Das Brahman und die Götter

[42] Brahman dringt Name und Gestalt gebend in die Welten ein. Diese Vorstellung wird später in bestimmterer Form in der Chândogya-Upanishad VI, 2 entwickelt, wonach das als Gottheit gedachte Sein die von ihm zuerst geschaffenen drei Elemente Feuer, Wasser, Nahrung mit seinem Selbst durchdringt und Name und Gestalt, d.h. Individualität schafft. In dem Buddhismus erscheint Name und Gestalt als drittes Glied, das aus dem Erkennen entsteht und selbst wieder Ausgang der sechs Organe wird (Oldenberg, Buddha5 S. 270 ff.).


Die Welt war anfangs Brahman. Es schuf die Götter und nach ihrer Schöpfung setzte es sie einzeln in die Welten ein, in diese Welt den Agni, den Vâyu in den Luftraum, an den Himmel die Sonne.

In die Welten, welche höher als diese (drei) waren, setzte es die Götter ein, welche höher als diese (drei) waren. So wie hier die Welten sichtbar sind und ihre Götter, so sind jene Welten und deren Götter, welche er in sie einsetzte, sichtbar.[42]

Das Brahman aber selbst ging nach der entgegengesetzten Seite. Nach der entgegengesetzten Seite gegangen, überlegte es: ›Wie möchte ich in diese Welten wieder hinabgehen?‹ Es ging mittels zweier Dinge, nämlich mittels Name und Gestalt in sie wieder hinab. Was immer einen Namen trägt, das ist eben Name; was aber keinen Namen trägt und, indem man sich sagt, ›diese Gestalt ist das‹, an seiner Gestalt erkennbar ist, das ist Gestalt. So weit reicht diese Welt, wie Name und Gestalt.

Das sind die beiden großen Mächte Brahmans. Wer diese beiden Mächte Brahmans kennt, wird zur großen Macht.

Das sind die beiden großen Geheimkräfte Brahmans. Wer diese beiden großen Geheimkräfte Brahmans kennt, wird zur großen Geheimkraft. Von diesen beiden ist eins das wichtigere, die Gestalt. Denn auch was Name ist, ist Gestalt. Wer das wichtigere von beiden kennt, wird wichtiger als der, dem er überlegen zu werden wünscht.

Die Götter waren anfangs sterblich. Als sie durch das Brahman es erreichten, wurden sie unsterblich. Wenn er dem Geist ein Gußopfer bringt – Geist ist Gestalt, durch den Geist erkennt er: ›das ist diese Gestalt‹ –, dadurch erlangt er die Gestalt. Wenn er der Rede ein Gußopfer bringt – Rede ist Name, durch die Rede erfaßt er den Namen –, dadurch erlangt er den Namen. So weit reicht dies All, wie Name und Gestalt. Das alles erlangt er. Das alles ist unvergänglich. Dadurch wird ihm unvergängliches gutes Werk, unvergängliche Welt zuteil.


(XI, 2, 3, 1 ff.)

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 42-43.
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