2. Das Bewusstsein in der Pflanze

[82] Das bisherige Resultat war wohl vorauszusehen, und bedurfte keines besonderen Scharfsinnes; schwieriger aber ist die Frage, ob denn in der Pflanze auch ein Bewusstsein wohne.

So alt wie die Naturwissenschaft ist der Streit über die pflanzliche oder thierische Beschaffenheit gewisser Geschöpfe, und er ist heute noch so wenig zu entscheiden, wie zu Aristoteles' Zeiten, weil er als Alternative überhaupt nicht zu entscheiden ist. Pflanze und Thier haben als organische Wesen gewisse Eigenschaften gemeinschaftlich; durch andere Eigenschaften werden sie gemäss ihrer verschiedenen Bestimmung im Haushalt der Natur unterschieden. Wenn nun aber die ganzen Lebenserscheinungen sich auf so einfache Gestalt reduciren, dass jene unterscheidenden Eigenschaften mehr oder weniger verschwinden, und wesentlich nur die beiden Reichen gemeinschaftlichen übrig bleiben, so müssen eben auch die Unterschiede zwischen Thier und Pflanze verschwinden, und es ist thöricht, einen Streit aufrecht zu erhalten, der seiner Natur nach ohne Resultat bleiben muss. Die mikroskopische Beobachtung ist so weit dass wenn es sichere Kriterien für pflanzliche oder thierische Beschaffenheit gäbe, sie sicher dem Forscher nicht entgehen könnten, und der Streit längst geschlossen wäre; dass es aber in der That keine von den streitenden Partheien gemeinschaftlich anerkannten Kriterien giebt, beweist eben, dass man sich gar nicht klar ist, worüber man sich streitet. Würde man die Thatsachen unbefangen aufnehmen, so würde daraus eben nur das hervorgehen, dass man das Gebiet[82] der beiden Reichen gemeinschaftlichen Eigenschaften bisher zu eng gezogen hat, dass der Unterschiede zwischen Thier und Pflanze viel weniger sind, als man bisher geglaubt hat, und dass diese unterschiede nur in ihren gesteigerten Formen so eclatant werden, dass Niemand sie verkennen kann. In neuester Zeit hat diese Auffassung auch in naturwissenschaftlichen Kreisen mehr und mehr Boden gewonnen, und erscheint als die strengste Durchführung derselben der Versuch Häckel's als drittes Reich vor Pflanzen- und Thierreich ein Protistenreich zu stellen, wenn er vielleicht auch dessen Grenzen zu weit bemessen haben mag, und sein Kriterien der ungeschlechtlichen Fortpflanzung sich als unhaltbar erweisen dürfte, schon deshalb, weil die Gemeinsamkeit der geschlechtlichen Zeugung bei Thier und Pflanze auf einen gemeinsamen Ursprung, d.h. auf Vorhandensein derselben schon im Protistenreich hindeutet. Es dürfte überhaupt der Versuch, für die ihrer Natur nach flüssigen Grenzen zwischen Protistenreich einerseits und Thier- und Pflanzenreich andrerseits feste Bestimmungen zu geben, ebenso vergeblich sein, wie die früheren Bestrebungen in Bezug auf die beiden letzteren.

Diese Anschauungsweise ist auch die einzige, welche von der Geologie gebilligt werden kann. Während jetzt die Schöpfung der Erde durch das Gleichgewicht der Productionen des Thier- und Pflanzenreiches besteht, konnte offenbar der erste Grundstein zur organischen Natur nur mit solchen Wesen gelegt werden, welche dieses Gleichgewicht in sich enthielten, und somit noch auf dem Indifferenzpunct zwischen Thier und Pflanze standen. Eines der wichtigsten dieser wunderbaren Wesen, welchem die Geschichte der Erde die gesammte Kreideformation zu verdanken scheint, ist durch die neueren Tiefseeforschungen an's Licht gezogen, und Bathybius genannt worden. Auf welche Weise dieses den Meeresgrund erfüllende und Häufchen von mikroskopischen kreidigen Schalen (Coccolithen) in sich absondernde schleimige Gallertnetz mit eingestreuten Protoplasmakörnern bei dem Mangel jeglichen Lichtstrahls sich ernährt und gedeiht, ist bis jetzt ein Räthsel. Erst von einem solchen unscheinbaren Anfang aus konnte im Fortschreiten die Entwickelung nach den verschiedenen Seiten beginnen, indem Meer-Thiere entstanden, welche von diesen indifferenten Protisten lebten (Polypen u.s.w.), und als deren Gegengewicht die ersten Stufen entschiedener Pflanzengebilde möglich würden. Je mehr beide Reiche sich bevölkerten, desto mehr Nahrungsmittel für höhere Thierclassen[83] wurden disponibel, desto mehr höhere Pflanzenclassen konnten wieder von den Lebens- und Todesproducten dieser Thiere bestehen, und so hielt die Entwickelung in beiden Reichen immer gleichen Schritt wie die Geologie es lehrt, während innerhalb eines jeden Reiches die niederen Stufen im Allgemeinen immer den höheren vorangehen. Hieraus sollte man aber auch den Schluss ziehen, dass Pflanzenreich und Thierreich im Ganzen nicht subordinirte, sondern coordinirte Schöpfungsgebiete sind, und dass das Thierreich, wenn es sich, auf die höhere Bewusstseinsentwickelung gestützt, über das Pflanzenreich überheben zu dürfen vermeint, es dies nur dadurch vermag, weil das letztere ihm um ebenso viel in organischer Beziehung überlegen ist, da es ihm die Stoffe bildet, deren müssigem Verbrauche es sein höheres Bewusstsein verdankt. Wenn nun das Consumiren von Material, das in fremden Organismen gebildet ist, hinreicht, um den Begriff des Schmarotzerthums zu definiren (denn die Wohnung des Schmarotzers ist gleichgültig, man denke z.B. an die Stubenwanze), so kann man das Thierreich als Ganzes einen Schmarotzer des Pflanzenreichs nennen; es steht in dieser Beziehung das Thierreich der grossen Classe der Pilze gleich, welche, obwohl nach morphologischen Analogien bis jetzt zu den Pflanzen gezählt, doch nur pflanzliche Parasiten heissen können; ihnen fehlt nämlich der pflanzliche »Stein der Weisen«, das Arcanum, mit Hülfe dessen die Pflanze unorganische Materie in organische verwandelt, das Chlorophyll, und sind sie deshalb ebenso wie das Thierreich auf den Consum bereits gebildeter organischer Materie angewiesen.

Dieser Gegensatz des Bildens und Verbrauchens ist nun aber nicht etwa so streng zu nehmen, als ob die Pflanze bloss producirte, das Thier bloss consumirte, vielmehr sehen wir in jedem Thiere auch Processe theils der Höherbildung aufgenommener Stoffe (z.B. die Bildung der Gehirnfette), theils der Umbildung derselben ohne Rückgang, theils der Zersetzung und Wiederzusammensetzung im Verlaufe des Verdauungs- und Assimilationsprocesses; andererseits sehen wir in jeder Pflanze einen stellenweisen Verbrauch der Producte, die sie selbst an anderen Stellen gebildet hat (man denke nur an die Rückbildungsprocesse in den Blüthen, ihre Sauerstoffeinathmung und Kohlensäureausscheidung). Bei den Hefen, Pilzen und einigen anderen einzelligen Gewächsen finden wir sogar eine merkwürdige Zwitterstellung der Art, dass sie zwar den zu ihren organischen Productionen nöthigen Stickstoff aus Ammoniak, den Kohlenstoff[84] aber nur aus höheren ternären Verbindungen aufzunehmen vermögen. – Es kann mithin auf beiden Seiten nur von einem Mehr oder Weniger die Rede sein; jedes Thier ist zum Theil pflanzlicher, jede Pflanze zum Theil thierischer Natur; wo eine Seite die andere deutlich dominirt, benennt man mit Recht das Ganze nach dieser Seite; wo aber beide sich ziemlich die Waage halten, wird die Benennung nach einer Seite schwierig, ja sogar unzulässig. Wir dürfen es jetzt auch nicht mehr wunderbar finden, wenn ein und dasselbe Wesen einen Theil seines Lebens überwiegend pflanzliche, einen andern Theil hindurch überwiegend thierische Beschaffenheit zeigt; es ist dies keine grössere Metamorphose auf jenen dem Indifferenzpunct nahen Stufen, als die der Insecten, Frösche oder Fische ist. Wer freilich die Thiere als beseelte Organismen, die Pflanzen aber als lauter seelenlose leere Gehäuse ansieht, den muss jene Flüssigkeit der Grenze beider Reiche und das harmlose Ueberschlagen aus dem Einen in's Andere zur Verzweiflung bringen. Wir jedoch werden im Anschlüsse an die bisherigen Betrachtungen dieses Capitels in diesen Thatsachen nur einen Beweis mehr sehen, dass Pflanze und Thier viel mehr Gemeinsames haben, als unsere Zeit anzunehmen gewöhnt ist.

Was zunächst die äussere allgemeine Form anbetrifft, so verlieren die Pflanzen auf niedrigen Stufen ihren blätterigen Typus, und nehmen einfach gegliederte, oder rundliche, mehr oder weniger geschlossene Formen an (z.B. Conferven, Pilze). Dagegen findet man frappante Aehnlichkeiten mit höheren Pflanzenformen unter den niedrigen Thieren. »Einige (Corallenthiere) wachsen als über einander gerollte, einem Kohlkopfe ähnliche Blätter, andere bestehen aus zarten, gekräuselten, unregelmässig angeordneten Blättchen. Die Oberfläche jedes Blattes ist mit Polypenblüthen bedeckt, durch deren Wachsthum und Secretion es entstanden ist. Nicht minder lassen sich Aehnlichkeiten mit einem Eichen- und Acanthuszweige, mit Pilzen, Moosen und Flechten auffinden« (Dana in Schleiden's und Froriep's Not. 1847, Juni Nr. 48).

Die chemischen Stoffe können gewiss nicht einen Unterschied begründen. Linné glaubte noch mehrere kalkreiche Meerpflanzen wie die Corallinen, für Thiere halten zu müssen, eben weil er die Kalkbildung als Monopol des Thierreiches ansah. Kieselpanzer finden sich sowohl bei pflanzlichen (Diatomeen), als bei thierischen (Infusorien) Organismen. Die Aehnlichkeit der pflanzlichen und thierischen Proteinstoffe ist bekannt; die Pilze namentlich sind reich[85] an thierähnlichen Verbindungen; in dem Mantel der Ascidien und übrigen salpenartigen Tunicaten findet sich Holzfaserstoff; Chlorophyll (Blattgrün) ist in Turbellarien (Strudelwürmern) und in Infusorien nachgewiesen worden.

Oft wurden verschiedene Species eines Geschlechtes theils zum Pflanzenreich, theils zum Thierreich gezählt, z.B. die Alcyonium-Arten sind alle von einer in der Hauptsache so übereinstimmenden Beschaffenheit, dass Linné gewiss nicht Unrecht hatte, sie in ein Geschlecht zusammenzufassen. Gleichwohl sind einige von ihnen die recht eigentlichen Animalia ambigua (nach Pallas), die sonach sehr wohl unter den Amorphozoarien rangiren, z.B. Alcyonium cidaris (Donati), cydonium (Leba) und ficiforme (Solander, Ellis und Marsigli). Andere wurden allgemein zur Pflanzenwelt gerechnet, so namentlich z.B. mehrere Arten in dem bezüglich synonymen und an Specien so reichen Geschlechte Peziza. Bei noch anderen ist nicht nur die animalische, sondern sogar die Polypen-Natur so entschieden erwiesen, dass sie von den Spongozoen abgetrennt, und bei den Polyparien aufgenommen worden sind, gleichzeitig unter Beilegung eines zweiten, insofern ihnen gegebenen Geschlechtsnamens, so dass Lobularia digitata, palmata und arborea, aus den Alcyonien der Zookorallien, mit Alcyonium lobatum, palmatum und arboreum synonym sind. Die vorweltliche Species Manon peziza ist aus einem Thier- und einem Pflanzennamen zusammengesetzt. Wir finden hier nur Erscheinungen aus anderen Gebieten des Thierreichs wieder, wo z.B. einige Rotatorien zu den Würmern, andere zu den Infusorien, eine Species Cercaria zu den Würmern, andere Specien desselben Geschlechtes zu den Spermatozoen (?) gerechnet wurden.

Die kleinen Bläschen, aus welchen die rothfärbende Materie des Schnees besteht (Protococcus nivalis), wurden von Agardh, Decandolle, Hooker, Unger, Martins, Harvey, Ehrenberg für Algen angesehen; Letzterer säete sie sogar auf frischen Schnee und beobachtete ihre Fortpflanzung; die jungen Pflänzchen trugen einen feinkörnigen, gelappten Keimboden und Würzelchen, aber keine Spur von thierischem Charakter an sich. Voigt und Meyen fanden später, dass die rothfärbende Materie vielmehr Gestalt und Bewegungen von Infusorien darbot, und Shuttleworth endlich unterschied theils Algen, theils Infusorien darin. Diese Widersprüche klären sich auf durch Flotow's sorgfältige Beobachtungen an einem ganz verwandten in Regenwasser lebenden Pflänzchen oder Thierchen (Haematococcus pluvialis). Dieses zeigte anfangs bloss pflanzliche Natur, verwandelte[86] sich aber in Aufgüssen unter geeigneten Umständen durch verschiedene Zwischenstufen deutlich verfolgbar, in ein Infusionsthierchen (Astasia pluvialis) mit rüsselförmigem, mitunter selbst gabelig gespaltenem Fühler und allen Zeichen selbstständiger Bewegung um. Es zeigte sich Shuttleworth's Astasia nivalis im rothen Schnee verwandt. Kützing (»Ueber die Verwandlung der Infusorien in niedere Algenformen, Nordhausen 1844«) beobachtete, dass das Infusorium Chlamidomonas pulvisculus gar vielfach sich verwandele, z.B. in eine entschiedene Algenspecies, Stygeolconium stellare, und in andere Bildungen von Algencharakter, welche zwar in der Gestalt noch theilweise ruhenden Infusorienformen glichen (Tetraspora lubrica oder gelatinosa, Palmella botryoides, Protococcus– und Gyges-Arten). Ebenderselbe behauptet die Verwandelung des Infusorium Enchelys pulvisculus in einen Protococcus und zuletzt in eine Oscillatorie. Bei einer ganzen Reihe von Algen (Zoospermae) und noch anderen niederen Gewächsen (Pilzen, Nostok) haben die Keimkörner, Sporen oder Sporidien eine infusorienartige Gestalt und Bewegung mittelst Wimpern oder peitschenförmigen Organen, und es sind zum Theil Formen unter ihnen bekannt, welche Ehrenberg als Infusorien erkannt hat. Ganz ebenso verhalten sich aber auch die Embryonen vieler Polypen und Medusen, auch sie machen eine Zeit durch, wo sie mittelst Wimpern eine zugleich drehende und fortschreitende Bewegung erzeugen, ehe sie sich zur Weiterentwickelung festsetzen, auch sie haben infusorielle Gestalt und keine Mundöffnung. Unger (»die Pflanze im Moment der Thierwerdung«) beobachtete bei den Sporidien einer kleinen Alge (Vaucheria clavata, oder Ectosperma clavata), dass sie, vom Mutterschlauche befreit, zuerst sich im Wasser erbeben und in rascher Bewegung ähnlich einem Infusorium mehrere Male herumkreisen, dass dann Momente der Kühe mit Bewegung willkürlich wechseln, und dass sie in höchst auffallender Weise alle Hindernisse sorgfältig vermeiden, sich äusserst geschickt durch das Sprossengewebe der Vaucheria winden, und sich immer so ausweichen, dass niemals zwei zusammenstossen.

Das Aussenden von nicht vorgebildeten, unter sich wieder zusammenfliessenden Schleimfäden, welches für viele Arten niederer Thiere charakteristisch ist, findet sich auch bei gewissen Pflanzen (Myxomyceten). – Eine kleine fadenförmige Algenart zeigt, so lange sie lebhaft vegetirt, eine dreifache Bewegung, eine abwechselnde geringere Krümmung des vorderen Fadens, ein halb pendelartiges, halb elastisches Hin- und Herbiegen der vorderen Hälfte und ein[87] allmähliches Vorrücken. »Diese Bewegungen haben etwas Seltsames, ich möchte sagen Unheimliches an sich« (Schleiden, Grundzüge II. 549). Die Oscillatorien und die Schwärmsporen mehrerer Algenarten (z.B. Vaucheria sessilis) ziehen sich ebenso wie Polypen nach der beleuchteten Stelle des Gefässes hin, andere Schwärmsporen (z.B. von Ulothrix speciosa) fliehen vor demselben, noch andere (die der Familien von Stephanosaura) meiden sowohl die intensive Beleuchtung als auch die Dunkelheit, und sammeln sich an halbdunklen Stellen an. – Pandorine, eine in Süsswassertümpeln lebende Alge, bietet ein Beispiel für die Gattung der Volvocineen; sie besteht aus 16 pyramidalen Zellen, welche mit der Basis nach aussen gerichtet in engem Anschluss an einander einen eiförmigen Gesammtkörper bilden. Jede Zelle hat an der Basis einen farblosen Fleck, auf welchem mehrere Wimpern sitzen, vermittelst deren der Organismus herumschwimmt. Aus dieser Beweglichkeit schloss man lange Zeit auf thierische Natur, und bezeichnete Ehrenberg das rothe Pigmentkorn, das sich neben jeder Wimperstelle findet, als Auge.

Wir sehen, dass alle Kennzeichen, welche von verschiedenen Seiten als maassgebend aufgestellt worden sind, nicht Stich halten, als da sind: partielle oder totale Locomotion, spontane Bewegung, morphologische und chemische Unterschiede, Mundöffnung und Magen. Was die Mundöffnung betrifft, so wird sie bei der Seelunge (Rhizostoma Cuvieri), einer bis zwei Fuss im Durchmesser haltenden Qualle des Mittelmeeres, durch zahlreiche Oeffnungen und Canäle in ihren acht Armen ersetzt; ferner fehlt dieselbe gänzlich bei vielen Eingeweidewürmern, Cercarien, Infusorien und Embryonen; die Gregarinen, welche heerdenweise als Schmarotzer in dem Nahrungscanale von Insecten und anderen Thieren vorkommen, haben nicht nur keine Mundöffnung, sondern auch keine Wimpern, überhaupt keine sichtbaren Organe; es sind einfache Zellen mit sichtbarem Kerne. Von einem Magen zu sprechen, wo der Mund fehlt, ist bedeutungslos, denn dann kann man das Innere jeder Zelle ihren Magen nennen.

Es mögen diese Anführungen genügen, um die vorausgeschickten allgemeinen Bemerkungen zu rechtfertigen. – Was nun diese Betrachtung zur Lösung der Frage nach dem Bewusstsein der Pflanzen beiträgt, ist Folgendes: Wir haben gesehen, dass Pflanze und Thier Einiges verschieden, Anderes gemeinsam haben, und dass wir die Summe des Gemeinsamen ungefähr erkennen können, wenn wir[88] in beiden Reichen die Stufenreihe der Organisation so weit hinabsteigen bis wir bei solchen Gebilden angekommen sind, wo die Unterschiede verschwinden, und wesentlich nur das Gemeinsame übrig geblieben ist. Wenn wir nun finden, dass in diesem Gemeinsamen noch Empfindung und Bewusstsein mit eingeschlossen ist, dass also die niedrigsten Pflanzenorganismen Empfindung und Bewusstsein besitzen, so werden wir uns nach den materiellen Bedingungen umsehen, an welche hier Empfindung und Bewusstsein geknüpft zu sein scheint, und vorausgesetzt, dass diese materiellen Bedingungen bei höheren Pflanzen in demselben oder noch höherem Maasse erfüllt sind, werden wir uns berechtigt halten dürfen, auch den höheren Pflanzen ein eben solches resp. höheres Maass von Empfindung und Bewusstsein zuzuschreiben, als wir bei jenen niederen voraussetzen dürfen. Da wir unmittelbar nicht wissen, wie der Pflanze zu Muthe ist, sondern nur, wie uns selbst zu Muthe ist, so steigen wir durch Analogie die Stufenleiter der Thiere hinab, wenden am Indifferenzpunct von Thier und Pflanze, welcher das verknüpfende Band beider Reiche bildet, wieder um, und steigen ebenfalls durch Analogie auf der anderen Seite die Stufenleiter der Pflanzen hinauf.

Ferner erinnern wir uns bei dieser Betrachtung des Resultates aus dem Schluss des I. einleitenden Capitels und des Cap. C. III., wonach jede durch materielle Bewegung erregte Empfindung, sobald sie überhaupt entsteht, auch mit Bewusstsein entsteht, während, wenn die materielle Bewegung unterhalb der Reizschwelle liegt nicht nur keine bewusste, sondern überhaupt gar keine Empfindung zu Stande kommt. So weit wir also Zeichen einer durch materielle Reize erregten Empfindung verfolgen können, so weit werden wir auch die Empfindung für bewusst halten müssen, also die Existenz eines Bewusstseins zugeben müssen, gleichviel, wie dürftig sein Inhalt sein mag.

Wir müssen hier noch einmal auf das schon mehrfach (vergl. Cap. A. VII. 1. a., S. 148-149) zurückgewiesene Vorurtheil zurückkommen, als ob die Nerven die conditio sine qua non der Empfindung wären. Dass sie auf Erden und bis jetzt die zur Empfindungserzeugung geeignetste Form der Materie sind, ist gewiss nicht zu bezweifeln, daraus folgt aber keineswegs, dass sie die einzige sind; im Gegentheil beweisen eine Menge Thatsachen, dass sie durch andere Formen ersetzt werden können. Die Tastwärzchen an der Oberhaut stehen an manchen Körperstellen in ziemlich grossen[89] Intervallen (wie die Grösse der Ellipsen beweist, innerhalb deren zwei Berührungen als Eine empfunden werden), trotzdem ist jede Stelle der Haut gleich empfindlich, auch gegen thermische und chemische Reize, bei welchen man sich nicht auf blosse Fortpflanzung des mechanischen Druckes oder Leitung der Wärme berufen kann. Burdach giebt an, dass auch nervenlose Theile des menschlichen Körpers empfindlich werden können, sobald bei vermehrtem Blutandrange und Auflockerung des Gewebes ihre Lebendigkeit gesteigert ist; so sei z.B. das in heilenden Wunden gebildete junge Fleisch ohne alle Nerven höchst empfindlich und eine Entzündung der nervenlosen Knorpel und Sehnen sei sogar viel schmerzhafter, als eine Entzündung der Nerven selbst. Wundt zeigt (Beiträge S. 392-395), dass diese Schmerzen stets von specifischen Organempfindungen begleitet sind. Hier liegt freilich der Schmerz, welcher dem Menschen bewusst wird, erst im Gehirne, aber die nervenähnliche Leistungsfähigkeit jener Theile ist damit bewiesen, d.h. also ihre Fähigkeit, Ströme von Molecularschwingungen fortzupflanzen, die denen in den Nerven ähnlich sind. Wo aber Schwingungszustände vorhanden sind, die denen der Nerven ähnlich sind, werden sie auch Empfindungen anregen, die den von den Nerven erregten ähnlich sind, vorausgesetzt, dass sie nicht unterhalb der Reizschwelle liegen. Letzteres ist keines Falls anzunehmen, da der nach so grossen Widerständen im Gehirne anlangende Theil noch so starke Schmerzen verursacht. Ferner haben wir vielfach die Seele auf den Leib ohne Nerven wirken sehen, z.B. in den embryonischen Zuständen vor Ausbildung der Nerven, in der Wirkung der Nerven über ihre eigenen Grenzen hinaus in Muskeln, secernirenden Häuten, wo überall die Masse der betreffenden Organe selbst die letzte Strecke der Leitung übernehmen muss, in dem plötzlichen Ergrauen der Haare nach Affecten u.s.w. Wenn nun aber die Seele auf den Leib auch ohne oder jenseit der Nerven wirken kann, so wird doch wohl bei der durchgebenden Reciprocität des Verhältnisses von Leib und Seele auch der Leib ohne oder von jenseit der Nerven auf die Seele wirken, d.h. Empfindung hervorrufen können.

Alsdann ist nachgerade gewiss, dass die niedrigsten Thiere (Polypen, Infusorien, manche Eingeweidewürmer) keine Nerven haben.A9 Denn Nerven und Muskeln gehen überall Hand in Hand und nach Dujardin und Ecker haben sie nicht einmal Muskeln; statt des Muskelfibrins und der Nervensubstanz findet sich bei ihnen nur[90] die Mulder'sche Fibroine. Dieser Stoff verhält sich ungefähr wie das Neoplasma der Wunden und wird deshalb gegenwärtig allgemein Protoplasma genannt; es stellt sich immer deutlicher heraus, dass der eigentliche Träger des Lebens in jeder Zelle das Protoplasma in derselben ist, und dass das Protoplasma der die höchsten Denkfunctionen vermittelnden Zellen der grauen Gehirnsubstanz durchaus nicht typisch, sondern nur graduell von dem Protoplasma der niedrigsten Organismen verschieden ist. Dieser Protoplasma genannte stickstoffhaltige, eiweissartige Stoff ist es also recht eigentlich, in welchem die organischen und motorischen Willensacte der Thierseele ihren Zwecken gemäss sich auswirken; in ihm allein können wir daher auch nur diejenige Constitution organischer Materie suchen, welche geeignet und im Stande ist, materielle Wirkungen unmittelbar auf die Seele influiren zu lassen.

Dazu kommen die verhältnissmässig hohen psychischen Kundgebungen dieser Thiere. Denn der Süsswasserpolyp unterscheidet schon auf die Entfernung von einigen Linien ein lebendes Infusorium, ein pflanzliches Wesen, ein todtes und ein unorganisches Geschöpf; von allen zieht er nur das erstere durch einen mit seinen Armen erregten Wasserstrudel an sich, während er sich um die anderen nicht kümmert, oder wenn er eins zufällig erfasst hat, es sogleich wieder loslässt. Der Polyp muss also doch von diesen verschiedenen Dingen verschiedene Wahrnehmungen haben, und diese können nur als Empfindungen über der Schwelle, d.h. als bewusste Empfindungen, gegeben sein. Er bewegt sich ferner aus dem Schatten nach dem sonnenbeschienenen Theile des Gefässes, und öfters kämpfen zwei Polypen um ihren Raub. Letzteres ist nur möglich, wenn der, Polyp das Bewusstsein hat, dass der andere ihm die Beute entreissen will. Wenn also ein nervenloses Thier so hohe Bewusstseinsäusserungen zeigt, so werden wir uns nicht wundern dürfen, die Bewusstseinsäusserungen der nächst niederen Thierstufe der Infusorien, mit denen vieler niederen Pflanzen auf gleichem Niveau zu finden. Das aber wird man doch wohl gewiss nicht behaupten wollen, dass mit der vorletzten Thierstufe Empfindung und Bewusstsein aufhöre, denn warum gerade mit der vorletzten, die doch noch so reichen Bewusstseinsinhalt zeigt, dass sich bis zum vollständigen Verschwinden noch unendlich viele ärmere Stufen denken lassen, denen nichts in der Welt entspräche, wenn es nicht eben jene Infusorien und einfachen Pflanzen wären. In der That zeigt aber auch eine genauere Beobachtung der allerniedrigsten[91] Thiergattungen noch ganz deutliche Wahrnehmungen, wie aus der zweckmässigen Benutzung der gegebenen (wahrgenommenen) Umstände für die Lebenszwecke des Thieres folgt. Ich erinnere nur an die offenbar willkürlichen Bewegungen von Arcella vulgaris vermittelst zweckmässig entwickelter Luftblasen (in Bd. I, S. 80-81).

Was das Protoplasma der Nerven so geeignet macht, sowohl zur Vermittelung der Ausführung von Willensacten, als zur Erzeugung von Empfindungen, ist die halbflüssige Consistenz der ganzen Masse, welche die Verschiebbarkeit und Drehbarkeit der Molecüle befördert, und die polarische Beschaffenheit der einzelnen Molecüle, welche eine hohe chemische Organisationsstufe der Materie zur Bedingung hat. Das Erstere zeigt das Protoplasma der niederen Thiere und Pflanzen in demselben Maasse. In jeder Zelle ist mindestens ein flüssiger Inhalt und eine feste Wand, in der Regel auch ein Kern zu unterscheiden; sowohl der Kern oder doch seine Umgebung, als auch die Grenze von Wandung und Inhalt, häufig aber der ganze Zelleninhalt, zeigen diese halbflüssige Consistenz von hoher chemischer Organisationsstufe, aus welchen physikalischen und chemischen Momenten sich auf eine polarische Beschaffenheit der Molecüle, wenn auch in geringerem Grade als bei Nerven, und der centralen Ganglienzellen, die ebenfalls aus Kern, Wandung und Inhalt bestehen, mit Wahrscheinlichkeit schliessen lässt, zumal, wenn man die Contractionserscheinungen alles thierischen und pflanzlichen Protoplasma's auf electrische Reizung berücksichtigt. Diese Bedingungen kehren aber in allen eigentlich lebendigen Theilen der höheren Pflanzen wieder, vermuthlich sogar in gesteigerter Form, da die chemische Organisation der Stoffe in höheren Organismen sich offenbar steigert, keines Falles aber sinkt. Ganz besonders zeigt aber das pflanzliche Protoplasma, welches, wie wir gesehen haben, recht eigentlich die schnellen Reflexbewegungen höherer Pflanzen zu Stande bringt, anscheinend eine vollständige Identität mit dem Protoplasma der Protisten und niedrigsten Thiere, wie das gleiche Verhalten gegen die verschiedenartigsten Reize und Narkotica bezeugt. Dieses Protoplasma hat aber auch in den höheren Pflanzen eine sehr weite Verbreitung, und wenn die Aufmerksamkeit auf seine Lebensthätigkeit zuerst durch solche Beispiele gelenkt wurde, wo seine Bewegungen Resultate erzielen, die auch dem blossen Auge sichtbar und auffallend werden, so studirt gegenwärtig die Pflanzenphysiologie bereits mit Eifer die innerhalb der Zellen auf Anregung von Licht, Wärme und anderen[92] Reizen vor sich gehenden Bewegungen des Protoplasma's, welche offenbar zu dem Leben und der Fortpflanzung der Zellen in der engsten Beziehung stehen.3 Es ist also ganz gewiss kein Grund zu der Behauptung, dass die Empfindung und das Bewusstsein der höheren Pflanzen unter dem der niedrigsten Pflanzen und Thiere stände, im Gegentheile dürfen wir vermuthen, dass, wenn auch die totale und partielle Locomobilität der Pflanzen in höheren Formen ihren Lebensbedingungen gemäss abnimmt, dass die Empfindungen mindestens in gewissen bevorzugten Theilen über der der niederen Pflanzen steht.

Je tiefer wir in der Thierreihe hinabsteigen, desto mehr nimmt die Wichtigkeit der aus der eigenen Verdauung und Genitalsphäre herrührenden Empfindungen gegen die von äusseren Reizen herrührenden zu; bei den Pflanzen, wo die Oberfläche sich mehr und mehr gegen die unbedeutenden äusseren Reize abschliesst, wird diese Zunahme sich noch mehr steigern; für die Pflanze verliert die Aussenwelt ausser dem Licht und der chemischen Beschaffenheit der Luft immer mehr alles Interesse, und nur besonderen Fällen verdanken Wir die Kenntniss, dass auch höhere Pflanzen von gewissen Vorkommnissen Notiz nehmen, die für sie Wichtigkeit erlangen, z.B. die Insecten fangenden Pflanzen von Reizen, welche die Blätter treffen, die Rankengewächse von Stützen u.s.w.

Es wird nach dem Vorhergehenden nicht mehr befremden, wenn wir den Pflanzen eine Empfindung (und selbstverständlich bewusste Empfindung) von den Reizen beilegen, auf welche sie, sei es nun reflectorisch oder instinctiv, reagiren; wenn wir behaupten, dass die Oscillatorie so gut wie der Polyp das Licht empfindet, wenn sie nach dem beleuchteten Theil ihres Gefässes hinwandert, und dass[93] ganz ebenso das Weinblatt das Licht empfindet, dem es auf alle Weise seine rechte Seite zuzukehren bemüht ist, und jede Blüthe das Licht empfindet, dem sie sich öffnend das Köpfchen zukehrt. Wir behaupten, dass das Blatt der Dionaea und der Mimosa pudica das Sträuben des Insectes empfindet, ehe es auf diese Empfindung mit Zusammenlegen reagirt, denn es liegt ja schon im Begriff der Reflexwirkung, als einer psychischen Reaction, dass eine psychische Perception derselben vorhergehen muss; dies ist aber die bewusste Empfindung. Wir behaupten ferner, dass die Pflanze eine Empfindung von den physischen Vorgängen der Organisation, welche der thierischen Verdauung entsprechen, und des Geschlechtslebens hat, dass namentlich das letztere sich in Theilen vollzieht, wo die höchste Lebendigkeit des Pflanzendaseins concentrirt ist, wo die Bildungsthätigkeit während der Blüthenzeit nicht mehr aufsteigende, sondern absteigende chemische Processe bewirkt (wie das Sauerstoffeinathmen und Kohlensäureausathmen der Blüthen erkennen lässt), woraus hervorgeht, dass hier die bildenden Kräfte sich vom materiellen Aufbauen in eine gewisse thierähnliche Verinnerlichung zurückgezogen und für mehr receptive Processe disponibel geworden sind. Dass der Inhalt dieses Bewusstseins immerhin noch sehr arm sein muss, viel ärmer als z.B. der des schlechtesten Wurmes, unterliegt wohl keinem Zweifel, denn woher sollte der Reichthum und die Bestimmtheit kommen, wie sie den Thieren schon durch die niedrigst stehenden Sinnesorgane gewährt wird?

Wir haben also in der Pflanze in der That Bewusstsein gefunden. Wie weit kann aber nun eine Einheit des Bewusstseins in der Pflanze bestehen? – Wir haben gesehen, dass die Einheit des Bewusstseins zweier Vorstellungen oder Empfindungen auf der Möglichkeit des Vergleiches und diese auf dem Vorhandensein einer genügenden Leitung zwischen den beiden Empfindung erzeugenden Orten beruht. Die Frage ist also die: ist eine solche Leitung in der Pflanze vorhanden? Schon im Thiere war der Verkehr zwischen verschiedenen Nervencentren, obwohl durch Nervenstränge vermittelt, nur höchst mangelhaft und die Bewusstseinseinheit factisch nur für sehr durchgreifende Erregungen vorhanden. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Nervenstroms im Menschen beträgt nach Helmholz etwa hundert Fuss in der Secunde, die in der Mimosa pudica wie erwähnt nur einige Millimeter; man kann von diesen Geschwindigkeiten einen ungefähren Schluss auf die Leitungswiderstände und demgemäss auf die Störungen und Veränderungen[94] der fortgepflanzten Resultate ziehen. Es ist möglich, dass die Spiralgefässe solchen Leitungszwecken dienen, aber erwiesen ist es nicht. Jedenfalls ist es mit der Bewusstseinseinheit von zwei benachbarten Staubgefässen noch unendlich viel dürftiger bestellt, als mit der von Hirn und Ganglien im Menschen. Eine genügend treue und starke Leitung wird immer nur zwischen ganz nahe aneinanderliegenden Pflanzentheilen bestehen können; ich möchte nicht behaupten, dass man von dem einheitlichen Bewusstsein einer Blüthe sprechen darf, vielleicht kaum von dem eines Staubfadens. Die Pflanze braucht aber auch eine solche Einheit des Bewusstseins nicht, wie das Thier; sie braucht keine Vergleiche anzustellen, und braucht nicht über ihre Handlungen zu reflectiren. Sie braucht sich nur den einzelnen Empfindungen hinzugeben, und dieselben als Motiv für die Eingriffe des Unbewussten auf sich wirken zu lassen, dann haben diese ihren Zweck erfüllt, und dies leisten Empfindungen mit getrenntem Bewusstsein ebenso gut, wie solche mit einheitlichem.[95]

A9

S. 90 Z. 3 v. unten. Nach neueren Untersuchungen von Kleinenberg (»Hydra«, Leipzig 1872) beginnt bei der Hydra oder dem Süsswasserpolypen bereits die Differenzirung des Protoplasmas in Nerven- und Muskelsubstanz, aber so, dass es die nämliche Zelle ist, deren peripherischer, rundlicher Theil als empfindende Hautzelle weiter fungirt, während ihre centralen faserförmigen Fortsätze als contractiles Element d.h. als Prototyp der Muskelzelle dienen, indem sie von dem äusseren Theil zur Contraction angeregt werden. Kleinenberg hat diese Zellen »Neuromuskelzellen« genannt; dieselben zeigen den Uebergang aus den tieferstehenden Organismen, wo alle Theile des Protoplasmas einer Zelle gleichmässig als Nerven- und Muskelelemente fungiren, zu den höherstehenden, wo die Functionen nicht bloss auf verschiedene Theile der nämlichen Zelle vertheilt sind, sondern die verschieden functionirenden Elemente sich zu gesonderten Zellenschichten differenzirt haben.

3

Wie bei niederen Thieren (z.B. Amöben), so ist auch im Protoplasma der lebenden pflanzlichen Zellen ein Zustand der Activität und ein anderer der starren Buhe zu unterscheiden, welche mit einander ein, auch wohl mehrere Mal abwechseln können. Obwohl beide Zustände gleichmässig dem Leben angehören, so scheint doch nur in dem ersteren eine ausgeprägte Sensibilität vorhanden zu sein, während im letzteren eine Herabminderung der Reizbarkeit besteht, welcke der durch narkotische Dämpfe bewirkten Anästhesie des Protoplasmas ähnlich ist, und vielleicht ein Analogen des thierischen Schlafes oder noch besser des Winterschlafes bildet. Wie gewisse Infusorien nach einer Periode der activen Lebendigkeit in eine Periode der Incrustation eintreten, so auch viele Pflanzenzellen, die im Alter sich mit einer dickeren Zellwand umgeben, welche Zellwand sogar noch nach ihrem Absterben stehen bleiben kann (z.B. Holzzellen). Den Gipfel der Sensibilität wird man daher bei jeder Pflanzenzelle nur in einer bestimmten, mitunter vielleicht sehr kurzen Epoche ihres Lebens suchen dürfen, welche den Culminationspunct ihrer Lebensbethätigung bildet, und demgemäss meist in ihre Jugendzeit fällt.

Quelle:
Eduard Hartmann: Philosophie des Unbewussten. Band 2, Leipzig 10[o.J.], S. 82-96.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Philosophie des Unbewußten
Eduard Von Hartmann's Ausgewahlte Werke (8); Philosophie Des Unbewussten. 10. Erweiterte Aufl
Eduard Von Hartmann's Ausgewahlte Werke (7); Philosophie Des Unbewussten. 10. Erweiterte Aufl
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