Kapitel LXXVIII.
De agricultura residuum
oder
Von dem Ackerbau das Übrige

[21] Aber wir müssen wieder auf den Ackerbau kommen; von diesem nun und von der Weide, von der Fischerei, von der Jagd und vom Vogelfangen haben geschrieben Hiero, Philometer, Attalus und Archelaus, die Könige, Xenophon und Mago, die Heerführer, Oppianus, ein Poet, auch Cato, Varro, Plinius, Columella, Virgilius, Crescentius, Palladius und viel andere neuere. Cicero hat gemeinet, dass nichts Besseres, nichts Nützlicheres und einem freien Menschen nichts Anständigers wäre, als der Ackerbau. Ihrer viel haben auf denselben ihr Summum Bonum und ihre zeitliche Glückseligkeit gesetzet; dahero nennet Virgilius die Ackerleute die Glückseligen, und Horatius die Seligen; und das Delphische Oraculum hat einen gewissen Aglaum für den Preisenswertesten ausgerufen, weil er in Arcadia ein klein Gütlein auf dem Lande bewohnet hat und davon niemals wegkommen ist; denn auf solche Art habe er in seinem ganzen Leben keine Begierde nach was Bösem und keine Erfahrung darin haben können.[21]

Aber gleichwohl, diese armseligen Leute, welche soviel Wesens von dem Ackerbau machen, die wissen nicht, dass er uns eine Wirkung ist der Sünde und dass er uns des höchsten Gottes Fluch ankündiget; denn als derselbe den Menschen aus dem Paradies gestossen, so hat er ihn auf den Acker geschicket und zu dem Sünder Adam gesaget: Maledicta terra in opere tuo, in laboribus comedes ex ea omnibus diebus vitae tuae; spinas et tribulos germinabit tibi, et comedes herbas terrae, in sudore vultus tui vesceris pane tuo, donec revertaris in terram, de qua sumptus es. Das ist : Verfluchet sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollt du dich drauf nähren dein Leben lang, Dorn und Disteln soll er dir tragen, und sollt das Kraut des Feldes essen; im Schweisse deines Angesichts sollt du dein Brot essen, bis dass du wieder zur Erden werdest, davon du genommen bist.

Und dieses empfindet niemand mehr als die Bauern und Feldarbeiter, denn indem sie pflügen, säen, eggen, schneiden, hacken, mähen, ernten, weinlesen, weiden, scheren, jagen, fischen, so sehen wir, dass nach aller Mühe und Arbeit diesem der Hagel und Wetter das Getreide auf dem Felde zuschläget, einem sterben die Schafe oder die Ochsen, oder werden von Soldaten weggenommen, dem andern wird das Seinige zugrunde gerichtet, und leiden mit ihren weinenden Kindern und der armen Frau Hunger und Kummer, und gehen mit ungewisser Hoffnung abermals auf ihre Arbeit. Ehe Gott diesen Fluch gegeben hat, hat man den Acker so nicht künstlich bauen, auch das Vieh nicht füttern und auch nicht jagen und fischen dürfen; die Erde hat alles freiwillig von sich gegeben, Winter- und Sommerfrüchte haben durch Lieblichkeit ihres Geruchs erfreuet und die Wiesen mit ihren schönen Blumen stets floriert; so ist auch dem Menschen nichts Schädliches aus der Erden gewachsen, kein Kraut ist giftig gewesen, kein Baum unfruchtbar oder wilde, der Gift ist den Nattern und Schlangen und andern kriechenden Tieren benommen gewesen,[22] und hat der Mensch (wie Beda für all das unser Autor ist) über alle Tiere die Herrschaft bekommen, und hat sowohl den wilden Tieren als zahmen Viehe gewisse Last aufgeleget, er hat den Fischen im Meere geboten, die Vögel sind auf sein Begehren zu ihm geflogen, und hat, sobald er ist geboren worden, alle Bewegungen verrichten, und ohne Kleidung und Bedeckung, ohne gewürzte Speisen und ohne Medicamenta ein glückselig Leben führen können, weil ihm alles zu Gebote gestanden hat, wie jener Poet saget: Terra cibum pueris, vestem vapor, herba cubile. Das ist: Die Erde gab alsobald den Kindern ihre Speise, keine Kleidung bedurften sie nicht, und ihr Bette hatten sie auf dem grünen Grase. Aber die Schuld der Sünden, und die darauf erfolgete Notwendigkeit des Todes hat uns alles zu nichte gemacht. Jetzo bringet die Erde über unsern sauern Schweiss und Arbeit von sich selber nichts mehr herfür, ja sie zeuget tödliche und giftige Sachen, und damit will sie uns öffentlich unser Leben vorhalten; auch über die Erde machen es die andern Elementa nicht viel besser mit uns. Wieviel Menschen nimmt das Wasser oder das Meer durch seine Sturmwinde weg, wieviel kommen durch wilde Tiere um? Ist nicht auch die Luft mit Donner, Hagel, Ungewitter uns entgegen? Deutet uns nicht der Himmel selbsten durch pestilenzische Seuchen unsern Untergang an? Ja es sind uns auch die Tiere, gleich als wann sie es miteinander abgeredet hätten, zuwider, und der Mensch selber, wie das Sprichwort lautet, ist des andern Wolf, um und um uns herum sind unreine Geister, die uns zu aller Wollust anzureizen versuchen, und in ihr Garn zu bekommen trachten, da wir nichts als ewige Pein und ewige Marter zu hoffen haben.

Aus diesem allen ist es ja mehr als zu offenbar, dass der Ackerbau nebst allem Weiden, Fischen und[23] Jagen nichts anders ist, als ein Verlust und Beraubung unserer besten Sachen, und hingegen eine Erfindung des Bösen, womit wir in diesem Leben bis an unser Ende uns schleppen müssen, womit wir der Unfruchtbarkeit des Erdreichs, dem Mangel der Nahrung, den Unbilden von Frost und der Hitze durch die Bekleidung nur auf eine Zeitlang abhelfen oder vielmehr nur ein wenig sie besänftigen.

Aber gleichwohl hätte der Ackerbau bei diesem unserm elenden Zustande ein nicht geringes Lob, wann er in seinen Grenzen geblieben wäre und uns nicht hätte lernen wollen, wie wir wunderliche Gewächse der Kräuter säen, und sonderlich fremde, und von ihrer Natur ganz abgesonderte Bäume pflanzen sollten; wie Pferde mit Eseln, Hunde mit Wölfen und andere wunderliche Tiere wider das Gesetze der Natur vermischet werden könnten. Auch welchen Tieren die Natur, der Himmel, das Meer und die Erde die Freiheit gegeben, die schliessen wir ein in Vogelbauer, in Hälter, in Tiergarten und in andere Carcer und Behältnisse, ja wirblenden sie, schneiden ihnen gewisse Gliedmassen ab und mästen sie in ihren dunkeln Löchern.

Aus dem Flachs, Wolle, Seiden und aus den Stoffen, die wir sollten zu unserer notdürftigen Bekleidung anwenden, machen wir prächtige Zeuge und Gewebe, welche zu nichts anders als zu des Menschen Überfluss, Hochmut, Stolzheit, Pracht, und endlich zu unserm Verderb und Untergang ausgesonnen und erdacht sind; wie sich Plinius nur alleine über den Flachs beschweret, denn da spricht er: der Flachs ist erstlich so ein kleiner Samen, hernach ein Gewächs, bald aber wird er zu einem Segel, das, durch des Windes Zublasen einen in die ganze Welt kann hin- und wiederbringen, und zwinget die Leute selber, dass sie auf dem Wasser, als wann es ihnen nicht genug wäre, dass sie auf dem Lande stürben, müssen umkommen und von Ungeheuern gefressen werden.

Über dieses haben die Ackersleute, die Hirten, die[24] Fischer, die Jäger und Vogelsteller soviel Observationes und Anmerkungen, welche nicht sowohl närrisch und lächerlich, als abergläubisch und Gottes Wort zuwider sind; damit wollen sie Wetter vertreiben, die Saat fruchtbar machen, Wölfe und andere schädliche wilde Tiere wegjagen, Fische und Vögel mit Händen fangen, flüchtige Tiere zum Stehen zwingen und des Viehes Krankheiten beschwören. Von diesem allen haben diejenigen, derer wir oben gedacht, weitläuftig und mit grossem Aberglauben geschrieben.[25]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 2, S. 21-26.
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