Siebente Rede

Das Fest

[354] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande der Sakker, bei Kapilavatthu, im Großen Walde, mit einer großen Schar Mönche zusammen, mit fünfhundert Mönchen, die alle schon heilig waren: und aus den zehn Weltgegenden begannen da immer mehr und mehr Gottheiten herbeizuströmen, um den Erhabenen zu sehn und die Jüngerschaft. Da haben nun vier der Götter oben im Reinen Bereiche also erwogen: ›Es ist der Erhabene im Lande der Sakker zu weilen gekommen, bei Kapilavatthu, im Großen Walde, mit einer großen Schar Mönche zusammen, mit fünfhundert Mönchen, die alle schon heilig sind: und aus den zehn Weltgegenden sind da immer mehr und mehr Gottheiten herbeigeströmt, um den Erhabenen zu sehn und die Jüngerschaft. Wie, wenn nun auch wir zum Erhabenen herankämen und vor dem Erhabenen je einzeln einen Sangspruch verlauten ließen?‹ So haben denn jene Gottheiten, gleichwie etwa ein kräftiger Mann den eingezogenen [354] Arm ausstrecken oder den ausgestreckten Arm einziehn mag, auch schon den Bereich der Reinen Götter verlassen und sind vor dem Erhabenen erschienen. Alsbald haben nun jene Gottheiten dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dargeboten und sind beiseite gestanden. Beiseite stehend hat dann eine Gottheit vor dem Erhabenen diesen Sangspruch verlauten lassen:


»Das Fest im Walde führt uns her,

Die Götterreiche sind vereint:

Da sind wir, feiern mit das wahre Fest

Im Anblick schon der unbesiegten Jüngerschar.«


Alsbald hat nun eine andere Gottheit vor dem Erhabenen diese Weise gesungen:


»Da sind die Mönche wohlgewahrt,

Sie haben schlicht gemacht das eigne Herz;

Gleichwie der Wagenlenker seine Zügel hält,

Beherrschen klug sie ihre Sinne so.«


Alsbald hat nun eine andere Gottheit vor dem Erhabenen diesen Sang ertönen lassen:


»Der Querbaum fiel, der Riegel ist entzwei,

Das Tor erbrochen: unerschüttert stehn sie,

Und schreiten heiter dann und fleckenlos hinweg,

Vom Seher, jungen Elefanten gleich, bezähmt624


Alsbald hat nun eine andere Gottheit vor dem Erhabenen diesen Spruch gesungen:


»Wer irgend auch sich dem Erwachten zuneigt,

Er wird nicht mehr durch Höllenreiche wandeln:

Den Erdenleib verlassend einst

In Götterkreise kehrt er ein.«


Da hat nun der Erhabene sich an die Mönche gewandt:

»Immer mehr und mehr, ihr Mönche, strömen in den zehn Weltgegenden Gottheiten zusammen, den Vollendeten zu sehn und die Jüngerschaft. Die da einst, ihr Mönche, in vergangenen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte waren, auch zu jenen Erhabenen sind ebensolche höchste Gottheiten herbeigeströmt gleichwie jetzt bei mir. Und die einst, ihr Mönche, in künftigen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte sein werden, auch zu jenen Erhabenen werden ebensolche höchste Gottheiten herbeiströmen gleichwie jetzt bei [355] mir. Aufweisen will ich, ihr Mönche, die Namen der Götterbereiche, kundmachen will ich, ihr Mönche, die Namen der Götterbereiche, angeben will ich, ihr Mönche, die Namen der Götterbereiche: höret es und achtet wohl auf meine Rede.«

»Gewiß, o Herr«, antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:


»Ein Nachhall soll zu hören sein

Im Lande, wo da Siedler sind,

Auf Bergen weilend, im Gefels,

Beharrlich, innig eingekehrt:


Allein wie Löwen, nur für sich,

Von keinem Fürchten mehr versucht,

Mit reinem Geiste, klarem Sinn,

Das Antlitz heiter, unvertrübt:

Mehr als fünfhundert kenn' ich so

Bei Braunental im Waldbereich625


So sprach der Meister dann zur Schar

Der Jünger, selig horchend auf:

»Es sind der Götter viele hier,

Ihr Mönche mögt erkennen sie.«


Da neigten eifrig die den Sinn

Der Kunde vom erwachten Herrn:

Es kam sie hell ein Wissen an,

Ein überirdisch Angesicht.


Gar mancher sah wohl hundert erst,

Und plötzlich merkt' er tausend schon:

Bald hunderttausend deucht' es sie

Der Götter rings umher zu sehn,

Ja manchen schien ganz unbegrenzt

Jedweder Himmelsraum erfüllt626.


Dies alles war vorhergesehn

Vom Seher, deutlich offenbart;

So sprach der Meister nun zur Schar

Der Jünger, selig horchend auf:


»Es sind der Götter viele hier,

Ihr Mönche mögt erkennen sie,

[356] Die jetzt ich nennen will vor euch,

Verlauten lassen nach und nach.


Sind Geister, siebentausend wohl

Im Lande rings um Braunental,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Sechstausend aus dem Gletscherreich,

Berggeister voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint627.


Vom Scharfen Grat auch Geister dann,

Dreitausend, voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Das sind da sechzehntausend nun

Der Geister, voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Allfreunde sind fünfhundert da,

Luftgeister voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint628.


Der Schutzgeist auch von Königsburg,

Kumbhīro, Herr am Breiten Joch,

Mit hunderttausend kam er an

Von Geistern, rings um ihn geschart:

[357] Kumbhīro, der die Burg beschützt,

Auch er zum Waldfest im Verein629.


Im Osten thronend kam von dort

Als Herrscher Dhataraṭṭho her,

Der Himmelsboten Oberhaupt,

Der Große König, hochberühmt.


Auch seine Söhne, viele gar,

Dem Götterfürsten gleich an Kraft,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint630.


Im Süden thronend kam von dort

Virūḷho als der Fürst herbei,

Der Wassergeister Oberhaupt,

Der Große König, hochberühmt.


Auch dessen Söhne, viele gar,

Dem Götterfürsten gleich an Kraft,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Im Westen thronend kam von dort

Als Herrscher Virūpakkho her,

Der Schlangengeister Oberhaupt,

Der Große König, hochberühmt.


Auch dessen Söhne, viele gar,

Dem Götterfürsten gleich an Kraft,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Im Norden thronend kam von dort

Kuvero als der Herrscher an,

Der Geisterscharen Oberhaupt,

Der Große König, hochberühmt631.


[358] Auch dessen Söhne, viele gar,

Dem Götterfürsten gleich an Kraft,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.«


Nach Osten Dhataraṭṭho dort,

Virūlho so nach Süden zu,

Nach Westen Virūpakkho hin,

Kuvero nach dem Nordgebiet:

Die vier Beherrscher, allzumal

An vier der Stätten standen sie,

Den Himmelsraum erleuchtend hell,

Bei Braunental, im Waldbereich.


Auch deren Sippe kam herbei,

Voll Schein und Schimmer, trugreich, schlau,

So List als Blendwerk, Zauberwerk,

Der Schlich, dem Kniffe gern gesellt632,

Das Mondlicht und die Liebeshuld,

Meerjungfern, Greife, Drachenvolk;


Der Elfenkönig, Wolkengeist,

Der Kutscher, der die Götter fährt,

Der Himmelsbote Bunter Kranz,

Der Herr im Röhricht, Scharenfürst,

Auch jener, der fünf Strahlen trägt,

Der Baumgott mit dem Sonnenblick633:


All diese, ja noch viele mehr,

Gar prächtig, wunderbar zu sehn,

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Dann kam wie durch der Lüfte Meer

Das Volk der Nixen angeschwebt:

Delphine schwammen mit empor

Und Geister aus der Gangesflut.


Schwanelben aus dem Stromgebiet

Und Schlangen zogen, reich geschmückt,

[359] Gleich ihrem Fürsten glitzernd froh,

Wie er, zum Waldfest im Verein634.


Die auf die Schlangenbrut herab sich stürzen,

Des Himmels Vögel, leicht beschwingt, mit Adlerblick:

Hin durch die Lüfte zogen sie zum Walde her,

Mit buntem Federhalse, scharfem Schnabel.


Doch Sicherheit gefunden hat der Schlangenfürst,

Vor Adlern schützend nahm ihn auf der wache Herr:

Mit sanften Worten wohlberedet also

War Schlange mild und Vogel vor dem Meister.


Geschleudert in den Ozean

Von Sakkos Donnerkeil herab,

Erstanden mächtig wieder einst

Die Riesen, Sakkos Brüder, dort,

Die Schwarzen Köpfe, furchtbar wild,

Unholde, brüllend wie der Sturm.


Der Grimme Flegel635, Grobe Klotz,

Der Tolle Schreier, Böse Feind,

Nebst hundert Söhnen, insgesamt

Vom Fürsten aus der Unterwelt,


Die wilde Heerschar zog dahin,

Zum Mondverfinstrer traten sie:

»Es ist nun Zeit, o Herr, wir gehn

Zum Waldfest, Mönchen mitvereint!«


Es kamen nunmehr Götter an

Von Wasser, Erde, Feuer, Wind,

Der Meerbeherrscher und sein Hof,

Der Mondgeist und der Sonnengeist,

Auch jene hochberühmte Schar,

Die liebreich lebt, Erbarmen übt:


Zehn Götterkreise, zehnfach so,

Je einzeln voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

[360] Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Die Hüter und Erhalter hier,

Gar vielfach, und das Zwillingspaar,

Planetengeister um den Mond,

Mit ihm als Lenker, angelangt,

Planetengötter sonnenhaft,

Dem Sonnenfluge folgend nach636,


Von Stern zu Sternen weiter dann

Der Wolken langsam leichter Zug,

Als guter Geister bester Herr

Kam Sakko auch, der Mauern stürzt637:


Zehn Götterkreise, zehnfach so,

Je einzeln voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Nun kamen Götter, mitentstammt,

Wie Feuergarben flammend auf,

Unsehrbar leuchtend, wie man sagt,

Wie Hanf blüht, also blau von Schein,

Meergeister, Schattengeisterschar,

Nicht wankend und erbebend nicht,

Wie Lanzen blitzend kam's heran,

Den guten Geistern zugesellt638:


Zehn Götterkreise, zehnfach so,

Je einzeln voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Von gleichem Range, hohem Rang,

Nach Menschen-, Menschenüberart,

Im Dämmerlichte lustig fein,

Im Dämmerlichte sinnig klar,

So traten Hirtengötter her,

[361] In Schleier rötlich eingehüllt,

Hinüber spähend kamen sie,

Hinüber spähend bis ans Ziel639:


Zehn Götterkreise, zehnfach so,

Je einzeln voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Und Licht, Entzücken, Morgenrot,

Von hohen Himmeln floß es her,

In hellen Wogen wallend auf,

Voll hoher Götter allzumal,

Beständig heiter, perlenrein,

Gepriesen mannigfaltig reich,

Und donnernd kam der Regengott,

Der alle Reiche rings erquickt:


Zehn Götterkreise, zehnfach so,

Je einzeln voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Die wohlgeborgen, selig sind,

Die Schatten, einsam schweifend hin,

Die Abgewandten, wonnig fern,

Im Glanze funkelnd, wahnbeglückt,

Die unbeschränkt in Freude stehn,

Und die entrückt stehn, jeder kam:640


Zehn Götterkreise, zehnfach so,

Je einzeln voller Farbenpracht,

Mit Macht begabt, in lichtem Glanz,

Gar schön zu schauen, reich an Ruhm:

Frohlockend strömten sie zum Fest

Im Walde, Mönchen mitvereint.


Ja, sechzig Kreise sind es so

Der Götter, voller Farbenpracht,

[362] Genannt nun einzeln, angelangt

Mit manchen andern im Verein:


»Der alles Leben durchgelebt,

Den Strom gekreuzt hat, wahnversiegt:

Laßt uns den Großen sehn, entwölkt,

Wie auf der Mond geht in der Nacht.«


Der Zarte Geist, das Höchste Selbst,

Der Ew'ge Jüngling, Pfeilschütz auch:

Des Mächt'gen Herrschers Söhneschar,

Ein jeder kam zum Walde mit.


Vor tausend Brahmahimmeln dann

Erschien der Große Brahmā hier

Als Oberherr, in lichtem Glanz,

Ein Anblick ungeheuer gar641.


Es kamen noch zehn Herrscher an,

Je einzeln selbstgewaltig echt:

In ihrer Mitte schritt einher

Der Gott, der hell wie Gold erstrahlt.


Als alles nun versammelt war,

Die Brahmagötter, Sakkos Schar,

Zog hin allmählich Māros Heer:

Seht nur, wie lang der Böse braucht! –:


»Rasch zugegriffen, fesselt sie,

Die Lust soll eure Schlinge sein:

Von allen Seiten schleicht euch an,

Auf daß euch keiner kann entgehn!«


So hatte dort der Große Fürst

Den finstren Heerbann ausgesandt:

Und auf die Erde klatscht' er laut

Und ließ ertönen grausen Klang642.


Wie Wolke im Gewittersturm

Mit Blitz und Donner krachend flieht,

So zog alsbald er sich zurück,

Von Groll erfüllt, ohnmächtig wild.


[363] Dies alles war vorhergesehn

Vom Seher, deutlich offenbart;

So sprach der Meister nun zur Schar

Der Jünger, selig horchend auf:

»Das Heer des Todes lauert rings,

Ihr Mönche mögt es kennen wohl.«


Da neigten eifrig die den Sinn

Der Kunde vom erwachten Herrn;

Der Lust entwöhnt, unnahbar so,

Ward ihnen auch kein Haar gekrümmt.


Sie alle, Sieger in der Schlacht,

Der Furcht entfahren, ruhmgekrönt,

Sind fröhlich mit der Wesen Schar,

Die Jünger, wie gar wohl bekannt643.


Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 2, Zürich/Wien 31957, S. 354-364.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Barfüßele

Barfüßele

Die Geschwister Amrei und Dami, Kinder eines armen Holzfällers, wachsen nach dem Tode der Eltern in getrennten Häusern eines Schwarzwalddorfes auf. Amrei wächst zu einem lebensfrohen und tüchtigen Mädchen heran, während Dami in Selbstmitleid vergeht und schließlich nach Amerika auswandert. Auf einer Hochzeit lernt Amrei einen reichen Bauernsohn kennen, dessen Frau sie schließlich wird und so ihren Bruder aus Amerika zurück auf den Hof holen kann. Die idyllische Dorfgeschichte ist sofort mit Erscheinen 1857 ein großer Erfolg. Der Roman erlebt über 40 Auflagen und wird in zahlreiche Sprachen übersetzt.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon