Vierzehntes Bruchstück

Dhammiko

[89] Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Da nun begab sich Dhammiko, ein Anhänger, mit einer Schar von fünfhundert Anhängern dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt bot er dem Erhabenen ehrerbietigen Gruß dar und nahm seitwärts Platz. Als er seitwärts Platz genommen sprach nun Dhammiko der Anhänger den Erhabenen mit einem Sange an1:


376

Ich frage dich, o Gotamo, den Kenner,

Durch welch Beginnen wird der Jünger selig:

Ob unbehaust entfliehn er soll dem Hause,

Anhänger ob er sei und hausbeflissen?


377

Du, wahrlich, hast der Welt und ihrer Götter

So Lauf als Ziel erkannt und letzte Zuflucht,

Kein Gleicher lebt dir, der so klar den Sinn sieht,

Als Auferwachten ehrt man dich vor allen.


378

All deine Kenntnis, wohlerprobte Satzung,

Verkündest du den Wesen aus Erbarmen;

Den Schleier hast, Allauge du, gehoben,

Bestrahlest unbestritten jede Stätte.


379

Einst war der Elefanten Fürst genaht dir,

Erāvaṇo, den Sieger mocht' er schauen:

Auch er sogar, er ward von dir begütigt

Und lauschte gern dem Worte, schien beseligt.


[90] 380

Und dann Vessavaṇo, der Schätze Hüter,

Er kam zu dir, die Satzung auszuhorchen;

Gegeben hast, befragt du, Weiser, Antwort:

Da schien auch er zu lauschen dir beseligt.


381

Wo irgend hier zu sprechen weiß ein Pilger,

Ob Nackter Büßer nun, ob Freier Bruder,

In weisem Wissen überholt dich keiner,

Wie Gaul, der stehn blieb, nie dem Renner nah'kommt.


382

Wo irgend hier zu sprechen weiß ein Priester,

So hochbejahrt auch immer er nur sein mag,

Ein jeder wird von deinem Wort ergriffen,

Und wer da noch so wohl zu reden sich berühmt.


383

Denn sinnig ist und köstlich unsre Satzung,

Die wohl von dir, o Herr, verkündet worden:

Und dieser möchten alle wir nun lauschen,

Die laß' vernehmen uns, o höchster Meister!


384

Sind alle Mönche ja doch hier gesessen jetzt,

Anhänger sieh' auch rings um dich schon horchen,

Zu hören Satzung, die der Reine recht erfand,

Wie Götter wann der Götterkönig wahrsagt.


Der Herr:


385

So hört auf mich, ihr Mönche, weisen will ich euch

Die schlichte Satzung, diese merk' ein jeder nun:

Die Lebensart, wie taugen sie Asketen kann,

Erlernen mag der Zielbedachte sinnig.


[91] 386

Zu keiner Unzeit wandern soll der Mönch dahin,

Im Dorfe Brocken sammeln nur beizeiten;

Unzeitig wer da zieht, er geht in Garn ein:

Zur Unzeit also wandern nicht Erwachte.


387

Gestalten, Töne, Säfte dann und Düfte,

Die Körper auch, sie reißen an den Wesen:

Von diesen Dingen lenkt er weg den Willen;

Vor Mittag wird er nehmen ein die Atzung.


388

Den Bissen billig wann der Mönch erhalten hat,

Allein zurückgezogen sitz' er einsam,

Auf sich den Geist gerichtet, nicht nach außen,

Dann einzugehn, bei sich geborgen selber.


389

Doch wann Gespräch er führt mit einem Jünger,

Mit wem auch immer, irgend einem Mönche,

Erlesne Satzung, diese wird er wählen gern,

Verlauten lassen weder Schimpf noch Scheltwort.


390

Gar mancher liebt es abzuweisen Worte,

Kein Lob verdient er, klein ist solche Klugheit:

Alsbald an Haken hangen bleibt er also,

Das Herz ja läßt er schweifen um nach Willkür.


391

Almosenbissen, Aufenthalt und Obdach

Und Wasser um den Kuttenfeim zu waschen ab:

Wer Kunde vom Willkommnen dargelegt erlauscht,

Beschieden sei des Meisterweisen Jünger so.


392

Beim Bissen denn und Aufenthalt und Obdach,

Beim Wasser um den Kuttenfeim zu waschen ab:

Bei diesen Dingen wird er nicht benetzt mehr,

Der Mönch, wie Lotusblüte nicht von Tropfen.


[92] 393

Des Hausners Regel will ich nun euch künden an,

Wobei der Jünger Wohlsein mag erwerben:

Wenn gleich er nimmer doch in solchen Schranken hier

Erringen kann was ganz erreichen Mönche.


394

Kein Wesen töten, keins zu Tode bringen,

Und nicht, wenn andre töten, gut es heißen,

Sich aller, die lebendig sind, erbarmen,

Als Tier, als Pflanze was sie auch geworden.


395

Dann soll man Ungegebnes nicht sich nehmen,

Nicht irgend je, als Jünger, der erweckt ist,

Noch nehmen anbefehlen, gut es heißen:

Was nicht gegeben sei gemieden weislich.


396

Unkeuschen Wandel soll man nicht erwählen mehr,

Wie flacker Kohlenglut entfliehn gewitzigt;

Doch wer da keuschen Wandel nicht bewahren mag,

Versuchen wird er nicht des Nächsten Weib.


397

Mit andern im Vereine, bei Gesellschaft,

Allein mit einem, lügen soll man niemals,

Noch lügen anbefehlen, gut es heißen:

Was nicht erwiesen sei gemieden weislich.


398

Berauschend was erregt, er wird es lassen,

Der Hausner, der sich dieser Lehre zukehrt,

Noch raten zu Berauschung, gut es heißen,

›Berückend ist es‹, also denkt er richtig.


399

Im Rausche ja begehn die Toren Frevel

Und heißen andre noch so handeln sorglos;

Der Stätte wo Besinnung fehlt entgeh' er fern:

Berücken läßt und blenden Torenlabsal.


[93] 400

Kein Wesen töten, Ungegebnes nehmen nicht,

Nicht Lüge reden, trinken keinen Rauschestrank,

Gemeinschaft wird er meiden, wenn sie unkeusch ist,

Und wird kein Mahl zur Unzeit nehmen ein bei Nacht;


401

Ihn kränzen keine Blumen und ihm taugt kein Duft,

Sein Lager ist die Matte auf der Bodenflur:

Das eben gilt nun achtfach als der Feiertag,

Vom Auferwachten leidentgangen offenbart.


402

Da mag er feiern alle Woche Feiertag,

Beim neuen Monde, vollen Monde, Viertelmond:

Und wann die Lehre wird erläutert, frohgemut,

Achtfach gefestigt, als ein Wohlerprobter sein.


403

Am Morgen dann, nach so vollbrachtem Feiertag,

An Speis' und Trank er sorge für der Mönche Schar,

Erheitert im Gemüte, mitbeseligt,

Zu spenden Gabe nach Vermögen, witzig.


404

Gerecht erhalten wird er seine Eltern,

Betreiben wird er ehrlich sein Gewerbe;

Der Hausner, also handelnd unverdrossen,

Zu ›Eigenhell‹ geheißnen Göttern geht er ein.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 89-94.
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