2. Die Verwundung von Dsong Dsïs Jünger

[147] Yüo Dschong Dsï Tschun stieg einst von der Halle herab und verletzte sich dabei am Fuß. Während er die Wunde heilte, ging er mehrere Monate nicht aus und zeigte Trauer in seinen Mienen.

Seine Jünger befragten ihn und sprachen: »Eure Verletzung am Fuß ist wieder geheilt, Meister. Warum seid Ihr mehrere Monate nicht ausgegangen?«

Yüo Dschong Dsï Tschun sprach: »Gut ist diese eure Frage. Ich habe es von Meister Dsong vernommen, und Meister Dsong hat es von unser aller Meister vernommen: Unter allem, was der Himmel erzeugt und die Erde nährt, ist der Mensch das größte. Was die Eltern vollkommen erzeugt haben, auch wieder vollkommen zurückzugeben, das kann man als kindesehrfürchtig bezeichnen. Seinen Körper nicht zu Schaden bringen, das nennt man, ihn vollkommen erhalten. So wagt der Edle dies auch nicht bei einem Schritt zu vergessen. Ich hatte diesmal die Bahn der Kindesehrfurcht vergessen. Darum zeigte ich Trauer in meinen Mienen.«

Der Edle, wenn er den Fuß hebt, wagt nicht, der Eltern zu vergessen; wenn er ein Wort ausspricht, wagt er nicht, der Eltern zu vergessen. So wird er auf der großen Straße gehen und den Weg nicht durch Seitenpfade verkürzen. Er wird zu Schiff fahren, aber nicht schwimmen; denn er wagt es nicht, den von seinen verewigten Eltern hinterlassenen Körper Gefahren[147] auszusetzen. Weil er, sowie er ein Wort ausspricht, nicht seiner Eltern zu vergessen wagt, so werden böse Worte nicht aus seinem Munde kommen und deshalb zornige Worte ihn nicht treffen. Nur so bringt er keine Schande auf seine Person und betrübt nicht seine Eltern. So vermag er kindesehrfürchtig genannt zu werden.

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 147-148.
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