[164] Anfangs eine Neun bedeutet:
Mächtig in den vorwärtsschreitenden Zehen.
Geht man hin und ist der Sache nicht gewachsen,
so macht man einen Fehler.
In Zeiten entschlossenen Voranschreitens ist besonders der erste Anfang schwierig. Man fühlt sich zu entschlossenem Voranschreiten begeistert. Aber der Widerstand ist noch sehr stark. Da gilt es, die eigene Kraft zu ermessen und nur so weit sich einzulassen, als man des Erfolges sicher ist. Blinde Draufgängerei ist vom Übel, denn gerade zu Anfang kann ein unerwarteter Rückschlag von den unheilvollsten Folgen sein.
Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Alarmruf. Abends und nachts Waffen.
Fürchte nichts.
Bereit sein ist alles. Entschlossenheit ist mit Vorsicht untrennbar verbunden. Wenn man sorgfältig und besonnen ist, so braucht man nicht zu erschrecken und aufgeregt zu werden. Wenn man allezeit wachsam ist, solange noch keine Gefahr da ist, so ist man gewappnet, wenn die Gefahr naht, und braucht sich nicht zu fürchten. Der Edle ist auf der Hut vor dem, was noch nicht zu sehen ist, und besorgt vor dem, was noch nicht zu hören ist; darum weilt er inmitten der Schwierigkeiten, als wären es keine Schwierigkeiten. Wenn man seinen Charakter ausbildet, so fügen sich einem die Menschen von selbst. Siegt die Vernunft, so ziehen sich die Leidenschaften von selbst zurück. Besonnen sein und nicht die Rüstung vergessen, das ist der rechte Weg zur Sicherheit.
Neun auf drittem Platz bedeutet:
Mächtig in den Backenknochen zu sein bringt Unheil.
Der Edle ist fest entschlossen.[164]
Er wandelt einsam und kommt in den Regen.
Er wird bespritzt, und man murrt wider ihn.
Kein Makel.
Die Lage, in der man sich befindet, ist zweideutig. Während alle im entschlossenen Kampf gegen das Gemeine begriffen sind, ist man allein in einer gewissen Beziehung zu einem gemeinen Menschen. Wollte man sich nun äußerlich stark zeigen und, ehe die Verhältnisse reif sind, sich gegen ihn wenden so würde man damit nur die Gesamtlage gefährden; denn der Gemeine würde dann vorzeitig zu Gegenmaßregeln greifen. Die Aufgabe des höheren Menschen ist hier überaus schwierig. Er muß innerlich fest entschlossen sein und, während er mit dem Gemeinen verkehrt, sich doch von aller Beteiligung an seiner Gemeinheit fernhalten. Dabei wird er natürlich verkannt. Man denkt, er gehöre mit zu der Partei des Gemeinen. Er ist ganz einsam, weil ihn niemand versteht. Seine Beziehungen zu dem Gemeinen beschmutzen ihn in den Augen der Menge, und man wendet sich murrend gegen ihn. Aber er trägt die Verkennung und macht keinen Fehler, da er sich selber treu bleibt.
Neun auf viertem Platz bedeutet:
An den Oberschenkeln ist keine Haut,
und das Gehen fällt schwer.
Ließe man sich führen wie ein Schaf,
so würde die Reue schwinden.
Wenn man aber diese Worte hört,
so wird man sie nicht glauben.
Man leidet an innerer Unruhe, so daß man nicht auf seinem Platz beharren kann. Man möchte unter allen Umständen voran und findet dabei unübersteigliche Hindernisse. So ist man mit seiner Lage in innerem Konflikt. Das kommt von dem Eigensinn, mit dem man seinen Willen durchsetzen möchte. Würde man von diesem Eigensinn lassen, so ginge alles gut. Aber dieser Rat wird wie so viele gute Ratschläge überhört werden. Denn der Eigensinn macht, daß man zwar Ohren hat, aber nicht hört.
Û Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Dem Unkraut gegenüber braucht es feste Entschlossenheit.
In der Mitte wandeln bleibt frei von Makel.
Unkraut wächst immer wieder nach und läßt sich schwer ausrotten. So bedarf der Kampf gegen einen hochstehenden Gemeinen feste Entschlossenheit. Man steht mit ihm in Beziehungen,[165] und es ist infolge davon zu fürchten, daß man den Kampf als hoffnungslos aufgibt. Aber das darf nicht sein. Man muß entschlossen weitermachen und darf sich nicht vom Weg abbringen lassen. Nur so bleibt man frei von Makel.
± Oben eine Sechs bedeutet:
Kein Ruf! Schließlich kommt Unheil.
Der Sieg scheint errungen zu sein. Es ist nur noch ein Rest übrig von dem Bösen, dessen entschlossene Ausrottung an der Zeit ist. Es sieht alles ganz leicht aus. Aber gerade darin besteht die Gefahr. Wenn man nicht auf der Hut ist, gelingt es dem Bösen, durch Verdeckung zu entkommen, und wenn es erst entgangen ist, so entsteht neues Unheil aus den übriggebliebenen Keimen; denn das Böse stirbt nicht leicht. Auch beim Bösen des eigenen Charakters muß man gründliche Arbeit tun. Wenn man nachlässigerweise etwas übriglassen wollte, so würde daraus neues Übel entstehen.
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