Zu Ehren Wù-tīng's im neuen Tempel.

[516] Schnell flog der Jīn zum Kampf heran,

Und stürmisch griff er Kīng-ts'hù an,1

Drang seine Pässe kühn hinan

Und trieb die Schaaren Kīng's hindann,

Bis ihre Plätz' er angewann.

So fing der Enkel Thâng's es an.


»Ihr Männer von Kīng-ts'hù, ihr wohnt

Zwar fern im Reich, den Süd' entlang,

Doch einst, zur Zeit des großen Thâng,

Da hat sogar auch von Tī-Kiāng2

Niemand gewagt darbringungslosen Gang,

Niemand gewagt, zu fehlen beim Empfang;

So will es das Gesetz von Schāng.«


Viel Fürsten gab der Himmel Land;

Doch wo auch ihre Stadt auf Jü's Erwirktem stand, –

Ein jeder sich zum Jahrsdienst fand:

»Nicht uns sei Strafe zuerkannt!

Dem Landbau ward kein Fleiß entwandt.«


Zeigt sich des Himmels Wille klar,

So scheue man der Völker Schaar.3[517]

Und fehlsam nie, nie wandelbar,

Und jeder müß'gen Säumniß bar,

Übt' er sein Amt bei allen Staaten;4

Daraus ihm großes Heil gerathen.


Schāng's Hauptstadt war im schönsten Stand,

Ein Musterbild für alles Land.

Und wie sein Ruhm gepriesen ward,

Sein Ansehn glänzend offenbart,

Ward er in Ruhe hochbejahrt;

Dabei er auch uns Nachgeschlecht bewahrt. –


Wir stiegen auf des King-Bergs Hang;

Ficht' und Cypresse, hoch und schlank,

Ward abgehau'n, gebracht entlang;

Gezimmert viereckt sonder Wank.

Die Fichtenbalken waren lang,

Hoch war der große Säulengang.

Der Tempel stand – der Ruh' zu Dank.5

1

Der Fürst von Ts'hù, das auch Kìng oder Kìng-ts'hù hieß, hatte sich aufgelehnt und sich geweigert, die üblichen Jahresgeschenke darzubringen und beim jährlichen Huldigungsempfang zu erscheinen.

2

Ein noch entlegeneres Fürstenthum als Ts'hù.

3

Daß der himmlische Beschluß in Betreff des kaiserlichen Amtes offenbar sei, wurde aus dem allgemeinen Anerkenntniß des Volkes geschlossen, was dann für jeden Unzufriedenen ein Grund war, sich vor dem Volke zu fürchten.

4

Nehmlich Wù-tīng.

5

Ruhe für Wù-tīng's Geist.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 516-518.
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