Das 3. Kapitel
Von der hochgebenedeiten triumphierenden heiligen, heiligen, heiligen Dreifaltigkeit, Gott Vater, Sohn, Heiliger Geist, einiger Gott

[69] Günstiger Leser, allhie will ich dich treulich vermahnet haben, daß du deinen Dünkel fahren lassest und dich nicht nach heidnischer Weisheit vergaffest, dich auch an der Einfalt des Autoris nicht ärgerst; denn das Werk ist nicht seiner Vernunft, sondern des Geistes Trieb. Schaue du nur, daß du den Hl. Geist, der von Gott ausgehet, in deinem Geiste habest, der wird dich in alle Wahrheit leiten und sich dir offenbaren. Alsdann wirst du in seinem Lichte und Kraft wohl sehen bis in die Hl. Dreifaltigkeit und verstehen, was hienach geschrieben ist.


Von Gott dem Vater

2. Als unser Heiland Jesus Christus seine Jünger lehrete beten, so sprach er, wenn ihr wollet beten, so sprecht: Unser Vater, der du bist im Himmel (Matth. 6, 9). Dieses hat nicht den Verstand, daß der Himmel könnte den Vater begreifen oder umfassen, denn er ist selber aus der göttlichen Kraft gemacht.

3. Denn Christus spricht: Mein Vater ist größer denn alles (Joh. 10, 29) und im Propheten spricht Gott: Der Himmel ist mein Stuhl und die Erde ist mein Fußschemel (Jes. 66, 1). Item: Was wollt ihr mir für ein Haus bauen? Ich umfasse den Himmel mit einer Spanne und den Erdenboden mit einem Dreilinge (Jes. 40, 12). Item: In Jakob will ich wohnen und Israel soll meine Hütte sein (Psalm 135, 4; Sir. 24, 13).

4. Daß aber Christus seinen Vater einen himmlischen Vater nennet, damit meinet er, daß seines Vaters Glanz und Kraft ganz lauter, hell und rein im Himmel erscheine und daß über dem Zirk oder Schluß, den wir da mit unsern Augen sehen, das wir Himmel[69] heißen, erscheine die ganze triumphierende Hl. Dreifaltigkeit, Vater, Sohn, Hl. Geist.

5. Auch so unterscheidet Christus hiemit seinen himmlischen Vater von dem Vater der Natur, welcher ist die Sterne und Elementa. Dieselben sind unser natürlicher Vater, daraus wir gemacht sind und in dessen Trieb wir allhie in dieser Welt leben und von welchem wir unsere Speise und Nahrung nehmen.

6. Er ist aber darum unser himmlischer Vater, daß unsere Seele sich stets nach ihm sehnet und ihn begehret. Ja, sie dürstet und hungert stets nach ihm. Der Leib hungert und dürstet nach dem Vater der Natur, welches sind die Sterne und Elementa, und derselbe Vater speiset und tränket ihn auch. Die Seele aber dürstet und hungert stets nach dem himmlischen heiligen Vater, und er speiset und tränket sie auch mit seinem Hl. Geist und Freudenquell.

7. Nun aber haben wir nicht zwei Väter, sondern nur einen: der Himmel ist aus seiner Kraft gemacht und die Sterne aus seiner Weisheit, die in ihm ist, die von ihm ausgehet.


Von der Substanz und Eigenschaft des Vaters

8. Wenn man nun betrachtet die ganze Natur und ihre Eigenschaft, so siehet man den Vater. Wenn man anschauet den Himmel und die Sterne, so siehet man seine ewige Kraft und Weisheit. Also viel(e) Sterne unter dem Himmel stehen, die doch unzählig und der Vernunft unbegreiflich, auch ein Teil unsichtlich sind, also viel und mancherlei ist Gottes des Vaters Kraft und Weisheit.

9. Es hat aber ein jeder Stern am Himmel eine andere Kraft und Qualität als der andere, welche auch machen so vielerlei Unterschied in und unter den Kreaturen auf Erden in dem ganzen Geschöpfe. Nun aber herrühren alle Kräfte, die in der Natur sind, aus Gott, dem Vater, alles Licht, Hitze, Kälte, Luft, Wasser und alle Kräfte der Erden, bitter, sauer, süß, herbe, hart, weit und das man nicht erzählen kann, das hat alles seinen Ausgang vom Vater.

10. Wenn man aber den Vater mit etwas vergleichen will, so muß man ihn der runden Kugel des Himmels vergleichen. Nicht mußt du denken, daß jede Kraft, die in dem Vater ist, an einem besondern Teil und Orte in dem Vater stehe wie die Sterne am[70] Himmel; nein, sondern der Geist zeiget, daß alle Kräfte in dem Vater ineinander sind wie eine Kraft, wie man dessen ein Bild hat im Propheten Hesekiel Kap. 1, 15, der sieht den Herrn im Geist und Vorbild gleich einem Rade, da vier Räder ineinander sind und waren alle viere eines wie das ander, und wenn sie gingen, so gingen sie schlechts für sich, auf welche Seite der Wind ging, da gingen sie alle viere für sich und (be)durfte keines keiner Umwendung. Also ist auch Gott der Vater, es sind alle Kräfte in dem Vater ineinander wie eine Kraft, und alle Kräfte bestehen in dem Vater in einem unerforschlichen Licht und Klarheit.

11. Nicht mußt du denken, daß Gott im Himmel und über dem Himmel etwa stehe und walle wie eine Kraft und Qualität, die keine Vernunft und Wissenschaft in sich habe, wie die Sonne. Die lauft an ihrem Zirk herum und schüttet von sich die Hitze und das Licht, es bringe gleich der Erde und den Kreaturen Schaden oder Fromme, welches denn freilich geschähe, so die andern Planeten und Sterne nicht wehreten. Nein, so ist der Vater nicht, sondern ist ein allmächtiger, allweiser, allwissender, allsehender, allhörender, allriechender, allfühlender, allschmeckender Gott, der da ist in sich sänftig, freundlich, lieblich, barmherzig und freudenreich, ja die Freude selber.

12. Er ist aber von Ewigkeit zu Ewigkeit also unveränderlich. Er hat sich in seinem Wesen noch nie verändert, wird sich auch in alle Ewigkeit nicht verändern. Er ist von nichts herkommen oder geboren, sondern ist selber alles in Ewigkeit, und alles, was da ist, das ist von seiner Kraft worden, die von ihm ausgehet. Die Natur und alle Kreaturen sind aus seiner Kraft worden, die von ihm ist von Ewigkeit ausgangen. Seine Weite, Höhe und Tiefe kann keine Kreatur, auch kein Engel im Himmel erforschen, sondern die Engel leben in des Vaters Kraft ganz sänftig und freudenreich, und singen immer in des Vaters Kraft.


Von Gott dem Sohne

13. So man nun will Gott, den Sohn, sehen, so muß man abermal(s) natürliche Dinge anschauen, sonst kann ich nicht von ihm[71] schreiben. Der Geist siehet ihn wohl, aber man kann es nicht reden oder schreiben, denn das göttliche Wesen stehet in Kraft, die sich nicht schreiben oder reden lässet. Müssen derowegen Gleichnisse vor uns nehmen, wenn wir wollen von Gott reden, denn wir leben in dieser Welt im Stückwerk und sind aus Stückwerk gemacht worden. Will derowegen den Leser in jenes Leben zitieret haben, da will ich eigentlicher und klärlicher mit ihm von diesem hohen Artikul reden. Es wolle der liebhabende Leser derweil auf des Geistes Sinn sehen, so wirds nicht fehlen, er wird auch ein Kräftlein davon bekommen, so ihn nur hungert. Nun merke: Es sprechen die Türken und Heiden, Gott habe keinen Sohn. Allhie tut die Augen recht auf und macht euch nicht selber stockblind, so werdet ihr den Sohn sehen.

14. Der Vater ist alles und alle Kraft bestehet in dem Vater. Er ist der Anfang und das Ende aller Dinge, und außer ihm ist nichts; und alles, was da worden ist, das ist aus dem Vater worden. Denn vor Anfang der Schöpfung der Kreaturen war nichts als nur allein Gott, und wo nun nichts ist, daraus wird nichts. Alles Ding muß eine Ursache oder Wurzel haben, sonst wird nichts. Nun aber mußt du nicht denken, daß der Sohn ein ander(er) Gott sei als der Vater. Du darfst auch nicht denken, daß der Sohn außer dem Vater sei und sei ein besonder(er) Teil, als wenn zwei Männer nebeneinander stehen, da einer den andern nicht begreift. Nein, eine solche Substanz hat es nicht mit dem Vater und Sohne, denn der Vater ist nicht ein Bild, mit etwas zu vergleichen, sondern der Vater ist der Brunnquell aller Kräfte, und sind alle Kräfte ineinander wie eine Kraft. Darum heißt er auch ein einiger Gott, sonst wo seine Kräfte zertrennt wären, so wäre er nicht allmächtig. Nun aber ist er der selbständige, allmächtige und allkräftige Gott.

15. Der Sohn aber ist das Herze in dem Vater. Alle Kräfte, die in dem Vater sind, die sind des Vaters Eigentum, und der Sohn ist das Herze oder der Kern in allen Kräften in dem ganzen Vater. Er ist aber die Ursache der quellenden Freuden in allen Kräften in dem ganzen Vater. Von dem Sohn, der da ist des Vaters Herze in allen seinen Kräften, steiget auf die ewige himmlische Freude und quillet in allen Kräften des Vaters. Eine solche Freude, die[72] kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat und in keines Menschen Herze nie gestiegen ist, wie St. Paulus saget I. Kor. 2, 9.

16. So aber ein Mensch allhie auf Erden mit dem Hl. Geist erleuchtet wird aus dem Brunnquell Jesu Christi, daß die Geister der Natur, welche bedeuten den Vater, angezündet werden, so gehet eine solche Freude in seinem Herzen auf in alle Adern, daß der ganze Leib zittert und der animalische Geist triumphieret, als wäre er in der Hl. Trinität, welches allein die verstehen, die an dem Orte sind zu Gaste gewesen.

17. Dieses aber ist nur ein Vorbild oder Anblick des Sohns Gottes in dem Menschen, dadurch der Glaube gestärkt und erhalten wird; denn die Freude kann in einem irdischen Gefäße nicht also groß sein als in einem himmlischen, da die vollkommene Kraft Gottes völlig ist.

18. Hie muß ich nun im Gleichnis schreiben. Allhier will ich dir ein Gleichnis in der Natur zeigen, wie da sei das hl. Wesen in der hl. Trinität: Schaue an den Himmel, der ist eine runde Kugel und hat weder Anfang noch Ende, sondern es ist überall der Anfang und das Ende, wo du ihn nur ansiehest. Also ist auch Gott in und über dem Himmel, der hat weder Anfang noch Ende. Nun siehe weiter an der Sterne Zirk, die bedeuten des Vaters mancherlei Kraft und Weisheit, und sie sind auch aus des Vaters Kraft und Weisheit gemacht worden. Nun der Himmel, die Sterne und die ganze Tiefe zwischen den Sternen samt der Erden bedeuten den Vater; und die sieben Planeten bedeuten die sieben Geister Gottes oder die Fürsten der Engel, unter welchen Herr Luzifer auch einer gewesen ist vor seinem Fall, welche alle aus dem Vater gemacht sind im Anfang der Schöpfung der Engel vor der Zeit der Welt.

19. Nun merke: Die Sonne gehet mitten in der Tiefe zwischen den Sternen in dem runden Zirk, und sie ist das Heer der Sterne und gibt allen Sternen Licht und Kraft, und temperieret aller Sterne Kraft, daß alles fein lieblich und freudenreich wird. Auch so erleuchtet sie den Himmel, die Sterne und die Tiefe über der Erde, und wirket in allen Dingen, was in dieser Welt ist, und ist der König und das Herze aller Dinge in dieser Welt, und die bedeutet recht Gott den Sohn.[73]

20. Denn gleichwie die Sonne mitten zwischen den Sternen und Erden stehet und erleuchtet alle Kräfte und ist das Licht und Herze aller Kräfte, und alle Freude in dieser Welt, dazu alle Schönheit und Lieblichkeit stehet in der Sonne Licht und Kraft, also auch der Sohn Gottes in dem Vater, der ist das Herze in dem Vater und leuchtet in allen Kräften des Vaters, und seine Kraft ist die bewegliche, quellende Freude in allen Kräften des Vaters, und leuchtet in dem ganzen Vater, gleichwie die Sonne in der ganzen Welt. So man könnte die Erde wegnehmen, welche bedeutet das Haus der Trübsal oder der Hölle, so wäre die ganze Tiefe gar licht an einem Ort wie am andern. Also ist auch die ganze Tiefe im Vater gar licht an einem Orte wie am andern, von dem Glanze des Sohns Gottes. Und gleichwie die Sonne ist eine selbständige Kreatur, Kraft oder Licht, die nicht aus allen Kreaturen scheinet, sondern in alle Kreaturen, und alle Kreaturen freuen sich in ihrer Kraft, also ist auch der Sohn in dem Vater eine selbständige Person und erleuchtet alle Kraft in dem Vater und ist des Vaters Freude oder Herze in seinem Centro oder Mitten.

21. Hie merke die große Geheimnis Gottes: Die Sonne ist aus allen Sternen geboren oder gemacht, und ist das Licht aus der ganzen Natur genommen und scheinet wieder in die ganze Natur dieser Welt und ist mit den andern Sternen verbunden, als wäre sie mit allen Sternen ein Stern.

22. Also ist auch der Sohn Gottes aus allen Kräften seines Vaters von Ewigkeit immer geboren und nicht gemacht, und ist das Herze und Glanz aus allen Kräften seines himmlischen Vaters, eine selbständige Person, das Zentrum oder in der Tiefe das Corpus des Glanzes. Denn des Vaters Kraft gebäret den Sohn von Ewigkeit immerdar. So nun der Vater würde aufhören zu gebären, so wäre der Sohn nicht mehr, und so der Sohn nicht mehr in dem Vater leuchtete, so wäre der Vater ein finster Tal; denn des Vaters Kraft stiege nicht auf von Ewigkeit zu Ewigkeit, und könnte das göttliche Wesen nicht bestehen.

23. Also ist der Vater das selbständige Wesen aller Kräfte, und der Sohn ist das Herze in dem Vater, das aus allen Kräften des Vaters immer geboren wird, und der des Vaters Kräfte wieder erleuchtet. Nicht mußt du denken, daß der Sohn in dem Vater vermischt sei, daß man seine Person nicht sehe oder erkenne; nein, wenn das wäre, so wäre es nur eine Person. So wenig als die Sonne aus den andern Sternen scheinet, und ob sie gleich aus andern[74] Sternen ihren Ursprung hat, so wenig scheinet auch der Sohn aus den Kräften des Vaters, was sein Corpus anlanget. Und ob er gleich aus den Kräften des Vaters immer geboren wird, so scheinet er doch wieder in die Kräfte des Vaters; denn er ist eine andere Person als der Vater, aber nicht ein anderer Gott. Er ist ewig in dem Vater, und der Vater gebäret ihn von Ewigkeit zu Ewigkeit immerdar, und ist der Vater und der Sohn ein Gott, gleiches Wesens in Kraft und Allmacht. Der Sohn siehet, hört, schmecket, fühlet, reucht und begreift alles wie der Vater. In seiner Kraft lebet und ist alles, was da gut ist, wie in dem Vater; aber das Böse ist nicht in ihm.


Von Gott dem Hl. Geist

24. Gott, der Hl. Geist, ist die dritte Person in der triumphierenden hl. Gottheit, und gehet vom Vater und Sohne aus der heilige wallende Freudenquell in dem ganzen Vater, ein lieblich, sanftes und stilles Sausen, aus allen Kräften des Vaters und des Sohnes, wie beim Propheten Elia am Berge Horeb (I. Kön. 19, 12) und am Pfingsttage bei den Aposteln Christi zu sehen ist (Apg. 2, 2).

25. So man aber seine Person, Substanz und Eigenschaft aus rechtem Grund beschreiben will, so muß mans auch im Gleichnis vorbilden; denn den Geist kann man nicht schreiben, dieweil er keine Kreatur ist, sondern die wallende Kraft Gottes.

26. Nun siehe aber einmal die Sonne und Sterne an, die manch- und vielerlei Sterne, die unaussprechlich oder unzählig sind, die bedeuten den Vater. Aus denselben Sternen ist worden die Sonne, denn Gott hat sie daraus gemacht, die bedeutet den Sohn Gottes. Nun sind von der Sonne und Sternen worden die vier Elementa, Feuer, Luft, Wasser, Erde, wie ich hernach klar beweisen will, wenn ich von der Schöpfung schreiben werde.

27. Nun merke: Die drei Elementa, Feuer, Luft und Wasser, die haben dreierlei Bewegung oder Qualifizierung, aber nur ein Corpus. Siehe, das Feuer oder Hitze empöret sich aus der Sonne und Sternen, und aus der Hitze empöret sich die Luft und aus der Luft das Wasser. Und in dieser Bewegung oder Qualifizierung stehet aller Kreaturen Leben und Geist, auch alles, was in dieser Welt genannt mag werden, das bedeutet den Hl. Geist.[75]

28. Gleichwie die drei Elementa Feuer, Luft und Wasser von der Sonne und Sternen ausgehen und sind eni Corpus ineinander und machen die lebendige Bewegung und den Geist aller Kreaturen in dieser Welt, also auch gehet der Hl. Geist vom Vater und Sohne aus, und machet die lebendige Bewegung in allen Kräften des Vaters. Und gleichwie die drei Elementa in der Tiefe wallen als ein selbständiger Geist, und machen Hitze, Kälte, Wolken und fließen aus aller Sterne Kraft, und alle Kräfte der Sonne und Sterne sind in drei Elementen, als wären sie selber die Sonne und Sterne, daraus denn aller Kreaturen Leben und Geist wird und darinnen bestehet, also gehet der Hl. Geist aus vom Vater und Sohne und wallet in dem ganzen Vater, und ist aller Kräfte Leben und Geist in dem ganzen Vater.

29. Hie merke die tiefe Geheimnis: Alle Sterne, die man siehet und nicht siehet, die bedeuten die Kraft Gottes des Vaters; nun aus denselben Sternen ist geboren die Sonne, die ist das Herze aller Sterne. Nun gehet aus allen Sternen aus die Kraft, die in jedem Sterne ist, in die Tiefe. Nun gehet der Sonne Kraft, Hitze und Schein auch in die Tiefe, und in der Tiefe ist aller Sterne Kraft mit der Sonne Schein und Hitze ein Ding, eine bewegende Wallung, gleich eines Geistes oder einer Materia, allein daß es nicht Vernunft hat, denn es ist nicht der Hl. Geist. Auch so gehöret das vierte Element auch zu einem natürlichen Geiste, soll er aber Vernunft haben. Also gehet aus Gott dem Vater aus (in seine Tiefe) aus allen seinen Kräften und gebieret den Glanz, das Herze oder den Sohn Gottes in seinem Centro. Den vergleicht man der runden Kugel der Sonne, der leuchtet über sich, unter sich und neben sich, und gehet der Glanz samt allen Kräften aus dem Sohne Gottes in den ganzen Vater.

30. Nun ist in der ganzen Tiefe des Vaters außer dem Sohne nichts denn die vielerlei und unermeßliche oder unerforschliche Kraft des Vaters. Und die unerforschliche Kraft und Licht des Sohnes, das ist in der Tiefe des Vaters ein lebendiger, allkräftiger, allwissender, allhörender, allsehender, allriechender, allschmeckender, allfühlender Geist, in dem alle Kraft und Glanz und Weisheit ist wie in dem Vater und Sohne.

31. Gleichwie in den vier Elementen ist der Sonne und aller Sterne Kraft und Glanz, also auch in der ganzen Tiefe des Vaters, und das ist und heißt recht der Hl. Geist, der die dritte selbständige Person ist in der Gottheit.


Von der heiligen Dreifaltigkeit

[76] 32. Wenn man nun redet oder schreibet von drei Personen in der Gottheit, so darfst du nicht denken, daß darum drei Götter sind, da ein jeder für sich herrschet und regieret gleich den irdischen Königen auf Erden. Nein, eine solche Substanz und Wesen hat es nicht in Gott; denn das göttliche Wesen stehet in Kraft und nicht im Leibe oder Fleische.

33. Der Vater ist die ganze göttliche Kraft, daraus alle Kreaturen worden sind, und ist von Ewigkeit immer gewesen. Er hat keinen Anfang noch Ende. Der Sohn ist in dem Vater des Vaters Herze oder Licht, und der Vater gebäret den Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit immerdar, und des Sohns Kraft und Glanz leuchtet wieder in dem ganzen Vater, gleichwie die Sonne in der ganzen Welt.

34. Und ist der Sohn eine andere Person als der Vater, aber nicht außer dem Vater, und auch kein ander(er) Gott als der Vater. Seine Kraft, Glanz und Allmacht ist nichts kleiner als der ganze Vater.

35. Der Hl. Geist gehet vom Vater und Sohne aus und ist die dritte selbständige Person in der Gottheit. Gleichwie die Elementa in dieser Welt von der Sonne und Sternen ausgehen und sind der bewegliche Geist in allen Dingen in dieser Welt, also auch ist der Hl. Geist der bewegliche Geist in dem ganzen Vater und gehet von Ewigkeit zu Ewigkeit immer von dem Vater und Sohne aus und erfüllet den ganzen Vater. Er ist nichts kleiner oder größer als der Vater und Sohn. Seine webende Kraft ist in dem ganzen Vater.

36. Alles Ding in dieser Welt ist nach dem Gleichnis dieser Dreiheit worden. Ihr blinden Juden, Türken und Heiden, tut die Augen eures Gemütes auf, ich muß euch an eurem Leibe und allen natürlichen Dingen zeigen, an Menschen, Tieren, Vögeln und Würme(r)n, sowohl an Holz, Steinen, Kraut, Laub und Gras, das Gleichnis der Hl. Dreiheit in Gott.

37. Ihr saget, es sei ein einig Wesen in Gott; Gott habe keinen Sohn. Nun tue die Augen auf und siehe dich selber an: Ein Mensch ist nach dem Gleichnis und aus der Kraft Gottes in seiner Dreiheit gemacht. Schaue deinen inwendigen Menschen an, so wirst du das hell und rein sehen, so du nicht ein Narr und unvernünftig(es) Tier bist. So merke: In deinem Herzen, Adern und Hirne hast du deinen Geist. Alle die Kraft, die sich in deinem Herzen, Adern und Hirne beweget, darinne(n) dein Leben stehet, bedeutet Gott den Vater. Aus derselben Kraft empöret sich dein Licht, daß du[77] in derselben Kraft siehest, verstehest und weißt, was du tun sollst; denn dasselbe Licht schimmert in deinem ganzen Leibe und beweget sich der ganze Leib in Kraft und Erkenntnis des Lichtes, das bedeutet Gott, den Sohn. Denn gleichwie der Vater den Sohn aus seiner Kraft gebäret und der Sohn leuchtet in dem ganzen Vater, also auch gebäret die Kraft deines Herzens, deiner Adern und deines Hirnes ein Licht, das leuchtet in allen deinen Kräften, in deinem ganzen Leibe. Tue die Augen deines Gemütes auf und denke ihm nach, so wirst du es also finden.

38. Nun merke: Gleichwie vom Vater und Sohn ausgehet der Hl. Geist und ist eine selbständige Person in der Gottheit, und wallet in dem ganzen Vater, also gehet auch aus den Kräften deines Herzens, Adern und Hirn aus die Kraft, die in deinem ganzen Leibe wallet, und aus deinem Lichte gehet aus in dieselbe Kraft, Vernunft, Verstand, Kunst und Weisheit, den ganzen Leib zu regieren und auch alles, was außer dem Leibe ist, zu unterscheiden. Und dieses beides ist in deinem Regiment des Gemütes ein Ding, dein Geist, und das bedeutet Gott, den Hl. Geist. Und der Hl. Geist aus Gott herrschet auch in diesem Geiste in dir, bist du aber ein Kind des Lichts und nicht der Finsternis.

39. Denn von wegen dieses Lichts, Verstandes und Regiments ist der Mensch unterschieden von den Tieren, und ein Engel Gottes, wie ich klar beweisen will, wenn ich von Erschaffung des Menschen schreiben werde.

40. Darum merke eigen(s) und habe acht auf die Ordnung dieses Buches; du wirst finden, was dein Herze begehret oder immer lüstert.

41. Also findest du in einem Menschen drei Quellbrunnen: erstlich die Kraft in deinem ganzen Gemüte, das bedeutet Gott den Vater; danach das Licht in deinem ganzen Gemüte, das erleuchtet das ganze Gemüte, das bedeutet Gott den Sohn.

42. Danach so gehet aus allen deinen Kräften und auch aus deinem Lichte ein Geist aus, der ist verständig; denn alle Adern samt dem Lichte in dir, sowohl Herz und Hirn und alles, was in dir ist, das macht denselben Geist, und das ist deine Seele und bedeutet recht den Hl. Geist, der vom Vater und Sohne ausgehet und regieret in dem ganzen Vater; denn die Seele des Menschen regieret im ganzen Leibe.

43. Der Leib aber oder das tierische Fleisch im Menschen bedeutet die tote verderbte Erde, daß ihm der Mensch durch[78] seinen Fall selber also zugerichtet hat, wie hernach folgen wird an seinem Orte.

44. Also findest du auch die Dreiheit der Gottheit in den Tieren; denn wie der Geist eines Menschen wird und entstehet, also auch in einem Tier, und ist in dem kein Unterscheid, allein in diesem ist der Unterscheid, daß der Mensch ist aus dem besten Kern der Natur gemacht von Gott selber zu seinem Engel und Gleichnis, und herrschet in dem Menschen mit seinem Hl. Geist, daß der Mensch kann reden und alles unterscheiden und verstehen.

45. Das Tier aber ist allein worden aus der wilden Natur dieser Welt; die Sterne und Elementa haben die Tiere durch ihre Bewegung geboren nach dem Willen Gottes.

46. Also entstehet auch der Geist in Vögeln und Würme(r)n und hat alles seinen dreifachen Quell im Gleichnis der Dreiheit der Gottheit. Also siehest du auch die Dreiheit in der Gottheit in Holz und Steinen, sowohl in Kraut, Laub und Gras, allein daß dasselbe alles irdisch ist. Noch gebäret die Natur nichts, es sei in dieser Welt, was es wolle, und wenn es gleich kaum eine Stunde stehen oder bleiben soll, es wird alles in der Dreiheit oder nach dem Gleichnis Gottes geboren.

47. Nun merke: In einem Holze, Steine und Kraut sind drei Dinge, und kann nichts geboren werden oder wachsen, so unter den dreien sollte in einem Dinge nur eines außen bleiben. Erstlich die Kraft, daraus ein Leib wird, es sei gleich Holz oder Stein oder Kraut. Hernach ist in demselben ein Saft, das ist das Herze eines Dinges. Zum dritten ist darinnen eine quellende Kraft, Geruch oder Geschmack, das ist der Geist eines Dinges, davon es wächst und zunimmt. So nun unter den dreien eines fehlet, so kann kein Ding bestehen.

48. Also findest du die Gleichnis der Dreiheit in dem göttlichen Wesen in allen Dingen, schaue an, was du willst; und soll sich niemand stockblind machen und vermeinen, es sei anders, oder denken, Gott habe keinen Sohn und Hl. Geist. Ich will solches hinfüro, wenn ich werde von der Schöpfung schreiben, viel heller, klarer und lauterer beweisen, denn ich nehme mein Schreiben und Buch nicht von andern Meistern. Und ob ich gleich viel Exempel[79] und Zeugnisse der Heiligen Gottes darinnen (an)führe, so ist mir doch solches alles von Gott in meinen Sinn geschrieben, daß ichs ganz ungezweifelt glaube, erkenne und sehe, nicht im Fleisch, sondern im Geiste, im Trieb und Wallen Gottes.

49. Nicht also zu verstehen, daß meine Vernunft größer wäre als aller derer, die da leben, sondern ich bin des Herrn Zweig nur ein kleines und geringes Fünklein aus ihm. Er mag mich setzen, wo er hin will, ich kann ihm das nicht wehren. Auch so ist dieses nicht mein natürlicher Wille, den ich aus meinen Kräften vermag; denn so mir der Geist entzogen wird, so kenne oder verstehe ich meine eigene Arbeit nicht, und muß mich auf allen Seiten mit dem Teufel kratzen und schlagen und bin der Anfechtung und Trübsal unterworfen wie alle Menschen. Aber du wirst in den nachfolgenden Kapiteln den Teufel mit seinem Reiche bald bloß sehen. Es soll ihm seine Hoffart und Schande bald aufgedeckt werden.[80]

Quelle:
Jakob Böhme: Aurora oder Morgenröte im Aufgang. Freiburg i. Br. 1977, S. 69-81.
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