Zweiter Theil.

Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge.

[42] 1. Wenn auch Jedermann von dem Dasein der körperlichen Dinge überzeugt ist, so haben wir dasselbe doch kürzlich bezweifelt und zu den Vorurtheilen aus der Kinderzeit gerechnet, deshalb sind nun die Gründe aufzusuchen, wodurch wir hierüber Gewissheit erlangen. Was wir nämlich empfinden, kommt unzweifelhaft von einem Dinge, welches von unserer Seele verschieden ist; denn es ist nicht in unserer Gewalt, das Eine eher als das Andere zu empfinden; vielmehr hängt dies von dem Dinge ab, was unsere Sinne erregt. Man kann allerdings fragen, ob dieses Ding Gott oder etwas von Gott Verschiedenes ist. Da wir indess empfinden oder vielmehr auf Antrieb der Sinne klar und deutlich einen Stoff wahrnehmen, der in die Länge, Breite und Tiefe sich ausdehnt, dessen Theile verschiedene Gestalten haben, in verschiedener[42] Weise sich bewegen und auch bewirken, dass wir mancherlei Empfindungen von Farben, Gerüchen, Schmerzen u.s.w. haben, so würde, wenn Gott die Vorstellung dieses ausgedehnten Stoffes unsere Seele unmittelbar durch sich selbst zuführte oder nur bewirkte, dass dies von einem Dinge geschähe, welches nichts von Ausdehnung, Gestalt und Bewegung enthielte, kein Grund aufgefunden werden könne, weshalb er nicht als Betrüger gelten müsste. Denn wir erkennen dies Ding klar als von Gott und von uns oder unserer Seele verschieden, und wir meinen auch klar zu sehen, dass diese Vorstellung von Dingen ausserhalb unserer kommt, die ihnen ganz ähnlich sind. Schon früher ist aber bemerkt worden, dass es der Natur Gottes ganz widerspricht, betrügerisch zu sein. Deshalb ist hier sicher zu schliessen, dass ein Gegenstand besteht, der in die Länge, Breite und Tiefe ausgedehnt ist und alle die Eigenschaften hat, welche wir, als einem ausgedehnten Gegenstand zugehörig, klar erkennen. Und dies ist das ausgedehnte Ding, was wir Körper oder Stoff nennen.

2. Ebenso kann man aus dem Umstande, dass uns plötzlich ein Schmerz oder eine andere sinnliche Empfindung kommt, folgern, dass mit unserer Seele ein gewisser Körper enger als die übrigen Körper verbunden ist; denn die Seele ist sich bewusst, dass jene nicht von ihr selbst kommen, und dass sie deshalb nicht zu ihr gehören können, weil sie ein denkendes Wesen ist, sondern nur, weil sie mit einem gewissen anderen ausgedehnten und beweglichen Dinge verbunden ist, welches der menschliche Körper genannt wird. Indess gehört seine genauere Darlegung nicht hierher.

3. Es genügt, wenn wir beachten, dass die sinnlichen Wahrnehmungen nur jener Verbindung des menschlichen Körpers mit der Seele zukommen und uns in der Regel sagen, wiefern äussere Körper derselben nützen oder schaden können, aber nur bisweilen und zufällig uns darüber belehren, was sie an sich selbst sind. So werden wir die Vorurtheile der Sinne leicht ablegen und hier uns[43] nur des Verstandes bedienen, der auf die von Natur ihm eingepflanzten Vorstellungen aufmerksam Acht hat.

4. Wir werden dann erkennen, dass die Natur des Stoffes oder des Körpers überhaupt nicht in der Härte, dem Gewicht, der Farbe oder einer anderen sinnlichen Eigenschaft besteht, sondern nur in seiner Ausdehnung in die Länge, Breite und Tiefe. Denn von der Härte lehrt uns der Sinn nur, dass die Theile der harten Körper bei dem Druck von unseren Händen der Bewegung widerstehen; denn wenn bei der Bewegung unserer Hände gegen einen Theil alle dort befindlichen Körper mit derselben Schnelligkeit zurückweichen, mit der jene sich vorwärts bewegen, so würden wir keine Härte fühlen. Auch sieht man ein, dass die so zurückweichenden Körper deshalb die Natur eines Körpers nicht verlieren, und mithin diese nicht in der Härte besteht. In derselben Weise kann man zeigen, dass die Schwere, die Farbe und alle ähnlichen Eigenschaften, die in dem körperlichen Stoff wahrgenommen werden, daraus beseitigt werden können, und er doch vollständig vorhanden bleibt. Deshalb ist seine Natur von keiner dieser Eigenschaften bedingt.[44]

5. Es bleiben indess noch zwei Gründe, welche zweifeln lassen, ob die wahre Natur des Körpers blos in der Ausdehnung besteht. Der eine ist, dass nach der Ansicht Vieler die meisten Körper so verdünnt oder verdichtet werden können, dass sie verdünnt mehr Raum einnehmen als verdichtet. Manche sind auch so spitzfindig, dass sie die Substanz des Körpers von seiner Grösse und seine Härte von seiner Ausdehnung unterscheiden. Der andere Grund ist, dass, wo wir nur eine Ausdehnung in die Länge,[45] Breite und Tiefe auffassen, wir keinen Körper anzunehmen pflegen, sondern nur einen Raum, und zwar einen leeren Raum, der nach Aller Ueberzeugung ein reines Nichts ist.

6. Indess wird rücksichtlich der Verdünnung und Verdichtung Niemand, der auf seine Gedanken Acht hat und nur das klar Erkannte zulässt, meinen, dass etwas Anderes als ein Wechsel der Gestalt dabei Statt hat; in der Weise, dass dünne Körper die sind, zwischen deren Theilen grosse Zwischenräume sind, die mit anderen Körpern erfüllt sind, und dass sie nur dadurch dichter werden, dass ihre Theile bei ihrer gegenseitigen Annäherung diese Zwischenräume vermindern oder ganz aufheben. Wenn Letzteres eintritt, dann ist der Körper so dicht, dass er jeder weiteren Verdichtung widersteht. Deshalb ist er aber nicht weniger ausgedehnt, als wenn er bei einer grösseren Entfernung seiner Theile einen grösseren Raum einnimmt, weil die Ausdehnung in den Poren oder Zwischenräumen ihm nicht zugerechnet werden kann, sondern zu denjenigen Körpern gehört, die diesen Zwischenraum erfüllen. Sehen wir z.B. einen von Wasser oder einer anderen Flüssigkeit aufgeblähten Schwamm, so halten wir ihn in seinen einzelnen Theilen nicht für ausgedehnter, als wenn er zusammengedrückt und trocken ist, sondern nehmen nur seine Poren für ausgedehnter an, und dass er deshalb durch einen grösseren Raum sich erstreckt.

7. Ich sehe fürwahr nicht ein, weshalb Einige vorziehen, die Verdünnung durch eine Vermehrung der Masse zu erklären, als durch dieses Beispiel mit dem Schwamm zu erläutern. Denn wenn wir auch bei der Verdünnung der Luft oder des Wassers ihre Poren nicht sich erweitern noch einen neuen Körper zu deren Ausfüllung hinzukommen sehen, so entspricht es doch der Vernunft nicht so gut, etwas Unverständliches sich zur wörtlichen Erklärung ihrer Ausdehnung zu erdenken, als aus dieser Verdünnung abzunehmen, dass sie Poren oder Zwischenräume enthalten, welche weiter werden und von einem neuen, hinzukommenden Körper ausgefüllt werden, obgleich wir diese neuen Körper nicht wahrnehmen. Denn kein Grund nöthigt uns, alle bestehenden Körper für sinnlich wahrnehmbar zu halten, und wir sehen ein, wie auf diese Weise, aber nicht auf eine andere, die Verdünnung sehr leicht geschehen[46] kann. Es ist auch durchaus widersprechend, dass der Körper durch eine neue Masse oder neue Ausdehnung sich vergrössere, ohne dass nicht zugleich eine neue ausgedehnte Substanz, d.h. ein neuer Körper hinzukommt.[47]

Denn man kann keine Vermehrung der Ausdehnung oder Grösse ohne Vermehrung einer grossen und ausgedehnten Substanz verstehen, wie aus dem Folgenden sich deutlicher ergeben wird.

8. Denn sachlich unterscheidet sich die Grösse nicht von der ausgedehnten Substanz, sondern nur in unserem Begriff; ebenso wie die Zahl von der gezählten Sache, nämlich so, dass wir die ganze Natur der körperlichen Substanz, welche in einem Raume von zehn Fuss enthalten ist, betrachten können, ohne auf dieses Maass der zehn Fuss zu achten; denn die Substanz wird in jedem Theile dieses Raumes als dieselbe wie in dem Ganzen vorgestellt. Umgekehrt kann die Zahl Zehn und die stetige Grösse von zehn Fuss auch, ohne auf diese bestimmte Substanz Acht zu haben, vorgestellt werden. Denn es bleibt ganz derselbe Begriff der Zehn, mag er auf dieses Maass von zehn Fuss oder auf sonst etwas bezogen werden, und die stetige Grösse von zehn Fuss kann zwar nicht ohne irgend eine ausgedehnte Substanz vorgestellt werden, deren Grösse sie ist, aber doch ohne diese bestimmte Substanz. In der Wirklichkeit kann aber selbst das Kleinste von dieser Grösse oder Ausdehnung nicht weggenommen werden, ohne ebensoviel von der Substanz wegzunehmen, und umgekehrt wird mit der Wegnahme eines Stücks Substanz auch ebensoviel von der Grösse und Ausdehnung weggenommen.

9. Wenn auch Manche hier anders sprechen, so glaube ich doch nicht, dass sie anders über die Sache denken, vielmehr denken sie bei ihrer Unterscheidung der Substanz von der Ausdehnung und Grösse entweder unter dem Worte Substanz nichts oder sie theilen der körperlichen Substanz fälschlich die verworrene Vorstellung einer unkörperlichen Substanz zu und lassen die wahre Vorstellung dieser körperlichen Substanz bei der Ausdehnung weg, die sie aber dennoch ein Accidenz nennen. Somit sprechen sie in den Worten etwas Anderes, als was sie in der Seele denken.

10. Denn auch sachlich ist der Raum oder innere Ort und die in ihm enthaltene körperliche Substanz verschieden, aber nur nach der Art, wie sie von uns vorgestellt werden; denn in Wahrheit ist die Ausdehnung in die Länge, Breite und Tiefe, welche den Raum ausmacht, dieselbe mit der, welche den Körper ausmacht. Aber darin ist der Unterschied, dass wir sie im Körper als[48] etwas Besonderes betrachten und an nehmen, sie verändere sich so oft, als der Körper wechselt; dagegen geben wir dem Raum eine gattungsmässige Einheit, so dass mit dem Wechsel des ihn erfüllenden Körpers doch kein Wechsel in der Ausdehnung des Raumes angenommen wird; er gilt vielmehr für ein und derselbe, so lange seine Grösse und Gestalt bleibt, und er dieselbe Lage zwischen den äusseren Körpern behält, durch welche wir diesen Raum bestimmen.

11. Wir werden aber leicht erkennen, dass es dieselbe Ausdehnung ist, welche die Natur des Körpers und die Natur des Raumes ausmacht, und dass beide sich nicht mehr unterscheiden als die Natur der Gattung oder Art von der Natur des Einzelnen, wenn wir auf die Vorstellung, die wir von einem Körper haben, achten, z.B. von einem Steine, und Alles davon abtrennen, was nicht zur Natur des Körpers gehört. So wollen wir zuerst die Härte abtrennen, weil der Stein bei seinem Flüssigwerden oder Umwandlung in ganz feines Pulver sie verliert und doch ein Körper bleibt. Auch die Farbe wollen wir entfernen,[49] weil wir oft durchsichtige Steine ohne alle Farbe sehen; auch die Schwere, denn nichts ist leichter als das Feuer, und doch gilt es für einen Körper; endlich die Kälte und. Wärme und alle anderen Eigenschaften, weil man sie in dem Steine nicht bemerkt, oder ihr Wechsel am Steine nicht als Verlust seiner körperlichen Natur gilt. So werden wir bemerken, dass in der Vorstellung des Steines beinahe nichts übrig bleibt als die Ausdehnung in die Länge, Breite und Tiefe, welche ebenso in der Vorstellung des Raumes ist, mag er von einem Körper erfüllt oder leer sein.

12. In der Art des Vorstellens ist aber ein Unterschied. Denn wenn man den Stein von dem Raume oder Ort, in dem er ist, abtrennt, hält man auch seine Ausdehnung für abgetrennt, da man diese für eine besondere und von ihm untrennbare ansieht; ebendeshalb bleibt die Ausdehnung des Ortes, worin der Stein sich befand, und gilt als dieselbe, mag dieser Ort des Steines von Holz oder Wasser oder Luft oder einem anderen Körper ausgefüllt werden oder selbst für leer gehalten werden. Hier wird nämlich die Ausdehnung überhaupt betrachtet, und sie gilt deshalb als dieselbe für den Stein, das Holz, das Wasser, die Luft und andere Körper, ja selbst für das Leere, wenn es ein solches giebt, so lange sie nur dieselbe Grösse, Gestalt und Lage zwischen den äusseren Körpern behält, welche diesen Raum begrenzen.[50]

13. Die Worte »Ort« oder »Raum« bezeichnen nämlich nicht etwas von dem darin befindlichen Körper Verschiedenes, sondern nur seine Grösse, Gestalt und Lage zwischen anderen Körpern. Um diese Lage zu bestimmen, müssen wir auf die anderen Körper sehen, die wir dabei als unbewegt annehmen, und je nachdem man dabei verschiedene beachtet, können wir sagen, dass die Sache zu derselben Zeit sich bewegt und sich nicht bewegt. Wenn z.B. ein Schiff auf dem Meer fährt, so bleibt der in der Kajüte Sitzende immer an derselben Stelle, wenn man nur die Schiffstheile beachtet, zwischen denen er seine Stelle bewahrt; aber gleichzeitig wechselt er stetig seinen Ort, wenn man die Küste beachtet, da er hier stetig von der einen sich entfernt und der anderen nähert. Und wenn wir annehmen, dass die Erde sich bewegt und genau so viel von Westen nach Osten geht, als das Schiff inmittelst von Osten nach Westen fährt, werden wir wieder sagen, dass der in der Kajüte Sitzende seinen Ort nicht ändert, wenn wir die Bestimmung dieses Ortes von gewissen festen Punkten am Himmel abnehmen. Nehmen wir endlich an, dass es keine solche unbewegte Stellen in der Welt giebt, wie unten als wahrscheinlich dargelegt werden wird, so können wir abnehmen, dass kein Ort einer Sache unbewegt ist und nur in Gedanken so bestimmt werden kann.[51]

14. Die Worte »Ort« und »Raum« unterscheiden sich, insofern der Ort mehr die bestimmte Lage bezeichnet als die Grösse und Gestalt; dagegen denken wir bei dem Raume mehr an letztere. Denn man sagt oft, dass eine Sache den Ort einer anderen einnimmt, wenn sie auch nicht genau dieselbe Grösse und Gestalt hat; wir sagen dann nur, dass sie nicht denselben Raum ausfüllt, und wenn sie ihre Lage verändert, sagen wir allemal, dass sie den Ort wechsele, obgleich ihre Grösse und Gestalt unverändert bleibt. Ebenso meint man, wenn man von einer Sache sagt, dass sie an diesem Orte ist, nur dieselbe Lage zwischen anderen Dingen, und wenn wir hinzufügen, dass sie diesen Raum oder diesen Ort ausfülle,[52] so meint man, dass sie ausserdem von derselben Grösse und Gestalt ist.

15. So nehmen wir mithin den Raum immer für die Ausdehnung nach der Länge, Breite und Tiefe; aber den Ort fassen wir bald als ein Innerliches der darin befindlichen Sache, bald als ein ihr Aeusserliches auf. Der innerliche ist dasselbe wie der Raum, der äussere gilt dagegen für die Oberfläche, welche sich um das in dem Ort Befindliche herumzieht. Unter Oberfläche ist hier nicht ein Theil des umgebenden Körpers zu verstehen, sondern nur die Grenze zwischen dem umgebenden Körper und dem, was umgeben ist. Sie ist nur ein Zustand, oder es wird unter Oberfläche wenigstens das Gemeinsame verstanden, was nicht mehr Theil des einen wie des anderen Körpers ist, sondern immer als dasselbe angesehen wird, da es dieselbe Grösse und Gestalt behält. Denn wenn auch jeder umgebende Körper mit seiner Oberfläche sich ändert, so gilt doch die von ihm umgebene Sache deshalb nicht als bewegt, wenn sie ihre Lage zu den anderen Körpern, die als unbewegt gelten, nicht ändert. Wenn z.B. ein Schiff von der einen Seite durch den Strom und auf der anderen von dem Winde entgegen mit gleicher Kraft getrieben wird, ohne dabei seine Lage zwischen den Ufern zu verändern, so wird man leicht einsehen, dass es an demselben Orte bleibt, obgleich die ganze Oberfläche sich bewegt.

16. Ein Leeres (Vacuum) im philosophischen Sinne, d.h. in dem sich keine Substanz befindet, kann es offenbar nicht geben, weil die Ausdehnung des Raumes oder inneren Ortes von der Ausdehnung des Körpers nicht verschieden[53] ist. Denn da man schon aus der Ausdehnung des Körpers in die Länge, Breite und Tiefe richtig folgert, dass er eine Substanz ist, weil es widersprechend ist, dass das Nichts eine Ausdehnung habe, so muss dasselbe auch von dem Raume gelten, der als leer angenommen wird, nämlich dass, da eine Ausdehnung in ihm ist, nothwendig auch eine Substanz in ihm sein muss.

17. Auch pflegt man gewöhnlich unter dem Worte »Leer« keinen Ort oder Raum, in dem gar nichts ist, zu bezeichnen, sondern nur einen solchen, worin keine Dinge, wie man sie voraussetzt, befindlich sind. So gilt ein Wassergefäss für leer, wenn es nur mit Luft angefüllt ist; so heisst es, dass nichts in dem Fischhalter sei, obgleich er voll Wasser ist, wenn keine Fische darin sind; so gilt ein zum Waarentransport eingerichtetes Schiff als leer, wenn es blos mit Ballast, um die Gewalt des Windes zu brechen, beladen ist; so gilt endlich ein Raum als leer, in dem nichts wahrgenommen wird, wenn er auch ganz mit geschaffenem und selbstständigem Stoff angefüllt ist, weil man nur die sinnlich wahrgenommenen Dinge zu beachten pflegt. Wenn wir aber später, ohne auf diese Bedeutung der Worte »Leer« und »Nichts« zu achten, von dem leer genannten Raume meinen, dass er nicht[54] blos kein Wahrnehmbares, sondern überhaupt keinen Gegenstand enthalte, so gerathen wir in denselben Irrthum, als wenn wir deshalb, weil ein Wassergefäss, in dem nur Luft ist, leer genannt zu werden pflegt, die darin enthaltene Luft für keine selbstständige Sache wollten gelten lassen.

18. Wir sind beinahe Alle von Kindheit ab in diesen Irrthum gerathen, weil wir keine nothwendige Verbindung zwischen dem Gefäss und seinem Inhalt bemerkten und deshalb annahmen, Gott könne den erfüllenden Körper aus dem Gefäss nehmen, ohne dass ein anderer Körper dann nachfolge. Allerdings ist zwischen dem Gefäss und seinem zufälligen Inhalt keine Verbindung, aber wohl besteht eine grosse, ja nothwendige zwischen der hohlen Gestalt des Gefässes und seiner Ausdehnung überhaupt, welche in dieser Höhlung enthalten ist. Es ist deshalb ebenso widersprechend, einen Berg ohne Thai vorzustellen, als jene Höhlung ohne die in ihr enthaltene Ausdehnung, oder diese Ausdehnung ohne eine ausgedehnte Substanz vorzustellen; denn wie gesagt, das Nichts kann keine Ausdehnung haben. Fragt man aber, was werden würde, wenn Gott alle in einem Gefäss enthaltenen Körper wegnähme und keinem anderen an deren Stelle einzutreten gestattete, so ist zu antworten, dass die Wände des Gefässes sich dann berühren würden. Denn wenn zwischen zwei Körpern nichts inneliegt, so müssen sie sich nothwendig berühren, und es ist ein offenbarer Widerspruch, dass sie von einander abstellen, oder dass ein Abstand zwischen ihnen sei, und dieser Abstand doch nichts sei. Denn jeder Abstand ist ein Zustand der Ausdehnung und kann deshalb ohne eine ausgedehnte Substanz nicht sein.

19. Nachdem wir so bemerkt haben, dass die Natur der körperlichen Substanz nur darin besteht, dass sie[55] eine ausgedehnte Sache ist, und dass ihre Ausdehnung nicht von der verschieden ist, welche man selbst dem sogenannten leeren Baum zuzuschreiben pflegt, so erkennen wir leicht die Unmöglichkeit, dass einer ihrer Theile einmal mehr Raum einnimmt als das andere Mal, und so auf andere als die oben beschriebene Art sich verdünnt, oder dass in einem Gefäss mit Blei oder Gold oder einem anderen schweren und harten Körper mehr Stoff oder körperliche Substanz enthalten sei, als wenn es nur Luft enthält und für leer gilt. Denn die Menge der Theile eines Stoffes ist nicht von deren Schwere oder Härte bedingt, sondern von der blossen Ausdehnung, die sich für dasselbe Gefäss immer gleich bleibt.

20. Wir erkennen auch die Unmöglichkeit, dass ein Atom oder Stofftheil seiner Natur nach untheilbar sei. Denn da, wenn es Atome giebt, sie ausgedehnt sein müssen, so können wir, mögen sie auch noch so klein gedacht werden, das einzelne Atom doch in Gedanken in zwei oder mehr kleinere theilen und daraus seine Theilbarkeit abnehmen. Denn was in Gedanken getheilt werden kann, ist auch theilbar; wollten wir es also für untheilbar halten, so widerspräche dies der eigenen Erkenntniss. Ja selbst wenn wir annähmen, Gott habe bewirken wollen, dass gewisse Theile des Stoffes nicht weiter getheilt werden können, so würde man sie doch nicht eigentlich untheilbar nennen können. Denn wenn dann seine Geschöpfe sie auch nicht theilen könnten, so könnte er sich selbst doch diese Macht, zu theilen, nicht nehmen; denn es ist unmöglich, dass er seine eigene[56] Macht vermindere, wie oben gezeigt worden. Also bleibt im unbeschränkten Sinne der Stoff theilbar, weil seine Natur so beschaffen ist.

21. Wir erkennen ferner, dass diese Welt oder das Ganze der körperlichen Substanz in seiner Ausdehnung unbegrenzt ist. Denn wo wir auch eine solche Grenze setzen, da stellen wir uns nicht blos vor, dass ein Raum noch darüber hinaus sich ausdehnt, sondern wir erkennen diesen Raum als wahrhaft vorstellbar, d.h. als wirklich, und deshalb enthält er auch eine endlos ausgedehnte körperliche Substanz. Denn es ist schon wiederholt dargelegt worden, dass die Vorstellung dieser Ausdehnung, die wir bei irgend einem Raume uns denken, dieselbe ist wie die Vorstellung der körperlichen Substanz.

22. Hieraus kann man auch leicht abnehmen, dass der Stoff des Himmels kein anderer als der der Erde ist, und dass, wenn es unzählige Welten gäbe, sie doch alle aus einem Stoffe bestehen müssten, und dass es deshalb nicht mehrere, sondern nur eine Welt geben kann. Denn wir sehen klar ein, dass der Stoff, dessen Natur nur darin besteht, eine ausgedehnte Substanz zu sein, durchaus alle möglichen Raume ausfüllen muss, in welchen jene anderen Welten sein müssten, und wir finden keine Vorstellung irgend eines anderen Stoffes in uns.[57]

23. In der ganzen Welt giebt es also nur ein und denselben Stoff, der allein daran erkannt wird, dass er ausgedehnt ist. Alle in ihm klar erkannten Eigenschaften laufen also darauf hinaus, dass er theilbar und in seinen Theilen beweglich und deshalb aller der Zustände fähig ist, welche aus der Bewegung seiner Theile folgen. Denn die blos in Gedanken geschehende Theilung ändert nichts, sondern alle Mannigfaltigkeit oder aller Unterschied seiner Gestalten hängt von der Bewegung ab. Dies ist schon hin und wieder von den Philosophen bemerkt worden, wenn sie behaupteten, dass die Natur das Prinzip der Bewegung und der Ruhe sei. Sie verstanden dann unter Natur das, wonach alle körperlichen Sachen so sich gestalten, wie wir sie wahrnehmen.

24. Die Bewegung (nämlich die örtliche, und eine andere kann ich mir nicht denken und deshalb auch in der natürlichen Welt nicht annehmen), also die Bewegung, sage ich, ist im gewöhnlichen Sinne nur eine Thätigkeit, wodurch ein Körper aus einem Ort in den anderen übergeht. So wie man nach dem Obigen von derselben Sache zugleich aussagen kann, dass sie ihren Ort verändert und nicht verändert, ebenso kann man von ihr zugleich die Bewegung und die Ruhe aussagen. Wer z.B. auf einem aus dem Hafen fahrenden Schiffe sitzt, meint, dass er sich bewege, wenn er nach der Küste blickt und diese für ruhend hält; aber nicht, wenn er nur das Schiff beachtet, zu dessen Theilen er immer dieselbe Lage behält. Ja, insofern wir in jeder Bewegung eine Thätigkeit annehmen und in der Ruhe das Aufhören einer solchen, wird dann richtiger gesagt,[58] dass er ruht, als sich bewegt, weil er keine Thätigkeit an sich wahrnimmt.

25. Betrachten wir jedoch nicht nach der gewöhnlichen Auffassung, sondern nach der Wahrheit das, was unter Bewegung zu verstehen ist, um ihr eine bestimmte Natur zuzusprechen, so kann man sagen, sie sei die Ueberführung eines Theiles und Stoffes oder eines Körpers aus der Nachbarschaft der Körper, welche ihn unmittelbar berühren, und die als ruhend gelten, in die Nachbarschaft anderer. Ich verstehe hier unter einem Körper oder einem Theile des Stoffes Alles das, was gleichzeitig übergeführt wird, wenn es auch aus vielen Theilen besteht, die unter sich andere Bewegungen haben. Ich sage »Ueberführung« und nicht Kraft oder Thätigkeit, welche überführt, um zu zeigen, dass die Bewegung immer in der bewegten, nicht in der bewegenden Sache ist, welche beide man nicht sorgfältig genug unterscheidet, und dass sie blos ein Zustand ist und keine für sich bestehende Sache, ähnlich wie die Gestalt nur ein Zustand der gestalteten Sache, und die Ruhe nur ein Zustand der ruhenden Sache ist.

26. Denn ich muss bemerken, dass wir an einem grossen Vorurtheile leiden, indem wir mehr Thätigkeit zur Bewegung wie zur Ruhe für erforderlich halten. Man hat dies von Kindheit so angenommen, weil unser Körper von unserem Willen bewegt wird, dessen wir uns[59] genau bewusst sind, und weil er ruht, blos weil er durch seine Schwere an der Erde haftet, deren Kraft wir nicht wahrnehmen. Denn Schwere und andere von uns nicht bemerkte Ursachen widerstehen den Bewegungen, die wir in unseren Gliedern erwecken wollen, und bewirken die Müdigkeit; deshalb halten wir eine grössere Thätigkeit oder Kraft zur Erregung der Bewegung als zur Hemmung derselben für erforderlich, indem wir die Anstrengung als Thätigkeit nehmen, die wir zur Bewegung unserer Glieder und mittelbar anderer Körper anwenden. Man kann sich von diesem Vorurtheil leicht befreien, wenn man bedenkt, dass wir diese Anstrengung nicht blos zur Bewegung fremder Körper, sondern auch zur Hemmung ihrer Bewegungen bedürfen, soweit diese nicht durch die Schwere oder eine andere Ursache gehemmt werden. So bedürfen wir z.B. keiner grösseren Thätigkeit, um ein im stillen Wasser ruhig liegendes Fahrzeug fortzustossen, als um es in seiner Bewegung plötzlich aufzuhalten, oder wenigstens keiner viel grösseren; denn es ist hier die Schwere des von ihm gehobenen Wassers und dessen Zähigkeit abzuziehen, welche es allmählich zum Stillstand bringen würden.

27. Da indess hier es sich nicht um die Thätigkeit handelt, welche in dem Bewegenden oder in dem die Bewegung Aufhaltenden angenommen wird, sondern nur um die Ueberführung und das Nichtsein der Ueberführung oder die Ruhe, so ist klar, dass diese nicht ausserhalb des bewegten Körpers sein kann, und dass dieser Körper bei seiner Ueberführung sich in einem anderen Zustand befindet, als wenn er nicht übergeführt wird, oder wenn er ruht, so dass Bewegung und Ruhe nur zwei verschiedene Zustände desselben sind.[60]

28. Ich habe ferner gesagt, dass die Ueberführung aus der Nachbarschaft anderer geschehe, und nicht, dass sie aus einem Ort in den anderen geschehe, weil, wie bemerkt, die Bedeutung des Wortes Ort verschieden ist und von unserem Denken abhängt. Wenn man aber unter Bewegung diejenige Ueberführung versteht, welche aus der Nachbarschaft der anstössenden Körper geschieht, so kann man, weil in demselben Zeitpunkt nur einzelne bestimmte Körper an das Bewegliche stossen können, demselben nicht für dieselbe Zeit mehrere Bewegungen zutheilen, sonders nur eine.

29. Ich habe endlich gesagt, dass diese Ueberführung aus der Nachbarschaft nicht beliebger anstossender Körper geschehe, sondern nur solcher, welche als ruhend gelten. Denn die Ueberführung selbst

2. Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge

[Fig. 1] ist gegenseitig und man kann sich nicht vorstellen, dass der Körper A B aus der Nachbarschaft des Körpers C D fortgeführt werde, ohne zugleich vorzustellen, dass der Körper C D aus der Nachbarschaft von A B fortgeführt wird; und es ist von der einen Seite gerade so viel Kraft und Thätigkeit nöthig als von der anderen. Wenn man deshalb der Bewegung eine eigene und nicht blos auf Anderes bezogene Natur zutheilen will, so müsste man, wenn zwei sich berührende Körper, der eine nach dieser Seite und der andere nach jener fortgeführt wird, sagen, dass die Bewegung nur in dem einen und nicht auch in dem anderen enthalten ist. Dies würde indess zu sehr gegen den Sprachgebrauch verstossen. Denn wir sind an unseren Stand auf der Erde gewöhnt und betrachten diese[61] als ruhend, und wenn wir auch einzelne ihrer Theile, die an kleinere Körper anstossen, sich aus deren Nachbarschaft entfernen sehen, so nehmen wir deshalb nicht an, dass deshalb die Erde sich bewege.

30. Der Hauptgrund dafür ist, weil man die Bewegung von dem ganzen Körper versteht, der sich bewegt, und deshalb jene nicht als eine der ganzen Erde angesehen werden kann, wenn nur einzelne ihrer Theile sich aus der Nachbarschaft kleinerer an sie austossenden Körper entfernen, da man oft mehrere solche einander entgegengesetzte Bewegungen auf ihr bemerken kann. Wenn [Fig. 1] z.B. der Körper E F G H die Erde ist und auf ihr gleichzeitig der Körper A B sich von E nach F bewegt, und C D von H nach G, so werden zwar dadurch die an den Körper A B anstossenden Körper von B nach A übergeführt, und es kann in ihnen keine geringere oder andere Thätigkeit zu dieser Ueberführung vorhanden sein als in dem Körper A B; allein trotzdem nehmen wir nicht an, dass die Erde sich von B nach A bewege oder von Abend nach Morgen, weil mit demselben Grunde deshalb, dass ihre an den Körper C D stossenden Theile von C nach D übergeführt werden, man annehmen müsste, die Erde bewege sich auch in der anderen Richtung von Osten nach Westen, was einen Widerspruch enthielte. Wir wollen deshalb, um nicht zu sehr von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abzuweichen, hier nicht sagen, dass die Erde sich bewege, sondern nur die Körper A B und C D. Gleiches gilt von dem Uebrigen. Indess ist einstweilen festzuhalten, dass alles Reale und Positive in den Körpern, weshalb sie bewegt genannt werden, sich auch in den an sie anstossenden Körpern findet, welche doch nur als ruhend gelten.[62]

31. Obgleich ein Körper nur eine ihm eigene Bewegung hat, weil er nur von einzelnen bestimmten Körpern, die an ihn stossen und ruhen, sich entfernt, so kann er doch an unendlich vielen anderen Bewegungen theilnehmen, wenn er nämlich einen Theil anderer Körper bildet, welche besondere Bewegungen haben. Wenn z.B. Jemand auf einem Schiffe mit einer Uhr in der Tasche wandert, so bewegen sich die Räder dieser Uhr nur mit der einen ihnen eigenthümlichen Bewegung; aber sie nehmen auch an einer anderen Theil, weil sie dem wandelnden Menschen anhaften und mit ihm einen Gegenstand bilden; wieder an einer anderen, insofern sie zu dem auf dem Meere sich bewegenden Schiffe gehören, und wieder an einer anderen, insofern sie zu dem Meere gehören, und endlich wieder an einer anderen, soweit sie zur Erde gehören, wenn nämlich die ganze Erde sich bewegt. Alle diese Bewegungen sind in Wahrheit in diesen Uhrrädern; da sie indess nicht leicht alle vorgestellt und erkannt werden können, so genügt es, jene allein an dem Körper zu betrachten, welche ihm eigenthümlich ist.

32. Es kann ferner diese eine dem Körper eigene Bewegung anstatt vieler gelten. So unterscheiden wir an den Wagenrädern zwei verschiedene Bewegungen, eine kreisrunde um die Axe und eine längs des gefahrenen Weges. Allein diese beiden Bewegungen sind deshalb nicht wirklich verschieden, denn ein bestimmter Punkt des bewegten Körpers beschreibt nur eine Linie. Es ist dabei gleichgültig, dass diese Linie oft in sich zurückbiegt und deshalb aus mehreren Bewegungen entsprungen zu sein scheint; denn man kann sich vorstellen, dass auf diese Weise jede Linie, selbst die gerade, die einfachste von allen, aus unendlich vielen Bewegungen entstanden[63] ist. Wenn z.B. die Linie A B

2. Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge

[Fig. 2] sich nach C D bewegt, und gleichzeitig der Punkt A nach B, so wird die gerade Linie A D, welche dieser Punkt A beschreiben wird, nicht weniger von zwei geraden Bewegungen von A nach B und von A B nach C D abhängen, als die von einem Punkt des Rades beschriebene krumme Linie von einer geraden und kreisrunden Bewegung abhängt. Es ist deshalb zum leichten Verständniss oft nützlich, eine Bewegung so in mehrere aufzulösen; spricht man aber beziehungslos, so ist an jedem Körper nur eine Bewegung zu zählen.

33. Da, wie erwähnt, alle Orte von Körpern erfüllt sind, und dieselben Theile des Stoffes immer gleiche Orte ausfüllen, so folgt, dass jeder Körper sich im Kreise bewegen muss, so nämlich, dass er aus dem Ort, in den er eintritt, einen anderen ausstösst, und dieser wieder einen anderen, und dieser wieder bis zu dem letzten, welcher in den von dem ersten verlassenen Ort in demselben Augenblick, wo er verlassen wird, eintritt. Am leichtesten erkennt man dies an dem vollkommenen Kreis, wo man stellt, dass kein Leeres und keine Verdünnung oder Verdichtung nöthig ist

2. Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge

[Fig. 3] wenn sich der Theil A des Kreises nach B bewegen soll, sofern nur gleichzeitig der Theil B sich nach C, C nach D und D nach A bewegt. Dasselbe gilt aber auch für einen nicht ganz[64] vollkommenen oder unregelmässigen Kreis, wenn man nur beachtet, dass alle Ungleichheiten der Orte durch die Ungleichheit in der Schnelligkeit der Bewegung ausgeglichen werden können. So kann sich die ganze in dem Raume E F G H

2. Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge

[Fig. 4] enthaltene Materie ohne alle Leere und Verdichtung im Kreise bewegen und in derselben Zeit der Theil bei E nach G- übergehen, wie der bei G nach E, wenn nur, sofern der Raum bei G vierfach breiter als bei E und doppelt so breit als bei F und H angenommen wird, er auch bei E sich viermal schneller als in G, und noch einmal so schnell als in F und H bewegt. So kann an allen übrigen Orten die Schnelligkeit der Bewegung die Enge des Raumes ausgleichen. Denn auf diese Weise wird in jeder bestimmten Zeit durch den einen Theil des Kreises so viel Materie hindurchgehen wie durch den anderen.

34. Indess muss man gestehen, dass diese Bewegung etwas enthält, dessen Wahrheit die Seele zwar erkennt, aber die Art, wie es geschieht, nicht begreift, nämlich die Theilung einzelner Theilchen der Materie in das unendliche oder Endlose, oder in so viel Theile, dass man in Gedanken sich keinen so klein vorstellen kann, ohne einzusehen, dass er noch in kleinere von selbst getheilt wird. Denn unmöglich kann die den Raum G ausfüllende Materie allmählich die unzähligen, allmählich immer kleineren Raume zwischen G und E ausfüllen, wenn nicht[65] ein Theil derselben seine Gestalt den unzähligen verschiedenen Maassen dieser Räume anpasst, und dazu ist nöthig, dass alle denkbaren Theilchen derselben, die in Wahrheit unzählbar sind, sich ein Wenig von einander entfernen, und eine solche Entfernung, sei sie auch noch so klein, ist eine wirkliche Theilung.

35. Man halte aber fest, dass ich hier nicht von der ganzen Materie, sondern nur von einem Theile derselben spreche. Denn wenn man auch zwei oder drei Theile derselben in G so breit annimmt, wie den Raum E, und ebenso eine Anzahl kleiner, die ungetheilt bleiben, so kann man sich doch ihre rückkehrende Bewegung nach E nur vorstellen, wenn einige andere ihnen beigemischt sind, die sich gleichsam biegen und ihre Gestalt verändern, um in Verbindung mit denen, welche ihre Gestalt nicht ändern, sondern nur ihre Geschwindigkeit dem Verhältniss des auszufüllenden Ortes anpassen, alle von jenen nicht ausgefüllten Winkel zu erfüllen. Wenngleich man die Art, wie diese endlose Theilung geschieht, sich nicht vorstellen kann, so darf man doch an ihrer Wirklichkeit nicht zweifeln, da sie eine klare Folge aus der uns genau bekannten Natur der Materie ist, und wir eingehen, dass sie zu der Klasse derer gehört, die von unserem beschränkten Verstande nicht gefasst werden können.

36. Nachdem so die Natur der Bewegung erkannt worden, ist deren Ursache zu betrachten, die eine zwiefache ist. Zuerst die allgemeine und ursprüngliche, welche die gemeinsame Ursache aller Bewegungen in der Welt ist; dann die besondere, von der einzelne Theile der Materie eine Bewegung erhalten, die sie früher nicht hatten. Die allgemeine Ursache kann offenbar keine andere als Gott sein, welcher die Materie zugleich mit der Bewegung und Ruhe im Anfang, erschaffen hat, und der durch seinen gewöhnlichen Beistand so viel Bewegung und Ruhe im Ganzen erhält, als er damals geschaffen[66] hat. Denn wenn auch diese Bewegung nur ein Zustand an der bewegten Materie ist, so bildet sie doch eine feste und bestimmte Menge, die sehr wohl in der ganzen Welt zusammen die gleiche bleiben kann, wenn sie sich auch bei den einzelnen Theilen verändert, nämlich in der Art, dass bei der doppelt so schnellen Bewegung eines Theiles gegen einen anderen, und bei der dopplten Grösse dieses gegen den ersten man annimmt, dass in dem kleinen so viel Bewegung wie in dem grossen ist, und dass, um so viel als die Bewegung eines Theiles langsamer wird, um so viel müsse die Bewegung eines anderen ebenso grossen Theiles schneller werden. Wir erkennen es auch als eine Vollkommenheit in Gott, dass er nicht blos an sich selbst unveränderlich ist, sondern dass er auch auf die möglichst feste und unveränderliche Weise wirkt, so dass mit Ausnahme der Veränderungen, welche die klare Erfahrung oder die göttliche Offenbarung ergiebt, und welche nach unserer Einsicht oder Glauben ohne eine Veränderung in dem Schöpfer geschehen, wir keine weiteren in seinen Werken annehmen dürfen, damit nicht daraus auf eine Unbeständigkeit in ihm selbst geschlossen werde. Deshalb ist es durchaus vernunftgemäss, anzunehmen, dass Gott, sowie er bei der Erschaffung der Materie ihren Theilen verschiedene Bewegungen zugetheilt hat, und wie er diese ganze Materie in derselben Art und in demselben Verhältniss, in dem er sie geschaffen, erhält, er auch immer dieselbe Menge von Bewegung in ihr enthält.[67]

37. Aus derselben Unveränderlichkeit Gottes können wir gewisse Regeln als Naturgesetze entnehmen, welche die zweiten und besonderen Ursachen der verschiedenen Bewegungen sind, die wir an den einzelnen Körpern bemerken. Das erste dieser Gesetze ist, dass jede Sache als einfache und ganze, so viel von ihr abhängt, in demselben Zustand verharrt und ihn nur in Folge äusserer Ursachen verändert. Ist daher ein Theil des Stoffes viereckig, so sehen wir leicht ein, dass er immer viereckig bleiben wird, so lange nicht von Aussen etwas kommt, was seine Gestalt verändert. Ruht er, so sind wir überzeugt, dass er sich nicht zu bewegen anfangen wird, wenn nicht eine Ursache ihn dazu anstösst. Und derselbe Grund ist es, weshalb wir annehmen, dass eine bewegte Sache niemals von selbst und ohne von einer anderen gehemmt zu werden, ihre Bewegung aussetzen werde. Daraus folgt, dass das Bewegte, so viel von ihm abhängt, sich immer bewegen wird. Allein da wir hier auf der Erde uns befinden, die so eingerichtet ist, dass alle Bewegungen in ihrer Nähe bald erlöschen, und zwar oft aus Ursachen, die sich unserer Wahrnehmung entziehen, so haben wir seit unserer Kindheit angenommen, dass solche Bewegungen, die aus unbekannten Ursachen gehemmt worden, von selbst aufgehört haben, und sind deshalb geneigt, das bei Vielem Bemerkte von Allem anzunehmen, nämlich dass alle Bewegung von Natur aufhöre oder nach der Ruhe strebe. Dies ist indess den Naturgesetzen geradezu zuwider; denn die Ruhe ist der Gegensatz der Bewegung, und sie kann aus ihrer Natur nichts zu ihrem Gegentheil oder zur Zerstörung ihrer selbst beitragen.

38. Auch bestätigt die tägliche Erfahrung an den geworfenen Gegenständen unsere Regel vollständig. Denn[68] das Geworfene beharrt, nachdem es von der werfenden Hand getrennt ist, nur deshalb eine Zeit lang in der Bewegung, weil das einmal Bewegte in der Bewegung anhält, bis es von entgegenstehenden Körpern gehemmt wird, und es ist offenbar, dass es von der Luft und anderen flüssigen Körpern, in denen es sich bewegt, allmählich gehemmt wird, und deshalb seine Bewegung nicht lange dauern kann. Denn dass die Luft den Bewegungen anderer Körper Widerstand leistet, kann man schon durch das Gefühl wahrnehmen, wenn man sie mit einem Fächer schlägt; auch der Flug der Vögel bestätigt es, und jeder andere flüssige Körper widersteht den Bewegungen geworfener Körper noch mehr.

39. Das zweite Naturgesetz ist, dass jeder Theil des Stoffes, für sich betrachtet, nur in gerader Richtung, aber nie in gekrümmter seine Bewegung fortzusetzen strebt, wenn auch viele durch die Begegnung anderer davon abzuweichen genöthigt werden, und bei jeder Bewegung nach dem Obigen sich eine Art Kreis aus der ganzen, zugleich bewegten Masse des Stoffes bildet. Der Grund zu diesem Gesetz ist derselbe wie bei dem ersten, nämlich die Unveränderlichkeit und Einfachheit der Wirksamkeit, mit der Gott die Bewegung in dem Stoffe erhält. Denn er erhält die Bewegung genau in der Art, wie sie in dem Augenblick ist, wo er sie erhält, ohne Rücksicht auf die Art, die sie vielleicht vorher hatte. Und wenn auch keine Bewegung in einem Zeitpunkte geschieht, so ist doch offenbar jedes Bewegte in den einzelnen Zeitpunkten, die man während seiner Bewegung setzen kann, geneigt, seine Bewegung in der geraden Linie und niemals in einer gekrümmten fortzusetzen. So ist z.B.

2. Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge

[Fig. 5] der Stein A, der in der Schleuder E A in dem Kreise A B F gedreht wird, in dem Augenblick, wo er in dem Punkt A ist, zu der Bewegung in einer Richtung geneigt, nämlich in der geraden Linie nach C, so dass die gerade A C eine Tangente des Kreises ist. Man kann aber nicht annehmen, dass er zu irgend einer krummen Bewegung geneigt sei; denn wenn er auch vorher[69] aus L nach A durch eine krumme Linie gekommen ist, so kann man doch nicht einsehen, dass etwas von dieser Krümmung in ihm bleibt, wenn er in dem Punkt A ist. Auch die Erfahrung bestätigt dies, weil, wenn er da die Schleuder verlässt, er nicht nach B mit seiner Bewegung weiter geht, sondern nach C. Hieraus erhellt, dass jeder im Kreise bewegte Körper fortwährend bestrebt ist, von dem Mittelpunkt des beschriebenen Kreises sich zu entfernen. Dies fühlen wir selbst in der Hand, wenn wir den Stein in der Schleuder herumdrehen. Da dieses Gesetz grosse Anwendung später finden wird, so ist es sorgfältig festzuhalten, und es wird später noch ausführlicher erörtert werden.

40. Ein drittes Naturgesetz ist, dass, wenn ein Körper einem anderen begegnet, und seine Kraft, in gerader Linie sich fortzubewegen, geringer ist als die Kraft des anderen, ihm zu widerstehen, er in eine andere Richtung ausbiegt, wobei er seine Bewegung behält und nur die frühere Richtung verliert; ist seine Kraft aber grösser, so bewegt er den anderen Körper mit sich fort, und so viel er ihm von seiner Bewegung giebt, verliert er selbst. So sehen wir, dass, wenn harte Körper geworfen werden[70] und auf einen anderen harten Körper aufstossen, sie deshalb nicht sich zu bewegen aufhören, sondern nach der entgegengesetzten Seite zurückprallen; treffen sie aber auf einen weichen Körper, so gelangen sie gleich zur Ruhe, weil sie ihre ganze Bewegung diesem leicht mittheilen. In diesem dritten Gesetz sind alle besonderen Ursachen der in den Körpern eintretenden Veränderungen enthalten, wenigstens derer, die selbst körperlich sind; denn die Kraft, mit welcher die Seelen der Menschen oder Engel die Körper bewegen, untersuchen wir jetzt nicht, sondern behalten sie der Abhandlung über den Menschen vor.

41. Der erste Theil dieses Gesetzes erhellt aus dem Unterschiede zwischen der Bewegung an sich und ihrer Richtung; deshalb kann diese sich ändern, während jene unvermindert bleibt. Denn da nach dem Obigen jeder einfache nicht zusammengesetzte Gegenstand, wie die Bewegung, in seinem Sein beharrt, so lange er nicht von einer äusseren Ursache zerstört wird, und in der Begegnung mit einem harten Körper zwar eine Ursache eintritt, welche die Fortdauer der bisherigen Richtung hindert, aber keine, die die Bewegung selbst aufhebt oder mindert, weil die Bewegung der Bewegung nicht entgegengesetzt ist, so folgt, dass die Bewegung deshalb nicht vermindert wird.

42. Der zweite Theil ergiebt sich auch aus der Unveränderlichkeit der Wirksamkeit Gottes, welcher die Welt mit derselben Thätigkeit, mit der er sie geschaffen hat, auch fortwährend erhält. Denn da Alles voll von Körpern ist, und demnach jedes Körpers Bewegung geradeaus strebt, so ist klar, dass Gott bei der Erschaffung der Welt nicht blos die verschiedenen Theile derselben[71] verschieden bewegt, sondern auch bewirkt hat, dass der eine den anderen fortstösst und seine Bewegung auf ihn überträgt. Indem Gott also die Welt mit derselben Thäthigkeit und mit denselben Gesetzen, mit denen er sie erschaffen hat, erhält, so erhält er die Bewegung nicht immer an denselben Theilen des Stoffes angeheftet, sondern aus einem in den anderen, je nachdem sie sich begegnen, übergehend. Und so ist selbst diese stete Veränderung in den erschaffenen Dingen ein Beweis für die Unveränderlichkeit Gottes.

43. Hier ist genau zu beachten, worin die Kraft des Körpers bei seiner Wirksamkeit auf einen anderen oder sein Widerstand gegen dessen Wirksamkeit besteht; nämlich lediglich darin, dass jede Sache an sich strebt, in dem Zustand zu beharren, in dem sie ist, nach dem an erster Stelle aufgestellten Gesetze. Deshalb hat das mit einem Anderen Verbundene eine gewisse Kraft, die Trennung zu verhindern; ebenso das Getrennte, so getrennt zu bleiben; das Ruhende in seiner Ruhe zu verharren und folglich jedem, was dieses ändern könnte, zu widerstehen; ebenso strebt das Bewegte, in seiner Bewegung zu verharren, d.h. in einer Bewegung mit derselben Geschwindigkeit und Richtung. Diese Kraft wird theils[72] von der Grösse des Körpers, in dem sie ist, und von der Grösse seiner Oberfläche, durch die er von anderen Körpern getrennt ist, bestimmt, theils nach der Schnelligkeit der Bewegung und nach der Natur und nach dem Gegensatz in der Art, wie die Körper einander begegnen.

44. Es ist zu bemerken, dass die eine Bewegung einer anderen gleich schnellen auf keine Weise entgegengesetzt ist, sondern dass eigentlich nur ein zwiefacher Gegensatz hier besteht; einer zwischen Bewegung und Ruhe oder auch zwischen Schnelligkeit und Langsamkeit der Bewegung, insofern nämlich diese Langsamkeit an der Ruhe Theil hat; der andere zwischen der Richtung eines Körpers und der Begegnung eines anderen in dieser Richtung ruhenden oder anders bewegten Körpers. Dieser Gegensatz ist nach Verhältniss der Richtung, in welcher der begegnende Körper sich bewegt, grösser oder kleiner.

45. Um hiernach bestimmen zu können, wie die einzelnen Körper in ihren Bewegungen zunehmen oder abnehmen, oder wegen der Begegnung mit anderen Körpern in andere Richtungen sich wenden, braucht man nur in der Rechnung die Kraft in dem einen Körper zur Bewegung oder zum Widerstand von der in dem anderen abzuziehen und anzunehmen, dass der Ueberrest der grösseren als seine Wirkung heraustreten werde. Dies würde sich leicht berechnen lassen, wenn sich nur zwei Körper begegneten und diese vollkommen hart und von den übrigen so getrennt wären, dass ihre Bewegungen von jenen anderen weder gehemmt noch gesteigert würden; in solchem Falle würden sie nämlich die folgenden Regeln beobachten:[73] 46. Erstens: Wenn diese beiden Körper B und C

2. Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge

[Fig. 6] ganz gleich wären und gleich schnell sich bewegten, B von rechts nach links, C ihm gerade entgegen von links nach rechts, so würden sie bei ihrer Begegnung zurückprallen und dann fortfahren, sich zu bewegen, B nach rechts und C nach links, ohne Verlust ihrer Schnelligkeit.

47. Zweitens: Wäre B ein wenig grösser als C, alles Andere aber wie vorher, so würde nur C zurückweichen, und beide würden nach links mit gleicher Schnelligkeit sich bewegen.

48. Drittens: Wären sie an Masse sich gleich, aber die Bewegung von B etwas schneller als von C, so würden nicht blos beide nach links sich fortbewegen, sondern es würde auch aus B die Hälfte der Schnelligkeit in C übertreten, um die es C übertrifft, d.h. wenn früher 6 Grade der Schnelligkeit in B und nur 4 Grade in C waren, so würde nach der gegenseitigen Begegnung jedes mit 5 Grad Schnelligkeit nach links sich bewegen.

49. Viertens: Wenn C ganz ruht und etwas grösser als B ist, so würde B, mit welcher Schnelligkeit es sich auch gegen C bewegte, dasselbe doch niemals in Bewegung[74] setzen, sondern es würde von ihm in die entgegengesetzte Richtung zurückgestossen werden. Denn ein ruhender Körper widersteht einer schnellen Bewegung mehr als einer langsamen, und zwar nach Verhältniss des Grössenunterschiedes; deshalb ist die Kraft von C zum Widerstehen grösser als die in B zum Forttreiben.

50. Fünftens: Ist der ruhende Körper C kleiner als B, so würde B, wenn es sich auch noch so langsam gegen C bewegte, C mit in Bewegung setzen, indem er ihm so viel von seiner Bewegung mittheilte, dass beide sich dann gleich schnell bewegten. Wäre also B noch einmal so gross als C, so würde es den dritten Theil seiner Bewegung an C abgeben, weil dieses eine Drittel C so schnell bewegen würde, wie die beiden anderen Drittel das doppelt so grosse B; deshalb würde B nach der Begegnung mit C sich um ein Drittel langsamer als früher bewegen, d.h. es würde zu seiner Bewegung durch 2 Fuss jetzt eben so viel Zeit brauchen, als vorher durch 3 Fuss. Ebenso würde, wenn B dreimal grösser als C wäre, es den vierten Theil seiner Bewegung an C abgeben und so weiter.

51. Sechstens: Wäre C genau so gross als B, das sich gegen C bewegt, so würde es theils von B fortgestossen werden, theils B rückwärts zurückstossen; käme z.B. B mit 4 Grad Geschwindigkeit gegen C, so würde es C einen Grad davon mittheilen und mit den drei übrigen nach der entgegengesetzten Richtung zurückweichen.

52. Siebentens endlich: Wenn B und C sich nach derselben Richtung bewegten, C langsamer, und B, was ihm nachfolgte, schneller, so dass es dasselbe zuletzt erreichte, und wäre C grösser als B, aber das Mehr an Schnelligkeit in B grösser als das Mehr an Grösse in C, so würde B so viel von seiner Bewegung auf C übertragen,[75] dass nunmehr beide gleich schnell und nach derselben Richtung sich bewegten. Wäre aber umgekehrt das Mehr von Schnelligkeit in B kleiner als das Mehr von Grösse in C, so würde B nach der entgegengesetzten Richtung zurückprallen, und seine ganze Bewegung in dieser entgegengesetzten Richtung behalten. Dieses Mehr wird so berechnet: Wenn C noch einmal so gross als B ist, und B nicht noch einmal so schnell als C sich bewegt, so wird es C bei der Berührung nicht fortstossen, sondern zurückprallen; bewegt es sich aber mehr als einmal so schnell, so wird es C fortstossen. Wenn C. nämlich nur 2 Grade Schnelligkeit, B aber deren 5 hätte, so wurden 2 Grad aus B in C übertreten und da nur l Grad bewirken, weil C noch einmal so gross ist als B. So werden dann beide Körper sich mit 3 Grad Schnelligkeit bewegen; und so sind auch die anderen Fälle zu beurtheilen. Auch bedarf es für diese Bestimmungen keiner Beweise, weil sie sich von selbst verstehen.

53. Da es indess in der Welt keine Körper geben kann, die von den übrigen so abgetrennt wären, und keiner bei uns so völlig hart zu sein pflegt, so kann die Rechnung viel schwieriger werden, wenn die Veränderung in der Bewegung der einzelnen Körper in Folge ihrer Begegnung mit anderen bestimmt werden soll. Denn man muss nicht allein auf alle umgebenden Körper Rücksicht nehmen, sondern deren Wirkungen sind auch sehr verschieden, je nachdem sie hart oder flüssig sind. Deshalb ist hier zu untersuchen, worin dieser Unterschied besteht.

54. Dem Gefühl nach bemerkt man nämlich keinen anderen Unterschied, als dass die Theile der Flüssigkeiten leicht aus ihren Orten weichen und deshalb unseren sich gegen sie bewegenden Händen nicht widerstehen, während die Theile der harten Körper so aneinanderhängen,[76] dass sie nicht ohne eine Kraft, welche die ihres Zusammenhanges überwindet, getrennt werden können. Forscht man aber weiter, wie es kommt, dass manche Körper ohne Schwierigkeit ihre Stelle anderen Körpern einräumen und andere nicht, so bemerkt man leicht, dass die Theile, welche sich schon bewegen, nicht den Eintritt anderer in ihre verlassenen Stellen hindern, sondern dass nur die ruhenden mit einer gewissen Kraft aus ihrer Stelle fortgestossen werden müssen. Daraus kann man abnehmen, dass die Körper, die in viele kleine Theilchen getrennt sind, welche sich in unterschiedenen Bewegungen befinden, flüssig sind; dagegen die, deren sämmtliche Theilchen ruhig neben einander bestehen, hart sind.

55. Auch kann man durchaus keinen Leim ausdenken, der, fester als ihre Ruhe, die einzelnen Theilchen harter Körper mit einander verbände. Denn was könnte dieser Leim sein? Keine Substanz, denn wären seine Theilchen Substanzen, so wäre kein Grund vorhanden, weshalb jene durch eine andere Substanz mehr als durch sich selbst verbunden werden sollten; er ist auch kein von der Ruhe verschiedener Zustand; denn keiner kann mehr der Bewegung entgegengesetzt sein, welche sie trennen will, als ihre eigene Ruhe. Ausser Substanzen und deren Zuständen giebt es aber für uns nichts.[77]

56. Bei den Flüssigkeiten können wir zwar ihre Theilchen, weil sie sehr klein sind, nicht sinnlich wahrnehmen, aber man kann doch dasselbe leicht aus ihren Wirkungen abnehmen, vorzüglich bei der Luft und dem Wasser daraus, dass sie viele andere Körper verderben. Denn kein körperlicher Vorgang, wozu dieses Verderben gehört, kann ohne örtliche Bewegung sein, und die Ursachen dieser Bewegung werden später angegeben werden. Aber darin besteht eine Schwierigkeit, dass diese Theilchen der Flüssigkeit nicht alle gleichzeitig nach einer Richtung sich bewegen können, obgleich dies nöthig erscheint, damit sie nicht die Bewegung der aus irgend einer Richtung kommenden Körper hemmen, wie sie dies wirklich nicht thun. Denn wenn z.B. ein harter Körper

2. Ueber die Prinzipien der körperlichen Dinge

[Fig. 7] B sich nach C bewegt, und einige Theilchen der Zwischenflüssigkeit D bewegen sich entgegengesetzt von C nach B, so werden sie jene Bewegung nicht unterstützen, sondern mehr hemmen, als wenn sie in Ruhe wären, um diese Schwierigkeit zu beseitigen, muss man sich erinnern, dass nicht die Bewegung, sondern die Ruhe das Gegentheil der Bewegung ist, und dass, wie bereits gesagt worden, die Richtung der Bewegung nach einer Seite das Gegentheil von der Bewegung nach der anderen Seite ist; ferner, dass alles sich Bewegende das Bestreben hat, sich in gerader Richtung fortzubewegen. Hieraus erhellt erstens: dass, wenn der harte Körper B ruht, er durch seine Ruhe den Bewegungen der Theilchen des flüssigen Körpers D zusammengenommen sich mehr entgegenstellt, als er es durch seine Bewegung thun würde, wenn er sich bewegte. Und was die Richtung anlangt, so ist es zwar richtig, dass ebenso viel Theilchen der Flüssigkeit D sich von C nach B bewegen, als nach der entgegengesetzten Richtung; es sind nämlich[78] dieselben, welche, von C kommend, so die Oberfläche des Körpers B stossen und dann nach C zurückweichen. Betrachtet man diese einzeln, so treiben sie B bei ihrem Anstoss nach F, und hemmen ihn also in seiner Bewegung nach C mehr, als wenn sie in Ruhe wären; aber da ebenso viele auch von F nach B drängen und ihn nach C stossen, so wird deshalb hierbei B nach der einen Richtung nicht mehr als nach der anderen gestossen, und er wird deshalb, wenn nicht etwas Anderes hinzukommt, ruhig bleiben. Denn in welcher Gestalt man sich auch B vorstellt, so wird er immer von derselben Menge Theilchen von der einen Seite gestossen werden wie von der anderen, so lange nicht die Flüssigkeit an einzelnen Stellen sich mehr als an anderen bewegt. Auch müssen wir annehmen, dass B von allen Seiten von der Flüssigkeit D F umgeben ist; allein gleichgültig ist es, wenn bei F nicht so viel Flüssigkeit ist als bei D, weil sie nicht als Ganzes gegen B wirkt, sondern nur mit den seine Oberfläche berührenden Theilchen. – Bisher haben wir B als unbewegt genommen; setzen wir nun, dass es von einer hinzukommenden Kraft nach C gestossen wird, so genügt diese Kraft (wenn sie auch klein ist) zwar nicht, um für sich allein den Körper zu bewegen, aber gemeinschaftlich mit den Theilchen des flüssigen Körpers F D, und um diese zu bestimmen, B nach C zu stossen und ihm einen Theil ihrer Bewegung mitzutheilen.

57. Um dieses deutlicher einzusehen, nehme man zuerst an, dass der harte Körper B noch nicht in der [Fig. 7] Flüssigkeit F D sei, und dass die Theilchen a e i o u dieser Flüssigkeit, in der Ordnung eines Ringes vertheilt, sich im Kreise in der Richtung a e i bewegen, und[79] dass andere o u y a o sich ebenso in der Richtung o u y bewegen. Denn wenn ein Körper flüssig sein soll, so müssen sich, wie erwähnt, seine Theilchen in verschiedene Bewegungen besondern. Nun soll der harte Körper B in diese Flüssigkeit F D zwischen a und o sich in Ruhe befinden. Was wird geschehen? Die Theilchen a e i o werden von ihm gehindert, von o nach a zur Vollendung ihrer Kreisbewegung zu gehen; ebenso werden die Theilchen o u y a in ihrer Bewegung von a nach o gehemmt, und die von i nach o gehenden werden B nach C stossen, und die von y kommenden nach a und damit um ebenso viel nach F zurück. Deshalb werden die einzelnen keine Kraft haben, ihn zu bewegen, sondern sie werden von o nach u und von a nach e zurückprallen, und es wird eine Kreisbewegung aus zweien werden in der Reihenfolge a e i o u y a. Sie werden deshalb wegen der Begegnung mit dem Körper B in ihren Bewegungen nicht aufhören, sondern nur die Richtung ändern, und sie werden sich nicht so gerade oder so beinahe gerade bewegen, als wenn sie nicht auf B gestossen wären. Nun soll endlich noch eine neue Kraft hinzukommen, welche B nach C treibt. Dann wird diese, wenn auch klein, in Verbindung mit den Flüssigkeits theilchen, die sich von i nach o bewegen, ihn nach C stossen und die Theilchen überwinden, die von y nach a gehen und ihn nach der entgegengesetzten Seite zurückstossen. Diese Kraft wird deshalb genügen, um deren Richtung zu ändern und sie zu der Richtung a y u o zu nöthigen, soweit das nöthig ist, um die Bewegung des Körpers B nicht zu hindern. Denn von zwei in entgegengesetzter Richtung sich bewegenden Körpern muss der mit der stärkeren Kraft die Richtung des anderen ändern, und was ich hier von den Theilchen a e i o y sage, gilt von allen der Flüssigkeit F D, die auf B stossen, da die einzelnen von den B nach C stossenden Theilchen ebenso viel anderen entgegengesetzt sind, die ihn umgekehrt stossen, und weil jede geringe mit ihnen verbundene Kraft genügend wird; ihre Richtung zu ändern, und weil die einzelnen, wenn sie auch vielleicht keine solche Kreise wie die hier verzeichneten a e i o und o i u y beschreiben, sich doch in der Runde oder in ähnlicher Weise bewegen werden.

58. Wenn so die Richtung der Flüssigkeitstheilchen,[80] welche B in seiner Bewegung nach C hemmten [Fig. 7] , sich ändert, wird B sich zu bewegen anfangen, und zwar mit derselben Schnelligkeit, mit welcher jene von der Flüssigkeit verschiedene Kraft ihn treibt, insofern in der Flüssigkeit alle Theilchen sich schneller oder gleich schnell bewegen. Denn wenn einzelne sich langsamer bewegen, so hat die Flüssigkeit insoweit nicht die Natur des Flüssigen, und es genügt dann auch keine noch so geringe Kraft, um einen darin befindlichen harten Körper zu bewegen, sondern die Kraft muss dann so gross sein, dass sie den Widerstand überwindet, welcher aus der Langsamkeit dieser Flügsigkeitstheilchen entsteht. Deshalb bemerken wir oft, dass die Luft und das Wasser und andere Flüssigkeiten den in ihnen sehr schnell bewegten Körpern grossen Widerstand leisten, und dass sie ohne allen Widerstand ihnen weichen, wenn jene sich langsamer bewegen.

59. Wenn aber der Körper B sich so nach C bewegt, so darf man nicht annehmen, dass er seine Bewegung nur von der äusseren stossenden Kraft erhalte; sondern er erhält sie zu dem grössten Theile von den Flüssigkeitstheilchen, und zwar in der Art, dass die, welche die Kreise a e i o und o y o u bilden, so viel von ihrer Bewegung verlieren, als jene Theilchen des harten Körper B empfangen, die zwischen o und a sind; denn diese bilden da einen Theil der Kreisbewegung a e i o a und a y u o a, aber in ihrem Fortgange nach C verbinden sie sich mit anderen Flüssigkeitstheilchen.

60. Es bleibt hier nur noch zu erklären, weshalb ich oben gesagt habe, dass die Richtung der Theilchen a y u o sich nicht unbedingt ändere, sondern dass sie sich nur soweit ändere, als nöthig, um die Bewegung des Körpers B nicht aufzuhalten. Dieser Körper B kann sich nämlich nicht schneller bewegen, als er von jener hinzugekommenen Kraft gestossen ist, wenn auch oft alle Theilchen der Flüssigkeit F D eine viel grössere Bewegung haben. Dies ist einer von den Punkten, welche bei den Philosophen vorzugsweise zu beantworten ist; nämlich keiner Ursache eine Wirkung zuzuschreiben, welche ihre Kraft übersteigt. Setzt man also, dass der harte Körper B inmitten des flüssigen F D erst unbewegt, jetzt von einer äusseren Kraft, z.B. von meiner Hand, langsam angestossen[81] wird, so wird, da der Stoss meiner Hand die alleinige Ursache seiner Bewegung ist, er sich nicht schneller, als er von dieser gestossen ist, bewegen, und wenngleich alle Theilchen der Flüssigkeit sich schneller bewegen, so ist doch nicht anzunehmen, dass sie zu den runden Bewegungen a e i o a und a y u o a oder ähnlichen, welche schneller sind als dieser Stoss, bestimmt werden, sondern diese werden, soweit sie schneller sich bewegen, in irgend welchen anderen Richtungen als vorher sich bewegen.

61. Daraus erhellt klar, dass ein harter, ringsum von einem flüssigen umgebener Körper, der in ihm ruht, sich darin wie im Gleichgewicht befindet, und dass er, wenn er auch noch so gross ist, doch von der geringsten Kraft in jede beliebige Richtung gestossen werden kann, mag diese Kraft von aussen oder davon kommen, dass die Flüssigkeit als Ganzes nach einem Orte zufliesst, wie die Flüsse nach dem Meere, und die ganze Luft bei Ostwind nach dem Westen. Geschieht dies, so muss der in der Flüssigkeit befindliche harte Körper sich zugleich mit ihr bewegen, und es steht dem die vierte Regel nicht entgegen, wonach, wie erwähnt, ein grösserer ruhender Körper von einem kleineren, wenn er sich auch schnell bewegt, durch Stoss nicht zur Bewegung gebracht werden kann.

62. Beachten wir nun die wahre beziehungslose Natur der Bewegung, welche in Fortführung des bewegten Körpers aus der Nachbarschaft anderer ihn berührender besteht und auf beiden Seiten für die sich berührenden Körper gleich ist, wenn dies auch nicht so genannt wird, so muss man anerkennen, dass der harte Körper eigentlich sich nicht bewegt, wenn er so an der ihn umgebenden Flüssigkeit fortgeführt wird, sondern vielmehr dann, wenn er nicht fortgeführt wird; denn im ersten Falle entfernt[82] er sich nicht von den ihn umgebenden Flüssigkeitstheilchen.

63. Es bleibt noch ein Fall, wo die Erfahrung den oben aufgestellten Regeln der Bewegung entgegenzustehen scheint, nämlich dass viele Körper, die weit kleiner als unsere Hände sind, so fest an einander hängen, dass keine Kraft sie trennen kann. Wenn nämlich ihre Theile durch keinen anderen Leim als die Ruhe der benachbarten an einander befestigt sind, und jeder Körper, der ruht, von einem grösseren, der sich bewegt, durch Stoss zur Bewegung gebracht werden kann, so sieht man nicht gleich ein, weshalb z.B. ein eiserner Schlüssel oder ein anderer nicht grosser, aber sehr harter Körper durch die blosse Kraft unserer Hände nicht in zwei Stücke getrennt werden kann. Denn man kann jede Hälfte des Schlüssels als einen Körper ansehen, und da diese kleiner als unsere Hand ist, so müsste sie durch deren Kraft bewegt werden und so von der anderen Hälfte abgetrennt werden können. Allein unsere Hände sind sehr weich und stehen der Natur des Flüssigen näher als des Harten; sie wirken deshalb nicht als ein Ganzes gleichzeitig auf den zu bewegenden Körper, sondern nur der Theil von ihnen, der den Körper berührt und sich auf einmal gegen ihn anstemmt. So wie nun die Hälfte des Schlüssels, soweit sie von der anderen getrennt werden soll, als ein Körper anzusehen ist, so ist der sie berührende nächste Theil unserer Hand, der kleiner als diese ist, da er sich von den übrigen Theilen derselben Hand trennen lässt, auch als ein besonderer Körper anzusehen. Da er sich nun leichter von den übrigen Theilen der Hand sondert, als der Theil des Schlüssels von dem ganzen, und jene Trennung nicht ohne Schmerz geschieht, so können wir den eisernen Schlüssel mit der blossen Hand nicht zerbrechen. Bewaffnen wir aber die Hand mit einem Hammer, einer Feile, Zange oder anderem Instrument, so dass ihre Kraft auf Abtrennung eines Theiles des Schlüssels, der kleiner als das gebrauchte Instrument ist, sich gegen den Schlüssel richtet, so wird sie jedwede Härte desselben überwinden können.[83]

64. Ich sage hier nichts über die Gestalten, und wie aus deren unendlicher Mannichfaltigkeit auch eine unendliche Mannichfaltigkeit der Bewegungen folgt, weil dies von selbst klar sein wird, wo davon zu sprechen ist. Ich setze auch voraus, dass meine Leser die ersten Elemente der Geometrie entweder schon kennen oder die nöthige[84] Fassungskraft für das Verständniss mathematischer Beweise haben. Denn ich gestehe offen, dass ich keine andere Materie der körperlichen Dinge anerkenne, als jene durchaus theilbare, gestaltbare und bewegliche, welche die Geometer die Grösse nennen und zu dem Gegenstande ihrer Beweise nehmen, und dass ich in ihr nur diese Theilungen, Gestalten und Bewegungen beachte und nichts an ihnen als wirklich anerkenne, was nicht aus jenen Gemeinbegriffen, über deren Wahrheit man nicht zweifeln kann, so klar sich ergiebt, dass es als mathematisch bewiesen gelten kann. Da nun alle Naturerscheinungen hieraus erklärt werden können, wie das Folgende ergeben wird, so halte ich andere Prinzipien der Naturwissenschaft weder für zulässig noch für wünschenswerth.

Quelle:
René Descartes' philosophische Werke. Abteilung 3, Berlin 1870, S. 42-85.
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