Vom Tode und vom Karman

[62] Das Karman, die Tat, welche die Seele von Dasein zu Dasein führt und die Ursache der Wiedergeburt wird. Das Thema wird in den Upanishaden zwar öfter berührt, doch, abgesehen von zwei Stellen, nicht eingehender behandelt und stand noch nicht in demselben Maße wie später im Mittelpunkt des Denkens, noch wird es als Quelle des Unglücks derart wie in buddhistischen Texten geschildert. Unsere Stelle betrachtet das Wissen davon noch als Geheimnis. Siehe aber unten IV, 4 und VI mit dem Zitat aus der Chândogya-Upanishad.


›Yâjnavalkya‹, sprach Jâratkarâva Ârtabhâga, ›wenn hier ein Mensch stirbt, was verläßt ihn nicht?‹ »Der Name. Der Name hat kein Ende; die Allgötter haben kein Ende; kein Ende hat die Welt, die er durch ihn ersiegt.«[62]

›Yâjnavalkya‹, sprach er, ›wenn hier ein Mensch stirbt, ziehen die Hauche da aus ihm aus oder nicht?‹ »Nein«, sprach Yâjnavalkya, »sie fließen in ihm zusammen, er schwillt an, bläst sich auf. Aufgeblasen liegt der Tote da.«

›Yâjnavalkya‹, sprach er, ›wenn nun die Stimme des verstorbenen Menschen ins Feuer eingeht, sein Odem in den Wind, sein Auge in die Sonne, sein Geist in den Mond, sein Gehör in die Himmelsgegenden, sein Leib in die Erde, sein Selbst in den Raum, sein Körperhaar in die Pflanzen, sein Kopfhaar in die Bäume, sein Blut und Same ins Wasser, wo bleibt dann der Mensch?‹ »Reiche mir deine Hand, lieber Ârtabhâga«, sprach er. »Wir beide wollen darum allein wissen. Nicht gehört unser Wissen vor die Leute.« Sie gingen beide hinaus und unterredeten sich. Was sie besprachen, davon sprachen sie als von dem Karman; was sie verkündeten, das verkündeten sie als Karman. Gut wird einer durch gute, schlecht durch böse Tat. Darauf schwieg Jâratkarâva Ârtabhâga.


(III, 2, 11 ff.)

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 62-63.
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