Das Siebener-Bruchstück

Sundarasamuddo

[371] 459

Gar schön bekleidet, schön beputzt,

Bekränzt mit Blumen, reich geschmückt,

Die Füße rosig aufgefärbt,

Pantoffelklappernd kam sie her,


460

Die Dirne, warf die Sockeln ab

Und kniet' im Staube vor mich hin,

Und sanft und süß entbot sie Gruß,

Und zu mir lächelnd sprach sie dann:


461

»So jung hast du der Welt entsagt,

O weile, komm' in meinen Dienst!

Genieße froh des Lebens Lust,

Ich lass' dir freudig Geld und Gut.


462

Die Wahrheit will ich weisen recht,

Ein Licht dir zünden leuchtend an:

Wenn einst das Alter beide beugt,

Als Stütze nur den Stab uns läßt,

Dann wollen beide pilgern wir,

Das Spiel gewinnen doppelt so!«


463

Da sah ich sie, die flehend bat,

Die Buhlerin zu Füßen mir,

Gar schön bekleidet, schön beputzt,

Wie schlau der Tod die Schlinge legt,


[372] 464

Und gründlich ward ich aufgemischt,

Ergriffen innig im Gemüt:

Das Elend sah ich offenbar,

Den Unrat ragen rings umher.


465

Und alle Fesseln fielen ab –

O sieh' wie stark die Lehre wirkt –

Das Wissen ging mir dreifach auf,

Das Meisterwort, es war erfüllt.


Bhaddiyo der Zwerg

466

Wo drüben wilder Mango blüht,

Am Waldesraine ruht ein Mönch:

Entwurzelt hat er allen Wahn,

Übt selig Schauung, selbstvertieft.


467

Man lobt der Trommel Trommelschlag,

Den Sang der Laute, Paukenklang:

Im Schatten sitzend baumbeschirmt,

Da lob' ich mir das Meisterwort.


468

Der Meister schenke Bestes mir

Und wahren will ich sein Geschenk:

O daß ich immer, überall

Gedenke was der Körper gilt!


469

Wer forschend meine Form ermißt,

Die Stimme prüfend hat erprobt:

In Wunschesbann, in Willensbann

Erfährt er nimmer was ich bin.


[373] 470

Nach innen kann er nichts verstehn,

Nach außen kann er sehen nichts:

Der Tor, verschleiert ganz und gar,

Der wird von Stimmen jäh bestimmt.


471

Nach innen kann er nichts verstehn,

Nach außen sieht er weit umher,

Nach Außenlohn verlockt es ihn:

Auch Den bestimmen Stimmen bald.


472

Nach innen kennt er selber sich,

Nach außen sieht er weit umher:

Der Seher, der entschleiert geht,

Der wird von Stimmen nicht bestimmt.


Bhaddo

473

Ein einzig Kind, der einz'ge Sohn,

Der Eltern Liebling war ich einst,

Gar mannigfach gepflegt, gewiß,

Gewiß gar mannigfach gehegt.


474

Und mitleidvoll für mich bedacht

Mein Glück und Wohl ersehnend heiß,

Zog aus mit mir das Elternpaar

Und führte mich zum Meister hin.


475

»Nicht leicht gelingt ein solcher Sohn,

Erzogen zart, erzogen sanft:

Den geben wir in deine Huld,

Dem Sieger soll er dienen, Herr!«


[374] 476

Und wirklich nahm der Herr mich auf,

Ānando'n winkend sprach er so:

»Belehn' ihn mit der Kutte denn,

Er wird ein Auserwählter sein.«


477

Und als ich war belehnt von Ihm,

Da ließ der Sieger mich allein –

Und vor dem letzten Abendstrahl

War jede Fessel abgestreift.


478

Da kam der Meister rüstig an,

Im Dämmer, nach der Tagesruh':

»Willkommen, Bhaddo!«, sprach der Herr,

Gab also mir den Weihegruß.


479

Im achten Jahre stand ich erst

Als ich den Weihegruß empfing,

Drei Wissenschaften wohl erschuf:

O Wunder, was die Wahrheit wirkt!


Sopāko (II)

480

Im Schatten sah ich der Bastei

Den Höchsten wandeln auf und ab,

An seine Seite trat ich hin,

Begrüßte froh den größten Mann.


481

Den Mantel streift' ich rechts zurück,

Die Hände streckt' ich faltend aus,

Dem Reinen folgt' ich Schritt um Schritt,

Dem höchsten Wesen aller Welt.


[375] 482

Da stellt' er manche Frage mir,

Der Kenner, der die Fragen kennt:

Und unverschüchtert, ohne Scheu,

Erklärt' ich was der Meister frug.


483

Beschieden hatt' ich frisch und frei,

Befriedigt schien der höchste Held;

Betrachtend seiner Jünger Schar

Hob also er zu reden an:


484

»Bengālen Heil, Heil Magadhā,

Wo dieser wandelt, dieser lebt,

Und Kleidung, Speise, Lagerstatt,

Die Notdurft findet, die er braucht,

Geachtet wird und wohl geehrt:

Gesegnet sind sie!«, sprach der Herr.


485

»Schon heute bist du, holder Sohn,

Hierher gekommen, mich zu sehn:

Empfang' ihn denn auch alsogleich,

Sopāko, meinen Weihegruß!«


486

War sieben Jahre von Geburt;

Geweiht in diesen Orden ein

Verleb' ich nun den letzten Leib:

O Wunder, was die Wahrheit wirkt!


Sarabhaṉgo

487

Mit diesen Händen brach ich Rohr,

Und Hütten deckt' ich dann um Brot:

Als ›Röder‹ war ich wohl gekannt,

Das Röhricht rodend in der Au.


[376] 488

Das ständ' mir heute übel an,

Daß Rohr ich bräche wie zuvor:

Den Tugendpfad hat Gotamo,

Der hehre Meister, offenbart!


489

Den ganzen Kanker, ausgereift,

Der Röder hat ihn nicht gesehn:

Er sieht ihn heute, da der Herr,

Der Übergott ihm Zeichen zeigt.


490

Den selben Weg, den einst gewandelt Vipassī,

Den selben Weg, den Sikhi kam und Vessabhū,

Kakusandho, Koṇāgamano, Kassapo:

Die selbe Bahn ist hingegangen Gotamo.


491

Von Wahn entwöhnt, von Hang geheilt,

Die sieben Meister, wach, entlebt,

Die rechte Satzung wiesen sie,

Die recht gewesen selber hier,


492

Die Wahrheit, heilig, viergeteilt,

Aus Mitgefühl für alle Welt:

Das Leiden, den Beginn, den Weg,

Den Untergang – der Leiden Ziel!


493

Wo Leiden ohne Ende blüht

Inmitten wirrer Wandelwelt:

So dieser Leib in Staub zerstiebt,

So dieses Leben lischt hinweg,

Dann gibt es nimmer Wiedersein,

Entwesen bin ich überall.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 371-377.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Selberlebensbeschreibung

Selberlebensbeschreibung

Schon der Titel, der auch damals kein geläufiges Synonym für »Autobiografie« war, zeigt den skurril humorvollen Stil des Autors Jean Paul, der in den letzten Jahren vor seiner Erblindung seine Jugenderinnerungen aufgeschrieben und in drei »Vorlesungen« angeordnet hat. »Ich bin ein Ich« stellt er dabei selbstbewußt fest.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon