnaden ist.[309]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 306-310.
Lizenz:
Kategorien: