§ 44. Die reine Einheit

[138] So ich denke, was würde im Ort dieser Welt bleiben, wenn die vier Elementa mit dem Gestirne samt der Natur wegkämen und aufhörten, daß keine Natur oder Kreatur mehr wäre? Antwort: Es bliebe die (selbige) ewige Einheit, daraus Natur und Kreatur ihren Ursprung empfangen. – Was ist an dem Ort, da kein Geschöpf ist? Es ist die ewige, unwandelbare Einheit, welche ist das einige Gute, das nichts hinter ihm oder vor ihm hat, das ihm etwas gebe oder nehme oder davon diese Einheit urstände, es ist allda kein Grund, Zeit noch Stelle, und ist der einige Gott oder das einige Gut, das man nicht aussprechen kann. (»Clavis oder Schlüssel etlicher vornehmen Punkten«, § 2) Gott ist weder Natur noch Kreatur, was er in sich selber ist, (an sich selbst betrachtet) weder dies noch das, weder hoch noch tief. Er ist der Ungrund und Grund aller Wesen, ein ewig Ein, da kein Grund noch Stätte ist. Er ist der Kreatur in ihrem Vermögen ein Nichts und ist doch durch alles. (»Theos. Sendbr.«, Nr. 47, § 34)

Man kann nicht von Gott sagen, daß er das oder das sei, böse oder gut, daß er in sich selber Unterschiede habe; denn er ist in sich selber naturlos, sowohl affekt- und kreaturlos. Er ist in sich selber der Ungrund ohne einigen Willen, gegen[138] der Natur und Kreatur als ein ewig Nichts; es ist keine Qual in ihme noch etwas, das sich zu ihme oder von ihme könnte neigen; er ist das einige Wesen, und ist nichts vor ihme oder nach ihme, daran oder darinnen er ihme könnte einigen Willen schöpfen oder fassen; er hat auch nichts, das ihn gebäre oder gebe; er ist das Nichts und das Alles und ist ein einiger Wille, in deme die Welt und die ganze Kreatur lieget, in ihme ist alles gleich ewig ohne Anfang, in gleichem Gewichte, ohne Maß und Ziel; er ist weder Licht noch Finsternis, weder Liebe noch Zorn, sondern das »ewige Eine.« (»Von der Gnadenwahl«, cap. 1, § 3)

Quelle:
Ludwig Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie von Bacon bis Spinoza. Leipzig 1976, S. 138-139.
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