Kapitel XLIII.
De magia venefica
oder
Von eben dieser Kunst, vermittelst den Arzneien oder Vergiftungen

[159] Es ist noch eine andere Art der Magiae Naturalis, welche man die vergiftete oder die apothekerische nennet, welche durch gewisse Tränke oder Liebestränke und vergiftete Arzneien ausgeübt wird; dergleichen lesen wir, dass Democritus soll gemacht haben, dass gute und glückselige Kinder haben sollen gezeuget werden, oder dass man der Vögel Stimmen recht hat verstehen können, wie Philostratus und Porphyrius von dem Apollonio erzählen. Virgilius hat auch von etlichen Meerkräutern dies geschrieben:


His ego saepe lupum fieri et se condere sylvis

Moerim, saepe animas imis excire sepulchris,

Atque satas alio vidi traducere messes.


Das ist: Ich habe oft gesehen, wie die Leute in grausame Wölfe verwandelt werden, dass sie in die Wälder gelaufen und sich allda verborgen, oft sind die verstorbenen Seelen aus ihren Gräbern hervorkommen, und das Getreide, so an diesem Ort erwachsen gewesen, ist an einem andern verrücket und versetzet worden. Und Plinius erzählet, dass einer, Demarchus[159] Parrhasius genennet, in einem Opfer, welches die Arkadier dem Jovi Lyceo als ein Schlachtopfer gebracht, eines Knaben Eingeweide gegessen habe und in einen Wolf verwandelt worden sei; weswegen Augustinus meinet, dieser Name dem Pani Lyceo und dem Jovi Lyceo ist gegeben worden. Dieser Augustinus erzählet, dass, als er in Italien gewesen, etliche magische Weiber als Zauberinnen den reisenden Leuten Gift im Käse gegeben, und sie dadurch in Vieh verwandelt, und also ihre Last als ein Vieh getragen hätten, und nach der Hand wären sie wieder zu Menschen geworden; und das wäre zu derselben Zeit einem gewissen Prästantio widerfahren. Auch damit nicht etwan einer glauben möchte, als wären es Narrenspossen, oder ein erdichtet und unnützlich Werk, so sollte man daran gedenken, was die Heil. Schrift erzählet, dass der König Nabuchodonosor in einen Ochsen sei verwandelt worden, und habe sieben Jahre von Heu gelebet, endlich aber sei er aus Gottes Barmherzigkeit wieder zum Menschen worden; dessen Körper nach seinem Tode sein Sohn Evilmerodach den Geiern zur Speise gegeben hätte, damit er nicht noch einmal vom Tode möchte auferstehn, der von einer Bestia wieder wäre zu einem Menschen gemachet worden.

Von den Weisen des Pharaonis werden mehr Sachen erzählet in dem zweiten Buch Mosis. Aber von solchen Magis oder Giftmischern redet derweise König Salomo, wann er spricht: Exhorruisti illos, Deus, quia horribilia opera tibi faciebant per medicamina; das ist: Du hast sie geplaget und erschrecket, weil sie durch ihre Zauberei auch schreckliche Dinge taten. Das wollte ich gleichwohl auch, dass ihr es wissen möchtet, dass diese Magi nicht allein natürlichen Sachen, sondern auch solchen, welche bisweilen der Natur helfen, oder ein wenig davon abgehen, nachgrübeln, als da sind die Bewegungen, die Zahl, die Figuren, der Klang, die Stimme, das Licht, die Wörter und andere Bewegungen des Gemütes; also ruften die Psylli und Marsi die Schlangen zusammen, andere verjagten sie, also[160] hat der Orpheus auf den Schiffen der Argonauten das Wetter mit einem Hymno oder Lobgesang gezwungen und aufgehalten; und Homerus erzählet, dass des Ulyssis Blut sei von einem Spruche gestillet worden, und in Lege XII Tabularum lesen wir, dass diejenigen, welche die Ernte bezaubert haben, mit grosser Strafe sind beleget worden. Es ist also kein Zweifel, dass die Magi auch nur mit blossen Worten und Affekten, nicht allein von sich selbsten, sondern auch von andern Menschen und Dingen grosse und wunderliche Effekten und Ausgänge gewiesen haben. Welches alles bisweilen nicht weniger eine innerliche Kraft von sich sehen lässet, oder etwas zu sich ziehet oder von sich stösset, oderauf eine andere Art Wirkung tut, wie der Magnet das Eisen und der Agtstein die Spreu zu sich ziehet, oder wie der Diamant und der Knoblauch den Magnet binden.

Also hat Jamblichus, Proclus und Synesius nach der Weisen Meinung uns bekräftiget, dass durch der Sachen Sympathie, die gleichsam kettenweise aneinander hänget, nicht allein die natürlichen, sondern auch himmlischen Gaben könnten von dem Menschen angenommen und verstanden werden, welches Proclus in einem Buche von dem Opfer oder von der Magia bekennet, dass durch den Consensum oder Übereinstimmung der Sachen die Magi Götter haben pflegen zu zitieren. Aber etliche unter ihnen sind auf die Letzt so närrisch geworden, dass ihnen aus des Gestirnes Konstellationen, und durch derselben Observation ein Gebilde zu machen gelingen müsste, das Leben und Verstand bekäme und so auf ihren Befehl die Arcana der verborgenen Wahrheit revelieren könnte. Dahero ist es offenbar, dass die Magia oder diese natürliche Kunst oftermals in eine Teufelsbannerei und Schwarzkünstlerei durch Betrug und Irrtümer der bösen Geister ist nausgeschlagen und verwandelt worden.[161]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 159-162.
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