IV, 51. [347.] An die Morgenröthe.

[155] Die Neuner und Zehner (Vers 4) sind Scharen von neun oder zehn Halbgöttern, die den Angira's verwandt, ja zum Theil ihnen gleichgesetzt, die Götter begleiten. Wo uns ein solcher genannt wird, erscheint er als Repräsentant der ganzen Schar.


1. Dies Licht erhob sich, das sich stets erneuet,

mit hellem Schein im Osten aus dem Dunkel;[155]

Des Himmels Tochter, helle Morgenröthen,

sie mögen Wohlfahrt schaffen nun dem Menschen.

2. Im Ost erstanden lichte Morgenröthen,

wie Säulen, die beim Opfer aufgerichtet;

Sie schlossen auf des dunkeln Stalles Thüren

aus eigner Lust, die flammenden, die hellen.

3. Sie mögen willig heut die Spender reizen

zum Schatzverleihn, die reichen Morgenröthen;

Im finstern Raume lasst die Geiz'gen schlafen,

sie nicht erwachen in des Dunkels Mitte.

4. Wird euer alter oder neuer Wagen

erscheinen heut, Göttinnen Morgenröthen,

Mit dem ihr reichen reich dem Neuner strahlet,

dem Angira, dem siebenmünd'gen Zehner?

5. Denn ihr Göttinnen fahrt in einem Tage

rings um die Welt mit gutgeschirrten Rossen,

Den Schlafenden erweckend, Morgenröthen,

und was da lebt zum Wandern, Thier und Menschen.

6. Wo, die wievielste ihrer ist die alte,

durch die die Schar der Ribhu's sie vertheilten?

Wenn schön zum Schmucke gehn die Morgenröthen,

erscheinen gleich dem Blick die ewig jungen.

7. Stets waren diese schönen Morgenröthen

an Hülfe reich, die frommen Werke segnend,

Bei denen bald der arbeitsame Opfrer,

mit Liedern lobend; preisend, Schatz erlangte.

8. Sie wandern herwärts allzumal von Osten

auf gleiche Weise allesammt sich breitend,

Die Göttlichen, aus heil'gem Sitz erwachend,

die Morgenröthen nahn wie Heerden Kühe.

9. So wandern sie auf gleiche Art, sich ähnlich,

die Morgenröthen, nicht die Farbe wechselnd,

Das grause Dunkel durch die Strahlen bergend,

an Leibern strahlend, schimmernd hell und glänzend.

10. O Himmelstöchter, glänzende, verleihet,

Göttinnen ihr, uns kinderreichen Wohlstand;

Die wir aus weichem Lager euch erweckten,

uns lasset Herren sein von Heldenscharen.

11. Das bitt ich euch, o lichte Himmelstöchter,

des Opfers Glanz errichtend, Morgenröthen;

Dass angesehn wir unter Menschen seien,

das mögen Erd' und Himmel uns gewähren.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 155-156.
Lizenz: