Achte Rede

Sakkos Fragen

[364] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Lande Magadhā, östlich von Rājagaham, bei Mangohain, wie das Priesterdorf644 hieß, oberhalb des Ortes, auf dem Berge der Aussicht, in der Grotte nahe dem Kronbaum auf der Spitze.

Damals nun war Sakko dem König der Götter ein Verlangen aufgestiegen den Erhabenen zu besuchen. Da hat nun Sakko der König der Götter bei sich erwogen: ›Wo weilt wohl jetzt der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte?‹ Es sah nun Sakko der Götterkönig den Erhabenen im Lande Magadhā, östlich von Rājagaham, bei Mangohain, wie das Priesterdorf hieß, oberhalb des Ortes, auf dem Berge der Aussicht, in der Grotte nahe dem Kronbaum auf der Spitze; und als er es gesehn, wandte er sich an die Götter der Dreiunddreißig:

»Es weilt, ihr Würdigen, der Erhabene im Lande Magadhā, östlich von Rājagaham, bei Mangohain, wie das Priesterdorf heißt, oberhalb des Ortes, auf[364] dem Berge der Aussicht, in der Grotte nahe dem Kronbaum auf der Spitze: wie wär' es, ihr Würdigen, wenn wir Ihn, den Erhabenen, besuchen gingen, den Heiligen, vollkommen Erwachten?«

»Gewiß, Erlauchter, nach Belieben«, sagten da gehorsam die Götter der Dreiunddreißig zu Sakko dem Götterkönig. Da hat nun Sakko der Götterkönig sich an den jungen Himmelsboten mit den fünf Strahlen gewandt:

»Es weilt, mein Fünfstrahliger, der Erhabene im Lande Magadhā, östlich von Rājagaham, bei Mangohain, wie das Priesterdorf heißt, oberhalb des Ortes, auf dem Berge der Aussicht, in der Grotte nahe dem Kronbaum auf der Spitze: wie wär' es doch, mein Fünfstrahliger, wenn wir Ihn, den Erhabenen, besuchen gingen, den Heiligen, vollkommen Erwachten645

»Gewiß, Erlauchter, nach Belieben«, sagte da gehorsam der junge Himmelsbote mit den fünf Strahlen zu Sakko dem Götterkönig; und er hing sich die Laute aus hellem Bilvaholz um und folgte Sakko dem Götterkönig auf dem Wege nach.

Da ist denn Sakko der Götterkönig umgeben von der Schar der Dreiunddreißig, den jungen Himmelsboten mit den fünf Strahlen voran, gleichwie etwa ein kräftiger Mann den eingezogenen Arm ausstrecken oder den ausgestreckten Arm einziehn mag, auch schon aus dem Reiche der Dreiunddreißig verschwunden gewesen und im Lande Magadhā, östlich von Rājagaham, bei Mangohain, wie das Priesterdorf hieß, oberhalb des Ortes, auf dem Berge der Aussicht zu stehn gekommen.

Um diese Zeit war denn auf dem Berge der Aussicht ein ungemein heller Abglanz entstanden, bis herab nach Mangohain ins Priesterdorf, als wie durch der Götter göttliche Pracht. Da haben denn rings umher in den Ortschaften die Leute gesagt:

»Wie Feuer leuchtet ja heute der Berg der Aussicht, wie glühend funkelt ja heute der Berg der Aussicht, wie Flammen sprüht es ja heute vom Berge der Aussicht: was mag das heute nur auf dem Berge der Aussicht für ein übermächtiges Leuchten sein, bis nach Mangohain ins Priesterdorf herab!«, sagten sie erstaunt und erschauernd.


Nun hat da Sakko der Götterkönig sich an den jungen Himmelsboten mit den fünf Strahlen gewandt:

»Schwer zugänglich, mein Fünfstrahliger, sind Vollendete für unsereinen: Schauung üben sie und Schauung lieben sie, fast immer zurückgezogen. Wie wär' es, mein Fünfstrahliger, wenn du den Erhabenen erst günstig stimmen würdest? Hast du, mein Lieber, erst günstig gestimmt, dann wollen wir von Angesicht vor Ihn, den Erhabenen, hintreten, vor den Heiligen, vollkommen Erwachten.«

[365] »Gewiß, Erlauchter, nach Belieben«, sagte da gehorsam der junge Himmelsbote mit den fünf Strahlen zu Sakko dem Götterkönig; und mit seiner Laute aus hellem Bilvaholz kam er näher und näher zur Grotte unter dem Kronbaum auf der Spitze heran. Dann verzog er und sagte sich: ›Von hier aus wird wohl der Erhabene nicht zu fern von mir sein und auch nicht zu nahe, und wird meinen Klang vernehmen646‹: so stand er beiseite. Beiseite stehend nahm nun der junge Himmelsbote mit den fünf Strahlen die Laute aus hellem Bilvaholz in die Hand, begann zu spielen und ließ diesen Sang dazu verlauten, auf den Erwachten fein hindeutend, auf die Lehre fein hindeutend, auf Heilige fein hindeutend, auf die Liebe fein hindeutend647:


»Grüß' mir den Vater, sel'ge Frau,

Den Baumgott, du, wie Sonne licht,

Von dem du herstammst, ach so schön,

All meiner Wonnen Blüte du!


Bei Hitze wie man Kühlung sucht,

Verschmachtend einen Trunk ersehnt,

So hold bist du mir, Lichtgestalt,

Gleichwie der Weise Wahrheit liebt648.


Ein Heilkraut wie der Kranke braucht,

Wie Speise nur den Hunger stillt:

O lass' erlöschen meine Pein,

Gleichwie das Wasser Gluten lischt.


Wie Lotusweiher, schattig, kühl,

Mit feinem Sande, Moos umsäumt,

Den sonnverbrannten Ilphen lockt,

Verlangt dein Busen mich und Leib.


Den Treiber stürzend wie der Ilph

Dahinstürmt, Stock und Stahl zertritt:

So weiß ich nichts mehr von Vernunft,

Berückt von deiner schlanken Pracht.


Dir angehangen ist mein Herz,

Verwandelt worden ganz und gar:

Mich von dir lösen kann ich nicht,

Vom Angel wie kein Fisch es kann.


O schlanke Huldin, sei mir hold,

Mir hold, die du so müde blickst:

[366] Und schmieg' dich an mir, liebste Maid,

Mein Sehnen sucht nur dich allein.


Und wenn du, lockig Angesicht,

Auch nur ein wenig gut mir bist:

Gar vielfach soll's vergolten sein,

Wie Gabe, Heil'gen dargebracht.


Was je ich an Verdienst erwarb,

Dem Dienste Heil'ger zugetan,

Das soll mir, allerschönste Frau,

An deiner Seite nun gedeihn.


Was je ich an Verdienst erwarb

Auf diesem weiten Erdenrund,

Das soll mir, allerschönste Frau,

An deiner Seite nun gedeihn.


Der Sakyersohn, der Schauung übt,

In sich geeinigt, heiter, klar:

Wie Er der Ewigkeit nur denkt,

So denk' ich, Sonnenfee, nur dein.


Gleichwie der Mönch wohl selig strahlt,

In höchster Wahrheit auferwacht:

So möcht' ich strahlen auch bei dir,

Geliebte, selig aufgelöst.


Und wollte Sakko tauschen gleich

Mit mir, der Dreiunddreißig Fürst,

Ich würde von dir lassen nicht:

So treu ist meiner Liebe Kraft.


Den Ahn im Walde, knospenreich,

Den Vater dein, o feine Trud,

Ich will ihn preisen für und für,

Weil du von ihm entsprossen bist649


Nach diesem Sange hat der Erhabene den jungen Himmelsboten mit den fünf Strahlen also angesprochen:

»Es stimmt wohl bei dir, Fünfstrahliger, der Ton der Saiten mit dem Ton des Liedes überein und der Ton des Liedes mit dem Ton der Saiten: aber nicht eben, Fünfstrahliger, reicht bei dir der Ton der Saiten über den Ton [367] des Liedes hinaus und auch nicht der Ton des Liedes über den Ton der Saiten. Wann hast du dir denn, Fünfstrahliger, diese Sangesweise zusammengestellt, auf den Erwachten fein hindeutend, auf die Lehre fein hindeutend, auf Heilige fein hindeutend, auf die Liebe fein hindeutend650

»Es war einmal, o Herr, da ist der Erhabene bei Uruvelā geweilt, am Gestade der Nerañjarā, unter dem Feigenbaum der Ziegenhirten, soeben vollkommen auferwacht. Damals nun, o Herr, war ich in Bhaddā, wie sie hieß, verliebt, die Tochter des Baumgottes mit dem Sonnenblick, des Herrschers über die Himmelsboten. Dieses Mädchen aber, o Herr, gehörte einem anderen an: es war Sikhaṇḍi651, wie er hieß, der Sohn des Wagenlenkers Mātali, der sie liebte. Da ich nun, o Herr, jenes Mädchen auf keine Weise zu gewinnen vermochte, so nahm ich denn meine Laute aus hellem Bilvaholz und begab mich dorthin wo der Baumgott mit dem Sonnenblick, der Herrscher über die Himmelsboten, zu Hause war. Dort angelangt begann ich zu spielen und ließ diesen Sang dazu verlauten, auf den Erwachten fein hindeutend, auf die Lehre fein hindeutend, auf Heilige fein hindeutend, auf die Liebe fein hindeutend. Nach diesem Sange, o Herr, hat Bhaddā vom Sonnenblick also zu mir gesprochen: ›Nicht hab' ich, Würdiger, den Erhabenen von Angesicht gesehn, aber man hat mir freilich schon von Ihm, dem Erhabenen, erzählt, als ich bei den Dreiunddreißig Göttern im Saal der Seligen zu Tanze war. Weil du nun, Würdiger, Ihn, den Erhabenen, gepriesen hast, wollen wir uns heute treffen.‹ So haben wir uns denn, o Herr, mit jenem Mädchen getroffen: aber ich will darüber nicht weiter reden652


Alsbald nun hat Sakko der Götterkönig bei sich erwogen: ›Freundliche Rede wechselt der Fünfstrahlige junge Himmelsbote mit dem Erhabenen und der Erhabene mit dem Fünfstrahligen.‹ Und Sakko der Götterkönig wandte sich jetzt an den jungen Himmelsboten mit den fünf Strahlen:

»Entbiete nun, du lieber Fünfstrahl, dem Erhabenen meinen Gruß: ›Sakko‹, sage, ›der Götterkönig, o Herr, bringt mit seinen Fürsten und Leuten dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar.‹«

»Gewiß, Erlauchter, nach Belieben«, sagte da gehorsam der junge Himmelsbote mit den fünf Strahlen zu Sakko dem Götterkönig und entbot dem Erhabenen Gruß: »Sakko, o Herr, der Götterkönig, bringt mit seinen Fürsten und Leuten dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar.«

»Schön, wohlergehn mög' es, Fünfstrahliger, Sakko dem Götterkönig mit seinen Fürsten und Leuten: Wohlergehn wünschen ja Götter und Menschen, Riesen, Schlangengeister und Himmelsboten, und wer es auch sei von gewöhnlichem Schlage653

[368] Das ist da die Art, wie Vollendete so hochmächtige Geister begrüßen. Also begrüßt kam nun Sakko der Götterkönig in die Grotte des Erhabenen nahe dem Kronbaum auf der Spitze herein, verneigte sich ehrerbietig vor dem Erhabenen und stand beiseite; und auch die Götter der Dreiunddreißig kamen in die Grotte nahe dem Kronbaum auf der Spitze herein, sowie auch der junge Himmelsbote mit den fünf Strahlen, verbeugten sich alle ehrerbietig vor dem Erhabenen und standen beiseite. Um diese Zeit aber war in der Grotte nahe dem Kronbaum auf der Spitze der gebuckelte Boden eben geworden, die Winkel weiteten sich aus, die finstere Nacht war verschwunden, Helligkeit entstanden als wie durch der Götter göttliche Pracht654.

Da hat nun der Erhabene zu Sakko dem Götterkönig also gesprochen:

»Das ist wunderbar beim ehrwürdigen Kosiyer655, das ist erstaunlich beim ehrwürdigen Kosiyer, daß du bei so vielen Pflichten, so vielen Obliegenheiten doch auch hierherkommen mochtest.«

»Schon lang' ist es, o Herr, daß ich den Wunsch hatte den Erhabenen zu besuchen: aber mit all den Pflichten und Obliegenheiten der Dreiunddreißig Götter beschäftigt war es mir bisher nicht möglich gewesen den Erhabenen aufzusuchen. – Es war einmal, o Herr, da ist der Erhabene bei Sāvatthī geweilt, in der Lianenlaube656. Da bin ich, o Herr, nach Sāvatthī aufgebrochen, den Erhabenen zu sehn. Zu dieser Zeit nun, o Herr, hatte sich der Erhabene, irgend in sich vertieft, hingesetzt; und Bhujatī, wie sie hieß, eine Elbin aus dem Gefolge Vessavaṇos des Großen Herrschers, war da nicht fern vom Erhabenen gestanden: mit gefalteten Händen, sich verneigend, stand sie da657. Alsbald nun, o Herr, hab' ich zu Bhujatī gesagt: ›Entbiete, liebe Schwester, dem Erhabenen meinen Gruß: »Sakko«, sage, »der Götterkönig, o Herr, bringt mit seinen Fürsten und Leuten dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar.«‹ Also angegangen, o Herr, hat jene Elbin zu mir gesagt: ›Es ist nicht die Zeit, Würdiger, den Erhabenen zu besuchen, zurückgezogen weilt der Erhabene.‹ – ›Wohlan denn, Schwester, wenn der Erhabene aus jener Vertiefung aufgestanden sein wird, so richte dann dem Erhabenen in meinem Namen den Gruß aus: »Sakko«, sage, »der Götterkönig, o Herr, bringt mit seinen Fürsten und Leuten dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar.«‹ Vielleicht hat wohl, o Herr, jene Schwester den Gruß von mir dem Erhabenen bestellt: erinnert sich der Erhabene an ihr Wort?«

»Bestellt hat mir, Götterkönig, jene Schwester den Gruß: ich erinnere mich an ihr Wort; und ich hatte damals jene Vertiefung beendet, als des Ehrwürdigen Wagenräder dahinrollten.«

»Die da, o Herr, als Götter in das Reich der Dreiunddreißig vor uns emporgelangt waren, von denen hab' ich es von Angesicht gehört, von Angesicht vernommen: ›Wann immer Vollendete in der Welt erscheinen, Heilige, [369] vollkommen Erwachte, nimmt die Schar der Götter zu, ab nimmt die unholde Schar.‹ Daß dies so ist, o Herr, hab' ich selber gesehn: denn seit der Vollendete in der Welt erschienen, der Heilige, vollkommen Erwachte, nimmt die Schar der Götter zu, ab nimmt die unholde Schar. Da war ja, o Herr, in Kapilavatthu Gopikā, wie sie hieß, eine Tochter der Sakyer: die war dem Erwachten ergeben, der Lehre ergeben, der Jüngerschaft ergeben und ist den Pflichten durchaus nachgekommen. Der war der weibliche Sinn widerwärtig geworden, sie hatte männlichen Sinn in sich ausgebildet. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, ist sie auf gute Fährte, himmelwärts emporgeraten, zur Gemeinschaft mit den Göttern der Dreiunddreißig, hat bei uns Kindschaft erlangt. Da heißt es denn jetzt: ›Gopako der Göttersohn, Gopako der Göttersohn658.‹ Andere aber, o Herr, so drei Mönche, die beim Erhabenen das Asketenleben geführt hatten, sind in das mindere Reich der Himmelsboten emporgelangt. Mit den fünf Wunschgenüssen umgeben und überall damit bedient kommen die zu unserer Aufwartung, an unseren Hof. Zu unserer Aufwartung gekommen, an unseren Hof, wurden sie von Gopako dem Göttersohn zur Rede gestellt: ›Von welcher Seite nur, ihr Würdigen, habt ihr Seine, des Erhabenen, Lehre angepackt? Denn ich, obzwar nur ein Weib gewesen, war dem Erwachten ergeben, der Lehre ergeben, der Jüngerschaft ergeben und bin den Pflichten durchaus nachgekommen; mir war der weibliche Sinn widerwärtig geworden, ich hatte männlichen Sinn in mir ausgebildet: bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, bin ich auf gute Fährte, himmelwärts emporgeraten, zur Gemeinschaft mit den Göttern der Dreiunddreißig, habe bei Sakko dem König der Götter Kindschaft erlangt659. Hier heißt es nun von mir: »Gopako der Göttersohn, Gopako der Göttersohn.« Ihr aber, Würdige, habt beim Erhabenen das Asketenleben geführt und seid in das mindere Reich der Himmelsboten emporgelangt. Kein allzu schönes Bild haben wir gesehn, die wir da Nachfolger der Lehre in ein minderes Reich der Himmelsboten emporgelangt sehn660.‹ Als diese, o Herr, von Gopako dem Göttersohn zur Rede gestellt waren, haben ihrer zwei Götter noch bei Lebzeiten Einsicht erlangt, erwachsen bis zur brahmischen Sphäre, ein Gott aber ist im Genusse verblieben. – Gopako sprach:


›Ergeben war daheim ich schon dem Seher,

Geheißen Gopikā, so war mein Name;

Dem wachen Meister lauscht' ich froh, der Lehre,

Mit Freuden dienend nach Gebühr den Jüngern.


Und weil der Meister mich so wahr beraten,

Bin nun bei Sakko Sohn ich, hochgewaltig,

[370] Im Kreise hell der Dreiunddreißig strahlend,

Als Gopako gar wohlbekannt hier oben.


Da sah ich sie, vormals gewesen Mönche,

Als Himmelsboten hergekommen wieder:

Ja diese da, bei Gotamo einst Jünger,

Die wir im Menschenreich ehdem getroffen,

Mit Speis' und Trank bewirtet hatten freudig,

Zu deren Füßen wir im Saale saßen.


Warum doch mochten nur die lieben Freunde

Des Meisters Lehre nicht begreifen besser?

Die Lehre, die bei sich man gleich versteht,

So wohl vom Seher aufgewiesen, ausgedacht.


Ich selber war ja stets um euch gestanden,

Auf Sprüche horchend aus der Heil'gen Kunde:

Bin nun bei Sakko Sohn geworden, mächtig,

Im Kreise hell der Dreiunddreißig strahlend.


Doch ihr, die um den Höchsten seid gestanden,

Beim Meister habt Asketentum betätigt,

Geringe Stufe habt ihr nur erstiegen,

Und eure Wiederkehr bekam euch wenig.


Kein allzu schönes Bild ward uns beschieden,

In mindrer Form zu sehn des Ordens Brüder,

Als Himmelsboten hier euch zu begrüßen,

Den Göttern aufzuwarten hergekommen.


Im Hause war ich, blieb daheim,

Und sieh', welch großer Unterschied:

Ein Weib einst, bin ich heute Mann in Gottgestalt,

Und Götterwonnen wehn mich an von überall.‹


Zurecht gewiesen gotamidisch auf den Weg,

Ergriffen lauschten sie dem Worte Gopakos:

›So laßt uns überschreiten, weiter dringen vor,

Auf daß wir nicht als Knechte dienen andern hier.‹


Und ihrer zwei, entzückt in kühnem Kampfe,

Der Heilgebote Gotamos gedenkend,

[371] Sie hatten alsogleich ihr Herz gewendet,

Erkannten Wunschgewähr als eitel Elend.


Der Liebesfesseln fest geknüpftem Nestelwerk,

Des Bösen Schlingen, wo man kaum entschlüpfen kann,

Gleichwie der Ilph die prallen Seile plötzlich kappt,

Entschwanden sie den Dreiunddreißig Göttern gar661.


Vor allen Göttern uns, die schaffensfroh sind,

Im Saal der Sel'gen rings zu Rat versammelt,

Vor unsern Sitzen dort entschwanden jene,

Als Sieger, suchtlos, jeder Sucht entwesen.


Sie schauend überlief ein Schauer mich, den Gott,

Den Herrscher, himmlisch thronend vor der Lichten Schar:

›O seht wie jene tief gebornen Geister

Nun gar die Dreiunddreißig überflügeln!‹


Das Wort vernahm er, das ich sagte schauernd,

Gopako, der nun also sprach zu mir:

›Der wache Meister ist auf Erden Menschengott,

Der Wunschbesieger, Sakyermönch, geheißen so;

Die Söhne sein, der Einsicht schon entfremdet,

Von mir gewiesen fanden Einsicht wieder662.


Von diesen drei ist einer hier verblieben,

Als Himmelsbote bei uns worden heimisch:

Doch zwei nun wallen Pfade zur Erwachung,

Bedauern, in sich eingekehrt, uns Götter663.‹


Wie dort nun so ward offenbar die Lehre,

Das kann wohl keinem Jünger irgend unklar sein;

Den Strombezwinger, der den Zweifel hat gekreuzt,

Den Meister grüßen wir, den Sieger, Menschengott.


Weil sie dein Wort verstanden hier,

Ging herrlich ihnen auf ein Ziel,

Die Bahn zu heil'gem Kreise hin,

Und ihrer zwei sind vorgelangt.


Zu lernen dieser Lehre Kunst,

O Herr, sind auch erschienen wir:

Es gibt der Meister frei Gehör

Den Fragen, sei es drum gewagt!«


[372] Da hat nun der Erhabene bei sich erwogen: ›Lange schon ist dieser Sakko lauteren Sinnes. Was er auch immer für eine Frage an mich stellen wird, es wird alles gewiß zu Nutzen und Frommen sein, nicht ohne Sinn und Verstand. Und was ich ihm auf seine Fragen antworten werde, das wird er gar bald verstehn.‹ So hat denn der Erhabene zu Sakko dem König der Götter auf diese Weise gesprochen:


»Wohlan denn, Guter, frage mich

Was irgend nur dein Herz begehrt:

Und Frag' um Frage will ich dir

Gern lösen bis zum letzten Wort664


Vorgelassen vom Erhabenen hat nun Sakko der Götterkönig diese erste Frage an den Erhabenen gerichtet:

»Welche Fessel, o Würdiger, bindet Götter und Menschen, Riesen, Schlangengeister und Himmelsboten, und wer es auch sei von gewöhnlichem Schlage? Den Vorsatz: ›Ohne Wut, ohne Heftigkeit, ohne Feindschaft, ohne Haß wollen wir bleiben, frei von Groll‹, diesen Vorsatz fassen sie wohl: aber sie werden alsbald wütend, heftig, feindlich, gehässig, von Groll erfüllt665

So war die Frage, die Sakko der Götterkönig an den Erhabenen gerichtet hat. Also gefragt, hat ihm der Erhabene geantwortet:

»Neid und Eigensucht ist die Fessel, Götterkönig, die Götter und Menschen bindet, Riesen, Schlangengeister und Himmelsboten, und wer es auch sei von gewöhnlichem Schlage. Den Vorsatz: ›Ohne Wut, ohne Heftigkeit, ohne Feindschaft, ohne Haß wollen wir bleiben, frei von Groll‹, diesen Vorsatz fassen sie wohl: aber sie werden alsbald wütend, heftig, feindlich, gehässig, von Groll erfüllt.«

So hat der Erhabene die von Sakko dem Götterkönig gestellte Frage beantwortet. Zufrieden war Sakko der Götterkönig, über des Erhabenen Rede billig erfreut: »Ja so ist es, Erhabener, ja so ist es, Willkommener! Da ist mir kein Bedenken geblieben, jeder Zweifel geschwunden, nachdem ich vom Erhabenen die Antwort vernommen666.« Wie da nun Sakko der Götterkönig über des Erhabenen Rede billig erfreut war, hat er dann eine weitere Frage an den Erhabenen gerichtet:

»Neid und Eigensucht aber, o Würdiger, wo wurzeln die, woraus entwickeln sie sich, woraus entstehn sie, woraus erwachsen sie? Was muß denn sein, damit Neid und Eigensucht erscheint, und was muß nicht sein, damit Neid und Eigensucht nicht erscheint?«

»Neid und Eigensucht, Götterkönig, wurzeln in Liebem und Unliebem, [373] entwickeln sich aus Liebem und Unliebem, entstehn aus Liebem und Unliebem, erwachsen aus Liebem und Unliebem: Liebes und Unliebes muß sein, damit Neid und Eigensucht erscheint, Liebes und Unliebes muß nicht sein, damit Neid und Eigensucht nicht erscheint.«

»Liebes und Unliebes aber, o Würdiger, wo wurzelt das, woraus entwickelt es sich, woraus entsteht es, woraus erwächst es? Was muß sein, damit Liebes und Unliebes erscheint, und was muß nicht sein, damit Liebes und Unliebes nicht erscheint?«

»Liebes und Unliebes, Götterkönig, wurzelt im Willen, entwickelt sich aus dem Willen, entsteht aus dem Willen, erwächst aus dem Willen: Wille muß sein, damit Liebes und Unliebes erscheint, Wille muß nicht sein, damit Liebes und Unliebes nicht erscheint667

»Der Wille aber, o Würdiger, wo wurzelt der, woraus entwickelt er sich, woraus entsteht er, woraus erwächst er? Was muß sein, damit Wille erscheint, und was muß nicht sein, damit Wille nicht erscheint?«

»Der Wille, Götterkönig, wurzelt in der Erwägung, entwickelt sich aus der Erwägung, entsteht aus der Erwägung, erwächst aus der Erwägung: Erwägung muß sein, damit Wille erscheint, Erwägung muß nicht sein, damit Wille nicht erscheint.«

»Die Erwägung aber, o Würdiger, wo wurzelt die, woraus entwickelt sie sich, woraus entsteht sie, woraus erwächst sie? Was muß sein, damit Erwägung erscheint, und was muß nicht sein, damit Erwägung nicht erscheint?«

»Die Erwägung, Götterkönig, wurzelt in der Reihe der Sonderwahrnehmungen, entwickelt sich aus der Reihe der Sonderwahrnehmungen, entsteht aus der Reihe der Sonderwahrnehmungen, erwächst aus der Reihe der Sonderwahrnehmungen: die Reihe der Sonderwahrnehmungen muß sein, damit Erwägung erscheint, die Reihe der Sonderwahrnehmungen muß nicht sein, damit Erwägung nicht erscheint668

»Wie aber, o Würdiger, muß ein Mönch beflissen sein, um den tauglichen Pfad einzuschlagen, auf dem die Reihe der Sonderwahrnehmungen sich auflösen läßt?«

»Fröhlichkeit, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben; Traurigkeit, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben; Gleichmut, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben. – ›Fröhlichkeit, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wo man bei einer Fröhlichkeit merkt: ›Indem ich da fröhlich bin mehren sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mindern sich‹: eine solche Fröhlichkeit ist nicht zu betreiben669. Wo man bei[374] einer Fröhlichkeit merkt: ›Indem ich da fröhlich bin mindern sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mehren sich‹: eine solche Fröhlichkeit ist zu betreiben. Wo es nun hier mit Gedanken, mit Überlegung geschieht, und wo es ohne Gedanken, ohne Überlegung geschieht: da ist ohne Gedanken, ohne Überlegung edler. ›Fröhlichkeit, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

›Traurigkeit, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wo man bei einer Traurigkeit merkt: ›Indem ich da traurig bin mehren sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mindern sich‹: eine solche Traurigkeit ist nicht zu betreiben670. Wo man bei einer Traurigkeit merkt: ›Indem ich da traurig bin mindern sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mehren sich‹: eine solche Traurigkeit ist zu betreiben. Wo es nun hier mit Gedanken, mit Überlegung geschieht, und wo es ohne Gedanken, ohne Überlegung geschieht: da ist ohne Gedanken, ohne Überlegung edler. ›Traurigkeit, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

›Gleichmut, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wo man bei einem Gleichmute merkt: ›Indem ich da gleichmütig bin mehren sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mindern sich‹: ein solcher Gleichmut ist nicht zu betreiben. Wo man bei einem Gleichmute merkt: ›Indem ich da gleichmütig bin mindern sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mehren sich‹: ein solcher Gleichmut ist zu betreiben. Wo es nun hier mit Gedanken, mit Überlegung geschieht, und wo es ohne Gedanken, ohne Überlegung geschieht: da ist ohne Gedanken, ohne Überlegung edler. ›Gleichmut, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt671. – So aber, Götterkönig, muß ein Mönch beflissen sein um den tauglichen Pfad einzuschlagen, auf dem die Reihe der Sonderwahrnehmungen sich auflösen läßt.«

So hat der Erhabene die von Sakko dem Götterkönig gestellte Frage beantwortet. Zufrieden war Sakko der Götterkönig, über des Erhabenen Rede billig erfreut: »Ja so ist es, Erhabener, ja so ist es, Willkommener! Da ist mir kein Bedenken geblieben, jeder Zweifel geschwunden, nachdem ich vom Erhabenen die Antwort vernommen.« Wie da nun Sakko der Götterkönig über des Erhabenen Rede billig erfreut war, hat er dann eine weitere Frage an den Erhabenen gerichtet:

[375] »Wie aber, o Würdiger, muß ein Mönch beflissen sein um sich der reinen Zucht gemäß wohl zu bewahren672

»Wandel in Werken, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben; Wandel in Worten, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben; Nachspüren, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben. – ›Wandel in Werken, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wo man bei einem Wandel in Werken merkt: ›Indem ich da diesen Wandel in Werken betreibe mehren sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mindern sich‹: ein solcher Wandel in Werken ist nicht zu betreiben. Wo man bei einem Wandel in Werken merkt: ›Indem ich da diesen Wandel in Werken betreibe mindern sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mehren sich‹: ein solcher Wandel in Werken ist zu betreiben. ›Wandel in Werken, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

›Wandel in Worten, sag' ich, da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu be treiben‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wo man bei einem Wandel in Worten merkt: ›Indem ich da diesen Wandel in Worten betreibe mehren sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mindern sich‹: ein solcher Wandel in Worten ist nicht zu betreiben. Wo man bei einem Wandel in Worten merkt: ›Indem ich da diesen Wandel in Worten betreibe mindern sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mehren sich‹: ein solcher Wandel in Worten ist zu betreiben. ›Wandel in Worten, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

›Nachspüren, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Wo man bei einem Nachspüren merkt: ›Indem ich da dieses Nachspüren betreibe mehren sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mindern sich‹: ein solches Nachspüren ist nicht zu betreiben. Wo man bei einem Nachspüren merkt: ›Indem ich da dieses Nachspüren betreibe mindern sich mir die unheilsamen Dinge und die heilsamen Dinge mehren sich‹: ein solches Nachspüren ist zu betreiben. ›Nachspüren, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt. – So aber, Götterkönig, muß ein Mönch beflissen sein um sich der reinen Zucht gemäß wohl zu bewahren.«

[376] »Wie aber, o Würdiger, muß ein Mönch beflissen sein, um die Sinne zügeln zu können?«

»Durch das Gesicht bewußtbar werdende Form, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben; durch das Gehör bewußtbar werdender Ton, durch den Geruch bewußtbar werdender Duft, durch den Geschmack bewußtbar werdender Saft, durch das Getast bewußtbar werdende Tastung, durch das Gedenken bewußtbar werdendes Ding, sag' ich da, Götterkönig, ist von doppelter Art: als zu betreiben, als nicht zu betreiben.«

Auf diese Worte hat Sakko der Götterkönig zum Erhabenen also gesprochen:

»Was da, o Herr, der Erhabene in Kürze gesagt hat, das versteh' ich also ausführlich erklärt: bei was für einer durch das Gesicht, o Herr, bewußtbar werdenden Form, indem man sie pflegt, die unheilsamen Dinge sich mehren und die heilsamen Dinge sich mindern, eine solche durch das Gesicht bewußtbar werdende Form ist nicht zu pflegen; doch bei was für einer durch das Gesicht, o Herr, bewußtbar werdenden Form, indem man sie pflegt, die unheilsamen Dinge sich mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, eine solche durch das Gesicht bewußtbar werdende Form ist zu pflegen. Bei was für einem durch das Gehör bewußtbar werdenden Ton, durch den Geruch bewußtbar werdenden Duft, durch den Geschmack bewußtbar werdenden Saft, durch das Getast bewußtbar werdenden Griff, durch das Gedenken bewußtbar werdenden Ding, o Herr, indem man es pflegt, die unheilsamen Dinge sich mindern und die heilsamen Dinge sich mehren, das ist zu pflegen. Wie ich, o Herr, was der Erhabene in Kürze gesagt hat also ausführlich erklärt verstehe, ist mir kein Bedenken geblieben, jeder Zweifel geschwunden, nachdem ich vom Erhabenen die Antwort vernommen.« Da hat denn Sakko der Götterkönig, über des Erhabenen Rede billig erfreut, eine weitere Frage an den Erhabenen gerichtet:

»Haben denn nicht eigentlich, o Würdiger, alle Asketen und Priester nur eine Lehre, nur eine Regel, nur eine Absicht, nur ein Ziel?«

»Nicht wohl, Götterkönig, haben alle Asketen und Priester nur eine Lehre, nur eine Regel, nur eine Absicht, nur ein Ziel.«

»Warum aber, o Würdiger, haben nicht alle Asketen und Priester nur eine Lehre, nur eine Regel, nur eine Absicht, nur ein Ziel?«

»Mancherlei Art, verschiedener Art ist, Götterkönig, die Welt: was für eine Art eben die Wesen sich aneignen, in dieser mancherleiartigen, verschiedenartigen Welt, eben das nur mögen sie dabei beharrlich pflegen, sich aneignen, behaupten: ›Dies nur ist Wahrheit, Unsinn anderes‹; darum haben nicht alle Asketen und Priester nur eine Lehre, nur eine Regel, nur eine Absicht, nur ein Ziel673

[377] »So sind denn, o Würdiger, nicht alle Asketen und Priester durchaus vollkommen, durchaus gesichert, durchaus geheiligt, durchaus am Ziel angelangt?«

»Nicht wohl, Götterkönig, sind alle Asketen und Priester durchaus vollkommen, durchaus gesichert, durchaus geheiligt, durchaus am Ziel angelangt674

»Warum aber, o Würdiger, sind nicht alle Asketen und Priester durchaus vollkommen, durchaus gesichert, durchaus geheiligt, durchaus am Ziel angelangt?«

»Die da, Götterkönig, als Mönche durch Tilgung des Durstes erlöst sind, die sind durchaus vollkommen, durchaus gesichert, durchaus geheiligt, durchaus am Ziel angelangt; darum sind nicht alle Asketen und Priester durchaus vollkommen, durchaus gesichert, durchaus geheiligt, durchaus am Ziel angelangt675

So hat der Erhabene die von Sakko dem Götterkönig gestellte Frage beantwortet. Zufrieden war Sakko der Götterkönig, über des Erhabenen Rede billig erfreut: »Ja so ist es, Erhabener, ja so ist es, Willkommener! Da ist mir kein Bedenken geblieben, jeder Zweifel geschwunden, nachdem ich vom Erhabenen die Antwort vernommen.« Wie da nun Sakko der Götterkönig über des Erhabenen Rede billig erfreut war, hat er dann zum Erhabenen also gesprochen:

»Regung, o Herr, ist Krankheit, Regung Siechtum, Regung Stachel: Regung reißt da den Menschen herum zu dieser und wieder zu dieser Rückkehr ins Dasein; so wird da der Mensch bald empor, bald herab getrieben676. – Die Fragen, o Herr, auf die mir außerhalb von hier bei anderen Asketen und Priestern eben kein Gehör gegeben wurde, die hat mir der Erhabene beantwortet, die mir lange angelegen waren: und den Stachel der Ungewißheit und des Zweifels, der mich plagte, den hat mir der Erhabene ausgezogen.«

»So erinnerst du dich, Götterkönig, daß du diese Fragen schon an andere Asketen und Priester gestellt hast677

»Ich erinnere mich, o Herr, daß ich diese Fragen schon an andere Asketen und Priester gestellt habe.«

»Auf welche Weise aber, Götterkönig, haben sie es dir erklärt? Wenn es dir nicht ungelegen ist, sage das.«

»Es ist mir, o Herr, nicht ungelegen, wenn der Erhabene zugegen ist, oder dem Erhabenen Ähnliche.«

»Wohlan denn, Götterkönig, so rede.«

»Was ich da, o Herr, unter Asketen und Priestern verstehe, das waren im Walde zurückgezogen lebende Einsiedler. Zu denen bin ich herangetreten und habe diese Fragen gestellt. Von mir befragt haben sie keinen Bescheid [378] gegeben, ohne Bescheid zu geben vielmehr an mich die Frage gerichtet: ›Wie heißt der Ehrwürdige?‹ Da hab' ich ihnen denn geantwortet: ›Ich bin, ihr Würdigen, Sakko der Götterkönig.‹ Nun haben die an mich eben eine weitere Frage gestellt: ›Was hat wohl der Ehrwürdige, Götterkönig, für eine Tat begangen, um an diesen Ort zu kommen?‹ Da hab' ich ihnen denn nach meinem Wissen und Vermögen die Lehre dargelegt. Und sie waren mit so wenig schon zufrieden: ›Sakko ja haben wir, den Götterkönig, gesehn: und was wir uns erfragt haben, das hat er uns offenbar gemacht!‹ Und ich glaube gar, sie sind meine Anhänger geworden, und nicht ich der ihre. Ich aber bin, o Herr, des Erhabenen Anhänger, bin Hörer der Botschaft, dem Verderben entronnen, eile zielbewußt der vollen Erwachung entgegen.«

»Erinnerst du dich wohl, Götterkönig, ehemals schon eine solche Befriedigung, eine solche Freude empfunden zu haben?«

»Ich erinnere mich, o Herr, ehemals schon eine solche Befriedigung, eine solche Freude empfunden zu haben.«

»Inwiefern aber, Götterkönig, erinnerst du dich, ehemals schon eine solche Befriedigung, eine solche Freude empfunden zu haben?«

»Es war einmal, o Herr, ein Kampf zwischen Göttern und Riesen zum Ausbruch gekommen. In diesem Kampfe nun, o Herr, siegten die Götter, die Riesen aber wurden geschlagen678. Als ich nun, o Herr, jenen Kampf siegreich bestanden, glücklich beendet hatte, sagte ich mir: ›Was da nunmehr himmlische Kraft ist und was Riesenkraft ist, beides werden von jetzt an die Götter genießen!‹ Da war denn679, o Herr, mein Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude mit Kriegsgedanken, mit Schlachtgedanken verquickt, hat nicht zur Abkehr, nicht zur Wendung, nicht zur Auflösung, nicht zur Aufhebung, nicht zur Durchschauung, nicht zur Erwachung, nicht zur Erlöschung getaugt. Was da nun aber bei mir, o Herr, nachdem ich vom Erhabenen die Lehre vernommen, Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude ist, das ist ohne Kriegsgedanken, ohne Schlachtgedanken, einzig zur Abkehr, zur Wendung, zur Auflösung, zur Aufhebung, zur Durchschauung, zur Erwachung, zur Erlöschung tauglich.«

»Wie hast du denn, Götterkönig, Anlaß gefunden um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden680

»Sechsmal, o Herr, hab' ich Anlaß gefunden um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden:


Solang' ich hier noch weilen kann,

Als Gott geboren wie ich bin,

Erlang' ich neue Lebensmacht:

Und also meld' ich's an, o Herr.


[379] Das ist, o Herr, der erste Anlaß, den ich gefunden, um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden.


Dem Reich des Himmels einst entlebt,

Entschwunden dieser Götterbahn,

Erscheinen werd' ich unverstört

In neuem Schoße, froh erstehn681.


Das ist, o Herr, der zweite Anlaß, den ich gefunden, um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden.


Wohl eingedenk der Fragen hier,

Der Antwort weil ich gern gelauscht,

Auf rechtem Pfade bleib' ich dann,

Mit klarem Geiste, klug bedacht.


Das ist, o Herr, der dritte Anlaß, den ich gefunden, um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden.


Auf rechtem Pfade so bewährt,

Kann selbst Erwachung auf mir gehn,

Vollkommen Wissen reif erblühn,

Und offenbar das Ende sein.


Das ist, o Herr, der vierte Anlaß, den ich gefunden, um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden.


Entschwunden aus der Menschenwelt,

Dem Menschenreiche fern entkehrt,

Auch wieder kann ich werden Gott,

Zuhöchst im Himmel kreisen um.


Das ist, o Herr, der fünfte Anlaß, den ich gefunden, um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden.


Bei jenen zarten Geistern dann,

Altvordergöttern, hoch gerühmt:

Im letzten Ringe kreisend auf,

Ist Einkehr auch dahin bereit.


Das ist, o Herr, der sechste Anlaß, den ich gefunden, um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden. – Das ist es, o Herr, was [380] ich sechsmal als Anlaß gefunden habe um ein solches Gefühl der Befriedigung, Gefühl der Freude anzukünden682. –


Mein Sinn war unstet, unbestimmt,

In Zweifeln hangend, bang bewegt:

Die lange Laufbahn zog ich hin,

Den Meister suchend für und für.


Von Büßern was ich einst gesehn,

An Orten einsam, abgewandt:

›Es sind Erwachte‹, meint' ich schon,

Mocht' um sie weilen, nahe sein683.


›Wie kann man Wohl erwerben hier,

Und wie verloren heißen Weh?‹

So fragt' ich; doch es war umsonst:

Sie wußten keinen Weg und Steg.


Und als sie mich erkannten dann,

›Es ist der Götterherr bei uns‹,

Da fragten sie mich selber gar:

›Um welche Tat erscheinst du hier?‹


So zeigt' ich ihnen treulich an

Das Rechte, wie das Volk es weiß;

Alsbald zufrieden sprachen sie:

›Wir sehn den Guten Geist vor uns!‹ –


Seitdem den wachen Herrn ich sah,

Der über allen Zweifel setzt,

Da weiß ich nichts von Zagen mehr,

Dem wachen Meister nahebei.


Des Durstes Stechen wer gestaut,

Der Meister ohne Gegenbild,

Der hohe Sieger sei gegrüßt,

Der von der Sonne her entstammt684.


Wie einst dem Brahmā wir, o Herr,

Gehuldigt mit der Götterschar,

So geb' ich heute dir den Preis,

Fürwahr, aus eigner Zuversicht685.


[381] Nur du bist völlig auferwacht,

Bist unser aller Meisterherr:

So weit die Welt mit Göttern reicht

Ist keiner deinesgleichen da.«


Alsbald hat nun Sakko der Götterkönig sich an den Fünfstrahligen jungen Himmelsboten gewandt:

»Einen großen Dienst hast du, mein Fünfstrahliger, mir erwiesen, der du den Erhabenen zuerst günstig gestimmt hast686. Von dir, mein Lieber, zuerst günstig gestimmt, ist Er, der Erhabene, dann von uns aufgesucht worden, der Heilige, vollkommen Erwachte. In dein väterliches Erbe setz' ich dich ein, König der Himmelsboten sollst du werden. Und Bhaddā die Sonnenhuldin geb' ich dir: die hast du ja gern.«

Darauf hat Sakko der Götterkönig, mit der Hand über die Erde streichend, dreimal tief aufatmend dies verlauten lassen:


»Verehrung dem Erhabenen,

Dem heilig auferwachten Herrn!


Verehrung dem Erhabenen,

Dem heilig auferwachten Herrn!


Verehrung dem Erhabenen,

Dem heilig auferwachten Herrn687


Während da nun diese Darlegung stattgefunden hatte, war Sakko dem Götterkönige das abgeklärte, abgespülte Auge der Wahrheit aufgegangen:


»Was irgend auch entstanden ist

Muß alles wieder untergehn688


So sind die Fragen, die Sakko der Götterkönig stellen zu dürfen gebeten hatte, vom Erhabenen beantwortet worden. Darum ist diese Darlegung eben »Sakkos Fragen« benannt.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 2, Zürich/Wien 31957, S. 364-382.
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