Neunte Rede

Der Tor und der Weise

[956] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« – »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Drei gibt es, ihr Mönche, beim Toren der Kennzeichen des Toren, der Merkmale des Toren, der Offenbarungen des Toren: und welche drei? Da mag, ihr Mönche, der Tor Übelgedachtes denken und Übelgesprochenes sprechen und übelgetane Tat begehn. Wär' es nicht, ihr Mönche, des Toren Art Übelgedachtes zu denken und Übelgesprochenes zu sprechen und übelgetane Tat zu begehn, welcher Weise könnte ihn wohl erkennen: ›Ein Tor ist es, ein schlechter Mensch‹? Weil nun aber, ihr Mönche, der Tor Übelgedachtes denkt und Übelgesprochenes spricht und übelgetane Tat begeht, darum erkennen ihn Weise: ›Ein Tor ist es, ein schlechter Mensch.‹

Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, wird in dreifachem Maße schon bei Lebzeiten Trauer und Trübsinn erfahren. Wenn sich, ihr Mönche, der Tor in Gesellschaft befindet oder auf der Straße befindet oder auf dem Markte befindet, so führen die Leute von ihm veranlaßte, auf ihn bezügliche Gespräche. Wenn, ihr Mönche, der Tor Lebendiges umbringt, Nichtgegebenes nimmt, Ausschweifung begeht, Lüge spricht, berauschende und berückende Getränke, betäubende und betörende Mittel gebraucht, so wird ihm da also, ihr Mönche, zumute: ›Haben die Leute davon Anlaß, darauf Beziehung im Gespräche genommen, so ist dergleichen bei mir anzutreffen: auch mich kann das angehn.‹ Das wird, ihr Mönche, der Tor zuerst schon bei Lebzeiten als Trauer und Trübsinn erfahren.

Weiter sodann, ihr Mönche, sieht der Tor wie Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und mancherlei Strafen verhängen, als wie Peitschen, Stock- oder Rutenhiebe; Handverstümmlung, Fußverstümmlung oder Verstümmlung der Hände und Füße; Ohrenverstümmlung, Nasenverstümmlung, Verstümmlung der Ohren und der Nase; den Breikessel, die Muschelrasur, das Drachenmaul; den Pechkranz, die Fackelhand; das Spießrutenlaufen, das Rindenliegen, den Marterbock; das Angelfleisch, den Münzengriff, die Laugenätze; den Schraubstock, das Bastgeflecht; die siedende [957] Ölbeträufelung, das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung. Da wird, ihr Mönche, dem Toren also zumute: ›Um welcher Übeltaten willen Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und so mancherlei Strafen verhängen, dergleichen ist ja bei mir anzutreffen: auch mich kann das angehn. Wenn Könige auch mich kennten, sie ließen auch mich ergreifen und so mancherlei Strafen verhängen.‹ Das aber wird, ihr Mönche, der Tor zuzweit schon bei Lebzeiten als Trauer und Trübsinn erfahren.

Weiter sodann, ihr Mönche: wenn der Tor auf einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, so sind es die bösen Taten, die er früher getan, schlechte Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese Zeit über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Gleichwie etwa, ihr Mönche, die Schatten der Gipfel hoher Gebirge um Sonnenuntergang über die Ebene kommen, über sie niedersinken, über sie herabziehn: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind es, wenn der Tor auf einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, die bösen Taten, die er früher getan, schlechte Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese Zeit über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Da wird, ihr Mönche, dem Toren also zumute: ›Nicht hab' ich doch günstig gewirkt, habe nicht heilsam gewirkt, habe keinerlei Scheu gekannt: Böses hab' ich getan, grausam bin ich gewesen, Frevel hab' ich verübt; wo da ungünstig wirken, unheilsam wirken, keinerlei Scheu kennen, Böses tun, grausam sein, Frevel verüben hingelangen läßt, dahin werd' ich nach dem Tode gelangen.‹ So wird er bekümmert, beklommen, er jammert, schlägt sich stöhnend die Brust, gerät in Verzweiflung. Das aber wird, ihr Mönche, der Tor zudritt schon bei Lebzeiten als Trauer und Trübsinn erfahren.

Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, der in Werken übel gewandelt, in Worten übel gewandelt, in Gedanken übel gewandelt ist, gelangt bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt. Mag nun einer, ihr Mönche, mit rechter Rede sagen ›Einzig unerwünscht, einzig unbegehrt, einzig unangenehm‹, mag er es eben von höllischer Welt mit rechter Rede sagen: ›Einzig unerwünscht, einzig unbegehrt, einzig unangenehm‹; da man es ja, ihr Mönche, auch im Gleichnisse nicht wohl dartun kann, wie tief die Leiden höllischer Welten reichen.«

Auf diese Worte wandte sich einer der Mönche an den Erhabenen und fragte:

»Kann man aber, o Herr, ein Gleichnis geben?«

»Man kann es, Mönch«, sprach der Erhabene. »Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn man einen Räuber, einen Verbrecher ergriffe und vor den Herrscher[958] brächte: ›Hier, o König, ist ein Räuber, ein Verbrecher: was du ihm bestimmst, diese Strafe gebiete!‹ Und der König verkündete ihm: ›Geht, ihr Leute, und gebt diesem Manne am Morgen hundert Klingenhiebe.‹ Und man gäbe ihm am Morgen hundert Klingenhiebe. Da fragte der König zu Mittag: ›Sagt doch, was macht jener Mann?‹ – ›Er ist noch, o König, am Leben.‹ Und der König verkündete ihm: ›Geht, ihr Leute, und gebt dem Manne zu Mittag hundert Klingenhiebe.‹ Und man gäbe ihm zu Mittag hundert Klingenhiebe. Da fragte der König am Abend: ›Sagt doch, was macht jener Mann?‹ – ›Er ist noch, o König, am Leben.‹ Und der König verkündete ihm: ›Geht, ihr Leute, und gebt dem Manne am Abend hundert Klingenhiebe.‹ Und man gäbe ihm am Abend hundert Klingenhiebe. Was meint ihr wohl, Mönche: würde da nicht dieser Mann, mit dreihundert Klingenhieben gezüchtigt, infolge davon Trauer und Trübsinn erfahren?«

»Auch nur, o Herr, mit einem Klingenhiebe gezüchtigt würde dieser Mann infolge davon Trauer und Trübsinn erfahren, geschweige denn mit dreihundert Klingenhieben.«

Da hob nun der Erhabene einen mäßigen, handgroßen Stein auf und wandte sich an die Mönche:

»Was meint ihr wohl, Mönche: was ist größer, dieser mäßige, handgroße Stein, den ich da habe, oder der Himālayo, der König der Berge?«

»Geringfügig ist, o Herr, dieser mäßige, handgroße Stein, den der Erhabene da hat: gegen den Himālayo, den König der Berge, kann er nicht gezählt, nicht gerechnet, nicht verglichen werden.«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, kann was ein Mensch, mit dreihundert Klingenhieben gezüchtigt, infolge davon an Trauer und Trübsinn erfährt gegen das Leiden höllischer Welt nicht gezählt, nicht gerechnet, nicht verglichen werden. Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter Fünffache Schmiede geheißene Strafe durchmachen. Einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die eine Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die andere Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den einen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den anderen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm mitten in die Brust. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter überfallen und mit Äxten zerspalten; Fuß oben, Kopf unten anpacken und mit Messern zerschlitzen. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter an einen Wagen schirren und treiben ihn über eine feurige, flammende, flackernde Fläche hinüber, [959] herüber. Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter einen hohen, glühenden, feurigen, flammenden, flackernden Felsen emporklimmen, herabklimmen. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter Fuß oben, Kopf unten anpacken und in einen siedenden, feurigen, flammenden, flackernden Schmelzofen werfen, wo er bis zu schaumigem Gischte aufgekocht wird und also bald emporsteigt und bald herabsinkt und bald querdurchtreibt. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist468.

Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter in die Erzhölle werfen. Die Erzhölle aber, ihr Mönche, hat vier Winkel und vier Tore, genau nach den Seiten verteilt, ist mit eisernem Walle umschlossen, mit Eisen überwölbt. Ihr Boden, aus Eisen bestanden, von glühender Röte durchdrungen, erstreckt sich rings umher dreihundert Meilen weit überall hin. Wollte ich gleich, ihr Mönche, auf mancherlei Weise höllische Dinge euch deuten, so könnte man es doch, ihr Mönche, nicht wohl durch Worte erfassen, wie tief die Leiden höllischer Welten reichen. –

Es gibt, ihr Mönche, tiergewordene Wesen, die Gras fressen; sie befeuchten das Gras mit Speichel und zerkauen es zwischen den Zähnen. Was sind das aber, ihr Mönche, für tiergewordene Wesen, die Gras fressen? Rosse, Rinder, Esel, Ziegen, Antilopen, und was es sonst noch irgend an tiergewordenen Wesen gibt, die Gras fressen. Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Taten getan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die als Grasfresser leben.

Es gibt, ihr Mönche, tiergewordene Wesen, die Mist fressen; haben die von weitem schon Mistgeruch gewittert, so eilen sie herbei: ›Daran wollen wir uns laben, daran wollen wir uns laben.‹ Gleichwie etwa, ihr Mönche, Priester beim Opfergeruche herbeieilen: ›Daran wollen wir uns laben, daran wollen wir uns laben‹: ebenso nun auch, ihr Mönche, gibt es tiergewordene Wesen, die Mist fressen; haben die von weitem schon Mistgeruch gewittert, so eilen sie herbei: ›Daran wollen wir uns laben, daran wollen wir uns laben.‹ Was sind das aber, ihr Mönche, für tiergewordene Wesen, die Mist fressen? Hühner, Schweine, Hunde, Schakale, und was es sonst noch irgend an tiergewordenen Wesen gibt, die Mist fressen. Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Taten getan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die als Mistfresser leben469.

[960] Es gibt, ihr Mönche, tiergewordene Wesen, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln ersterben. Was sind das aber, ihr Mönche, für tiergewordene Wesen, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln ersterben? Käfer, Motten, Asseln, und was es sonst noch irgend an tiergewordenen Wesen gibt, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln ersterben. Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Taten getan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die im Dunkeln entstehn, im Dunkeln vergehn, im Dunkeln ersterben470.

Es gibt, ihr Mönche, tiergewordene Wesen, die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben. Was sind das aber, ihr Mönche, für tiergewordene Wesen, die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben? Fische, Schildkröten, Krokodile, und was es sonst noch irgend an tiergewordenen Wesen gibt, die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben. Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Taten getan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die im Wasser entstehn, im Wasser vergehn, im Wasser ersterben.

Es gibt, ihr Mönche, tiergewordene Wesen, die in Unrat entstehn, in Unrat vergehn, in Unrat ersterben. Was sind das aber, ihr Mönche, für tiergewordene Wesen, die in Unrat entstehn, in Unrat vergehn, in Unrat ersterben? Es sind, ihr Mönche, Wesen, die da in faulendem Fische entstehn, in faulendem Fische vergehn, in faulendem Fische ersterben, oder in faulendem Fleische, oder in faulender Speise, oder in Pfuhl oder Pfütze entstehn, in Pfuhl oder Pfütze vergehn, in Pfuhl oder Pfütze ersterben, und was es sonst noch irgend an tiergewordenen Wesen gibt, die in Unrat entstehn, in Unrat vergehn, in Unrat ersterben. Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, der da früher geschmäckig war, der da böse Taten getan, wird bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, zur Gemeinschaft mit jenen Wesen wiederkehren, die in Unrat entstehn, in Unrat vergehn, in Unrat ersterben471. Wollte ich gleich, ihr Mönche, auf mancherlei Weise Dinge der Tierheit euch deuten, so könnte man es doch, ihr Mönche, nicht wohl durch Worte erfassen, wie tief die Leiden der Tierheit reichen.

Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann eine einkehlige Reuse in den Ozean würfe; die würde da vom östlichen Winde nach Westen getrieben, vom westlichen Winde nach Osten getrieben, vom nördlichen Winde nach Süden getrieben, vom südlichen Winde nach Norden getrieben; und es wäre da eine einäugige Schildkröte, die alle hundert Jahre einmal emportauchte; was meint ihr nun, Mönche: sollte da etwa die einäugige Schildkröte mit ihrem Halse in jene einkehlige Reuse hineingeraten?«

[961] »Wohl kaum, o Herr; oder doch nur, o Herr, irgendeinmal vielleicht, im Verlaufe langer Zeiten.«

»Eher noch mag, ihr Mönche, die einäugige Schildkröte mit ihrem Halse in jene einkehlige Reuse hineingeraten: aber schwieriger, sag' ich, ihr Mönche, ist Menschentum erreichbar, sobald der Tor einmal in die Tiefe hinabgesunken. Und warum das? Weil es dort, ihr Mönche, keinen gerechten Wandel, geraden Wandel, kein heilsames Wirken, hilfreiches Wirken gibt: einer den anderen auffressen ist dort, ihr Mönche, der Brauch, den Schwachen ermorden472.

Ein solcher Tor nun, ihr Mönche, wenn der irgendeinmal vielleicht, im Verlaufe langer Zeiten, Menschentum erwirbt, so ist es ein niederer Stand, wie der von Treibern oder von Jägern, von Korbflechtern oder von Radmachern oder von Gärtnern: in einem solchen Stande wird er neugeboren, in einem bedürftigen, an Speise und Trank darbenden, der sich kümmerlich fortbringt, wo man kümmerlich Kost und Gewand erhält. Und er ist häßlich, unschön, unansehnlich, mit Gebrechen behaftet, ist einäugig oder lahm, er hinkt oder ist halb vom Schlage gerührt, es mangelt ihm an Speise und Trank und Kleidung, an Wagen und Schmuck und duftenden Salben, an Lager und Obdach und Licht. Und er wandelt übel in Werken, wandelt übel in Worten, wandelt übel in Gedanken; und ist er in Werken übel gewandelt, in Worten übel gewandelt, in Gedanken übel gewandelt, so gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, wieder in höllische Welt.

Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Würfelspieler eben auf den ersten Mißwurf um sein Kind spielen, um sein Weib spielen, um sein ganzes Hab und Gut spielen und endlich sich selber in Knechtschaft dahingeben mag; geringfügig ist da, ihr Mönche, der Mißwurf, wann der Würfelspieler eben auf den ersten Mißwurf um sein Kind spielen, um sein Weib spielen, um sein ganzes Hab und Gut spielen und endlich sich selber in Knechtschaft dahingeben mag: sondern es ist eben das ein gewichtigerer Mißwurf als jener, wann der Tor in Werken übel gewandelt, in Worten übel gewandelt, in Gedanken übel gewandelt ist und bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt wiederkehrt.

Das ist, ihr Mönche, der vollkommen ausgefüllte Rang des Toren473.


Drei gibt es, ihr Mönche, beim Weisen der Kennzeichen des Weisen, der Merkmale des Weisen, der Offenbarungen des Weisen: und welche drei? Da mag, ihr Mönche, der Weise Wohlgedachtes denken und Wohlgesprochenes sprechen und wohlgetane Tat begehn. Wär' es nicht, ihr Mönche, des Weisen [962] Art Wohlgedachtes zu denken und Wohlgesprochenes zu sprechen und wohlgetane Tat zu begehn, welcher Weise könnte ihn wohl erkennen: ›Ein Weiser ist es, ein guter Mensch‹? Weil nun aber, ihr Mönche, der Weise Wohlgedachtes denkt und Wohlgesprochenes spricht und wohlgetane Tat begeht, darum erkennen ihn Weise: ›Ein Weiser ist es, ein guter Mensch.‹

Ein solcher Weise nun, ihr Mönche, wird in dreifachem Maße schon bei Lebzeiten Freude und Frohsinn erfahren. Wenn sich, ihr Mönche, der Weise in Gesellschaft befindet oder auf der Straße befindet oder auf dem Markte befindet, so führen die Leute von ihm veranlaßte, auf ihn bezügliche Gespräche. Wenn, ihr Mönche, der Weise von Totschlag absteht, von Diebstahl sich zurückhält, keine Ausschweifung begeht, keine Lüge spricht, berauschende und berückende Getränke, betäubende und betörende Mittel meidet, so wird ihm da also, ihr Mönche, zumute: ›Haben die Leute davon Anlaß, darauf Beziehung im Gespräche genommen, so ist dergleichen bei mir anzutreffen: auch mich kann das angehn.‹ Das wird, ihr Mönche, der Weise zuerst schon bei Lebzeiten als Freude und Frohsinn erfahren474.

Weiter sodann, ihr Mönche, sieht der Weise wie Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und mancherlei Strafen verhängen, als wie Peitschen-, Stock- oder Rutenhiebe; Handverstümmlung, Fußverstümmlung oder Verstümmlung der Hände und Füße; Ohrenverstümmlung, Nasenverstümmlung, Verstümmlung der Ohren und der Nase; den Breikessel, die Muschelrasur, das Drachenmaul; den Pechkranz, die Fackelhand; das Spießrutenlaufen, das Rindenliegen, den Marterbock; das Angelfleisch, den Münzengriff, die Laugenätze; den Schraubstock, das Bastgeflecht; die siedende Ölbeträufelung, das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung. Da wird, ihr Mönche, dem Weisen also zumute: ›Um welcher Übeltaten willen Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und so mancherlei Strafen verhängen, dergleichen ist ja bei mir nicht anzutreffen: und mich kann das nicht angehn.‹ Das aber wird, ihr Mönche, der Weise zuzweit schon bei Lebzeiten als Freude und Frohsinn erfahren.

Weiter sodann, ihr Mönche: wenn der Weise auf einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, so sind es die günstigen Taten, die er früher getan, gute Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese Zeit über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Gleichwie etwa, ihr Mönche, die Schatten der Gipfel hoher Gebirge um Sonnenuntergang über die Ebene kommen, über sie niedersinken, über sie herabziehn: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind es, wenn der Weise auf einem Stuhle Platz genommen oder auf ein Lager sich hingelegt hat oder auf der Erde ausruht, die günstigen Taten, die er früher getan, gute Handlungen in Werken, in Worten, in Gedanken, die um diese [963] Zeit über ihn kommen, über ihn niedersinken, über ihn herabziehn. Da wird, ihr Mönche, dem Weisen also zumute: ›Nicht hab' ich doch Böses getan, bin nicht grausam gewesen, habe keinen Frevel verübt: günstig hab' ich gewirkt, heilsam hab' ich gewirkt, habe Scheu gekannt; wo da nicht Böses tun, nicht grausam sein, keinen Frevel verüben, günstig wirken, heilsam wirken, Scheu kennen hingelangen läßt, dahin werd' ich nach dem Tode gelangen.‹ So wird er nicht bekümmert, nicht beklommen, er jammert nicht, schlägt sich nicht stöhnend die Brust, gerät nicht in Verzweiflung. Das aber wird, ihr Mönche, der Weise zudritt schon bei Lebzeiten als Freude und Frohsinn erfahren.

Ein solcher Weise nun, ihr Mönche, der in Werken wohl gewandelt, in Worten wohl gewandelt, in Gedanken wohl gewandelt ist, gelangt bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt. Mag nun einer, ihr Mönche, mit rechter Rede sagen ›Einzig erwünscht, einzig begehrt, einzig angenehm‹, mag er es eben von himmlischer Welt mit rechter Rede sagen: ›Einzig erwünscht, einzig begehrt, einzig angenehm‹; da man es ja, ihr Mönche, auch im Gleichnisse nicht wohl dartun kann, wie hoch die Freuden himmlischer Welten reichen.«

Auf diese Worte wandte sich einer der Mönche an den Erhabenen und fragte:

»Kann man aber, o Herr, ein Gleichnis geben?«

»Man kann es, Mönch«, sprach der Erhabene. »Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein König Kaiser geworden ist, mit den sieben Juwelen begabt und den vier Vermögen: da wird er infolge davon Freude und Frohsinn erfahren. Das aber sind seine sieben Juwelen, und zwar475: das beste Land, der beste Elefant, das beste Roß, die beste Perle, das beste Weib, der beste Bürger, und siebentens der beste Staatsmann. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist mit diesen sieben Juwelen begabt. Was aber sind die vier Vermögen? Da ist, ihr Mönche, der König als Kaiser schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, weit mehr als andere Menschen. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zuerst mit diesem Vermögen begabt476. Weiter sodann, ihr Mönche: ein König als Kaiser hat lange Lebensdauer, langen Bestand, weit mehr als an dere Menschen. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zuzweit mit diesem Vermögen begabt. Weiter sodann, ihr Mönche: ein König als Kaiser ist gesund und munter, seine Kräfte sind gleichmäßig gemischt, weder zu kühl noch zu heiß, weit besser als bei anderen Menschen. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zudritt mit diesem Vermögen begabt477. Weiter sodann, ihr Mönche: ein König als Kaiser ist Priestern und Hausvätern lieb und wert. Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein Vater den Kindern lieb ist und wert, ebenso nun auch, ihr Mönche, ist ein König als Kaiser Priestern und Hausvätern lieb und wert. Und einem Könige, ihr Mönche, als Kaiser sind Priester und Hausväter [964] lieb und wert. Gleichwie etwa, ihr Mönche, einem Vater die Kinder lieb sind und wert, ebenso nun auch, ihr Mönche, sind einem Könige als Kaiser Priester und Hausväter lieb und wert. Vormals, ihr Mönche, geschah es, da ein König als Kaiser, gefolgt von dem viermächtigen Heerbanne478, zur Frühjahrsfeier hinauszog, daß ihm Priester und Hausväter entgegengingen und also sprachen: ›Verweile, Gebieter, auf deinem Zuge, auf daß wir länger deinen Anblick erschauen.‹ Und auch ein König, ihr Mönche, als Kaiser mahnte den Wagenlenker: ›Ohne Eile, Wagenlenker, lasse weiter uns fahren, auf daß ich länger den Anblick der Priester und Hausväter vor mir habe.‹ Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist zu viert mit diesem Vermögen begabt. Ein König, ihr Mönche, als Kaiser ist mit diesen vier Vermögen begabt. Was meint ihr nun, Mönche: könnte da nicht ein König als Kaiser, mit den sieben Juwelen begabt und den vier Vermögen, daran Freude und Frohsinn erfahren?«

»Auch nur, o Herr, mit einem einzigen der Juwelen begabt könnte ein König als Kaiser daran Freude und Frohsinn erfahren, geschweige denn mit den sieben Juwelen, mit den vier Vermögen.«

Da hob nun der Erhabene einen mäßigen, handgroßen Stein auf und wandte sich an die Mönche:

»Was meint ihr wohl, Mönche: was ist größer, dieser mäßige, handgroße Stein, den ich da habe, oder der Himālayo, der König der Berge?«

»Geringfügig ist, o Herr, dieser mäßige, handgroße Stein, den der Erhabene da hat: gegen den Himālayo, den König der Berge, kann er nicht gezählt, nicht gerechnet, nicht verglichen werden.«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, kann was ein solcher König als Kaiser, mit den sieben Juwelen begabt und den vier Vermögen, dabei an Freude und Frohsinn erfährt gegen himmlische Freude nicht gezählt, nicht gerechnet, nicht verglichen werden479.

Ein solcher Weise nun, ihr Mönche, wenn der irgendeinmal vielleicht, im Verlaufe langer Zeiten, Menschentum erwirbt, so ist es ein hoher Stand, wie der von mächtigen Fürsten oder von mächtigen Priestern oder von mächtigen Bürgern: in einem solchen Stande wird er neugeboren, in einem wohlhabenden, mächtig bemittelten, mächtig begüterten, der reichlich mit Gold und Silber, reichlich mit Besitz und Hausrat, reichlich mit Geld und Gut versehn ist. Und er ist schön, hold, liebenswürdig, mit höchster Anmut begabt, entbehrt nicht Speise und Trank und Kleidung, Wagen und Schmuck und duftende Salben, Lager und Obdach und Licht. Und er wandelt wohl in Werken, wandelt wohl in Worten, wandelt wohl in Gedanken; und ist er in Werken wohl gewandelt, in Worten wohl gewandelt, in Gedanken wohl gewandelt, so gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, wieder in himmlische Welt.

[965] Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Würfelspieler eben auf den ersten Hauptwurf mächtigen Reichtum gewinnen mag; geringfügig ist da, ihr Mönche, der Hauptwurf, wann der Würfelspieler eben auf den ersten Hauptwurf mächtigen Reichtum gewinnen mag: sondern es ist eben das ein gewichtigerer Hauptwurf als jener, wann der Weise in Werken wohl gewandelt, in Worten wohl gewandelt, in Gedanken wohl gewandelt ist und bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in himmlische Welt wiederkehrt.

Das ist, ihr Mönche, der vollkommen ausgefüllte Rang des Weisen.«


Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen480.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 1, Zürich/Wien 41956, S. 956-966.
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