a) Das Schafgarbenorakel

[336] Das Orakel wird befragt mit Hilfe von Schafgarbenstengeln. Zum Wahrsagen gehört die Zahl von 50 Stengeln. Davon wird einer beiseitegesteckt und kommt weiter nicht in Betracht. Die übrigen 49 Stengel werden zunächst in zwei Haufen geteilt. Darauf nimmt man vom Haufen rechts einen Stengel und steckt ihn zwischen Goldfinger und kleinen Finger der linken Hand. Darauf nimmt man den linken Haufen in die linke Hand und nimmt mit der rechten Bündel von je vier Stengeln weg, bis vier oder weniger Stengel übrigbleiben. Diesen Rest steckt man nun zwischen Gold- und Mittelfinger der linken Hand. Darauf wird in derselben Weise der rechte Haufen durchgezählt und der Rest zwischen Mittel- und Zeigefinger der linken Hand gesteckt. Die Summe der zwischen den Fingern der linken Hand befindlichen Stengel ist nun entweder 9 oder 5 (die verschiedenen Möglichkeiten sind 1 + 4 + 4 oder 1 + 3 + 1 oder 1 + 2 + 2 oder 1 + 1 + 3; daraus ergibt sich, daß die Zahl 5 leichter zu erreichen ist als 9). Beim ersten Durchzählen der 49 Stengel bleibt der erste Stengel zwischen kleinem und Goldfinger als überzählig außer Berechnung. Man rechnet daher 9 = 8 und 5 = 4. Die Zahl 4 bedeutet nun eine volle Einheit, der der Zahlenwert 3 zugemessen wird. Die Zahl 8 dagegen bedeutet eine Doppeleinheit und wird nur mit dem Zahlenwert 2 berechnet. Hat man also beim ersten Durchzählen 9 Stengel übrig, so zählen sie 2, hat man 5 übrig, so zählen sie 3. Diese werden zunächst beiseitegelegt.

Nun werden die beiden Haufen, die übrig sind, wieder zusammengenommen und aufs neue abgeteilt. Wieder nimmt man von der rechten Hälfte einen Stengel und steckt ihn zwischen kleinen und Goldfinger der linken Hand und verfährt dann mit dem Durchzählen wie zuvor. Diesmal bekommt man als Summe des Restes entweder 8 oder 4. (Nämlich oder


a. Das Schafgarbenorakel

oder


a. Das Schafgarbenorakel

so daß diesmal die Chancen zwischen 8 und 4 dieselben sind.)

8 zählt 2 und 4 zählt 3.

Mit dem übriggebliebenen Haufen verfährt man darauf ein drittes Mal wie zuvor und erhält als Summe des Restes ebenfalls 8 oder 4.

Nun wird aus dem Berechnungswert der drei Restsummen ein Strichelement aufgebaut.[336]

Ist die Summe 5 (= 4, Wert 3) + 4 (Wert 3) + 4 (Wert 3), dann ergibt sich die Zahl 9, d.h. das sogenannte alte Yang. Das wird ein positives Strichelement, das sich bewegt, also für die Einzeldeutung in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit a. Das Schafgarbenorakel oder Û.

Ist die Summe 9 (= 8, Wert 2) + 8 (Wert 2) + 8 (Wert 2), so ergibt sich die Zahl 6, d.h. das sogenannte alte Yin. Das wird ein negatives Strichelement, das sich bewegt, also für die Einzeldeutung in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit a. Das Schafgarbenorakel oder a. Das Schafgarbenorakel.

Ist die Summe


a. Das Schafgarbenorakel

so ergibt sich die Zahl 7, d.h. das sogenannte junge Yang. Das wird ein positives Strichelement, das ruht, also für die Einzeldeutung nicht in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit ―.

Ist die Summe


a. Das Schafgarbenorakel

so ergibt sich die Zahl 8, d.h. das sogenannte junge Yin. Das wird ein negatives Strichelement, das ruht, also für die Einzeldeutung nicht in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit .

Indem dieser Prozeß im ganzen sechsmal vorgenommen wird, baut sich ein sechsstufiges Zeichen auf. Wenn dieses Zeichen aus lauter ruhenden Strichelementen besteht, so kommt für das Orakel nur die Gesamtidee des Zeichens in Betracht, wie sie in dem »Urteil« des Königs Wen und dem »Kommentar zur Entscheidung« des Kungtse zum Ausdruck kommt, ferner noch das Bild des Zeichens und die dem Bild beigefügten Textworte.

Finden sich in dem so gewonnenen Zeichen ein oder mehrere bewegte Striche, so kommen außerdem die vom Herzog von Dschou diesem Strich beigefügten Worte in Betracht. Daher haben diese die Überschrift: 9 auf xtem Platz oder 6 auf xtem Platz.

Außerdem entsteht durch die Bewegung, d.h. Wandlung1 der Striche ein neues Zeichen, das mit seinem Sinn ebenfalls in Betracht zu ziehen ist. Wenn z.B. das Zeichen a. Das Schafgarbenorakel gezogen wird,[337] dessen vierter Strich sich bewegt a. Das Schafgarbenorakel, so wird außer dem Text und Bild dieses Zeichens im Ganzen der dem vierten Strich beigegebene Text in Betracht kommen und dann noch außerdem der Text und das Bild des Zeichens a. Das Schafgarbenorakel; und zwar wäre dann das Zeichen a. Das Schafgarbenorakel der Ausgangspunkt, von dem aus durch die Lage der 9 auf 4. Platz und den beigefügten Rat die Endsituation a. Das Schafgarbenorakel sich entwickelt. In dem zweiten Zeichen kommt der Text des bewegten Strichs nicht in Betracht.

Quelle:
I Ging. Köln 141987, S. 336-338.
Lizenz:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon