Kapitel XI.
De mathematica in genere
oder
Von derjenigen Wissenschaft, die von der Grösse der Dinge handelt und sonst Mathesis genannt wird

[70] Es ist aber nun Zeit, von den mathematischen Disziplinen etwas zu sagen, welche für die gewissesten gehalten werden, da doch auch alle diese Wissenschaften nur bloss in ihres Lehrmeisters Einbildung und Meinung bestehen, welche, dass sie nicht wenig geirrt haben, man zum öfteren gesehen hat. Dieses bezeuget einer unter ihnen, der Albubater, wenn er spricht, die Alten bis nach Aristotelis Zeiten haben von der Mathesi im geringsten nichts gewusst. Und obgleich diese Kunst meistenteils in Untersuchungen über die Kreislinie (in der Figur, in Zahlen oder in der Bewegung) bestehet, so müssen sie doch gestehen, dass keine perfekte Runde sei, und weder durch Kunst, noch durch, die Natur erfunden werden kann.

Und obwohl diese Wissenschaften gar wenig oder fast keine Ketzerei in der Kirche verursachen, so dienen[70] sie auch nichts, wie Augustinus spricht, zur Seligkeit, sondern sie erwecken mehr Irrtümer, und die, die sie lernen, die weichen von Gott ab und sind, wie Hieronymus spricht, keine Wissenschaften der Gottesfurcht.[71]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 70-72.
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