§ 2. Wort-Erklärungen

[6] Ein solches absolutes Zusammenfassen und Uebersehen[6] eines Mannigfaltigen vom Vorstellen, welches Mannigfaltige denn auch wohl überall zugleich ein unendliches seyn dürfte, wie sich ein solches in der vorstehenden Construction eines Wissens gezeigt hat, heisst in der folgenden Bearbeitung, und überhaupt in der Wissenschaftslehre, Anschauung. Es hat sich in derselben Construction gefunden, dass nur in der Anschauung das Wissen beruhe und bestehe.

Diesem zusammenfassenden Bewusstseyn ist entgegengesetzt das Bewusstseyn des Besonderen, wie in dem untergelegten Beispiele das Bewusstseyn des diesmaligen Ziehens der Linie zwischen den beiden durch den Winkel bestimmten Puncten war. Wir können dieses Bewusstseyn Wahrnehmung nennen, oder Erfahrung. Es hat sich gefunden, dass im Wissen von der blossen Wahrnehmung abgesehen werden muss.1

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Es thut daher der Abgrund der Dummheit sich auf, wenn irgend ein Nicolai irgendwo mich auffordert, ihm doch zu sagen, wie man irgend etwas wissen könne ausser durch Erfahrung. Durch Erfahrung kann man gar nichts wissen; indem das bloß Erfahrene erst aufgegeben werden muss, wenn es mit uns zu einem Wissen kommen soll.

Quelle:
Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke. Band 2, Berlin 1845/1846, S. 6-7.
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