§ 16.

[31] Wir gehen wieder zurück zur ersten Anschauung, als dem[31] Objecte der unsrigen. In ihr war eine tieferliegende Anschauung (Ansicht) des Wissens und ein Seyn dieses Wissens vereinigt.

Zuvörderst von der ersteren. Kein unmittelbares Wissen; ohne von der Freiheit (§ 15, 1.). Hier wurde die innere Form des Wissens vorausgesetzt, und von ihr auf ihr mögliches Aeusseres, ihr Object, geschlossen. Der Augpunct war in dieser Form, und diese stellte sich selbst vor sich selbst hin, als Freiheit. – Keine absolute Freiheit, ausser in einem Wissen (§ 15, 2). Hier wurde die Form der Freiheit vorausgesetzt; in ihr stand die Anschauung und begriff in ihr sich selbst, eben nothwendig als ein Wissen. Dort: ein absolutes Fürsich- und Insichseyn des Wissens, als realer Einheit, sich spaltend in eine äussere absolute (eben auf Freiheit gegründete) Vielheit. Der Reflex, das Fürsichseyn desselben ist in der Mitte. Hier: ein unmittelbares Sichergreifen der äusseren Einheit (durch Freiheit) in der Vielheit, und Verschmelzen derselben zur inneren und realen Einheit des Wissens. Der vereinigende Reflex ist hier gleichfalls in der Mitte. (Innere, äussere Einheit diene für jetzt zum anschaulicheren Ausdruck, bis wir selbst dies erklären können.)

Nun soll beides schlechthin Eins seyn und ebendasselbe: absolute Freiheit das Wissen, und das absolute Wissen Freiheit. Es wird nicht angeschaut, als Eins, wie wir ja gesehen haben, indem immer von einer der beiden Ansichten zur anderen fortgegangen werden muss; aber es soll Eins seyn. Der Mittel- und Wendepunct eben, den wir oben als Reflex des absoluten Wissens bezeichneten, ist dieses einige Seyn; und so sind auch die beiden möglichen Beschreibungen desselben immer nur Beschreibung desselben Seyns des absoluten Wissens.

Einheit dieses Seyns und seiner beiden Beschreibungen also ist die tieferliegende Anschauung (§ 15, 4.).

Machen wir diese jetzt selbst wieder zu ihrem Objecte, was der eigentliche Inhalt unserer Aufgabe ist; – d.h. keinesweges, machen wir dieses Objectmachen selbst wieder zum Objecte, sondern seyen wir vielmehr im folgenden diese Anschauung,[32] welche, da sie die Anschauung des absoluten Intelligirens selbst ist, vorzugsweise intellectuelle zu nennen wäre.

Wir sind es auf folgende Weise. In der oben beschriebenen Anschauung erfasst offenbar das absolute Wissen sich selbst, seinem absoluten Wesen nach, auf absolute Weise. Zuvörderst: es hat sich selbst aus sich selbst, seinem absoluten Wesen nach, in der Einheit: es ist, weil es eben Wissen ist, in seinem Seyn schlechthin zugleich für sich selbst. Ferner: es erfasst, schaut an und beschreibt sich in dieser Anschauung auf die angegebene Weise, als Einheit der Freiheit und des – hier ein wenig anders angesehenen und nicht mehr absolut seyenden – Wissens.

Aber eben um sich in dieser Anschauung zu beschreiben, muss es sich, als Wissen (als vollzogenes Wissen), schon haben. Was ist nun dieses letztere für ein Wissen? Wir haben es sattsam beschrieben: ein gediegener, auf sich selbst ruhender, in und durch sich selbst gebundener, seiner Form nach keine Freiheit voraussetzender, sondern von der absoluten formalen Freiheit selbst vorausgesetzter Gedanke (Lebens- und Denkact) jener absoluten Identität der Freiheit und des Wissens (der letztere Ausdruck in dem früher bestimmten, umfassenderen Sinne, als die reine Form des Fürsich, gebraucht).

Dieser lebendige Gedanke nun ists, der in der intellectuellen Anschauung sich selbst anschaut: – nicht als Gedanke, sondern als Wissen, indem die in ihm liegende absolute Form des Wissens (Fürsichseyn – absolute Möglichkeit, in jedem Seyn zugleich Reflex desselben zu seyn) sich vollzieht, weil sie sich vollziehen kann in Folge der absoluten (formalen) Freiheit des Wissens. So schaut er sich in ihr auf absolute (schlechthin freie) Weise nach seinem absoluten Wesen an.

So viel genüget über den Inhalt der intellectuellen Anschauung. Jetzt über ihre Form, – wodurch wir sie gewissermaassen nicht mehr in uns ruhen lassen, sondern sie zum Objecte machen.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 2, Berlin 1845/1846, S. 31-33.
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