II.

[183] 1,1. Dieses ist die Wahrheit:


Wie aus dem wohlentflammten Feuer die Funken,

Ihm gleichen Wesens, tausendfach entspringen,

So geh'n, o Teurer, aus dem Unvergänglichen

Die mannigfachen Wesen

Hervor und wieder in dasselbe ein.


2.

Denn himmlisch ist der Geist, der ungestaltete,

Der draussen ist und drinnen, ungeboren,

Der odemlose, wünschelose, reine,

Noch höher, als das höchste Unvergängliche.


3.

Aus ihm entsteht der Odem, der Verstand und alle Sinne,

Aus ihm entstehen Äther, Wind und Feuer,

Das Wasser und, alltragende, die Erde.


4.

Sein Haupt ist Feuer, seine Augen Mond und Sonne,

Die Himmelsgegenden die Ohren,

Seine Stimme ist des Veda Offenbarung.

Wind ist sein Hauch, sein Herz die Welt, aus seinen Füssen Erde,

Er ist das innre Selbst in allen Wesen.


5.

Aus ihm entsteht das Feuer, dessen Brennholz die Sonne ist,

Aus Soma wird Regen, Pflanzen aus der Erde;

Der Mann ergiesst den Strom in die Genossin,

Nachkommen viele sind dem Geist geboren.


7.

Aus ihm die Götter vielfach sind entstanden

Und Selige, aus ihm Menschen, Vieh und Vögel;

»Einhauch und Aushauch, Reis und Gerste«, Glaube,

Kasteiung, Wahrheit, Brahmanwandel, Vorschrift.
[184]

9.

Aus ihm sind Weltmeere und alle Berge,

Aus ihm die Ströme rinnen allgestaltig,

Aus ihm sind Pflanzen und Nahrungssaft, durch den er

In den Wesen als ihr inneres Selbst Bestand hat.


10.

Ja, Purusha ist dies Weltall,

Werk, Tapas, Brahman, Unsterbliches; –

Wer dieses weiss verborgen in der Höhle [des Herzens],

Der sprengt, o Teurer, des Nichtwissens Knoten.


2,1.

Was offenbar ist und verborgen doch

Weilt in der Höhle als der grosse Ort,

In welchem eingespeicht, was lebt und haucht und schliesst die Augen,

Was ihr als höher, als was ist und nicht ist, wisst,

Erkenntnis übersteigend, der Geschöpfe Höchstes,


2.

Was Flammenlohend, was des Feinen Feinstes,

Auf dem beruh'n Welten und Weltbewohner,

Das Unvergängliche, Brahman,

Das Odem, Rede und Verstand,

Das ist die Wahrheit, das Unsterbliche,

Ja das, o Teurer, sollst als Ziel du treffen.


3.

Der Upanishad's grosse Waffe ergreif' als Bogen,

Den Pfeil leg' auf, geschärft durch Meditation,

Den spanne durch auf Brahman's Sein gelenkten Geist

Und triff, o Teurer, als Ziel das Unvergängliche.


4.

Als Bogen Om, als Pfeil Seele,

Als Ziel Brahman bezeichnet wird;

In ihm, nicht lässig, zielnehmend,

Dringt man ein, wie der Pfeil im Ziel.
[185]

5.

In ihm sind Himmel, Erde und der Luftraum

Gewoben, der Verstand mit allen Sinnen;

Ihn kennt ihr als den Âtman und lasst fahren

Die andern Reden, er ist die Unsterblichkeitsbrücke.


6.

In dem gefügt die Herzadern

Wie Speichen in der Nabe sind,

Er weilt im Innern und wird geboren vielfach,

Om! so sprecht ihr und meditiert den Âtman,

Heil euch! zum Ufer geht's jenseits des Dunkels.


7.

Der Allkenner und Allwisser,

Dessen Grösse die Welt euch zeigt,

In der himmlischen Brahmanstadt,

Im Herzensraum als Brahman weilt!

Geist ist sein Stoff, er lenkt den Leib des Lebens,

Wurzelt in Nahrung, weilt versteckt im Herzen,

Dort finden ihn die Weisen und erblicken

Den Wonneartigen, unsterblich, glanzreich.


8.

Wer jenes Höchst-und-Tiefste schaut,

Dem spaltet sich des Herzens Knoten,

Dem lösen alle Zweifel sich,

Und seine Werke werden Nichts.


9.

In goldner, herrlichster Hülle

Staublos und teillos Brahman thront;

Glanzvoll, der Lichter Licht ist es,

Und dies kennt, wer den Âtman kennt.


10.

Dort leuchtet nicht die Sonne, nicht Mond noch Sternenglanz,

Noch jene Blitze, geschweige irdisch Feuer.

Ihm, der allein glänzt, nachglänzt alles andre,

Die ganze Welt erglänzt von seinem Glanze.
[186]

11.

Brahman ist dies Unsterbliche im Osten,

Brahman im Westen, Brahman im Süden und Norden;

Brahman erstreckt nach unten sich und oben,

Brahman ist dieses herrlich grosse Weltall.

Quelle:
Die Geheimlehre des Veda. Leipzig 1919, S. 183-187.
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