§ 68. Schlußbemerkungen über die C. Philosophie (1847)

[233] Die Cartesische Philosophie ist in vielerlei Beziehungen sehr lehrreich, besonders aber deswegen, weil sie die Entstehung der menschlichen Vorstellung vom Geiste – als einem selbständigen, von allem Körperlichen, Sinnlichen, Materiellen unterschiednen Wesen – so offen und klar darlegt. C. macht die Ausdehnung zum absoluten, zum allumfassenden, erschöpfenden Wesen des Körpers, des Materiellen überhaupt; nun hat aber der Gedanke keine Ausdehnung, keine Länge, Breite und Tiefe, also ist das Denken keine Körperkraft, sondern etwas schlechthin Unkörperliches, Unsinnliches. Wenn ich etwas zu allem mache, so ist notwendig das Gegenteil dieses Etwas das Nichts von allem, und ich habe zur Bestimmung desselben nur negative, d. i. nicht bestimmende, nichtssagende Prädikate oder Worte wie »immateriell«, »unkörperlich«, »unsinnlich«, »unausgedehnt« u. dergl. Die einzige positive, d. i. etwas sagende Bestimmung, die einzige, mit der ich auf die Frage: Was ist denn dieses Nichts von allem Körperlichen? antworten kann, ist: das Denken, so daß es also heißt: Der Geist ist ein denkendes Wesen. Allein, was ist damit gesagt und erklärt? Ich erkläre das Denken durch ein denkendes Wesen, d.h., ich mache eine Wirkung zur Ursache, eine Erscheinung zum Wesen, eine Funktion zur Person; ich mache das Denken zum Grund, zur Voraussetzung des Denkens, kurz, das Denken zur Ursache seiner selbst. Das Wesen, welches als causa sui, als Ursache seiner selbst, als von sich selbstseiend gefaßt wird, ist nur der ontologische, gegenständliche Ausdruck dieses Denkens, welches das Denken aus sich selbst erklärt, das Denken zum Prädikat und Subjekt, d. i. zum Wesen und Grund des Denkens macht. Ich schließe, sagt C., meine Augen, verstopfe meine Ohren und denke, ich sei ohne Welt, ohne Sinne, ohne Körper, ich kann mich also denken ohne Körperliches, also bin ich ein ohnkörperliches Wesen, d.h., ich mache es wie der Vogel Strauß, welcher sich für[233] unsichtbar hält, wenn er nicht sieht, mit dem Bewußtsein der Gefahr auch das Dasein der Gefahr aufgehoben Glaubt. Im Denken als solchem habe ich kein Bewußtsein von meinem Kopfe, meinem Hirn, sowenig, als ich im Sehen ein Bewußtsein von meinen Augen, im Hören – versteht sich im gesunden und im Hören für sich – ein Bewußtsein von meinen Ohren habe. Im Denken weiß ich schlechterdings nichts von seinem Zusammenhange mit dem Hirn, ich weiß nur sozusagen, was es aus- und vorwärts, aber nicht, was es ein- und rückwärts, was es für mich, aber nicht, was es an sich, kurz, ich weiß nur, was es seinen Produkten, den Gedanken nach ist, aber nicht, was es seinem letzten Wesen, seiner Ursache nach ist.121 Diese Unwissenheit des Menschen von dem physiologischen Grund und Wesen des Denkens ist die Basis, das Prinzip der Psycho- und Pneumatologie und ihrer Tochter, der Theologie, das Prinzip des Platonismus, Christianismus, der nichts andres ist als ein populärer, sinnlicher, konzentrierter Platonismus oder Spiritualismus überhaupt, des Cartesianismus, Fichteanismus und Hegelianismus. C. sagt selbst in seiner Antwort auf Gassendis Einwürfe: »Da ich wahrnehme, daß ich eine denkende Substanz bin und von dieser denkenden Substanz einen klaren und deutlichen Begriff bilde, welcher nichts von dem enthält, was zur körperlichen Substanz gehört, so habe ich hinreichenden Grund zu behaupten, daß ich, inwiefern ich mich selbst kenne (me quatenus me ipsum novi), nichts andres als ein[234] denkendes Wesen bin.« Aber wie wenig kennt sich der Mensch, wenigstens solange, als er über dem göttlichen Wesen sein eignes, über dem Geist den Leib, über seinen Gedanken und Einbildungen die Wirklichkeit vergißt! Wie kann ich also gewiß sein, daß das Ich, das ich nicht kenne, mit dem mir bekannten dasselbe ist? Bin ich unbewußt nicht vielleicht etwas ganz andres, als ich bewußt bin? Aber wie komme ich denn hinter mein Bewußtsein? Gibt es kein Mittel, dieses Unbekannte, hinter dem Bewußtsein Liegende zum Bewußtsein zu bringen? Ja; aber es ist nicht das Denken, wenigstens das abstrakte, denn dieses sagt mir nur: Ich bin nichts weiter als ein denkendes Wesen; es ist das Gefühl, der Sinn, welcher mir unwidersprechlich beweist, daß ich ein mit meinem Leibe innigst verbundenes, ein körperliches, sinnliches Wesen bin. Diese Einheit oder Verbindung des denkenden und körperlichen Wesens erstreckt sich jedoch nach der C. Philosophie nur auf die Imagination, die Einbildungskraft und das Gefühl; das Denken als solches, der Begriff, der Intellekt oder Verstand bleibt und wirkt getrennt und unabhängig vom Hirn. Und diese Unabhängigkeit desselben beweist oder erschließt sie hauptsächlich oder zuletzt nur aus dem Begriff des Verstandes, Denkens selbst; denn bei allen andern Begriffen wie z.B. den mathematischen ist die Konkurrenz der Einbildungskraft unverkennbar oder wenigstens unableugbar, aber »von der denkenden Substanz, vom Geiste läßt sich kein Bild, keine Vorstellung machen«; der Geist wird nur durch sich selbst, das Denken nur durch das Denken begriffen und erklärt.

Die Cartesische Philosophie hat hierin wirklich einen Fortschritt gemacht, daß sie, während sonst der Geist als ein unsichtbares, immaterielles und doch zugleich wieder dem sichtbaren Menschen oder Körper ähnliches, durch den Leib ausgedehntes, gespenstisches Wesen vorgestellt wurde, das Wesen des Geistes in den Akt des Bewußtseins, des Denkens setzte. Ich denke, voilà tout; und der Denkakt ist kein Akt wie der Zeugungsakt, wie der Akt des Essens und Trinkens, Schmeckens und Riechens, Hörens und Sehens; es ist ein von allen diesen Akten, auf welche wir das Wesen der Sinnlichkeit einschränken, unterschiedner, unvergleichlicher, origineller, nur durch sich selbst zu fassender Akt. Aber wenn nun C. diesen Akt sogleich wieder als ein[235] Wesen verselbständigt, zu einer von der Gattung der sinnlichen Wesen unterschiednen Gattung macht, beweist er damit, daß er selbst noch auf dem Boden des phantastischen Spiritualismus steht; denn dem Begriff des Dings oder Wesens, der Substanz unterstellt sich notwendig – notwendig, denn er ist ja nur von der Anschauung abgezogen – das Bild einer sinnlichen Substanz, was schon daraus deutlich erhellt, daß C. den Begriff des Wesens ebensogut auf die Ausdehnung anwendet als auf das Denken. Mit Recht bemerkt daher der Verfasser der »Reise durch die C. Welt« [Daniel], als ihm die von ihren Leibern abgeschiednen Geister zweier Cartesianer erscheinen: »Ich habe vor einigen Tagen in C. gelesen, daß das Wesen der Seele darin besteht, daß sie eine denkende Substanz sei, also ohne Ausdehnung, ohne Gestalt, ohne Farbe. Wie reimt sich aber dies mit dem zusammen, was ich jetzt sehe. Ihr behauptet, bloße Geister zu sein, und doch sehe ich an euch verschiedne Farben, sehe euch in menschlicher Gestalt, sehe, daß ihr ebensogut wie ich ausgedehnte Wesen seid. Löst mir ums Himmels Willen diesen Widerspruch!« Und mit ebensoviel Recht bemerkt der Theosoph Oettinger in seinen schon früher angeführten »Auserles. Schriften Schwedenborgs« (V. Tl., 242) gegen die idealistische Erklärung des Denkens durch ein einfaches denkendes Wesen: »Die Idealisten sagen alle, derjenige sei ein Materialist, welcher statuiere, daß die Materie denken könne. Zum Denken aber gehört ein Wesen, das weder die physici noch die metaphysici bisher erkannt. M. le Cat nennt es ein Amphibium, eine mittlere Substanz zwischen Leib und Seele (freilich eine phantastische Bestimmung!). Denken kann keine Substanz aus eingepflanzter innerer Kraft der simplicité, sondern Denken, Reflektieren, Sichselbst-offenbar-Werden hat seine Koordination zu den meningibus und membranis des Gehirns, zu dem aequilibrio solidorum et fluidorum in dem Leib, ja zu dem ganzen Umlauf des Geblüts. Magna vis sanguinis ad intelligentiam, sagt Hippokrates.« Ebenso richtig und anführungswert ist, was die ungenannte Verfasserin eines im Geiste der kabbalistischen Philosophie gegen Cartesius, Hobbes und Spinoza geschriebnen Buchs, »Principia[236] Philosophiae antiquissimae et recentissimae etc.«, Amstel. 1690122 gegen die Cartesische Scheidung des Geistes vom Leibe sagt (p. 110-116): »Wenn der Geist wesentlich vom Körper unterschieden ist, warum bedarf er denn einen solchen organisierten Körper? Warum z.B. zum Sehen ein so wunderbar gebildetes und organisiertes körperliches Auge? Warum ein körperliches Licht, um die körperlichen Gegenstände zu sehen? Wenn er durch und durch nur Geist, durchaus nicht körperlich ist, warum ist er denn so mannigfacher körperlicher Organe, die doch gar nichts mit seinem Wesen gemein haben, benötigt? Ferner, warum ist denn der Geist oder die Seele so leidend in körperlichen Schmerzen? Wenn sie keine Körperlichkeit oder nichts Körperliches an sich hat, warum wird denn die Seele, sie, die doch von ganz andrer Natur ist, durch eine Wunde des Körpers so schmerzlich verwundet? Wahrlich lauter unauflösliche Fragen, wenn man nicht annimmt, daß die Seele eines und desselben Wesens mit dem Leibe ist, obgleich die Seele rücksichtlich der Lebendigkeit und Geistigkeit um viele Grade höher steht als der Leib.«

Die C. Philosophie bezeichnet aber noch einen andern höchst wichtigen, ohne Einschränkung anzuerkennenden Fortschritt in der Geschichte des menschlichen Geistes. Wenn das Christentum mit dem Satz beginnt: »Gott ist ein Geist«, so beginnt dagegen die neuere Zeit, deren Wesen die Verneinung des Christentums in der Bejahung desselben ist, in C. mit dem Satz: Ich bin ein Geist; wenn das Christentum mit der Abstraktion von der Welt beginnt, ein Wesen an die Spitze stellt, welches war, als nichts war, welches die Welt aus nichts schafft und ins Nichts verstößt, so beginnt C. mit derselben Fiktion, aber dieses das Nichtsein der Welt fingierende, ihr Dasein aufhebende Wesen bin ich, der Geist, der Denker. »Wir müssen«, sagt der Cartesianer Wittich in dem seinem »Anti-Spinoza« angehängten »Comment. de Deo«, Amstel. 1690, p. 355, »abstrahieren von aller Zeit und in[237] Gedanken die Existenz aller Körper aufheben, wie Cartesius in seinen ersten Meditationen getan hat, nur darauf reflektieren, daß wir, die wir denken, sind und daß Gott existiert, und an keine Bewegung und deren Eigenschaft, die Nacheinanderfolge, denken – so werden wir die Existenz Gottes als eine ewige Existenz, als eine solche, von der die Unvollkommenheit eines Anfangs, Endes und Nacheinanderseins ausgeschlossen ist, begreifen.« Ist hier nicht mit den Fingern selbst zu greifen, daß das Objektive Wesen nur das subjektive Wesen, das abstrakte Wesen ohne Welt, Zeit, Körper nur das eigne Wesen des von Welt, Zeit, Körper Abstrahierenden ist? Der Gott also, der ein Geist ist, der alles durch seinen Willen und Verstand hervorbringt, dessen Gedanken oder Ideen alle Dinge ihr Wesen, dessen Willensentschlüssen alle Dinge ihr Dasein verdanken, in Vergleich zu dessen Wesen alle sinnlichen Dinge nichts sind, ist nichts andres als das Wesen des Idealismus, nichts andres als des Menschen eigner Geist, der aber im Christentum als ein vom Menschen unterschiednes, gegenständliches Wesen vorgestellt wird. Die ersten Ansätze zu dieser Erkenntnis, der Erkenntnis der Theologie als der Anthropologie, liegen bereits in C. Der gegenständliche, göttliche Idealismus wird bereits in ihm subjektiver, menschlicher Idealismus. In C. ist im »Gottesbewußtsein« das Selbstbewußtsein, im Gottvertrauen das Selbstvertrauen des Menschen erwacht. »Gott kann alles, was ich klar und deutlich als möglich einsehe.« (Resp. IV) Gott ist die Gewißheit von der Wahrheit und Unbeschränktheit meines Wesens, von der Gültigkeit und Richtigkeit meiner Gedanken, die Bestätigung, daß ich recht habe, daß ich mich nicht irre, nicht täusche in dem, was ich klar und deutlich einsehe.123 Damit[238] ist zwar nichts Neues gesagt. Wenn Augustin z.B. sagt: »Wenn ein unverweslicher Körper etwas Gutes (Wünschenswertes, bonum) ist, warum wollen wir zweifeln, daß Gott uns einen solchen Körper machen werde?«, so ist damit das nämliche gesagt – daß Gott die Bejahung der menschlichen Wünsche und Gedanken ist. Aber bei C. springt diese Wahrheit in die Augen, weil in ihm das Selbstbewußtsein im Unterschied vom Gottesbewußtsein oder richtiger Gottesglauben hervortritt, während das religiöse Selbstbewußtsein oder richtiger Gemüt sein Bewußtsein in den Gegenstand versenkt und verlegt, mit seinem Gegenstand sich identifiziert. Der C. Philosophie gebührt daher das Verdienst, daß sie zu einer Zeit, wo der christliche Glaube noch eine despotische Gewalt ausübte, dem Menschen wieder das Vertrauen zu sich selbst, das Vertrauen zu seiner Vernunft einflößte. Die C. Schule war, wie ihr unter andern Gottlosigkeiten Huetius in seiner »Zensur« vorwirft, so kühn oder, theologisch gesprochen, so frech, zu behaupten, daß die Evidenz ebensoviel Gehorsam vom Menschen zu fordern berechtigt sei als der Glaube. Aber ein anderer Vorwurf, den Huetius der C. Schule macht, ist wirklich ein Vorwurf – der nämlich,[239] daß sie außer der Philosophie, der Mathematik und höchstens noch Anatomie des Menschen alle andern nicht bloß historischen, sondern auch naturwissenschaftlichen Studien verachte. Wenn daher früher behauptet wurde, daß die Natur das interessanteste Objekt für den Menschen auf dem Standpunkt der C. Philosophie sei, so gilt das eben nur von der Natur, wie sie C. Gegenstand ist. Vom Standpunkt des Idealismus, sowohl des objektiven als subjektiven, d.h. göttlichen als menschlichen, hat der Mensch keinen wahren Natursinn, denn die sinnlichen Dinge sind ihm nichts, aber die Natur ist durch und durch sinnlich. Der Idealist kommt nicht aus sich heraus. »Wer«, sagt z.B. Clauberg in der oben erwähnten Schrift, »die über die körperlichen Dinge erhabne, Gott ähnliche Natur seines Geistes betrachtet, der hält es unter der Würde des Menschen, seine Gedanken auf körperliche und irdische Dinge zu richten.« Leibniz erzählt von diesem Clauberg, der übrigens selbst eine »Physik« geschrieben hat: »Cl. behauptete, er wisse, wie die Natur des Geistes auszusprechen sei, aber er wolle es nicht sagen. Oft geriet er im Denken in eine tiefe Ekstase und starb auch in einem solchen Zustande.«124 Wahrlich eine echt cartesianische Todesart! Die Scheidung der Seele vom Leibe, der Tod ist ja das Prinzip der Cartesischen, der idealistischen Philosophie überhaupt.[240]

121

So gut der Kopf oder der vermittelst der Einbildungskraft als ein Wesen personifizierte Denkakt sagt: Ich bin ein vom Körper, vom Hirn unabhängiges Wesen, sogut könnte das Auge oder der Sehakt sagen: Ich fühl und weiß im Sehen nichts von der Pupille, von der Traubenhaut, von der wässerigen Feuchtigkeit, vom Glaskörper, von der Kristallinse, von der Retina, nichts von den Anstrengungen, Bewegungen und Verrichtungen dieser vielen verschiednen Körper, welche das himmlische Gefühl des Sehakts hervorbringen, also bin ich ein immaterielles, unkörperliches, durch mich selbst seiendes Wesen. Allerdings ist das Resultat das »dem Begriffe nach Erste«, denn der Sinn des Organs ist die Funktion, aber es ist spekulative Taschenspielerei, dasselbe zugleich wieder zu dem der Tat nach Ersten zu machen, das Resultat abgetrennt von seinen Bedingungen als ein selbständiges Wesen zu personifizieren und dann die Natur aus dem Geiste, d.h. die Grundlagen, die Bedingungen und Voraussetzungen des Resultats aus dem Resultate zu deduzieren.

122

Als der Herausgeber oder vielmehr eigentliche Autor dieser höchst seltnen Schrift, deren erster Titel ist »Opuscula philos. quibus continentur Princ. P. ant. et rec. ac Philosophia vulgaria refutata«, wird in Vogtii »Catalogus Librorum Rariorum«, p. 505, F. M. v. Helmont bezeichnet, von Leibniz aber die Gräfin Connaway.

123

Über diesen so wichtigen Punkt der C. Philosophie nachträglich noch eine Bemerkung. C. geht in seiner v. Medit. folgenden Gang. Was ich mit dem Geist oder Verstand klar und deutlich einsehe, das ist wahr, das ist etwas. Wovon ich daher klar und deutlich einsehe, daß es Zusammengehört, das ist untrennbar. Nun ist aber von dem vollkommnen Wesen die Vollkommenheit der Existenz unabtrennbar, also existiert es. Was druckt denn nun aber dieses vollkommne Wesen anders aus als das Wesen des vollkommnen Denkens, das Wesen des klaren und deutlichen Begriffs? Klar und deutlich ist nur der von der Sinnlichkeit und Einbildungskraft abgesonderte Begriff oder Verstand und nur das Klare und Deutliche das Wahre, Seiende, Wirkliche. Aber Gott ist das Allerklarste und Deutlichste. »Qui ad singulas ejus perfectiones attendere... conantur, illi profecto multo ampliorum facilioremque materiam clarae et distinctae cognitionis in eo inveniunt, quam in ullis rebus creatis.« (Resp. I) Warum? Weil er nur begriffen oder gedacht, aber nicht sinnlich vorgestellt werden kann. Was ist also Gott anders als der sich als das wahre Wesen gegenständliche oder bejahende deutliche Begriff oder Verstand? Die Existenz Gottes behaupten heißt (hier) die Wahrheit oder Existenz des deutlichen Begriffs, des von der Körperlichkeit und Sinnlichkeit abgesonderten Geistes behaupten. Daher verbindet immer C. »die Erkenntnis Gottes und unsres Geistes«, »die Existenz Gottes und unsres ohne Körper gedachten Geistes«. (»Diss. de Meth.«) Das positive Prädikat Gottes ist ja allein, daß er Geist, Intelligenz, Denken ist, die negativen und unbestimmten Prädikate aber, wie Vollkommenheit, Unendlichkeit, Unermeßlichkeit, reduzieren sich allein darauf, daß er nicht wie der Mensch durch die Verbindung mit einer Materie, einem Leibe befleckt und beschränkt ist.

124

L. Opp. Omn., ed. Dutens, T. VI, p. 296. Offenbar hat auch der Verfasser der »Reise durch die C. Welt« diese Anekdote im sinne, wenn er (im ersten Teil derselben) das Arkanum der C. Philosophie, die Seele vom Leihe zu scheiden, persifliert. Freilich konnte er im C. selbst genug Stoff zu dieser Persiflage finden.

Quelle:
Ludwig Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie von Bacon bis Spinoza. Leipzig 1976, S. 233-241.
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