Wesen des Âtman

[141] Wer ist es, den wir als Âtman verehren? Welcher von beiden ist der Âtman1, durch den man sieht oder hört oder die Gerüche wahrnimmt oder die Rede artikuliert, süß oder nichtsüß unterscheidet? Das Herz (Vernunft) hier und der Geist: nämlich Übereinstimmen, Vernehmen, Unterscheiden, Erkennen, Verstand, Blick, Charakter, Nachdenken, Selbständigkeit, Energie, Erinnerung, Entschluß, Willen, Leben, Liebe, Macht2, all das sind nur Bezeichnungen für das Erkennen. Es ist Brahman, es ist Indra, Prajâpati, alle Götter, die fünf großen Elemente Erde, Wind, Äther, Wasser, Lichter, und mit den kleinen Samen die aller Art und Eientsprossenes, Mutterleibentsprungenes, Schweißgeborenes, Keimgeborenes, Rosse, Rinder, Menschen, Elefanten, was immer atmet, geht, fliegt, was immer steht, all das wird[141] vom Erkennen gelenkt, wurzelt in dem Erkennen; die Welt wird vom Erkennen gelenkt; Erkenntnis ist die Wurzel; Erkennen das Brahman. Mittels dieses erkennenden Âtman stieg er aus dieser Welt empor, erlangte er in jener Himmelswelt alle Wünsche und wurde unsterblich, und wurde unsterblich.


(III)

1

Der Wortlaut scheint nicht in Ordnung: ko 'yam âtmeti ist eine zitierte Frage, auf die die Antwort nur andeutungsweise und unvollständig gegeben ist. Zu vayam upâsmahe erwarten wir eine weitere Auskunft. (Eine solche andeutungsweise gegebene Antwort, die den Erklärer voraussetzt, steht auch oben I, 3: »Das und das und das ist die Wohnung«.) Die weitere Frage ›welcher von beiden‹ setzt eine solche genauere Antwort voraus. Auch die Übersetzung: »Wer ist er?« »Als Âtman verehren wir ihn«, »Welcher von beiden ist der Âtman?« führt nicht zur Klarheit.

2

Die Wiedergabe der einzelnen Worte unterliegt manchem Zweifel; einige Bedeutungen sind dem Kommentar entnommen. Vgl. hierzu Berriedale Keith' Bemerkung Aitareya Âranyaka, S. 234: »That these terms, which remind us of the later meaningless Buddhist repetitions, had ever any definite meaningiess most improbable.«

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 141-142.
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