XIII. Dialektik. Negation der Negation

[120] »Diese historische Skizze« (der Genesis der sogenannten ursprünglichen Kapitalakkumulation in England) »ist noch das verhältnismäßig beste in dem Marxschen Buch und würde noch besser sein, wenn sie sich außer auf der gelehrten nicht auch noch auf der dialektischen Krücke fortgeholfen hätte. Die Hegelsche Negation der Negation muß hier nämlich in Ermanglung besserer und klarerer Mittel den Hebammendienst leisten, durch welchen die Zukunft aus dem Schoß der Vergangenheit entbunden wird. Die Aufhebung des individuellen Eigentums, die sich in der angedeuteten Weise seit dem 16, Jahrhundert vollzogen hat, ist die erste Verneinung. Ihr wird eine zweite folgen, die sich als Verneinung der Verneinung und mithin als Wiederherstellung des ›individuellen Eigentums‹, aber in einer höhern, auf Gemeinbesitz des Bodens und der Arbeitsmittel gegründeten Form charakterisiert. Wenn dieses neue ›individuelle Eigentum‹ bei Herrn Marx auch zugleich ›gesellschaftliches Eigentum‹ genannt worden ist, so zeigt sich Ja hierin die Hegelsche höhere Einheit, in welcher der Widerspruch aufgehoben, nämlich der Wortspielerei gemäß sowohl überwunden als aufbewahrt sein[120] soll... Die Enteignung der Enteigner ist hiernach das gleichsam automatische Ergebnis der geschichtlichen Wirklichkeit in ihren materiell äußerlichen Verhältnissen... Auf den Kredit Hegelscher Flausen, wie die Negation der Negation eine ist, möchte sich schwerlich ein besonnener Mann von der Notwendigkeit der Boden- und Kapitalkommunität überzeugen lassen... Die nebelhafte Zwittergestalt der Marxschen Vorstellungen wird übrigens den nicht befremden, der da weiß, was mit der Hegel-Dialektik als wissenschaftlicher Grundlage gereimt werden kann oder vielmehr an Ungereimtheiten herauskommen muß. Für den Nichtkenner dieser Künste ist ausdrücklich zu bemerken, daß die erste Negation bei Hegel der Katechismusbegriff des Sündenfalls, und die zweite derjenige einer zur Erlösung hinführenden höheren Einheil ist. Auf diese Analogieschnurre hin, die dem Gebiet der Religion entlehnt ist, möchte nun wohl die Logik der Tatsachen nicht zu gründen sein... Herr Marx bleibt getrost in der Nebelwelt seines zugleich individuellen und gesellschaftlichen Eigentums und überläßt es seinen Adepten, sich das tiefsinnige dialektische Rätsel selber zu lösen.«

Soweit Herr Dühring.

Also Marx kann die Notwendigkeit der sozialen Revolution, der Herstellung einer auf Gemeineigentum der Erde und der durch Arbeit erzeugten Produktionsmittel nicht anders beweisen als dadurch, daß er sich auf die Hegelsche Negation der Negation beruft; und indem er seine sozialistische Theorie auf diese der Religion entlehnte Analogieschnurre gründet, kommt er zu dem Resultat, daß in der künftigen Gesellschaft ein zugleich individuelles und gesellschaftliches Eigentum als Hegelsche höhere Einheit des aufgehobnen Widerspruchs herrschen wird.

Lassen wir zunächst die Negation der Negation auf sich beruhn, und besehn wir uns das »zugleich individuelle und gesellschaftliche Eigentum«. Dies wird von Herrn Dühring als eine »Nebelwelt« bezeichnet, und er hat darin merkwürdigerweise wirklich recht. Es ist aber leider nicht Marx, der sich in dieser Nebelwelt befindet, sondern wiederum Herr Dühring selbst. Wie er nämlich schon oben vermittelst seiner Gewandtheit in der Hegelschen Methode des »Delirierens« ohne Mühe feststellen konnte, was die noch unvollendeten Bände des »Kapital« enthalten müssen, so kann er auch hier ohne große Mühe Marx nach Hegel berichtigen, indem er ihm die höhere Einheit eines Eigentums unterschiebt, von der Marx kein Wort gesagt hat.

Bei Marx heißt es: »Es ist Negation der Negation. Diese stellt das individuelle Eigentum wieder her, aber auf Grundlage der Errungenschaft der kapitalistischen Ära, der Kooperation freier Arbeiter und ihrem Gemeineigentum an der Erde und den durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmitteln. Die Verwandlung des auf eigner Arbeit beruhenden, zersplitterten Privateigentums der Individuen in kapitalistisches ist natürlich[121] ein Prozeß, ungleich mehr langwierig, hart und schwierig als die Verwandlung des faktisch bereits auf gesellschaftlichem Produktionsbetrieb beruhenden kapitalistischen Privateigentums in gesellschaftliches Eigentum.« Das ist alles. Der durch die Enteignung der Enteigner hergestellte Zustand wird also bezeichnet als die Wiederherstellung des individuellen Eigentums aber auf Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums an der Erde und den durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmitteln. Für jeden, der Deutsch versteht, heißt dies, daß das gesellschaftliche Eigentum sich auf die Erde und die andern Produktionsmittel erstreckt und das individuelle Eigentum auf die Produkte, also auf die Verbrauchsgegenstände. Und damit die Sache auch für Kinder von sechs Jahren faßlich werde, unterstellt Marx auf Seite 56 einen »Verein freier Menschen, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewußt als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben«, also einen sozialistisch organisierten Verein, und sagt: »Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein andrer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsmitgliedern verzehrt. Er muß daher unter sie verteilt werden.« Und das ist doch wohl klar genug, selbst für den verhegelten Kopf des Herrn Dühring.

Das zugleich individuelle und gesellschaftliche Eigentum, diese konfuse Zwittergestalt, diese bei der Hegel-Dialektik herauskommen müssende Ungereimtheit, diese Nebelwelt, dies tiefsinnige dialektische Rätsel, das Marx seinen Adepten zu lösen überläßt – es ist abermals eine freie Schöpfung und Imagination des Herrn Dühring. Marx, als angeblicher Hegelianer ist verpflichtet, als Resultat der Negation der Negation eine richtige höhere Einheit zu liefern, und da er dies nicht nach dem Geschmack des Herrn Dühring tut, so muß dieser wiederum in höhern und edlem Stil verfallen, und Marx im Interesse der vollen Wahrheit Dinge unterschieben, die Herrn Dührings eigenstes Fabrikat sind. Ein Mann, der so total unfähig ist, auch nur ausnahmsweise richtig zu zitieren, mag wohl in sittliche Entrüstung geraten gegenüber der »Chinesengelehrsamkeit« andrer Leute, die ausnahmslos richtig zitieren, aber eben dadurch »den Mangel einer Einsicht in das Ideenganze der jedesmal angeführten Schriftsteller schlecht verdecken«. Herr Dühring hat recht. Es lebe die Geschichtszeichnung großen Stils!

Bisher sind wir von der Voraussetzung ausgegangen, Herrn Dührings hartnäckiges Falschzitieren, sei wenigstens in gutem Glauben geschehn und[122] beruhe entweder auf einer ihm eignen totalen Unfähigkeit des Verständnisses, oder aber auf einer, der Geschichtszeichnung großen Stils eigentümlichen und sonst wohl als liederlich bezeichneten Gewohnheit, aus dem Gedächtnis anzuführen. Es scheint aber, daß wir hier an dem Punkt angekommen sind, wo auch bei Herrn Dühring die Quantität in die Qualität umschlägt. Denn wenn wir erwägen, daß erstens die Stelle bei Marx an sich vollkommen klar und zudem noch durch eine andre platterdings kein Mißverständnis zulassende Stelle desselben Buchs ergänzt wird; daß zweitens weder in der oben angeführten Kritik des »Kapital« in den »Ergänzungsblättern«, noch auch in derjenigen in der ersten Auflage der »Kritischen Geschichte« Herr Dühring dies Ungeheuer von »zugleich individuellem und gesellschaftlichem Eigentum« entdeckt hatte, sondern erst in der zweiten Auflage, also bei dritter Lesung; daß in dieser sozialistisch umgearbeiteten, zweiten Auflage Herr Dühring es nötig hatte, Marx über die zukünftige Organisation der Gesellschaft möglichst großen Blödsinn sagen zu lassen, um dagegen – wie er auch tut – »die Wirtschaftskommune, die ich in meinem ›Cursus‹ ökonomisch und Juristisch skizziert habe«, um so triumphierender vorführen zu können – wenn wir das alles erwägen, so wird uns der Schluß aufgedrängt, daß Herr Dühring uns hier fast zur Annahme zwingt, er habe hier den Marxschen Gedanken mit Vorbedacht »wohltätig erweitert« – wohltätig für Herrn Dühring.

Welche Rolle spielt nun bei Marx die Negation der Negation? Auf Seite 791 u.ff. stellt er die Schlußergebnisse der auf den vorhergehenden fünfzig Seiten durchgeführten ökonomischen und geschichtlichen Untersuchung über die sogenannte ursprüngliche Akkumulation des Kapitals zusammen. Vor der kapitalistischen Ära fand, wenigstens in England, Kleinbetrieb statt, auf Grundlage des Privateigentums des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln. Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation des Kapitals bestand hier in der Expropriation dieser unmittelbaren Produzenten, d.h. in der Auflösung des auf eigner Arbeit beruhenden Privateigentums. Dies wurde möglich, weil der obige Kleinbetrieb nur verträglich ist mit engen, naturwüchsigen Schranken der Produktion und der Gesellschaft und auf einem gewissen Höhegrad daher die materiellen Mittel seiner eignen Vernichtung zur Welt bringt. Diese Vernichtung, die Verwandlung der individuellen und zersplitterten Produktionsmittel in gesellschaftlich konzentrierte, bildet die Vorgeschichte des Kapitals. Sobald die Arbeiter in Proletarier, ihre Arbeitsbedingungen in Kapital verwandelt sind, sobald die kapitalistische Produktionsweise auf eignen Füßen steht, gewinnt die weitere Vergesellschaftung der Arbeit und weitere Verwandlung der Erde und[123] andern Produktionsmittel, daher die weitere Expropriation der Privateigentümer, eine neue Form. »Was jetzt zu expropriieren, ist nicht länger der selbstwirtschaftende Arbeiter, sondern der viele Arbeiter exploitierende Kapitalist. Diese Expropriation vollzieht sich durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst, durch die Konzentration der Kapitale. Je ein Kapitalist schlägt viele tot. Hand in Hand mit dieser Konzentration oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses auf stets wachsender Stufenleiter, die bewußte technologische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßig gemeinsame Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel in nur gemeinsam verwendbare Arbeitsmittel, und die Ökonomisierung aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als gemeinsame Produktionsmittel kombinierter, gesellschaftlicher Arbeit. Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtung, der Degradation, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbstgeschulten, vereinten und organisierten Arbeiterklasse. Das Kapital wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Konzentration der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen einen Punkt, wo sie unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert.«

Und nun frage ich den Leser: Wo sind die dialektisch-krausen Verschlingungen und Vorstellungsarabesken, wo die Misch- und Mißvorstellung, derzufolge schließlich alles eins ist, wo die dialektischen Wunder für die Gläubigen, wo der dialektische Geheimniskram und die Verschlingungen nach Maßgabe der Hegelschen Logoslehre, ohne die Marx, nach Herrn Dühring, seine Entwicklung nicht zustande bringen kann? Marx weist einfach historisch nach und faßt hier kurz zusammen, daß grade, wie einst der Kleinbetrieb durch seine eigne Entwicklung die Bedingungen seiner Vernichtung, d.h. der Enteignung der kleinen Eigentümer, mit Notwendigkeit erzeugte, so jetzt die kapitalistische Produktionsweise ebenfalls die materiellen Bedingungen selbst erzeugt hat, an denen sie zugrunde gehn muß. Der Prozeß ist ein geschichtlicher, und wenn er zugleich ein dialektischer ist, so ist das nicht die Schuld von Marx, so fatal es Herrn Dühring sein mag.[124]

Erst jetzt, nachdem Marx mit seinem historisch-ökonomischen Beweis fertig ist, fährt er fort: »Die kapitalistische Produktions- und Aneignungsweise, daher das kapitalistische Privateigentum, ist die erste Negation des individuellen, auf eigne Arbeit gegründeten Privateigentums. Die Negation der kapitalistischen Produktion wird durch sie selbst, mit der Notwendigkeit eines Naturprozesses, produziert. Es ist Negation der Negation« usw. (wie vorher zitiert).

Indem Marx also den Vorgang als Negation der Negation bezeichnet, denkt er nicht daran, ihn dadurch beweisen zu wollen als einen geschichtlich notwendigen. Im Gegenteil: Nachdem er geschichtlich bewiesen hat, daß der Vorgang in der Tat teils sich ereignet hat, teils noch sich ereignen muß, bezeichnet er ihn zudem als einen Vorgang, der sich nach einem bestimmten dialektischen Gesetz vollzieht. Das ist alles. Es ist also wieder eine reine Unterschiebung des Herrn Dühring, wenn er behauptet, die Negation der Negation müsse hier die Hebammendienste leisten, durch welche die Zukunft aus dem Schoß der Vergangenheit entbunden wird, oder daß Marx verlange, man solle auf den Kredit der Negation der Negation hin sich von der Notwendigkeit der Boden- und Kapitalkommunität (welche selbst ein Dühringscher leibhafter Widerspruch ist) überzeugen lassen.

Es ist schon ein totaler Mangel an Einsicht in die Natur der Dialektik, wenn Herr Dühring sie für ein Instrument des bloßen Beweisens hält, wie man etwa die formelle Logik oder die elementare Mathematik beschränkterweise so auffassen kann. Selbst die formelle Logik ist vor allem Methode zur Auffindung neuer Resultate, zum Fortschreiten vom Bekannten zum Unbekannten, und dasselbe, nur in weit eminenterem Sinne, ist die Dialektik, die zudem, weil sie den engen Horizont der formellen Logik durchbricht, den Keim einer umfassenderen Weltanschauung enthält. In der Mathematik liegt dasselbe Verhältnis vor. Die elementare Mathematik, die Mathematik der konstanten Größen bewegt sich innerhalb der Schranken der formellen Logik, wenigstens im ganzen und großen; die Mathematik der variablen Größen, deren bedeutendsten Teil die Infinitesimalrechnung bildet, ist wesentlich nichts andres als die Anwendung der Dialektik auf mathematische Verhältnisse. Das bloße Beweisen tritt hier entschieden in den Hintergrund gegenüber der mannigfachen Anwendung der Methode auf neue Untersuchungsgebiete. Aber fast alle Beweise der höhern Mathematik, von den ersten der Differentialrechnung an, sind vom Standpunkt der[125] Elementarmathematik aus, streng genommen, falsch. Dies kann nicht anders sein, wenn man, wie hier geschieht, die auf dialektischem Gebiet gewonnenen Resultate vermittelst der formellen Logik beweisen will. Für einen krassen Metaphysiker, wie Herr Dühring, vermittelst der bloßen Dialektik etwas beweisen zu wollen, wäre dieselbe verlerne Mühe, die Leibniz und seine Schüler hatten, den damaligen Mathematikern die Sätze der Infinitesimalrechnung zu beweisen. Das Differential verursachte ihnen dieselben Krämpfe wie dem Herrn Dühring die Negation der Negation, in der es übrigens, wie wir sehn werden, auch eine Rolle spielt. Die Herren gaben zuletzt, soweit sie inzwischen nicht starben, knurrend nach, nicht weil sie überzeugt waren, sondern weil es immer richtig herauskam. Herr Dühring ist, wie er selbst sagt, erst in den Vierzigen, und wenn er das hohe Alter erreicht, das wir ihm wünschen, so kann er auch noch dasselbe erleben.

Aber was ist denn diese schreckliche Negation der Negation, die Herrn Dühring das Leben so sauer macht, die bei ihm dieselbe Rolle des unverzeihlichen Verbrechens spielt, wie im Christentum die Sünde wider den heiligen Geist? – Eine sehr einfache, überall und täglich sich vollziehende Prozedur, die jedes Kind verstehn kann, sobald man den Geheimniskram abstreift, unter dem die alte idealistische Philosophie sie verhüllte, und unter dem sie ferner zu verhüllen das Interesse hülfloser Metaphysiker vom Schlage des Herrn Dühring ist. Nehmen wir ein Gerstenkorn. Billionen solcher Gerstenkörner werden vermählen, verkocht und verbraut, und dann verzehrt. Aber findet solch ein Gerstenkorn die für es normalen Bedingungen vor, fällt es auf günstigen Boden, so geht unter dem Einfluß der Wärme und der Feuchtigkeit eine eigne Veränderung mit ihm vor, es keimt; das Korn vergeht als solches, wird negiert, an seine Stelle tritt die aus ihm entstandne Pflanze, die Negation des Korns. Aber was ist der normale Lebenslauf dieser Pflanze? Sie wächst, blüht, wird befruchtet und produziert schließlich wieder Gerstenkörner, und sobald diese gereift, stirbt der Halm ab, wird seinerseits negiert. Als Resultat dieser Negation der Negation haben wir wieder das anfängliche Gerstenkorn, aber nicht einfach, sondern in zehn-, zwanzig-, dreißigfacher Anzahl. Getreidearten verändern sich äußerst langsam, und so bleibt sich die Gerste von heute ziemlich gleich mit der von vor hundert Jahren. Nehmen wir aber eine bildsame Zierpflanze, z.B. eine Dahlia oder Orchidee; behandeln wir den Samen und die aus ihm entstehende Pflanze nach der Kunst des Gärtners, so erhalten wir als Ergebnis dieser Negation der Negation nicht nur mehr Samen, sondern auch qualitativ verbesserten Samen, der schönere Blumen erzeugt, und jede[126] Wiederholung dieses Prozesses, jede neue Negation der Negation steigert diese Vervollkommnung. – Ähnlich wie beim Gerstenkorn vollzieht sich dieser Prozeß bei den meisten Insekten, z.B. Schmetterlingen. Sie entstehn aus dem Ei durch Negation des Ei's, machen ihre Verwandlungen durch bis zur Geschlechtsreife, begatten sich und werden wieder negiert, indem sie sterben, sobald der Gattungsprozeß vollendet und das Weibchen seine zahlreichen Eier gelegt hat. Daß bei andern Pflanzen und Tieren der Vorgang nicht in dieser Einfachheit sich erledigt, daß sie nicht nur einmal, sondern mehrmal Samen, Eier oder Junge produzieren, ehe sie absterben, geht uns hier noch nichts an; wir haben hier nur nachzuweisen, daß die Negation der Negation in den beiden Reichen der organischen Welt wirklich vorkommt. Ferner ist die ganze Geologie eine Reihe von negierten Negationen, eine Reihe von aufeinanderfolgenden Zertrümmerungen alter und Ablagerungen neuer Gesteinsformationen. Zuerst wird die ursprüngliche, aus der Abkühlung der flüssigen Masse entstandne Erdkruste durch ozeanische, meteorologische und atmosphärisch-chemische Einwirkung zerkleinert und diese zerkleinerten Massen auf dem Meeresboden geschichtet. Lokale Hebungen des Meeresbodens über den Meeresspiegel setzen Teile dieser ersten Schichtung von neuem den Einwirkungen des Regens, der wechselnden Wärme der Jahreszeiten, des Sauerstoffs und der Kohlensäure der Atmosphäre aus; denselben Einwirkungen unterliegen die aus dem Erdinnern hervor- und die Schichten durchbrechenden geschmolzenen und nachher abgekühlten Steinmassen. Millionen von Jahrhunderten hindurch werden so immer neue Schichten gebildet, immer wieder größtenteils zerstört und immer wieder als Bildungsstoff für neue Schichten verwendet. Aber das Ergebnis ist ein sehr positives: die Herstellung eines aus den verschiedensten chemischen Elementen gemischten Bodens in einem Zustand mechanischer Zerkleinerung, der die massenhafteste und verschiedenartigste Vegetation zuläßt.

Ebenso in der Mathematik. Nehmen wir eine beliebige algebraische Größe, also a. Negieren wir sie, so haben wir – a (minus a). Negieren wir diese Negation, indem wir – a mit – a multiplizieren, so haben wir +a2, d.h. die ursprüngliche positive Größe, aber auf einer höhern Stufe, nämlich auf der zweiten Potenz. Auch hier macht es nichts aus, daß wir dasselbe a2 dadurch erlangen können, daß wir das positive a mit sich selbst multiplizieren und dadurch auch a2 erhalten. Denn die negierte Negation sitzt so fest in dem a2, daß es unter allen Umständen zwei Quadratwurzeln hat, nämlich a und –a. Und diese Unmöglichkeit, die negierte Negation, die im Quadrat enthaltne negative Wurzel loszuwerden, bekommt eine sehr[127] handgreifliche Bedeutung schon bei den quadratischen Gleichungen. – Noch schlagender tritt die Negation der Negation hervor bei der höhern Analyse, bei jenen »Summationen unbeschränkt kleiner Größen«, die Herr Dühring selbst für die höchsten Operationen der Mathematik erklärt und die man in gewöhnlicher Sprache Differential- und Integralrechnung nennt. Wie vollziehn sich diese Rechnungsarten? Ich habe z.B. in einer bestimmten Aufgabe zwei veränderliche Größen x und y, von denen sich die eine nicht verändern kann, ohne daß die andre sich in einem durch die Sachlage bestimmten Verhältnis mitverändert. Ich differenziere x und y, d.h. ich nehme x und y so unendlich klein an, daß sie gegen jede noch so kleine wirkliche Größe verschwinden, daß von x und y nichts bleibt als ihr gegenseitiges Verhältnis, aber ohne alle sozusagen materielle Grundlage, ein quantitatives Verhältnis ohne alle Quantität. dy/dx, das Verhältnis der beiden Differentiale von x und y ist also = 0/0, aber 0/0 gesetzt als der Ausdruck von y/x. Daß dies Verhältnis zwischen zwei verschwundnen Größen, der fixierte Moment ihres Verschwindens, ein Widerspruch ist, erwähne ich nur nebenbei; es kann uns aber ebensowenig stören, wie es die Mathematik überhaupt seit fast zweihundert Jahren gestört hat. Was anders also habe ich getan, als daß ich x und y negiert habe, aber negiert nicht so, daß ich mich nicht mehr um sie kümmere, wie die Metaphysik negiert, sondern in der der Sachlage entsprechenden Weise? Statt x und y habe ich also ihre Negation, dx und dy in den mir vorliegenden Formeln oder Gleichungen. Ich rechne nun mit diesen Formeln weiter, behandle dx und dy als wirkliche, wenn auch gewissen Ausnahmsgesetzen unterworfne Größen, und an einem gewissen Punkt – negiere ich die Negation, d.h. ich integriere die Differentialformel, bekomme statt dx und dy wieder die wirklichen Größen x und y und bin dann nicht etwa wieder so weit wie am Anfang, sondern ich habe damit die Aufgabe gelöst, an der die gewöhnliche Geometrie und Algebra sich vielleicht umsonst die Zähne ausgebissen hätten.

Nicht anders in der Geschichte. Alle Kulturvölker fangen an mit dem Gemeineigentum am Boden. Bei allen Völkern, die über eine gewisse ursprüngliche Stufe hinausgehn, wird dies Gemeineigentum im Lauf der Entwicklung des Ackerbaus eine Fessel für die Produktion. Es wird aufgehoben, negiert, nach kurzem oder langem Zwischenstufen in Privateigentum verwandelt. Aber auf höherer, durch das Privateigentum am Boden selbst herbeigeführter Entwicklungsstufe des Ackerbaus wird umgekehrt das Privateigentum eine Fessel für die Produktion – wie dies heute[128] der Fall ist sowohl mit dem kleinen wie mit dem großen Grundbesitz. Die Forderung, es ebenfalls zu negieren, es wieder in Gemeingut zu verwandeln, tritt mit Notwendigkeit hervor. Aber diese Forderung bedeutet nicht die Wiederherstellung des altursprünglichen Gemeineigentums, sondern die Herstellung einer weit höhern, entwickeltern Form von Gemeinbesitz, die, weit entfernt der Produktion eine Schranke zu werden, sie vielmehr erst entfesseln und ihr die volle Ausnutzung der modernen chemischen Entdeckungen und mechanischen Erfindungen gestatten wird.

Oder aber: Die antike Philosophie war ursprünglicher, naturwüchsiger Materialismus. Als solcher war sie unfähig, mit dem Verhältnis des Denkens zur Materie ins reine zu kommen. Die Notwendigkeit aber, hierüber klarzuwerden, führte zur Lehre von einer vom Körper trennbaren Seele, dann zu der Behauptung der Unsterblichkeit dieser Seele, endlich zum Monotheismus. Der alte Materialismus wurde also negiert durch den Idealismus. Aber in der weitern Entwicklung der Philosophie wurde auch der Idealismus unhaltbar und negiert durch den modernen Materialismus. Dieser, die Negation der Negation, ist nicht die bloße Wiedereinsetzung des alten, sondern fügt zu den bleibenden Grundlagen desselben noch den ganzen Gedankeninhalt einer zweitausendjährigen Entwicklung der Philosophie und Naturwissenschaft, sowie dieser zweitausendjährigen Geschichte selbst. Es ist überhaupt keine Philosophie mehr, sondern eine einfache Weltanschauung, die sich nicht in einer aparten Wissenschaftswissenschaft, sondern in den wirklichen Wissenschaften zu bewähren und zu betätigen hat. Die Philosophie ist hier also »aufgehoben«, das heißt »sowohl überwunden als aufbewahrt«; überwunden, ihrer Form, aufbewahrt, ihrem wirklichen Inhalt nach. Wo Herr Dühring nur »Wortspielerei« sieht, findet sich also, bei genauerem Zusehn, ein wirklicher Inhalt.

Endlich: Sogar die Rousseausche Gleichheitslehre, von der die Dühringsche nur ein matter, verfälschter Abklatsch ist, kommt nicht zustande, ohne daß die Hegelsche Negation der Negation – und noch dazu fast zwanzig Jahre vor Hegels Geburt – Hebammendienste leisten muß. Und weit entfernt, sich dessen zu schämen, trägt sie in ihrer ersten Darstellung den Stempel ihrer dialektischen Abstammung fast prunkend zur Schau. Im Zustand der Natur und der Wildheit waren die Menschen gleich; und da Rousseau schon die Sprache als eine Fälschung des Naturzustandes ansieht, so hat er vollkommen recht, die Gleichheit der Tiere Einer Art, soweit diese reicht, auch auf diese, neuerdings von Haeckel als Alali, Sprachlose, hypothetisch klassifizierten Tiermenschen anzuwenden. Aber diese gleichen Tiermenschen hatten vor den übrigen Tieren eine Eigenschaft voraus: die[129] Perfektibilität, die Fähigkeit, sich weiter zu entwickeln; und diese wurde die Ursache der Ungleichheit. Rousseau sieht also in der Entstehung der Ungleichheit einen Fortschritt. Aber dieser Fortschritt war antagonistisch, er war zugleich ein Rückschritt.

»Alle weitern Fortschritte« (über den Urzustand hinaus) »waren ebensoviel Schritte scheinbar zur Vervollkommnung des Einzelmenschen, in der Tat aber zum Verfall der Gattung... Die Metallbearbeitung und der Ackerbau waren die beiden Künste, deren Erfindung diese große Revolution hervorrief« (die Umwandlung des Urwaldes in kultiviertes Land, aber auch die Einführung des Elends und der Knechtschaft vermittelst des Eigentums). »Für den Dichter haben Gold und Silber, für den Philosophen haben Eisen und Korn die Menschen zivilisiert und das Menschengeschlecht ruiniert.«

Jeder neue Fortschritt der Zivilisation ist zugleich ein neuer Fortschritt der Ungleichheit. Alle Einrichtungen, die sich die mit der Zivilisation entstandne Gesellschaft gibt, schlagen in das Gegenteil ihres ursprünglichen Zwecks um.

»Es ist unbestreitbar und Grundgesetz des ganzen Staatsrechts, daß die Völker sich Fürsten gegeben haben, um ihre Freiheit zu schützen, nicht aber sie zu vernichten.«

Und dennoch werden diese Fürsten mit Notwendigkeit die Unterdrücker der Völker und steigern diese Unterdrückung bis auf den Punkt, wo die Ungleichheit, auf die äußerste Spitze getrieben, wieder in ihr Gegenteil umschlägt, Ursache der Gleichheit wird: vor dem Despoten sind alle gleich, nämlich gleich Null.

»Hier ist der äußerste Grad der Ungleichheit, der Endpunkt, der den Kreis schließt und den Punkt berührt, von dem wir ausgegangen sind: hier werden alle Privatleute gleich, weil sie eben nichts sind, und die Untertanen kein andres Gesetz mehr haben als den Willen des Herrn.« Aber der Despot ist nur Herr, solange er die Gewalt hat, und deswegen kann er, sobald man »ihn vertreibt, sich nicht gegen die Gewalt beklagen... Die Gewalt erhielt ihn, die Gewalt wirft ihn um, alles geht seinen richtigen naturgemäßen Gang.«

Und so schlägt die Ungleichheit wieder um in Gleichheit, aber nicht in die alte naturwüchsige Gleichheit der sprachlosen Urmenschen, sondern in die höhere des Gesellschaftsvertrags. Die Unterdrücker werden unterdrückt. Es ist Negation der Negation.

Wir haben hier also schon bei Rousseau nicht nur einen Gedankengang, der dem in Marx' »Kapital« verfolgten auf ein Haar gleicht, sondern auch[130] im einzelnen eine ganze Reihe derselben dialektischen Wendungen, deren Marx sich bedient: Prozesse, die ihrer Natur nach antagonistisch sind, einen Widerspruch in sich enthalten. Umschlagen eines Extrems in sein Gegenteil, endlich als Kern des Ganzen die Negation der Negation. Wenn Rousseau also 1754 den Hegel-Jargon noch nicht sprechen konnte, so ist er doch, 16 Jahre vor Hegels Geburt, tief von der Hegel-Seuche, Widerspruchsdialektik, Logoslehre, Theologik usw. angefressen. Und wenn Herr Dühring in seiner Verseichtigung der Rousseauschen Gleichheitstheorie mit seinen siegreichen zwei Männern operiert, so ist er auch schon auf der schiefen Ebene, auf der er rettungslos der Negation der Negation in die Arme rutscht. Der Zustand, in dem die Gleichheit der beiden Männer floriert, und der auch wohl als ein Idealzustand dargestellt wird, ist auf Seite 271 der »Philosophie« als »Urzustand« bezeichnet. Dieser Urzustand wird aber nach Seite 279 notwendigerweise durch das »Raubsystem« aufgehoben – erste Negation. Aber wir sind jetzt, dank der Wirklichkeitsphilosophie, dahin gekommen, daß wir das Raubsystem abschaffen und an seiner Stelle die von Herrn Dühring erfundne, auf Gleichheit beruhende Wirtschaftskommune einführen – Negation der Negation, Gleichheit auf höherer Stufe. Ergötzliches, den Gesichtskreis wohltätig erweiterndes Schauspiel, wie Herr Dühring das Kapitalverbrechen der Negation der Negation Allerhöchstselbst begeht!

Was ist also die Negation der Negation? Ein äußerst allgemeines und eben deswegen äußerst weitwirkendes und wichtiges Entwicklungsgesetz der Natur, der Geschichte und des Denkens; ein Gesetz, das, wie wir gesehn, in der Tier- und Pflanzenwelt, in der Geologie, in der Mathematik, in der Geschichte, in der Philosophie zur Geltung kommt und dem selbst Herr Dühring trotz allen Sperrens und Zerrens, ohne es zu wissen, in seiner Weise nachkommen muß. Es versteht sich von selbst, daß ich über den besondern Entwicklungsprozeß, den z.B. das Gerstenkorn von der Keimung bis zum Absterben der fruchttragenden Pflanze durchmacht, gar nichts sage, wenn ich sage, es ist Negation der Negation. Denn da die Integralrechnung ebenfalls Negation der Negation ist, würde ich mit der entgegengesetzten Behauptung nur den Unsinn behaupten, der Lebensprozeß eines Gerstenhalms sei Integralrechnung oder meinetwegen auch Sozialismus. Das ist es aber, was die Metaphysiker der Dialektik fortwährend in die Schuhe schieben. Wenn ich von all diesen Prozessen sage, sie sind Negation der Negation, so fasse ich sie allesamt unter dies eine Bewegungsgesetz zusammen, und lasse ebendeswegen die Besonderheiten jedes einzelnen Spezialprozesses unbeachtet. Die Dialektik, ist aber weiter nichts als die[131] Wissenschaft von den allgemeinen Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Menschengesellschaft und des Denkens.

Nun kann man aber einwenden: Die hier vollzogne Negation ist gar keine richtige Negation: ich negiere ein Gerstenkorn auch, wenn ich's vermähle, ein Insekt, wenn ich's zertrete, die positive Größe a, wenn ich sie ausstreiche usw. Oder ich negiere den Satz: die Rose ist eine Rose, wenn ich sage: die Rose ist keine Rose; und was kommt dabei heraus, wenn ich diese Negation wieder negiere und sage: die Rose ist aber doch eine Rose? -Diese Einwendungen sind in der Tat die Hauptargumente der Metaphysiker gegen die Dialektik und ganz dieser Borniertheit des Denkens würdig. Negieren in der Dialektik heißt nicht einfach nein sagen, oder ein Ding für nicht bestehend erklären, oder es in beliebiger Weise zerstören. Schon Spinoza sagt: Omnis determinatio est negatio, jede Begrenzung oder Bestimmung ist zugleich eine Negation. Und ferner ist die Art der Negation hier bestimmt erstens durch die allgemeine und zweitens die besondre Natur des Prozesses. Ich soll nicht nur negieren, sondern auch die Negation wieder aufheben. Ich muß also die erste Negation so einrichten, daß die zweite möglich bleibt oder wird. Wie? Je nach der besondern Natur jedes einzelnen Falls. Vermahle ich ein Gerstenkorn, zertrete ich ein Insekt, so habe ich zwar den ersten Akt vollzogen, aber den zweiten unmöglich gemacht. Jede Art von Dingen hat also ihre eigentümliche Art, so negiert zu werden, daß eine Entwicklung dabei herauskommt, und ebenso jede Art von Vorstellungen und Begriffen. In der Infinitesimalrechnung wird anders negiert als in der Herstellung positiver Potenzen aus negativen Wurzeln. Das will gelernt sein, wie alles andre. Mit der bloßen Kenntnis, daß Gerstenhalm und Infinitesimalrechnung unter die Negation der Negation fallen, kann ich weder erfolgreich Gerste bauen, noch differenzieren und integrieren, ebensowenig wie ich mit den bloßen Gesetzen der Tonbestimmung durch die Dimensionen der Saiten ohne weiteres Violine spielen kann. – Es ist aber klar, daß bei einer Negationsnegierung, die in der kindischen Beschäftigung besteht, a abwechselnd zu setzen und wieder auszustreichen, oder von einer Rose abwechselnd zu behaupten, sie sei eine Rose und sie sei keine Rose, nichts herauskommt als die Albernheit dessen, der solche langweilige Prozeduren vornimmt. Und doch möchten die Metaphysiker uns weismachen, wenn wir einmal die Negation der Negation vollziehn wollten, dann sei das die richtige Art.

Es ist also wiederum niemand anders als Herr Dühring, der uns mystifiziert, wenn er behauptet, die Negation der Negation sei eine von Hegel erfundne, dem Gebiet der Religion entlehnte, auf die Geschichte vom[132] Sündenfall und der Erlösung gebaute Analogieschnurre. Die Menschen haben dialektisch gedacht, lange ehe sie wußten, was Dialektik war, ebenso wie sie schon Prosa sprachen, lange bevor der Ausdruck Prosa bestand. Das Gesetz der Negation der Negation, das sich in der Natur und Geschichte, und bis es einmal erkannt ist, auch in unsern Köpfen unbewußt vollzieht, ist von Hegel nur zuerst scharf formuliert worden. Und wenn Herr Dühring die Sache im stillen selbst betreiben will und nur den Namen nicht vertragen kann, so möge er einen bessern Namen finden. Will er aber die Sache aus dem Denken vertreiben, so vertreibe er sie gütigst zuerst aus der Natur und der Geschichte, und erfinde eine Mathematik, worin –ax – a nicht +a2 ist und worin das Differenzieren und Integrieren bei Strafe verboten ist.

Quelle:
Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin 1962, Band 20, S. 120-133.
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