Das 20. Kapitel
Von dem andern Tage

[297] Von dem andern Tage stehet geschrieben: Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern und die sei ein Unterscheid zwischen den Wasser. Da machte Gott die Feste und scheidete das Wasser unter der Festen von dem Wasser über der Festen, und es geschah also, und Gott nennete die Feste Himmel; da ward aus Abend und Morgen der andere Tag, Gen. 1, 6. 7. 8.

2. Diese Beschreibung zeiget abermal an, daß nicht der teure Mann Moses der Autor dazu sei, denn es ist ganz unverständig und einfältig geschrieben, wiewohl es doch gar trefflichen Verstand hat.

3. Ohne Zweifel hat solches der Hl. Geist nicht wollen offenbaren, damit der Teufel nicht alle Geheimnisse in der Schöpfung wüßte. Denn er selber, der Teufel, weiß nicht die Schöpfung des Lichts, wie der Himmel aus dem Mittel des Wasser ist gemacht.

4. Denn er kann das Licht und die heilige Gebärung, welche im Wasser des Himmels stehet, weder sehen noch begreifen, sondern nur die Gebärung, welche in der herben, bittern, sauren und hitzigen Qualität stehet, davon die äußerste Geburt ist entstanden, das ist sein königlich Schloß.

5. Nicht also zu verstehen, daß er in dem elementischen Wasser keine Gewalt habe, dasselbe zu besitzen, denn die äußerste verderbte Geburt in dem elementischen Wasser gehöret auch zum Zorn Gottes, und ist auch der Tod darinnen wie in der Erden.

6. Allein der Geist in Mose meinet allhie viel ein ander Wasser, das der Teufel weder verstehen noch begreifen kann. So es aber hätte sollen eine solche lange Zeit erkläret sein, so hätte es der Teufel von dem Menschen erlernet und hätte ohne Zweifel seine höllische Spreu auch drein gestreuet.

7. Darum hat es der Hl. Geist verborgen gehalten bis auf die letzte Stunde vorm Abend, da seine tausend Jahre vollendet sind, da er soll wieder los werden auf eine kleine Zeit, wie in der Offenbarung zu lesen ist, Offb. 20, 3.

8. Weil er aber jetzo von den Ketten der Finsternis los ist, so läßt Gott allenthalben in dieser Welt Lichter aufstecken, damit ihn die Menschen sollen lernen kennen und sich vor ihm hüten.

9. Ob er nicht los sei, gebe ich einem jeden zu erkennen. Schaue nur die Welt bei dem hellen Lichte an, so wirst du finden, daß jetzo alle vier neuen Söhne, welche der Teufel hat geboren, als[297] (1) Hoffart, (2) Geiz, (3) Neid, (4) Zorn. Diese regieren jetzo die Welt und sind des Teufels Herze, seine animalischen Geister.

10. Darum schaue die Welt nur recht an, so wirst du befinden, daß sie gänzlich mit diesen vier neuen Söhnen des Teufels inqualieret. Darum ist sich nun vorzusehen, denn das ist die Zeit, davon alle Propheten haben geweissaget und Christus saget im Evangelio: Meinest du auch, daß des Menschen Sohn wird Glauben finden, wenn er wird wiederkommen, die Welt zu richten? Luk. 18, 8.

11. Die Welt meinet wohl, sie stehe jetzt im Flor, weil sie das helle Licht hat über sich schweben, aber der Geist zeiget mir, daß sie mitten in der Höllen stehe. Denn sie verlässet die Liebe und hanget am Geize, Wucher und Schinderei; es ist keine Barmherzigkeit bei ihr.

12. Ein jeder schreiet: Hätt ich nur Geld! Der Gewaltige sauget dem Niedrigen das Mark aus den Beinen und nimmt ihm seinen Schweiß mit Gewalt.

13. In Summa, es ist nur Lügen, Trügen, Morden und Rauben, und heißt wohl recht des Teufels Nest oder Wohnhaus.

14. Das heilige Licht ist jetzo nur eine Historia und Wissenschaft. Der Geist will darinnen nicht arbeiten, und vermeinen, das sei der Glaube, den sie mit dem Munde bekennen.

15. O du blinde und törichte Welt, voll des Teufels! Es ist kein Glaube, daß du weißt, daß Christus für dich gestorben ist und hat sein Blut für dich vergossen, daß du sollst selig werden. Es ist nur eine Historia und Wissenschaft. Der Teufel weiß es auch wohl, es hilft ihm aber nichts, also auch du törichte Welt, lässets bei der Wissenschaft bleiben, darum wird dich deine Wissenschaft richten.

16. Willst du aber wissen, was der recht Glaube sei, so merke: Dein Herz muß nicht mit den vier Söhnen des Teufels inqualieren in Hoffart, Geiz, Neid, Zorn, Wucher, Schinden, Schaben, in Lügen, Trügen und Morden, dem Nächsten den Bissen vor Geiz aus dem Halse reißen und nur Tag und Nacht auf List sinnen, wie du möchtest dem Hoffart-Geiz-Neid- und Zornteufel wohl hofieren und genugtun, dich in weltlichen Lüsten zu üben.

17. So spricht der Geist in seinem Eifer des Zorns Gottes in dieser Welt: Weil dein Geist und Willen mit den vier Lastern des Teufels inqualieret, so bist du nicht ein Geist mit Gott, und wenn du mir gleich alle Stunden deine Lippen bötest und deine Knie vor[298] mir beugtest, so mag ich doch deiner Arbeit nicht, ist doch dein Odem ohne das immer vor mir. Was soll mir der Weihrauch im grimmen Zorne? Meinest du, ich wolle den Teufel in mich lassen oder wollte die Hölle in Himmel heben?

18. Kehre um und streite wider die Bosheit des Teufels, und neide dein Herz gegen den Herrn deinen Gott und wandele in seinem Willen. Wird sich dein Herze zu mir neigen, so will ich mich auch zu dir neigen, oder meinest du, ich bin falsch wie du?

19. Also sage nun ich: So dein Herze in deiner Wissenschaft nicht mit Gott inqualieret aus einem rechten Fürsatze der Lieb so bist du ein Heuchler, Lügner und Mörder vor Gott; denn Gott erhöret niemandes Gebet, das Herze richte sich denn in Gehorsam ganz in Gott.

20. Willst du wider den Zorn Gottes kämpfen, so mußt du den Helm des Gehorsams und der Liebe anziehen, sonst brichst du nicht durch; brichst du aber nicht durch, so ist dein Streit umsonst, und bleibest einmal ein Diener des Teufels wie das ander.

21. Was hilft dich deine Wissenschaft, wenn du nicht willst darinnen streiten? Nicht, es ist eben, als wenn einer einen großen Schatz wüßte und suchte den nicht, den er doch wohl wüßte zu bekommen, und stürbe Hungers bei seiner Wissenschaft.

22. Das saget der Geist: Viel Heiden, die deine Wissenschaft nicht haben und streiten aber wider den Grimm werden dir das Himmelreich zuvor besitzen. Wer will sie richten, wenn ihr Herze mit Gott inqualieret, ob sie den gleich nicht kennen und arbeiten doch in seinem Geiste in Gerechtigkeit und Reinigkeit ihres Herzens in rechter Liebe gegeneinander. Die bezeugen ja, daß das Gesetze Gottes in ihrem Herzen sei, Röm. 2, 15.

23. Weils du es aber weißt und tusts nicht, jene aber wissens nicht und tuns doch, so richten sie mit ihrem Tun deine Wissenschaft, und du wirst als ein Heuchler erfunden, ein unnützer Knecht, der in den Weinberg des Herrn ist gestellet und will darinnen nicht arbeiten.

24. Was meinest du wohl daß der Hausvater wird sagen, wenn er sein überantwortet Pfund wird von mir fordern, und du wirst in die Erde vergraben haben? Wird er nicht sagen: Du Schalksknecht, warum liehest du nicht mein Pfund auf Zins aus, so hätte ich das Meine mit Wucher gefordert?

25. Und es wird von dir das Leiden Christi gar genommen und den Heiden gegeben werden, welche nur ein Pfund hatten[299] und gewähereten dem Hausvater fünfe, und du wirst mit den Hunden heulen müssen.

26. Nun merke: Wenn man nun will recht betrachten, wie Gott habe das Wasser unter der Festen von dem Wasser über der Festen geschieden, so finden sich allhier gar große Dinge. Denn das Wasser, das auf Erden ruhet, da ist eben ein verderbet und tödlich Wesen wie die Erde und gehöret auch zu äußersten Geburt, welche mit ihrer Begreiflichkeit im Tode stehet gleichwie die Erde und Steine.

27. Nicht der Meinung, daß es gar von Gott verstoßen sei, denn das Herze darinnen gehöret noch zur siderischen Geburt, aus welcher die heilige Geburt geboren wird.

28. Es stehet aber der Tod in der äußersten Geburt; darum ist das begreifliche Wasser von dem unbegreiflichen geschieden worden.

29. Nun sprichst du, wie das ist? Siehe, das Wasser in der Tiefe über der Erden, welches mit dem Element Luft und Feuer inqualieret, das ist das Wasser der siderischen Geburt, darinnen das siderische Leben stehet und darinnen vornehmlich der Hl. Geist wallet, auch dadurch die dritte und innerste Geburt gebäret, dem Zorn Gottes darinnen unbegreiflich. Es ist auch dasselbe Wasser vor unsern Augen gleich der Luft anzusehen.

30. Daß aber wahrhaftig Wasser und Luft und Feuer in der Tiefe über der Erden ineinander sei, kann ein jeder vernünftige Mensch sehen und verstehen.

31. Denn du siehest oft die ganze Tiefe gar hell und lauter und in einer Viertelstunde mit Wasserwolken bedeckt.

32. Das ist, wenn sie die Sternen von oben und das Wasser auf Erden von unten anzündet, so gebäret sich alsbald Wasser, welches wohl nicht geschehen würde, so nicht der Zorn in der siderischen Geburt auch stünde.

33. Weil es aber alles verderbet ist, so muß das obere Wasser im Zorn Gottes der herben, bittern und hitzigen Qualität der Erden zuhilfe kommen und ihr Feuer löschen und sie sänftigen, damit das Leben immer kann geboren und auch die heilige Geburt zwischen dem Tode und Zorn Gottes könnte geboren werden.

34. Daß aber auch das Element-Feuer in der Tiefe in Luft und Wasser regieren und sei, siehest du ja an dem Wetterleuchten. Auch so siehest du, wie das Licht der Sonnen das Element-Feuer auf der Erden mit ihrem Anstoße anzündet, da es doch manchmal in der Höhe in des Monden Zirk gar kalt ist.

35. Nun aber hat Gott das begreifliche Wasser von dem unbegreiflichen[300] geschieden, und hat das begreifliche auf die Erden gestellet und das unbegreifliche ist in der Tiefe blieben in seinem eigenen Sitze, wie es von Ewigkeit gewesen ist.

36. Weil aber der Zorn auch in demselben Wasser in der Tiefe über der Erden ist, so gebäret sich stets durch die Anzündung der Sternen und des Wassers im Zorne solch begreiflich Wasser, welches mit seiner äußersten Geburt im Tode stehet.

37. Welches, weil es mit der innersten Geburt mit der siderischen inqualieret, dem Salitter der verderbten Erden zuhilfe kommt und seinen Zorn löschet, damit in der siderischen Geburt alles im Leben stehet und die Erde durch den Tod das Leben gebäret.


Die Porten der Geheimnis

38. Daß aber eine Feste sei zwischen den Wassern, die da Himmel heißen, hat diesen Verstand:

39. Die ganze Tiefe vom Monden bis an die Erde stehet mit ihrer Wirkung alles in der zornigen und begreiflichen Geburt, denn der Mond ist eine Göttin der begreiflichen Geburt, auch so ist das Haus des Teufels, Todes und der Höllen in dem Revier und Zirk zwischen dem Monden und der Erden.

40. Da dann der grimme Zorn Gottes in der äußersten Geburt in der Tiefe von Teufeln und allen gottlosen Menschen täglich angezündet und aufgeblasen wird durch die großen Sünden der Menschen, welche noch mit der siderischen Geburt in der Tiefe inqualieren.

41. Nun hat Gott die Feste, welche Himmel heißt, zwischen der äußersten und innersten Geburt gemacht, und die ist ein Unterscheid zwischen der äußersten und innersten Geburt.

42. Denn die äußerste Geburt des Wassers kann die innerste Geburt des Wassers nicht begreifen, welche Himmel heißt, der aus dem Mittel des Wassers ist gemacht.

43. Nun aber stößet die innerste Geburt des Himmels auf der Erden hart an und hält das äußerste Wasser auf Erden mit samt der Erden hart gefangen.

44. Wenn das nicht wäre, so würde sich das Wasser mit Umwendung des Erdbodens wieder zerteilen, auch so würde die Erde zerbrechen und in die Tiefe zerstieben.[301]

45. Nun aber hält dieselbe Feste zwischen dem äußersten begreiflichen Wasser und dem innerlichen die Erde und das begreifliche Wasser gefangen.

46. Möchtest du nun fragen: Was ist denn das für eine Feste des Himmels, die ich weder sehen noch verstehen kann? Es ist die Feste zwischen der klaren Gottheit und der verderbten Natur, durch welche du mußt durchbrechen, wenn du zu Gott willst. Und ist eben die Feste, welche nicht ganz im Zorne stehet und doch auch nicht ganz rein ist im Feuer, davon geschrieben stehet: Es sind auch die Himmel nicht rein vor Gott, Hiob 15, 15. Und wird am Jüngsten Tage der Zorn davon gefeget werden.

47. Denn es stehet geschrieben: Himmel und Erde vergehen, aber meine Worte vergehen nicht, spricht Christus Matth. 24, 35. Mark. 13, 31.

48. Nun aber ist das Unreine in demselben Himmel der Zorn, das Reine aber ist das Wort Gottes, welches er einmal gesprochen hat: Es scheide sich das Wasser unter der Festen von dem Wasser über der Festen, Gen. 1, 7. Dasselbe Wort stehet nun da, und ist in die Feste des Wassers gefasset und hält das äußerliche Wasser gefangen.


Die Porten der Gottheit

49. Hie merke nun die verborgene Geheimnis Gottes: Wenn du nun ansiehest die Tiefe über der Erden, so mußt du nicht sagen, hie ist nicht die Porten Gottes, da Gott in seiner Heiligkeit wohnt. Nein, nein, so denke nicht, sondern die ganze heilige Dreifaltigkeit Gott Vater, Sohn, Hl. Geist, wohnet im Centro unter der Festen des Himmels, und dieselbe Feste kann ihn nicht begreifen.

50. Es ist wohl alles ein Corpus, die äußerste Geburt und auch die innerste mit samt der Festen des Himmels sowohl auch die siderische Geburt darinnen, in welcher der Zorn Gottes mit qualifizieret, aber es ist gegeneinander wie das Regiment im Menschen.

51. Das Fleisch bedeut die äußerste Geburt, welches ist das Haus des Todes; die andere Geburt im Menschen ist die siderische, in welcher das Leben stehet und da Liebe und Zorn miteinander streiten.

52. Und also weit kennet sich der Mensch selber, denn die siderische Geburt gebäret in der äußersten, das ist im toten Fleische das Leben.

53. Die dritte Geburt wird zwischen der siderischen und äußersten geboren, und dieselbe heißt die animalische oder die Seele und ist so groß als der ganze Mensch. Und dieselbe Geburt kennet[302] und begreift der äußere Mensch nicht, auch so begreifts der siderische nicht, sondern ein jeder Quellgeist begreift nur seine instehende Wurzel, welche bedeut den Himmel.

54. Und derselbe animalische Mensch muß durch die Feste des Himmels zu Gott dringen und mit Gott leben, anders kann der ganze Mensch nicht in Himmel zu Gott kommen.

55. Denn ein jeder Mensch, der da will selig werden, der muß mit seinen instehenden Geburten sein wie die ganze Gottheit mit allen drei Geburten in dieser Welt.

56. Nicht kann der Mensch ganz rein ohne Zorn und Sünden sein, die die Geburten in der Tiefe dieser Welt sind auch nicht ganz rein vor dem Herzen Gottes, Hiob 15, 15, sondern es ringet immer Liebe und Zorn miteinander, davon sich Gott einen zornigen, eiferigen Gott heißt, 2. Mose 20, 5; Mose 5, 9.

57. Nun wie der Mensch ist in seinem Geburt-Regimente also ist auch der ganze Leib Gottes dieser Welt. In dem Wasser aber stehet das sanfte Leben. Erstlich ist in dem äußerlichen Leibe Gottes dieser Welt der erstarrete, herbe, bittere und hitzige Tod, in welchem das begreifliche Wasser auch erstarret und tot ist.

58. Und darinnen ist nun die Finsternis, darinnen König Luzifer mit seinen Engeln, sowohl alle fleischlichen, gottlosen Menschen auch noch mit lebendigem Leibe gefangen liegen, sowohl auch die abgeschiedenen Geister der verdammten Menschen.

59. Diese Geburt kann das Herze Gottes weder sehen, hören, fühlen, riechen noch begreifen, und ist eine Närrin, die König Luzifer hat mit seiner Hoffart also zugerichtet.

60. Die andere Geburt ist die siderische: du mußt verstehen der sieben Quellgeister Leben. Darinnen ist nun Liebe und Zorn gegeneinander und darinnen stehet nun das Oberwasser, welches ein Geist des Lebens ist, und darinnen oder dazwischen ist nun die Feste des Himmels, welche aus dem Mittel des Wassers ist gemacht.

61. Diese Geburt dringet nun durch die äußerliche erstarrete durch den Tod durch und gebäret das siderische Leben im Tod, das ist, in der erstarreten Erden, Wasser und Fleisch der Tiere und Menschen, auch Vögeln, Fischen und Würmern.

62. Bis in diese Geburt halb, alsviel der Zorn begreift, kann der Teufel reichen, und tiefer nicht; und so weit ist seine Wohnung, und tiefer nicht. Darum kann der Teufel nicht wissen, wie das ander Teil in dieser Geburt eine Wurzel hat.[303]

63. Und bis hieher ist der Mensch in seiner Erkenntnis von der Welt her nach seinem Fall kommen. Die andere Wurzel, welche Himmel heißt, hat der Geist dem Menschen verborgen gehalten bis daher, damit sie der Teufel nicht von dem Menschen erlernete und dem Menschen vor seinen Augen Gift drein streuete.

64. Dieses andere Teil der siderischen Geburt, welches in der Liebe im süßen Wasser stehet, ist nun die Feste des Himmels, die den angezündeten Zorn mit samt allen Teufeln gefangen hält. Denn darein können sie nicht, und in diesem Himmel wohnet der Hl. Geist, der aus dem Herzen Gottes ausgehet und streitet wider die Grimmigkeit und gebäret ihm einen Tempel mitten in der Grimmigkeit des Zorns Gottes.

65. Und in diesem Himmel wohnet der Mensch, der Gott fürchtet, auch noch mit lebendigem Leibe, denn derselbe Himmel ist in dem Menschen sowohl als in der Tiefe über der Erden. Und wie die Tiefe über der Erden ist, also ist auch der Mensch beides in Liebe und Zorn bis nach Abscheidung der Seelen. Alsdann, wenn die Seele vom Leibe scheidet, so bleibet sie allein im Himmel der Liebe oder im Himmel des Zorns.

66. Welch Teil sie allhie im Abscheiden hat begriffen, das ist nun ihr ewig unauflöslich Wohnhaus und kann ewig daraus nicht kommen, denn es ist eine Kluft zwischen ihnen, wie Christus beim reichen Manne saget, Luk. 16, 26.

67. Und in diesem Himmel wohnen uns die heiligen Engel bei, und in dem andern Teile die Teufel. Und in diesem Himmel lebet der Mensch zwischen Himmel und Hölle, und muß von dem Grimme manchen harten Stoß, Versuchung und Verfolgung leiden und sich manchmal wohl martern und quetschen lassen.

68. Der Zorn heißt das Kreuze, und der Liebe-Himmel heißt die Geduld, und der darinnen aufgehende Geist heißt die Hoffnung und der Glaube, der mit Gott inqualieret und mit dem Zorne ringet bis er sieget und überwindet, 1. Joh. 5, 4.

69. Und hierinnen steckt die ganze christliche Lehre. Wer anders lehret, der weiß nicht, was er lehret, denn seine Lehre hat keinen Fuß oder Grund, und sein Herze zappelt immer und jammert und weiß nicht, was es tun soll.

70. Denn sein Geist suchet immer der Ruhe und findet ihr nicht, dann ist er ungeduldig und suchet immer was Neues, und wenn ers findet, so erkitzelt er sich darinnen, als hätte er einen neuen Schatz funden, und ist doch keine Beständigkeit in ihm, sondern suchet stets Abstinentia.[304]

71. Ihr Theologi, allhier tut euch der Geist Tür und Tor auf. Wollt ihr nun nicht sehen und eure Schäflein auf grüner Weide weiden, sondern auf dürrer Heide, so sollt ihr das vor dem ernsten und zornigen Gerichte Gottes verantworten; da sehet eben zu!

72. Ich nehme den Himmel zum Zeugen, daß ich allhie verrichte, was ich tun muß, denn der Geist treibet mich dazu, daß ich auch mit ihm gänzlich gefangen bin und mich seiner nicht erwehren kann, vielleicht was mir auch immer hernach begegnen möchte.


Die heilige Porten

73. Die dritte Geburt in dem Leibe Gottes dieser Welt ist unter der Festen des Himmels verborgen, und die Feste des Himmels inqualieret mit derselben, aber doch nicht ganz leiblich, sondern kreatürlich gleichwie die Engel und die Seele des Menschen.

74. Und dieselbe dritte Geburt ist das allmächtige und heilige Herze Gottes. Darinnen sitzet unser König Jesus Christus mit seinem natürlichen Leibe zur Rechten Gottes als ein König und Herr des ganzen Leibes oder Loci dieser Welt, der mit seinem Herzen alles umfasset und hält.

75. Und dieselbe Feste des Himmels ist sein Stuhl, und die Quellgeister seines natürlichen Leibes herrschen in dem ganzen Leibe dieser Welt, und ist alles mit ihnen verbunden, was in der siderischen Geburt im Teil der Liebe stehet, das andere Teil dieser Welt ist mit dem Teufel verbunden.

76. Du mußt nicht denken, wie Johannes Calvus oder Calvinus gedacht hat, der Leib Christi sei ein unallmächtig Wesen und begreife nicht weiter als den Locum in sich.

77. Nein, du Menschenkind, du irrest und verstehest die göttliche Kraft nicht recht. Begreift doch ein jeder Mensch in seinen siderischen Quellgeistern den ganzen Locum oder Leib dieser Welt und der Locus begreift den Menschen. Es ist als ein Leib, allein nur unterschiedliche Glieder.

78. Wie wollten denn die Quellgeister in dem natürlichen Leibe Christi nicht mit den Quellgeistern der Natur inqualieren? Ist doch sein Leib auch aus den Quellgeistern der Natur und sein Herze animalisch aus der dritten Geburt, welches ist das Herze Gottes, das aller Engel und aller Himmel Himmel, ja den ganzen Vater begreift.[305]

79. Ihr Calvanisten, allhier stehet ab von eurer Meinung, ihr irret, und martert euch nicht mit dem begreiflichen Wesen, denn Gott ist ein Geist, Joh. 4, 24; und in der Begreiflichkeit stehet der Tod.

80. Der Leib Christi ist nicht mehr in der harten Begreiflichkeit, sondern in der göttlichen Begreiflichkeit der Natur, gleich den Engeln.

81. Denn unsere Leiber werden auch in der Auferstehung nicht in solchem harten Fleische und Beinen bestehen, sondern sind gleich den Engeln, und obgleich alle Forma und Kraft wird darinnen sein, auch alle Geschicklichkeit, bis auf die Geburtsglieder, die werden in einer andern Forma stehe, sowohl auch das Eingeweide der Därme, so werden wir doch nicht die harte Begreiflichkeit haben.

82. Denn Christus saget zu Maria Magdalena im Garten Josephs beim Grabe nach seiner Auferstehung: Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Gott und zu eurem Gott, Joh. 20. 17. Als wollte er sagen: Ich habe nun nicht mehr den tierischen Leib, und ob ich mich dir gleich in meiner alten Gestalt erzeige, sonst könntest du mich in deinem tierischen Leibe nicht sehen.

83. Auch so wandelte er die 40 Tage nach seiner Auferstehung nicht immer unter den Jüngern sichtlich, sondern unsichtlich nach seiner himmlischen und englischen Eigenschaft, sondern wenn er wollte mit den Jüngern reden, so erzeigte er sich in begreiflicher Gestalt, damit er könnte natürliche Worte mit ihnen reden, denn die göttliche kann die Verderbung nicht begreifen.

84. Auch so zeigets genug an, daß sein Leib englische Art habe, indem er ist zu seinen Jüngern durch verschlossene Tür gegangen, Joh. 20.19.

85. Also sollst du nun wissen, daß sein Leib mit allen sieben Geistern in der Natur inqualieret in der siderischen Geburt im Teil der Liebe und hält die Sünde, den Tod und Teufel in seinem Zornteil gefangen.

86. Also verstehest du nun, was Gott den andern Tag gemacht hat, als er das Wasser unter der Festen von dem Wasser über der Festen geschieden hat. Auch so siehest du, wie du in dieser Welt überall im Himmel und auch in der Hölle bist, und wohnest zwischen Himmel und Hölle in großer Gefahr.

87. Auch so siehest du, wie auch der Himmel in einem heiligen Menschen ist und allenthalten, wo du stehest oder gehest oder[306] liegest, so dein Geist nur mit Gott inqualieret, so bist du demselben Teil nach im Himmel und deine Seele in Gott. Darum spricht auch Christus: Meine Schäflein sind in meinen Händen und niemand wird mir sie ausreißen, Joh. 10, 28.

88. Desgleichen siehest du, wie du dem Zorn nach allezeit in der Höllen bist bei allen Teufeln. Wenn dir deine Augen nur eröffnet wären, so solltest Wunder sehen, aber du stehest zwischen Himmel und Hölle, und kannst sehen und wandelst gar auf einem schmalen Stege.

89. Es sind etliche Menschen zu mancher Stunde dem siderischen Geiste nach in entritten worden, wie man es nennet, und haben alsbald auch des Himmels und der Höllen Porten erkannt, auch angezeiget, wie mancher Mensch mit lebendigem Leibe in der Höllen wohnet. Derer hat man zwar gespottet, aber mit großem Unverstande, denn es verhält sich also. Dieses will ich an seinem Orte ausführlich auch beschreiben, was es für eine Gestalt mit ihnen hat.

90. Daß es aber eine zweifache Geburt mit dem Wasser habe, will ich allhie mit der Sprache der Natur auch beweisen, denn es ist die Wurzel oder Mutter aller Sprachen, die in dieser Welt sind, und stehet die ganze vollkömmliche Erkenntnis aller Dinge hierinnen.

91. Denn als Adam erstlich geredet hat, so hat er allen Kreaturen nach ihren Qualitäten und instehenden Wirkungen den Namen gegeben. Und ist eben die Sprache der ganzen Natur, aber es kann sie nicht ein jeder, denn es ist ein Geheimnis, Mysterium, welches mir von Gnaden Gottes in mitgeteilet worden von dem Geiste, der Lust zu mir hat.

92. Nun merke: Das Wort ›Wasser‹ stößet aus dem Herzen und macht die Zähne zu, und gehet über die herbe und bittere Qualität und reget sie nicht, und führt durch die Zähne raus, und die Zunge rafft sich mit zum Geiste und hilft zischen, und inqualieret mit dem Geiste, und der Geist gehet ganz mächtig durch die Zähne raus.

93. Wenn aber der Geist zum meisten Teil raus ist, so rafft sich erst der herbe und bittere Geist auf und inqualieret erst hinten nach mit dem Worte. Er bleibet aber in seinem Sede sitzen und zerret mächtig in der Silbe ›Ser‹ nach.

94. Daß sich nun der Geist im Herzen fasset und fährt hervor und macht die Zähne zu und zischet mit der Zungen durch die[307] Zähne, bedeutet, daß sich das Herze Gottes habe beweget und mit seinem Geiste einen Schluß um sich gemacht, welches ist die Feste des Himmels; gleichwie sich die Zähne zumachen und der Geist gehet durch die Zähne, also auch gehet der Geist aus dem Herzen in die siderische Geburt.

95. Und gleichwie sich die Zunge mit zum Zischen bildet und inqualieret mit dem Geiste und wallet mit ihm, also bildet sich die Seele des Menschen mit den Hl. Geiste und inqualieret mit demselben, und dringet mit in Kraft desselben durch den Himmel und herrschet mit im Worte Gottes.

96. Daß sich aber erst hinten nach die herbe und bittere Qualität aufwecket und bildet sich hinten nach zum Wort, bedeut, daß es zwar alles ein Leib ist, aber der Himmel und der Hl. Geist samt dem Herzen Gottes hat seinen Sedem für sich; und kann der Teufel samt dem Zorne weder den Hl. Geist noch den Himmel ergreifen, sondern es hänget der Teufel mit dem Zorne in der äußersten Geburt am Worte, und hilft der Zorn in der äußersten Geburt in dieser Welt alles bilden, was in der Begreiflichkeit stehet, gleichwie die herbe und bittere Qualität sich hinten nach zum Worte bilden und inqualieren mit demselben.

97. Daß aber der Geist erstlich also über die herbe und bittere Qualität gehet unvermerkt, bedeut, daß die Porten Gottes überall in dieser Welt ist, da der Hl. Geist herrschet, und daß der Himmel überall offen stehet, auch mitten in der Erden, und daß der Teufel den Himmel nirgends kann weder sehen noch begreifen, sondern er ist ein murrender und kirrender Höllenhund, der erst hinten nachkommt, wenn der Hl. Geist ihm hat eine Kirche und Tempel gebauet, und denselben im Zorne zerstöret, und hanget hinten nach am Worte als ein Feind, der nicht will, daß ihm in seinem Lande soll ein Tempel Gottes gebauet werden, damit sein Reich möchte geschmälert werden.[308]

Quelle:
Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang. Freiburg i. Br. 1977, S. 297-309.
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