VIII. Das Unbewusste und der Gott des Theismus

[175] Eine nahe liegende Frage bei dem bisherigen Stand unsrer Untersuchungen ist folgende: »Zugestanden, dass die im Individuum wirksamen Actionen des All-Einen für das Individuum unbewusst sind, was bürgt dafür, dass sie nicht im All-Einen Wesen selbst für dieses bewusste seien?« Die einfachste Entgegnung gegen diese Bemerkung besteht in dem Hinweis auf die dem Behauptenden obliegende Beweislast; nicht mir kommt es zu, zu beweisen, dass die unbewussten physischen Functionen, welche als solche zur Erklärung des zu Erklärenden ausreichen, nicht anderseits im All-Einen bewusste seien, sondern diejenigen, welche diesen für die Erklärung der Erscheinungen völlig werthlosen und gleichgültigen Zusatz zur Hypothese hinzufügen wollen, haben die Begründung ihrer Annahme beizubringen, welche bis dahin als leere Behauptung zu betrachten und demgemäss wissenschaftlich zu ignoriren ist. Obwohl dies zur Abweisung obigen Einwandes genügen würde, so will ich doch näher auf die Sache eingehen, weil die Betrachtung dieses Punctes lehrreich für das genauere Verständniss des Unbewussten ist.

Wenn der Theismus bisher meistens so eifrig darauf gedrungen hat, Gott ein eignes Bewusstsein in der Sphäre seiner Göttlichkeit zuzugestehen, so geschah es aus zwei Gründen, die beide ihre gute Berechtigung hatten, aus denen aber etwas gefolgert wurde, was nicht aus ihnen folgt, weil an die Möglichkeit einer unbewussten Intelligenz gar nicht gedacht worden war. Diese beiden Gründe sind: erstens hinsichtlich des Menschen der Abscheu vor dem Gedanken, in Ermangelung eines bewussten Gottes als Product blinder Naturkräfte, als unbeabsichtigtes, unbewachtes, zwecklos entstehendes und zwecklos vergehendes Combinationsresultat einer zufälligen Nothwendigkeit dastehen zu müssen; zweitens hinsichtlich[175] Gottes, die Furcht, dieses höchste Wesen, welches man, um es möglichst zu ehren, nach Art der Scholastiker mit dem Inbegriff aller nur denkbaren Vollkommenheiten auszustatten wünschte, als desjenigen Vorzugs entbehrend denken zu sollen, der dem Menschengeiste als der höchste gilt, des klaren Bewusstseins und des deutlichen Selbstbewusstseins. Beide Bedenken verschwinden aber vor einer richtigen Würdigung der Principien des Unbewussten, welche die goldne Mitte halten zwischen einem aus dem verschwommen verabsolutirten Menschenideal construirten Theismus und einem Naturalismus, in welchem die höchsten Blüthen des Geistes und die ewige Notwendigkeit der Naturgesetze, denen sie entsprossen sind, nur Resultat einer uns unsrer Ohnmacht wegen imponirenden zufälligen Thatsächlichkeit sind, – die richtige Mitte zwischen bewusster Teleologie, die nach menschlichem Vorbilde entstanden gedacht wird, und gänzlicher Leugnung der Naturzwecke. Diese richtige Mitte besteht eben in der Anerkennung der Finalität, welche aber nicht nach Art bewusster menschlicher Zweckthätigkeit durch discursive Reflexion geschaffen wird, sondern als immanente unbewusste Teleologie von einer intuitiven unbewussten Intelligenz den Naturdingen und Individuen vermittelst derselben Thätigkeit eingepflanzt wird, welche wir im vorigen Capitel als stetige Schöpfung oder Erhaltung, oder als reale Erscheinung des All-Einen Wesens bezeichneten.

Bei unsrer Unfähigkeit, die Art der Anschauungsweise dieser Intelligenz positiv zu erfassen (vgl. oben S. 365), vermögen wir dieselbe nur durch den Gegensatz zu unsrer Vorstellungsform (dem Bewusstsein) zu präcisiren, also nur durch das negative Prädicat der Unbewusstheit zu characterisiren; wir wissen aber aus den bisherigen Untersuchungen, dass die Function dieser unbewussten Intelligenz nichts weniger als blind, sondern vielmehr sehend, ja sogar hellsehend ist, wenngleich dieses Sehen niemals das Sehen selber, sondern nur die Welt, und ohne die Spiegel der Individual-Bewusstseine auch nicht das sehende Auge sehen kann. Wir haben von dieser unbewussten hellsehenden Intelligenz erkannt, dass sie in ihrer unfehlbar zweckmässigen, zeitlos alle Zwecke und Mittel in Eins fassenden und jederzeit alle erforderlichen Daten mit ihrem Hellsehen umspannenden Thätigkeit dem lahmen Stelzengang der stets auf einen Punct beschränkten, von Sinneswahrnehmung, Gedächtniss und Inspirationen des Unbewussten abhängigen discursiven Reflexion des Bewusstseins unendlich überlegen ist; wir werden also diese jedem Bewusstsein überlegene[176] unbewusste Intelligenz eben deshalb zugleich als eine überbewusste bezeichnen müssen.A30 Mit dieser Erkenntniss verschwinden aber die beiden obigen Bedenken gegen die Unbewusstheit des All-Einen: wenn dieses eine bei aller Unbewusstheit allwissende und allweise überbewusste Intelligenz besitzt, welche den Inhalt der Schöpfung und des Weltprocesses teleologisch bestimmt, so stehen weder wir als zufälliges Product der Naturkräfte da, noch wird Gott durch diese Art ihm das Bewusstsein abzusprechen, verkleinert.

Hiernach erscheint die Furcht des Theismus, seinen Gott durch Absprechen des Bewusstseins herabzusetzen, so unbegründet, dass sie vielmehr in ihr Gegentheil umschlägt, nämlich in die Einsicht, ihn gerade durch das Prädiciren des Bewusstseins herabzusetzen, da seine Vorstellungsweise in Wahrheit über dem Bewusstsein steht. Dasjenige, was wirklich ein bedingungsloser Vorzug ist, die vernünftige Intelligenz, das besitzt unser Unbewusstes ganz ebenso wie der Gott des Theismus; dasjenige aber, was gerade an unserer menschlichen Intelligenz das Beschränkte ist, die auf der Spaltung von Subject und Object beruhende Form des Bewusstseins, das muss auch der Theismus nothwendig von seinem Gotte entfernen, wenn er ihn zu seinem »allervollkommensten« Wesen machen will. Ohne Frage ist für uns Menschen das Bewusstsein und Selbstbewusstsein ein Vorzug, aber doch nicht wie die vernünftige Intelligenz ein absoluter, sondern nur ein relativer bedingter, d.h. er gilt uns nur deshalb als Vorzug, weil wir einmal innerhalb der Welt der Individuation und ihrer Schranken stehen, und behufs möglichster Förderung unserer individuellen Zwecke einer möglichst scharfen Sonderung unseres Selbst von anderen Personen und von der unpersönlichen Aussenwelt bedürfen, – Rücksichten, welche selbstverständlich für das All-Eine Wesen, das nichts ausser sich hat, hinfällig sind. An und für sich aber, und abgesehen von den durch eine Stellung innerhalb des Reichs der Individuation für eine beschränkte Intelligenz erwachsenden speciellen Aufgaben, ist das Bewusstsein kein Vorzug, sondern erscheint der Einheit der Attribute im Unbewussten gegenüber als ein Mangel, als eine Störung im absoluten Frieden der hellsehenden unreflectirten Intuition, als ein Riss in der Harmonie der Attribute des All- Einen, der an Stelle der Eintracht die Entzweiung setzt, und Subject und Object, die in der absoluten Idee versöhnten und vereinten Momente (vergl. »Ges. phil. Abhdlg.«[177] S. 64A31) durch diese Entzweiung aus ihrer Indifferenz herausreisst und zerspaltet. Die Opposition der Attribute bei der Bewusstseinsentstehung und das Heraustreten von Subject und Object aus der Indifferenz ist innerhalb der ihrer selbst gewissen und in sich beschlossenen absoluten Idee als solchen gar nicht möglich, sie setzt vielmehr das Gespaltensein der Gesammtfunction des All-Einen in die Vielheit der Individuation und die Kreuzung oder die Collision der so entstandenen vielen Willensrichtungen mit zum Theil entgegengesetztem Inhalt voraus. Erst durch solchen Conflict des Partialwillens mit anderen Partialwillen, durch die Discrepanz des ideellen Inhalts des Partialwillens mit dem ihm aufgezwungenen Compromiss wird sein Stutzen möglich, welches die Trennung von Subject und Object im Bewusstwerden bewirkt (vgl. Cap. C. III. 1). Dieses Bewusstwerden erwächst nur auf dem Grunde einer der Seele von ihrem Leibe aufgezwungenen Vorstellung, d.h. auf dem Boden der Sinnlichkeit, und erhebt sich nur durch discursive Reflexion vermittelst der Abstraction zu übersinnlichem Gehalt.

Alle diese Schranken müssen, wie dies auch der Theismus selbst anerkennt, von seinem Gott entfernt gehalten werden; dadurch aber fällt das Bewusstsein selber mit, welches auf diesen Beschränkungen erwächst. Kann das Bewusstsein nur als Beschränkung bezeichnet werden, so kann die Negation dieser Beschränkung nicht mehr als positiver Mangel im All-Einen betrachtet werden, da vielmehr die Freiheit von einer Beschränkung nur ein Vorzug heissen kann. Nichts desto weniger bleibt der positive inhaltliche Vorzug formell ein Mangel, ebensogewiss als das Fehlen der Giftdrüse in der Boa Constrictor, die sie ihrer grösseren Kraft wegen nicht braucht, oder das Fehlen der Sünde in dem orthodoxen Christusbild ein formeller Mangel bleibt. – Schon als wir in Capitel C. II. inductiv erkannt hatten, dass es kein Bewusstsein ohne Gehirn, Ganglien, Protoplasma oder sonstiges materielles Substrat gäbe, wurde die Annahme eines transcendenten und einheitlichen Bewusstseins der Weltseele erledigt, da das Suchen nach einem diese Bewusstseinseinheit ermöglichenden materiellen Substrat hoffnungslos wäre. Durch die Untersuchungen des Cap. C. III. wurde diese inductive Erkenntniss zugleich speculativ begründet, da nun der metaphysische Grund für die Unmöglichkeit eines Bewusstseins ohne Individuation und ohne Trennung in Leib und Seele einleuchtete. Beseitigt man die Schranken der Sinnlichkeit und endlichen Individualität, wie man in Gott nicht anders kann und darf, und erweitert die beschränkte[178] Vorstellung zur absoluten Idee, so ist hiermit eben nur noch die reine Materie der Vorstellung übrig geblieben und durch Beseitigung aller endlichen Opposition und Collision auch die Form des aus dieser hervorgehenden Bewusstseins abgestreift. Wollte man dennoch die unmögliche Forderung einen Augenblick erfüllt denken, dass das Bewusstsein hierbei gleichwohl als Form der Vorstellung conservirt sei, so würde doch auch diese Form als unendlich erhabene über das uns bekannte Bewusstsein zu nehmen sein, und würde dann sofort einleuchten müssen, dass die unendliche Form gleich der reinen Formlosigkeit ist, dass das für Gott geforderte absolute Bewusstsein sich mit dem absolut Unbewussten wiederum als identisch erweisen müsste; so dass also selbst für diesen extremen Standpunct bei der so erwiesenen Gleichgültigkeit der Benennung jedes Interesse der Opposition gegen unser absolut Unbewusstes folgerichtig verschwinden muss (vgl. Fichte's sämmtliche Werke Bd. I. S. 100, 253; Bd. V. S. 266 u. 457).

Allerdings hat das Bewusstsein ausser seinem Werth für das Individuum als solches auch noch eine universelle Bedeutung für die Welterlösung, d.h. für die Umkehr des Weltwillens und seine Rückkehr in den Zustand, den er vor Beginn des Weltprocesses hatte (vgl. unten Cap. C. XIV); zu diesem letzten Zweck bedarf in der That das All-Eine des Bewusstseins und hierfür besitzt es dasselbe auch; nämlich in der Summe der Individualbewusstseine, deren gemeinsames Subject es ist.11 Wir haben nämlich gesehen, dass das Eine Unbewusste in der That der Träger oder das Subject aller Individualbewusstseine ist, und dass die Individuen als solche nur phänomenale Combinationen eines Organismus mit den auf denselben gerichteten Actionen des Unbewussten sind. Wer also eigentlich das Bewusstsein des Peter und Paul hat, ist nicht Peter und Paul, mit welchen Namen eben jene phänomenalen Combinationen bezeichnet werden, sondern das All-Eine Unbewusste selber. Freilich ist das Bewusstsein, welches das Unbewusste in den Individuen hat, ein mehr oder minder beschränktes, aber ein[179] anderes ist eben überhaupt nicht möglich. Immerhin reicht dieses Bewusstsein hin, um zum Selbstbewusstsein des Absoluten zu führen, nämlich zu der Erkenntniss, dass das eigentliche Selbst des Peter oder Paul das All-Eine Wesen sei.12 Dass dieses Selbstbewusstsein des Absoluten in den Individuen ein reflexives ist, liegt wiederum in der Natur des Selbstbewusstseins, welches anders als auf dem Grunde der Reflexion unmöglich ist. So wäre denjenigen, die sich durchaus nicht beruhigen wollen, ohne dass das All-Eine Bewusstsein und Selbstbewusstsein habe, gezeigt, dass es wirklich solches Bewusstsein und Selbstbewusstsein besitzt, wie es nach der Natur dieser Begriffe ohne Widerspruch möglich ist, nämlich beschränktes Bewusstsein und reflexives Selbstbewusstsein, – welche freilich nicht in dem schrankenlosen und reflexionslosen All-Einen als solchen, sondern in ihm als Subject der Individualbewusstseine gesucht werden müssen, da nur die auf einen bestimmten Organismus gerichteten Functionen des All-Einen einen beschränkten Theil seiner Gesammtthätigkeit bilden und in dem Bewusstseinsorgan des Organismus zur Reflexion gelangen. –

Nehmen wir einen Augenblick das Undenkbare an, dass das Absolute noch ausser dem Bewusstsein und Selbstbewusstsein, das es in den Individuen hat, ein solches an und für sich besässe, so sehen wir dadurch sofort unlösliche Schwierigkeiten entstehen hinsichtlich des Verhältnisses dieses absoluten Selbstbewusstseins zu denen der Individuen. Früher nahmen wir nämlich, gestützt auf die vorausgesetzte Unbewusstheit des All-Einen der Erfahrung gemäss an, dass Bewusstseine, die an getrennten, d.h. nicht durch Nervenleitung genügend verbundenen Orten entstehen, getrennte Bewusstseine seien. Diess dürfte aber bei der Annahme eines absoluten Selbstbewusstseins kaum aufrecht zu erhalten sein. Besteht einmal ein solches absolutes Bewusstsein in dem Subject der beiden Individualbewusstseine, so scheint neben einem solchen metaphysischen Einheitsbande die geforderte Nervenleitung eine recht klägliche und[180] überflüssige Rolle zu spielen, wogegen ihre Bedeutung sofort einleuchtet, wenn nur ein unbewusstes identisches Subject der Individualbewusstseine vorhanden ist. Sind die Functionen des All-Einen, welche dasselbe auf die betreffenden Organismen richtet, unbewusste Functionen, so sind sie durch ihre verschiedenen Ziele hinlänglich getrennt, um ein Ineinanderfliessen des durch ihre Reflexion in den Organismen entstehenden Bewusstseins nicht besorgen zu lassen; sind sie hingegen bewusste Functionen eines selbstbewussten Wesens, so sind sie durch dieses Bewusstsein zur höheren Einheit jenes Selbstbewusstseins bezogen und verknüpft, so dass gar nicht mehr zu begreifen ist, wie diese Functionen nach ihrer Reflexion oder Umbiegung in den Bewusstseinsorganen der Organismen zu zwei Bewusstseinen sollten auseinanderfallen können, anstatt das Eine absolute Bewusstsein mit modificirtem Inhalt zu bereichern. Es wird hierdurch also nicht nur unbegreiflich, dass die Bewusstseine von Peter und Paul als getrennte Bewusstseine, sondern dass überhaupt ein beschränktes Individualbewusstsein entstehen kann, ohne dass sein Inhalt und seine Form sofort vom absoluten Bewusstsein mit Haut und Haar verschlungen und verdaut, d.h. als Individualbewusstsein aufgehoben wird. Gesetzt aber dennoch, ein beschränktes, von anderen unterschiedenes Individualbewusstsein wäre entstanden, so würden die auf dasselbe gerichteten Functionen des All-Einen, falls sie bewusste wären, das absolute Bewusstsein in das individuelle gleichsam mit hineinscheinen; denn es wäre nicht abzusehen, wodurch diese Functionen die ihnen ein Mal anhaftende und nach Annahme der Theisten wohl gar wesentlich mit ihnen verknüpfte Form des absoluten Bewusstseins beim Eintritt in das Individuum und bei der Formirung seines Specialbewusstseins abstreifen sollten; das Individuum müsste sich vom absoluten Bewusstsein allerwärts durchleuchtet finden, und das absolute Bewusstsein seinem Blicke offen liegen. Alle diese erfahrungswidrigen Consequenzen fallen bei Seite, wenn man die unmögliche Voraussetzung des absoluten Bewusstseins im All-Einen ausmerzt.

Der Monismus verträgt einmal schlechterdings kein an und für sich bewusstes Weltwesen, und erst der Abfall vom Monismus zum Pluralismus einer schaffenden und vieler geschaffenen Substanzen macht die anthropopathische Annahme eines bewussten Gottes möglich – freilich auch nur auf Kosten des Verständnisses der Möglichkeit innerlicher Beziehungen zwischen der Creatur und ihrem transcendenten Schöpfer, die dann höchstens noch als der magische[181] Hocuspocus des Besessenseins des einen persönlichen Geistes durch den andern gefasst werden können.

Ein Gott, dessen Realität allein in seiner Geistigkeit besteht, und dessen Geistigkeit sich ausschliesslich in der Form des Bewusstseins bewegt, wird bei geschiedenem Bewusstsein unweigerlich auch zu einem realiter von der Welt geschiedenen Gott, zu einem äusserlichen jenseitigen Schöpfer; wer hingegen einen immanenten Gott sucht und begehrt, einen Gott, der in unsere Brust herniedersteigt und in ihr wohnet, einen Gott, in dem wir leben, weben und sind, wie ihn jede tiefere Religion fordern muss und wie auch das Christenthum und Judenthum (Deut. 6, 4. 30, 11. Jes. 66, 1.) ihn wirklich fordern, der muss sich klar machen, dass das All-Eine nur dann den Individuen wahrhaft innewohnen kann, wenn es sich zu ihnen als das Wesen zu seinen Erscheinungen, als das Subject zu seinen Functionen verhält, ohne durch ein eigenes Bewusstsein von ihnen geschieden zu sein, oder mit andern Worten, dass ein und dieselbe Thätigkeit nur dann gleichzeitig und ohne Collision zweier Bewusstseine Thätigkeit des Individuums und des All-Einen sein kann, wenn das All-Eine sich als unpersönlicher Wille und bewusstlose Intelligenz durch die Welt mit ihren persönlichen und bewussten Individuen ergiesst. Sowie Gott durch Verleihung eines eigenen Bewusstseins von der Welt geschieden wird, entsteht bei jeder Thätigkeit unrettbar die schneidige Alternative: entweder Thätigkeit Gottes, oder Thätigkeit des Individuums; ein drittes, ein Verbundensein beider Thätigkeiten ohne Collision der verschiedenen bewussten Willen wäre nur ausnahmsweise einmal durch Zufall, aber nicht in öfterer Wiederkehr oder gar als Regel möglich (vgl. oben Cap. B. X. S. 342-345). –

Wir haben zugestanden, dass es das Unbewusste selbst ist, welches in den organischen Individuen zum Bewusstsein kommt. Hieraus folgt, dass in dem Unbewussten die zureichende Ursache seines Bewusstwerdens gegeben sein muss, oder kürzer: es folgt das Unbewusste als Ursache des Bewusstseins. Ganz verkehrt aber wäre es, hieraus etwa schliessen zu wollen, dass das Bewusstsein schon in dem angeblich Unbewussten drinstecken müsse, da es sonst nicht aus ihm herauskommen könnte. Dieser Schluss wäre ebenso unrichtig wie der von Wilden und Ungebildeten in der That oft vollzogene Schluss, dass das Feuer in Stahl und Stein schon als Feuer drinsitzen müsse, da es sonst nicht als Funke aus ihrem Zusammenstoss herausspringen könnte. Nur soviel ist richtig,[182] dass in der Ursache die Summe aller der Bedingungen enthalten sein muss welche erforderlich und zureichend sind, damit die Wirkung aus ihnen hervorspringe oder resultire, aber keineswegs zutreffend ist die Forderung, dass in der Ursache die Wirkung schon als solche, d.h. schon in der Gestalt, wie sie als Wirkung erscheint, enthalten sein müsse, denn dann wäre das Eintreten der Wirkung gar keine Veränderung, also auch keine Causalität, sondern nur das Sichtbarwerden eines längst Bestehenden. Wir sahen schon oben, dass aus einem absoluten Bewusstsein das Entstehen von Individualbewusstseinen nimmermehr als möglich zu begreifen sei; aus einem Unbewussten dagegen ist es sehr wohl zu begreifen, wenn nur das Unbewusste alle Bedingungen in sich enthält, welche erforderlich und zureichend sind, um das Bewusstsein als Form der anderweitig gegebenen und bestimmten Vorstellung oder Empfindung daraus resultiren zu lassen. Als diese Bedingungen aber haben wir im Cap. C. III. die Zweiheit der Attribute und die Möglichkeit einer oppositionellen Stellung der aus ihnen zusammengesetzten Functionen zu einander erkannt, und diese Bedingungen müssen wir demnach nothwendig im Unbewussten voraussetzen. Wer etwa die angeführten Bedingungen als nicht richtig bestimmt ansieht, der wird an ihrer Stelle andre im Unbewussten voraussetzen müssen; mag er dieselben auch ganz unbestimmt lassen, wenn er sich nur vor dem Fehler hütet, das Bewusstsein selbst als unentbehrliche Bedingung der Entstehung des Bewusstseins hinzustellen, – eine Behauptung, welche als gänzlich aus der Luft gegriffen zu bezeichnen wäre, während die zwingendsten Gründe für das Gegentheil theils schon oben besprochen sind, theils alsbald zur Sprache kommen werden.

Einen gewissen Anstrich von Berechtigung würde der eben erwähnte Einwurf erst dann bekommen, wenn er sich darauf beriefe, dass der teleologischen Auffassung der Philosophie des Unbewussten gemäss (vgl. unten Cap. C. XIV 3) das Bewusstsein aus dem Unbewussten nicht als ein zufälliges oder causal-nothwendiges, also jedenfalls blindes Resultat hervorgehe, sondern dass es vom Unbewussten teleologisch gesetzt, d.h. um eines höheren Zweckes willen beabsichtigt sei, worin eben die ideale Anticipation enthalten sei. Man könnte alsdann meinen, diese ideale Anticipation des Bewusstseins oder das teleologische Vordenken des Bewusstseins müsse selbst schon ein Bewusstsein, und zwar eine höhere Stute des Bewusstseins repräsentiren. Abgesehen jedoch von der impliciten Form,[183] wie im Unbewussten das Denken des Zweckes das Denken des Mittels einschliesst und umgekehrt, ist noch Folgendes zu erwägen.

Das Denken des Bewusstseins setzt nur dann nothwendig ein höheres Bewusstsein voraus wenn das Bewusstsein als Bewusstsein, d.h. in der subjectiven Art und Weise gedacht wird, wie das Bewusstseinssubject von seinem Bewusstsein sich afficirt fühlt. So aber denkt das Unbewusste ganz gewiss das Bewusstsein nicht, da ja überhaupt sein Denken unserem subjectiven Denken schlechthin entgegengesetzt ist, so dass es als objectives Denken bezeichnet werden müsste, wenn nicht diese Bestimmung ebenso exclusiv einseitig und damit unzutreffend wäre. Schon in Cap. C. I. haben wir gesehen, dass wir von der Art und Weise, wie das Unbewusste vorstellt, nur das behaupten können, dass es nicht so vorstellt, wie wir vorstellen. Wenn wir also positiv sagen sollen, was das Unbewusste eigentlich denkt, wenn es das Bewusstsein als Mittelzweck eines anderweitigen Endzwecks denkt, so dürfte, da das Subjective ausgeschlossen ist, nichts übrig bleiben, als erstens der objective Process, dessen subjective Erscheinung das Bewusstsein ist, und zweitens die Wirkung der Emancipation der Vorstellung vom Willen, welche aus diesem Processe hervorgeht (vgl. oben Cap. C. III. 1). Hiermit sind die beiden festen Puncte gewonnen, auf die es bei dem teleologischen Vordenken des Bewusstseins allein ankommt, nämlich das Mittel und der Zweck, während die subjectiv-innerliche Seite des Bewusstseins in teologischer Hinsicht accidentiell ist und deshalb von der idealen Anticipation des Vorgangs nicht berührt wird.

Man könnte aber den Einwand noch allgemeiner hinstellen und z.B. sagen: Zwecke setzen, heisst für seine Zukunft sorgen; wie kann nun ein Unbewusstes, d.h. ein sich seiner als eines Gegenwärtigen Unbewusstes, sich seiner als eines Zukünftigen bewusstsein? Nun könnte ich mich zwar darauf berufen, dass ja diese ganze Zweckthätigkeit im Hinblick auf den bloss negativen Endzweck (der universellen Willensverneinung) ebenfalls nur eine negative ist, also sich nur darum dreht, den gegenwärtigen Zustand (des erhobenen Weltwillens) aufzuheben, nicht darum, einen positiven zukünftigen herbeizuführen; indessen würde die Zweckthätigkeit einerseits immer den künftigen privativen Zustand als Grenze des gegenwärtigen aufzuhebenden vorstellen, und würde andrerseits die Verzichtleistung auf das Vorstellen des künftigen Zustandes als Ziel des Processes mit dem allwissenden Hellsehen[184] des Unbewussten, das wir überall gefunden haben, wenig übereinstimmen. Es bedarf aber auch dieser Berufung gar nicht, da in der Schlussfolgerung des Einwandes ein Fehler steckt. – Im Reiche der Individuation werden vom Bewusstsein nämlich meist nur individuelle Zwecke verfolgt, individuelle Zustände bezweckt, mit Ansschluss der Theilnahme andrer Individuen an den bezweckten Zuständen; hierbei macht diese Exclusivität des Bezweckten natürlich die scharfe und deutliche Unterscheidung des Trägers des bezweckten Zustandes von anderen Individuen erforderlich. Anders im Reiche des All-Einen Unbewussten, wo eben jede Unterscheidung verschiedener Träger des bezweckten Zustandes und ebenso jede Ausschliessung des einen zu Gunsten des andern aufhört, weil die phänomenale Vielheit nicht in die Sphäre des metaphysischen Wesens hineinreicht (wie wir im vorigen Capitel gesehen haben). Hier, kann man sagen, ist Zustand schlechthin Zustand, d.h. allumfassender Zustand, ausser dem es jeweilig nichts Zuständliches mehr giebt; wird also in der Sphäre des All-Einen Unbewussten ein zukünftiger Zustand bezweckt, so wird er als absoluter, d.h. allumfassender Zustand bezweckt, der nichts ausser sich hat, und bei dem deshalb die Frage nach dem Träger des Zustandes als eine völlig bedeutungslose für den Vorgang des Bezweckens vernünftiger Weise gar nicht aufgeworfen werden kann. Es folgt hieraus, dass es verkehrt ist, die Reflexion des Bewusstseins auf den Träger des bezweckten Zustandes, an die wir einmal gewöhnt sind, nach dem Beharrungsvermögen der Gewohnheit auch auf die Zweckthätigkeit des Unbewussten zu übertragen; sehen wir doch schon bei den individuellen Instincten, dass das Individuum für seine Zukunft sorgt, ohne darum zu wissen, dass es sein eigenes Zukunftswohl ist, für das es sorgt, und sehen sogar bei den generellen Instincten, dass das Individuum für generelle Zwecke, also für fremde Subjecte sich abmüht, ohne eine Ahnung davon, für wen es sich plagt und opfert.

Es bleibt also an obigem Einwand nur so viel haltbar, dass das Unbewusste den Zustand wissen muss, den es als zu negirenden setzen soll, und von dem es nur wissen kann, indem es ihn in sich vorfindet, empfindet, da er ja nicht durch die unbewusste Vorstellung selbst spontan gesetzt ist, wie alle späteren Intuitionen; d.h. es ergiebt sich hier in der That aus dem Erklärungsbedürfniss der Zweckthätigkeit des Unbewussten a posteriori die Nothwendigkeit der Annahme eines transcendenten ausserweltlichen Bewusstseins, welches seinen Inhalt als einen zu negirenden[185] Zustand, d.h. als Unseligkeit oder Qual empfindet, – eine Annahme, deren Nothwendigkeit wir später in Cap. C. XV 2 a priori als in der Natur des Willens und den Gesetzen der Bewusstseinsentstehung begründet erkennen werden. Wohl gemerkt hat dieses einzige transcendente Bewusstsein des All-Einen, zu dessen Annahme wir bisher Veranlassung gefunden haben, nicht etwa eine Idee oder Vorstellung als Inhalt, sondern sie hat als einzigen Inhalt die absolut unbestimmte transcendente Unlust oder Unseligkeit des leeren unendlichen Wollens, welches unbestimmte metaphysische Unbehagen eben als der zu negirende Zustand den nothwendigen Ausgangspunct der unbewussten teleologischen Thätigkeit, als das Nichtseinsollende die feste Grundlage des Weltprocesses bildet. Dieses hier zugestandene Bewusstsein, welches erst durch die unheilvolle Erhebung des ruhenden Willens zum Wollen entstanden ist, und mit der Rückkehr des Willens in seinen ursprünglichen Zustand des in sich beschlossenen Friedens wieder aufhören muss (dies alles kommt erst in Cap. C. XV zur Begründung und Erläuterung), kann selbstverständlich dem Theismus keine Veranlassung bieten, über die Nothwendigkeit eines Bewusstseins im Unbewussten zu triumphiren. Der Versuch aber, aus der Finalität des Weltprocesses ein Bewusstsein von weiterem Inhalt als dem angegebenen ableiten zu wollen, stellt sich jedenfalls als vergebliches Bemühen heraus.

Fassen wir unsre Betrachtungen über die Frage nach dem Bewusstsein des All-Einen noch einmal zusammen, so ergiebt sich als Resultat, dass ausser dem ideenlosen Bewusstsein des unbestimmten Unbehagens über den erhobenen und unbefriedigten Weltwillen das All-Eine nur ein beschränktes Bewusstsein in den Bewusstseinsindividuen besitzt, welches ihm aber für die Ziele des Weltprocesses genügt, und dass die eigenthümliche Art und Weise oder Form seiner allwissenden und allweisen Intuition (absoluten Idee) eine solche ist, von welcher wir in Ermangelung positiver Angaben nur so viel aussagen können, dass sie über diejenige Form, welche wir als Bewusstsein kennen, erhaben ist, d.h. dass sie negativ bestimmt eine unbewusste, positiv unbestimmt bezeichnet eine überbewusste ist. Hiernach müssen wir das Bestreben, dem All-Einen dennoch ein exclusiv-göttliches, nach Analogie des menschlichen vorgestelltes Bewusstsein zuzuschreiben, für eine nicht geringere anthropopathische Verirrung und herabsetzende Beschränkung Gottes erklären, wie die der biblischen Schriften,[186] wenn dieselben ihm Zorn, Rachsucht und ähnliche nach den an uns selbst gemachten Erfahrungen bemessene Eigenschaften zuschreiben. (Selbst fromme Kirchenväter wie Augustmus sind von solchen Bedenken über das Bewusstsein Gottes beunruhigt worden.) Gilt dieses schon vom Bewusstsein überhaupt, so werden wir es um so mehr behaupten müssen von dem Bestreben, als speciellen Inhalt eines solchen Bewusstseins in Gott die Idee des All-Einen selbst zu setzen, d.h. ihm ein Selbstbewusstsein anzudichten. Gleichwohl wollen wir auch diesen Punct noch genauer prüfen. –

Das von mir zugestandene transcendente Bewusstsein hat als einzigen und alleinigen Inhalt die absolut unbestimmte Unlust, aber keine Idee, am wenigsten die Idee des All-Einen selbst; das Bewusstsein, welches das All-Eine in seinen Individuen hat, hat sich zwar seit Jahrtausenden in philosophischen Köpfen zum Bewusstsein des All-Einen selbst, also zum Selbstbewusstsein des All-Einen erhoben, doch ist dies eben nur ein innerweltliches, kein ausserweltliches Selbstbewusstsein des All-Einen, wie der Theismus es verlangt; von der unbewussten Vorstellung des All Einen oder der absoluten Idee aber können wir negativ wenigstens das mit Bestimmtheit behaupten, dass sie in der Selbstgenügsamkeit ihrer reinen Intuition zu einer Reflexion überhaupt eben so wenig Veranlassung hat, als zu einer bestimmten Reflexion in sich oder in Anderes; in Anderes nicht, da etwas Anderes ausser ihm nicht existirt; in sich nicht, da die Reflexion in sich erst aus der Reflexion in etwas Anderes hervorgehen kann. In der Einheit der absoluten Idee fehlt eben jeder Grund zur Trennung von Subject und Object, deshalb fehlt auch deren Scheinen in einander, welches das Bewusstsein ausmacht, und es fehlt speciell die Umbiegung der Vorstellungsthätigkeit nach ihrem Ursprung hin, die Zurückwendung aufs thätige Subject als Vorstellungsziel, welche Retroversion der Denkthätigkeit gerade das Charakteristische ist für den Begriff des Selbstbewusstseins, wie wir ihn vom menschlichen Selbstbewusstsein abstrahirt haben. Die absolute Idee umfasst ja sonst alles was ist denn ihre idealen Bestimmungen werden ja als Willensinhalt zu jenen Erscheinungen, deren Summe wir die Welt nennen; das unbewusste Denken der Substanz erschöpft mithin die Summe aller ihrer Modi, und insofern in diesen ihr eigenes ganzes Wesen sich auseinandergelegt hat, sich selbst als die Summe seiner auseinandergelegten Momente (in seinem Anderssein), – aber nur in diesem Sinne sich selbst, nicht als das, worauf es in dem Begriffe des[187] Selbstbewusstseins eigentlich ankommt, als thätiges Centrum der Emanation.13 Um letzteres zu ergreifen, dazu bedarf es der Umbiegung oder Reflexion, die in den Gehirnen der Individuen stattfindet, wobei der intuitive Charakter der Vorstellung verloren geht, aber dafür in der That das Selbstbewusstsein des All-Einen im strengen Sinne gewonnen wird – nur freilich nicht als extramundanes transcendentes – und zugleich als ein solches, das ausser dem Begriff des All-Einen als thätigen Weltcentrums nur einen sehr geringen Theil seiner Erscheinungen, nicht, wie die unbewusste Idee, deren ganze Fülle umspannt. Wie die aus Lichtstrahlen bestehende Lichtsphäre den ganzen Raum erleuchtet, nur den Punct nicht, von dem sie ausgestrahlt wird, es sei denn, dass eine Reflexion einiger Strahlen an spiegelnden Flächen und dadurch eine Umkehr der Richtung dieser Strahlen stattfinde, so kann auch die intuitive ideale Gesammtthätigkeit des All-Einen das All erkennen, nur den Punct nicht, von dem sie ausgeht, das thätige Centrum des Alls, es sei denn, dass gewisse Bündel dieser Strahlen an dem Gehirn eines Organismus zum Bewusstsein gebrochen werden, welches dann aber nothwendig ein einseitiges, beschränktes, kein allumfassendes absolutes, werden muss.A32

Die bisherigen Betrachtungen scheinen im Verein mit dem unten anzuführenden, vom Uebel in der Welt hergenommenen Argument hinreichend, um die völlige Unhaltbarkeit eines specifisch göttlichen Bewusstseins und Selbstbewusstseins im All-Einen zur Evidenz zu bringen. Wir befinden uns in dieser Auffassung im vollsten Einklange mit den Ansichten der neueren deutschen Philosophie; auch hier hat das Absolute weder in Fichte's früherer Lehre, wo es durch die unreelle, unsubstantielle abstracte moralische Weltordnung repräsentirt wird (Fichte's Werke V. 186-187, 264, 368), noch in seiner späteren Lehre, wo es als das ewig unveränderliche, verhüllte Sein hinter unserem es offenbarenden Bewusstsein steht (W. V, 441-442), noch bei Schelling (vgl. seine Werke I. 1. S. 180; I. 3. S. 497; I. 4.[188] S. 256; I. 7. 53-54 und 67-68), noch bei Hegel (was allerdings der reactionäre Theil der Hegel'schen Schule zu bestreiten sucht), noch bei Schopenhauer ein Bewusstsein ausserhalb der von ihm durchwehten Individuen (vgl. auch Bd. I, S. 20-26 Einleitendes I. c. die Bemerkungen über die genannten Philosophen). –

Nach diesen Ergebnissen in Betreff des Bewusstseins und Selbstbewusstseins in Gott werden wir kaum ein günstigeres Resultat erwarten dürfen in Bezug auf den Begriff der Persönlichkeit, auf welchen der Theismus als Prädicat seines Gottes so hohen Werth zu legen pflegt, dass er gerade, um ihn in retten, so dringlich auf dem unhaltbaren Prädicate des Bewusstseins und Selbstbewusstseins selbst dann noch besteht, nachdem durch die Erkenntniss der unbewusst-überbewussten reflexionslos-intuitiven Intelligenz im All-Einen die früheren Bedenken (vgl. oben S. 175 ff.) gegen die Beseitigung dieser anthropopathischen Prädicate Gottes erledigt waren. Es würde der Anwendung des Persönlichkeitsbegriffs Nichts im Wege stehn, wenn man dessen Definition auf eine mit Willen und Intelligenz verknüpfte Individualität beschränkte14, und sicher wäre: keine inadäquaten, anthropopathischen Nebenbegriffe hineinzutragen. Aber leider liegt eine Garantie hierfür so wenig vor, dass vielmehr im Gegentheil das Prädicat der Persönlichkeit fast immer nur in der Absicht angewendet worden ist, um dadurch unangemessene Vorstellungen, die aber vielleicht dem Gemüthe behagen, hineinzuschmuggeln. Juridisch beruht der Begriff der Persönlichkeit auf den Kriterien der bürgerlichen Rechtsselbstständigkeit; dieser Begriff hat natürlich in Bezug auf Gott gar keinen Sinn. Ethisch genommen ist der Begriff der Persönlichkeit mit der Beurtheilungsfähigkeit der eigenen Handlungen und der dadurch bedingten sittlichen Verantwortlichkeit gegeben, aber auch diese Uebertragung einer Beziehung, die zwischen gesondert sich gegenüberstehenden Individuen höchst wichtig ist, auf das absolute, allumfassende Individuum erscheint unzulässig, weil es keine Individuen mehr neben sich, sondern nur in sich, und weil selbst diese letzteren nur Manifestationen seiner selbst, Phänomene, nicht Substanzen sind, also nicht der Substanz, durch welche sie erst sind, coordinirt werden können, wie es der Begriff der ethischen Relation erfordern[189] würde.15 Dianoiologisch genommen besteht der Begriff der Persönlichkeit in dem Vorhandensein eines Bewusstseins über die Identität der allen zeitlich getrennten Selbstbewusstseinsacten in demselben Bewusstsein zu Grunde liegenden Bewusstseinssubjecte (vgl. S. 30), ist also hier das Resultat einer ziemlich complicirten Reflexion über eine Anzahl von durch das Gedächtniss zusammengefassten Reflexionsacten des Selbstbewusstwerdens; da Gott in seiner absoluten Intuition über jede Reflexion (schon über die des einfachen Selbstbewusstwerdens, geschweige denn über die Reflexion der Identität der Subjecte jener Reflexionsacte) weit erhaben ist, und obenein für ihn eine solche Reflexion bei dem Mangel irgend eines Seienden, von dem er sich zu unterscheiden hätte, völlig überflüssig und tautologisch[190] wäre, so kann auch der dianoiologische Persönlichkeitsbegriff keine Anwendung auf Gott finden, eben so wenig wie der juridische oder ethische. Der Versuch, die dianoiologische Persönlichkeit Gottes aus religiösen Rücksichten um jeden Preis zu retten, führt durch seine Consequenzen nothwendig zu der phantastischen Annahme einer über die materielle zeitliche Natur erhabenen und von ihr verschiedenen ewigen Natur in Gott (Jacob Böhme und Franz von Baader), welche einen ewigen Process in Gott mit Selbstunterscheidung und Wiederineinsfassung in ähnlicher Weise ermöglichen soll, wie die wirkliche zeitliche Natur den zeitlichen Weltprocess mit der sich in ihm ergebenden Entzweiung von Subject und Object in den endlichen Bewusstseinen, welche ja doch sämmtlich Bewusstseine des All-Einen Wesens sind. Man erkennt hieraus nur, wie schwach es mit einer Hypothese bestellt sein muss, wenn ihre bedeutendsten Vertreter sich genöthigt bekennen, behufs ihrer Aufrechterhaltung zu so künstlichen, phantastischen und aus der Luft gegriffenen Hilfshypothesen ihre Zuflucht zu nehmen.A35

Diesen Erwägungen nach scheint es angemessener, dem Begriff der Persönlichkeit nicht eine so weite Bedeutung zu verleihen, wie die oben gegebene Definition thut, um ihn dadurch auf Gott anwendbar zu machen. Individuen, die mit Wille und Intelligenz begabt sind, giebt es viele, welche darum doch noch nicht dem Begriff der Persönlichkeit entsprechen (Thiere, tiefstehende Wilde, Blödsinnige u. s. w.) und denen wir deshalb diese Bezeichnung versagen; warum sollen wir nicht dieselbe Enthaltsamkeit üben einem Individuum gegenüber, das jenem Begriff nicht mehr entspricht, weil es über alle die Beschränkungen erhaben ist, welche die Merkmale jenes Begriffs nach seinen verschiedenen Seiten ausmachen? Auch hier liegt die Herabsetzung des höchsten Wesens wiederum nicht auf Seiten derer, welche ihm das Prädicat der Persönlichkeit versagen, sondern auf Seiten derer, welche es ihm zuschreiben. Ja sogar genauer besehen stellt sich auch gerade die Herabziehung Gottes als der heimliche Zweck der Sache heraus, d.h. man sucht in Gott eine Person (nach menschlichem Maasse), um durch diese Art von Coordination Gottes mit dem bei ihm Trostsuchenden Ich es zu ermöglichen, dass man sich mit Gott gleichsam auf Du und Du stellen kann, wie mit einem pietätsvoll verehrten Gleichstehenden, um bei der Ausschüttung des Herzens vor ihm eines menschlich nachfühlenden Verständnisses für die eigene Gemüthsbewegung sicherer zu sein. Schon die christlichen[191] Apostel fingen bei der wachsenden Läuterung des Gottesbegriffs an, die Unangemessenheit dieses kindlichen Gebahrens zu ahnen, an dem die naiv anthropopathische Vorstellungsweise des älteren Jüdenthums noch keinen Anstoss genommen hatte, und je erhabener bei fortschreitender Entwickelung des christlichen Theismus durch die Berührung mit hellenischer Philosophie der Gottesbegriff sich gestaltete, desto mehr sah das mit dem Gedanken in Widerspruch gerathende religiöse Gemüthsbedürfniss sich dazu gedrängt, zu einer vermittelnden menschlichen Persönlichkeit (Christus, später Maria und die Heiligen) Zuflucht zu nehmen. Wie die Reformation sich genöthigt fand, die menschliche Persönlichkeit Christi nach Beseitigung des Gebets an die Heiligen wieder mehr hervorzuheben, als im Katholicismus geschah, so hat in Folge des seit einem Jahrhundert mehr und mehr schwindenden Christusglaubens der Theismus wieder Gott selbst durch Verleihen menschlicherer Züge aus seiner abstracten Ferne dem Menschen näher zu rücken gesucht, und dies ist der wichtigste Grund für die mit dem Begriff Gottes unvereinbare Betonung der Persönlichkeit desselben. Erwägt man aber, dass aus philosophischem Gesichtspunct der practische Nerv des Gebets ohnehin schon dadurch gelähmt ist, dass ihm nach der modernen Weltanschauung nur noch eine rein subjective Bedeutung und Wirksamkeit zugeschrieben werden kann, so erscheint der Werth jenes dem Gedanken widerstreitenden Gemüthspostulats auch von dieser Seite mehr als zweifelhaft; denn wenn ich einmal die illusorische Beschaffenheit des Glaubens an eine objective Bedeutung und Wirksamkeit des Gebets erkannt habe, so ist die Beschaffenheit der objectiven Adresse, an die das Gebet gerichtet gedacht wird, völlig gleichgültig geworden, da es sich in Wahrheit doch nur um einen Monolog handelt, dem die etwaige Taschenspielerei einer bewussten Selbsttäuschung hinsichtlich eines fingirten Angeredeten an Werth nichts zulegen kann. Mit diesem heut unvermeidlichen Zugeständniss, dass die Bedeutung des Gebete auf den Werth einer thatsächlich monologisirenden Gemüthsexpectoration zur Selbstaufrichtung reducirt ist (Schleiermacher), verschwindet auch innerhalb des Theismus jedes practisch religiöse Motiv, mit Umgehung und Missachtung des begrifflich Geforderten nach der Bekleidung Gottes mit dem Prädicat der Persönlichkeit im genaueren Wortsinn zu trachten; mit dem Verzicht auf das Prädicat der Persönlichkeit schwindet aber, wie schon oben bemerkt, wiederum das practisch religiöse Interesse an der Aufrechterhaltung des persönlichen[192] göttlichen Selbstbewustseins, und mit diesem das letzte Interesse an der Behauptung eines exclusiven transcendenten Bewusstseins des All-Einen. Ist so erst das practisch religiöse Interesse beseitigt, welches alle diese Begriffe trotz ihrer längst erwiesenen Unhaltbarkeit fallen zu lassen sich nicht entschliessen konnte, dann treten die begrifflichen Schwierigkeiten und philosophischen Beweise in ungehemmte Wirksamkeit, und zwingen denjenigen Theismus, welcher von der rohen Natürlichkeit einer anthropopathischen Gottesvorstellung sich philosophisch zu haltbaren metaphysischen Begriffen zu klären und zu läutern bemüht ist, in diesem Läuterungs- und Vertiefungsprocess den letzten nothwendigen Schritt zu thun, vor dem er bisher aus missverstandenem religiösem Interesse zurückgebebt ist. Das Resultat aber, welches bei diesem letzten, gegenwärtig unabweisbar gewordenen Schritte der Selbstläuterung des Theismus herauskommt, ist dasselbe, welches die Philosophie des Unbewussten von ganz andrer Seite her eigenartig begründet dem Theismus entgegenbringt, und die alten Stützen des letzteren sind nachgerade eine nach der andern morsch und hinfällig genug geworden, dass er froh sein sollte, wenn eine anderweitige neue sich ihm darbietet.

Dass alle Eigenschaften der göttlichen Intelligenz (Allwissenheit, Allweisheit, allzeitliche Allgegenwart) auch auf die hellsehende unbewusste Intuition unsres All-Einen anwendbar seien, wird zu Anfang des Cap. C. XII noch näher gezeigt werden, und dem unbewussten absoluten Willen haben wir die Allmacht schon früher zuerkannt. Nehmen wir hinzu, dass wir das Unbewusste im vorigen Capitel als das Individuum im eminenten Sinne erkannt haben (S. 156 ff. u. 170-173), und dass die früheren Ansprüche des Theismus auf Persönlichkeit, Selbstbewusstsein und Bewusstsein Gottes in ihrem bisherigen Sinne unhaltbar geworden sind, dass aber alles Haltbare an denselben durch unser Unbewusstes in der That befriedigt wird, so erhellt, dass auf dieser Seite eine principielle Differenz zwischen einem sich recht verstehenden Theismus und der Philosophie des Unbewussten nicht gefunden werden kann.A36

Schon eher könnte dies so Scheinen nach einer andern Richtung, nämlich in Betreff der Stellung des Individuums zum All-Einen, aber auch hier werden wir sehen, dass ein sich recht verstehender Theismus nothwendig einige Schritte von der vulgären Auffassung sich entfernen muss, und dann ebenfalls mit unserem[193] Standpunct zusammentrifft. Der Theismus ist nämlich ursprünglich Dualismus, indem er der Welt eben sowohl Substantialität zuschreibt wie Gott; zwar ist dieser Dualismus erst ein seit der (zeitlich gedachten) Weltschöpfung bestehender, also kein rückwärts ewiger, aber er soll doch ein vorwärts ewiger sein, indem auch die Substanz der höheren Creatur ewig sein soll. Der Dualismus ist mithin zwar erst durch den Act der Schöpfung entstanden, aber thatsächlich ist er nun einmal vorhanden, und zwar mit der Bestimmung, nicht wieder zu verschwinden. Ein solcher Dualismus ist aber philosophisch unhaltbar und drängt unweigerlich zum Monismus zurück. Wir haben im vorigen Capitel (S. 162-165) gesehen, dass der ernst genommene Dualismus die empirisch gegebene und a priori geforderte Causalität der Individuen untereinander aufhebt und zum Occasionalismus oder zur prästabilirten Harmonie – zwei gleich unhaltbaren Verlegenheitsausflüchten – herabsetzt, und dass die Causalität als influxus physicus nothwendig das Aufgehobensein der Individuen als Phänomene in der Einen absoluten Substanz fordert; wir können hier dasselbe Resultat durch Betrachtung des Begriffs der Schöpfung gewinnen, welche einen unterscheidenden Fundamentalbegriff des Theismus bildet. – Der consequente Dualismus würde annehmen müssen, dass die durch den Schöpfungsact als Substanz geschaffene Welt fortsubsistiren würde, auch wenn der Schöpfer plötzlich vernichtet würde; nur unter dieser Bedingung wäre die Welt dauerndes Residuum eines einmaligen Schöpfungsactes, nur unter dieser Bedingung echte und wahre Substanz. Diese Consequenz ist denn aber doch dem Theismus selber zu stark, und er verzichtet deshalb darauf, in der Welt ein blosses fertiges Resultat eines einmaligen Schöpfungsactes zu sehen; er lässt seinen Gott zunächst die Rolle des Weltordners und Weltregierers dauernd fortspielen, wie der Weltbaumeister des griechischen Dualismus sie dem Chaos der ewigen unerschaffenen Materie gegenüber inne hatte. Für diese Materie aber, und streng genommen auch für die individuellen, einmal in die Wirklichkeit gesetzten unsterblichen Geister, sucht der Theismus zunächst noch den Begriff einer geschaffenen Substanz, eines caput mortuum eines einmaligen, jetzt längst vergangenen Schöpfungsactes festzuhalten, welches Residuum zwar Gott die Macht hat, wieder zu vernichten wenn es ihm einfällt, welches aber ohne solchen göttlichen Eingriff von selbst unvergänglich bestehen bleibt. Indessen bald muss der Theismus merken, dass er hiermit vor derselben Schwierigkeit[194] steht, vor derselben Verkleinerung Gottes, dass dieses Residuum dann auch fortdauern würde, wenn Gott vernichtet würde, und dass ihm damit eine Gottes Absolutheit beschränkende Selbstständigkeit zugestanden sein würde. Dieses Bedenken konnte nur beseitigt werden, wenn die Fortsubsistenz bei Vernichtung Gottes der Creatur abgesprochen wurde; die Creatur muss ins Nichts zusammenfallen, wenn der Schöpfer seine Hand auch nur einen Augenblick von ihr abzieht, dies ist aber nur dann möglich, wenn das Fortbestehen durch eine stetig wirksame Function Gottes, durch einen in jedem Moment erneuten Willensact bedingt ist.

Eine solche erhaltende Thätigkeit Gottes, welche das beständig drohende Zurücksinken der Creatur ins Nichts verhindert, zeigt nun aber keinen Unterschied mehr von dem ersten Schöpfungsact, welcher die Creatur aus dem Nichts hervorrief; denn beide setzen an die Stelle der Nichtexistenz der Creatur in diesem Augenblick die Existenz derselben; d.h. aber, die Erhaltung der Creatur durch Gott ist näher als stetige Schöpfung zu bestimmen. Hiermit ist der unhaltbare Begriff des caput mortuum eines vergangenen Schöpfungsactes abgestreift, gleichviel ob diese Vergangenheit nach Jahrtausenden oder nach Secunden misst, und ist die Existenz der Creatur in jedem Momente als Schöpfungsact desselben Moments begriffen. Die Schöpfung aus Nichts, welche im Gegensatz zum griechischen Dualismus vom jüdisch-christlichen Theismus betont wurde, um das Fehlen einer von Gott vorgefundenen ewigen Materie hervorzuheben, ist dann so zu verstehen, dass das, woraus Gott schöpft, seine eigene Schöpferkraft ist, d.h. (auf die Creatur bezogen): dass die ganze reale Existenz der Creatur rein in der auf dieselbe gerichteten göttlichen Schöpferkraft und ihre ganze Essenz für jeden Augenblick rein in dem Inhalt besteht, den der göttliche Schöpfungsact dieses Augenblicks in sie ergiesst.

Soweit ungefähr ist der Theismus in seiner philosophischen Begriffsläuterung gediehen; es ist aber leicht zu sehen, dass hiermit eben schon der Begriff der Substanz in der Creatur verloren gegangen ist, da sie gar keine Subsistenz mehr hat als durch die absolute göttliche Substanz, also nur diese vermittelst des in ihr sich manifestirenden stetigen schöpferischen Willensactes das in ihr Subsistirende oder von sich selbst Beharrende ist, die Creatur selbst aber und ihr Dasein nur die Manifestation oder das Offenbarwerden der auf ihre stetige Schöpfung oder Erhaltung gerichteten Functionen des Absoluten, oder kurz gesprochen, eine Erscheinung16[195] des All-Einen Wesens ist. Die reale Existenz und die Essenz der Creatur wird hierdurch gar nicht beeinträchtigt, da wir ja ohnehin schon gesehen haben, dass das, was man ihre Realität nennt, nur in der Summe der in ihr functionirenden Willensacte besteht (vgl. oben S. 172-173); es löst sich aber durch Beseitigung des Begriffs der erschaffenen Substanz der Begriff der Schöpfung in den der stetigen Manifestation des absoluten Willens und der absoluten Idee, d.h. in den der Erscheinung des absoluten Wesens auf. Das Individuum, welches zu dieser Auffassung vorgedrungen ist, erlangt dadurch für sein religiöses Gefühl die erwünschte Ueberzeugung, dass es sein ganzes Sein und alles was es ist, in jedem Augenblick Gott und ihm allein verdankt, dass es gar nicht ist als in ihm und durch ihn, und dass das Wesen in ihm Gottes Wesen selber ist. So ist auch der Dualismus aus dem Theismus verschwunden und durch volles Ernstmachen mit dem reinen Monismus für das hingebungs-brünstige religiöse Gefühl zugleich das Bewusstsein einer Innigkeit der Beziehung zwischen Gott und Mensch gewonnen, die gar nicht von ferne zu erreichen ist, so lange der Mensch durch den schiefen, in Sich widerspruchsvollen Begriff einer erschaffenen Substanz als eine fremde, selbstständige, in sich abgeschlossene persönliche Substanz Gott gegenüber gestellt wird, der nun zusehen mag, wie er es anfängt, in den substantiell von ihm geschiedenen Menschen hineinzukommen. Die rein monistische Weltanschauung ist auch allein im Stande, das metaphysische Fundament zu einer dem Einspruch jeder souveränen individuellen Willkür enthobenen Ethik zu legen (vgl. Schopenhauer),A37 welche auf Grund einer pluralistisch-individualistischen Ethik nur dann allgemeingültig errichtet werden könnte, wenn der Begriff der göttlichen Offenbarung eines allgemeinverbindlichen Moral-Kanons haltbar wäre. Jene tiefere Innigkeit der Beziehung des Individuums zum Absoluten und diese bessere Grundlegung der Ethik, welche der Monismus dem dualistischen Theismus gegenüber gewährt, und um derentwillen von jeher auch die mystischen Theosophen und Theologen des Abendlandes eine starke und entschiedene Hinneigung zum Pantheismus zeigten, haben schon lange vor Entstehung des Christenthums die rein arischen Religionen[196] Indiens besessen,A38wogegen das Christenthum aus seiner semitischen. Entstehung den Dualismus zwischen Schöpfer und Schöpfung wenigstens in den orthodoxen Lehren der hauptsächlichsten Confessionen festhielt. Während aber die pantheistischen Religionen Indiens, in dem Irrthum der Ewigkeit der Erscheinung befangen und die reale Existenz der Zeit verkennend, sich nicht zu einer geschichtlichen Weltanschauung zu erheben vermochten, und deshalb ihre gläubigen Völker in geschichtslosem Quietismus dahindämmern und verkommen liessen, so hat dagegen der jüdisch-christliche Theismus zum Ersatz für seine sonstigen Mängel eine geschichtliche Weltanschauung entwickelt, in welcher die allweise Vorsehung auf Grundlage des Naturprocesses den historischen Process nach teleologisch vorherbestimmtem Plan zu einem vernünftigen Endziel leitet; aus diesem allmählich immer klarer herausgebildeten Glauben an vernünftige historische Entwickelung haben die europäischen Nationen die Kraft ihrer Hingebung an den historischen Process geschöpft.A39

Gegenwärtig, wo die specielleren Formen der christlichen Religion sich offenbar überlebt haben und der Glaube an die vorsehungsgeleitete historische Entwickelung ohnehin in Fleisch und Blut der modernen Bildung übergegangen ist, handelt es sich wesentlich darum, diesen bleibenden Kern des Theismus aus der hinfälligen Schale zu befreien und mit dem wahren Wesen der pantheistischen indischen Religionen zu vereinigen, um durch diese rein aus dem Geiste unseres arischen Stammes hervorgewachsenen Ideen eine religiöse Vertiefung und Steigerung der Intensität des religiösen und ethischen Empfindens zu gewinnen, welche unsrer irreligiösen und nur noch krampfhaft an religiösen Aeusserlichkeiten sich klammernden Zeit eine belebende Erfrischung sein würde. Dass das Alte als solches nicht mehr haltbar ist, und nur noch künstlich und gewaltsam als Mumie conservirt wird, wird allgemein empfunden und zugestanden, Dass aber durch blosse kritische Negation nichts direct gebessert wird, wenn nicht gleichzeitig frische Elemente der religiösen Empfindung zugeführt werden, würde eben so allgemein anerkannt werden, wenn man nicht an dem Auffinden dieser positiven neuen Elemente vielfach verzweifelte. Wenn dieselben irgendwo zu finden sind, so liegen sie in jenem unvergänglich wahren Kern des rein arischen Pantheismus, welcher mit der auf weitem Umwege ausgebildeten geschichtlichen Weltanschauung des Juden- und Christenthums verschmolzen werden muss, um durch diese Concrescenz etwas zu Stande zu bringen, was die Vorzüge beider Seiten ohne ihre[197] Mängel in sich vereinigt und deshalb höher steht als jede einzelne der beiden.A40 In diesem Sinne dürfen wir sagen: wir stehen unmittelbar vor der Zeit, wo die jüdisch-christliche Weltanschauung nur noch die Wahl hat, völlig abzusterben oder pantheistisch zu werden. Die metaphysische Grundlegung dieser Umgestaltung aber, welche vorbereitet war durch die pantheistischen und mystischen Philosophien des Mittelalters und der Reformationszeit (Scotus Erigena, Meister Eckhart, Giordano Bruno, Jacob Böhme, Spinoza), ist philosophisch ausgeführt und begründet durch die neueste deutsche Philosophie, deren einseitig berechtigte und werthvolle Bestrebungen und Richtungen im Princip des Unbewussten zur vorläufig abschliessenden Einheit zusammengewachsen sind. Gerade in unsrer Zeit, wo der Gegensatz zwischen den unvermittelten Extremen einer starren theistischen Unfehlbarkeitsgläubigkeit und eines irreligiösen atheistischen Naturalismus sich immer unversöhnlicher zuzuspitzen droht, scheint der goldne Mittelweg eines spiritualistischen Monismus oder Pantheismus, welcher beiden Seiten die Brücke zur Verständigung und Vereinigung auf neutralem Boden schlägt, von höchster Wichtigkeit für die friedliche geistige Entwickelung der modernen Gesellschaft zu sein.A41

Nachdem wir uns bemüht haben, die Hauptdifferenzen zwischen dem Unbewussten und dem Gott des Theismus als bei philosophischer Begriffsläuterung des Theismus verschwindende zu erweisen, darf ein Hauptpunct schliesslich nicht unerwähnt bleiben: der Theismus behauptet nämlich, dass die Existenz der Welt eine beabsichtigte Folge aus Gottes Güte und Allwissenheit sei, und sieht sich deshalb angesichts des Uebels in die Nothwendigkeit des Versuchs einer Theodicee gesetzt, deren Unmöglichkeit schon Kant in einer besonderen Abhandlung überzeugend dargethan hat. Wir rechten hier nicht mit dem Optimismus derer, welche, wie der jüdische Theismus, die ganze Welt und das Leben in ihr wunderherrlich finden, und das Uebel für verschwindend halten gegen das Glück, das daneben besteht; wir bestehen auch nicht auf der Nothwendigkeit einer Theodicee in Betreff des sittlich Bösen, welches ja sonst indifferent wäre, wenn es nicht zur Vermehrung des Leidens beitrüge; wir fordern nur Rechenschaft von demjenigen Theismus, der, wie der christliche, das überwiegende Leid und Elend in der Welt (vgl. Cap. C. XIII) zugiebt, und doch den Entschluss der Schöpfung dieser Welt als einen Ausfluss der göttlichen Allwissenheit und Allweisheit betrachtet. Die Vertröstung auf die Unsterblichkeit hilft hier nichts, denn[198] auch im Jenseits ist die Zahl der Seligen sehr klein gegen die der Qual leidenden Verdammten (Matth. 7, 13-14; 22, 14). Die nur theilweis acceptirte Lehre von der dereinstigen Wiederbringung aller Creatur am Ende aller Dinge ist an sich zu problematisch, um Beachtung zu verdienen, und lässt die Frage offen, weshalb bis dahin die Weltelend sein musste. Da nun Gott schlechterdings nicht Urheber des Uebels sein soll und darf, so sieht sich der Theismus darauf angewiesen, den Ursprung des Uebels ausserhalb Gottes zu suchen, d.h. da ausser Gott nur noch seine Creatur existirt, in der Creatur. Eine sittliche Verschuldung des ersten(?) Menschenpaares soll die Verschlechterung der Natur zur natürlichen Folge gehabt haben so dass Gott nun mit ansehen muss, wie Milliarden für den Fehltritt zweier vor Jahrtausenden gestorbener Individuen, d.h. schuldlos leiden; da aber trotzdem der Zusammenhang zwischen menschlichem Fall und Verschlechterung der Natur, zwischen sittlicher Schuld und natürlichem Weltelend, allzukühn erschien, muss eine übermenschliche Creatur herbeigezogen werden, ein Teufel, der die schöne Schöpfung Gottes verdarb und in Unordnung brachte. Für eine kindlichere Zeit mochte diese Theodicee durch die beiden Sündenböcke Lucifer und Adam gut genug sein, wir lächeln nur noch über solche Phantasieen; wir weisen aber zugleich im Princip jeden Versuch zurück, Gott von der Verantwortlichkeit für das Weltelend durch Abwälzung derselben auf irgend welche seiner Creaturen zu entlasten, da erstens eine solche, die Absichten Gottes durchkreuzende Selbständigkeit der Creatur nach unsern obigen Darlegungen nicht denkbar ist, und da zweitens ein allwissender und allweiser Gott die Willensentscheidung seiner Creatur in allen von ihm herbeigeführten Verhältnissen und die sämmtlichen indirecten Folgen ihres Thuns im Augenblick der Schöpfung vorhersehen und in Rechnung stellen musste bei der Frage, ob es weise sei, eine so ausfallende Welt zu schaffen.

Es ist wohl zu beachten, dass es ganz gleichgültig ist und nichts an der Schwere der Verantwortung ändert, ob die bei dem Entschluss zur Weltschöpfung thätige Intelligenz Gottes bewusst oder unbewusst angenommen wird; wäre überhaupt die göttliche Intelligenz bei der Entscheidung darüber, ob eine Welt geschaffen werden sollte oder nicht, mitbetheiligt gewesen, so wäre der thatsächliche Ausfall dieser Entscheidung im Sinne der Bejahung eine unentschuldbare Grausamkeit gegen die geschaffenen Substanzen im Sinne des dualistischen Theismus, im Sinne des Monismus aber[199] der Wahnsinn einer Gottesaskese, einer göttlichen Selbstzerfleischung. Wenn wirklich eine absolute (gleichviel ob bewusste oder unbewusste) Intelligenz zu den Attributen Gottes gehört, wie ja auch wir annehmen, so ist es angesichts des Weltelends unmöglich, dass sie bei der fraglichen Entscheidung mitgewirkt habe, also unmöglich, dass sie während der Willenserhebung, welche über das »Dass« der Welt entschied, thätig und wirksam war. Nur wenn die Existenz der Welt durch den Act eines blinden, von keinem Lichtstrahl der vernünftigen Intelligenz erhellten Willens entschieden wurde, nur dann ist diese Existenz begreiflich, nur dann ist Gott als solcher nicht für dieselbe verantwortlich zu machen. Eine solche Nichtbetheiligung der Intelligenz beim Ursprung kann aber der Theismus in allen seinen bisherigen Gestalten nicht erklären, er muss sie bei der Annahme eines ewigen innerlichen Geisteslebens eines selbstbewussten Gottes geradezu als unmöglich behaupten. Bei unsern Principien ist indessen dieselbe sehr wohl begreiflich, ja sogar a priori nicht anders zu erwarten, weil nämlich (nach Cap. C. I) die Vorstellung an sich kein Interesse am Sein hat und nur durch die Erhebung des Willens aus dem Nichtsein ins Sein gesetzt werden kann, also weder vor, noch während der Erhebung des Willens seiend ist, sondern erst durch dieselbe es wird. Gesetzt also, die Erhebung des blinden Willens zum actuellen Wollen (d.h. das aller actuellen Intelligenz im All-Einen vorausgehende Moment der Initiative) genügte, wie wir später sehen werden, um das »Dass« der Welt zu setzen, so wäre hiermit erklärt, wie trotz der Allwissenheit Gottes (während des Weltprocesses) doch der unglückliche Anfang eines solchen zu Stande kommen konnte.

Nun entsteht aber eine zweite Frage: warum hat Gott nicht den blind begangenen Fehler im ersten Moment, wo er sehend wurde, d.h. seine allweise Intelligenz ins Sein trat, wieder gut gemacht und seinen Willen gegen sich selbst gekehrt? So unbegreiflich und unverzeihlich wie der erste Anfang ohne die Annahme einer blinden Action, so unbegreiflich und unverzeihlich wäre das laisser aller dieses Elends mit sehenden Augen, wenn die Möglichkeit eines unmittelbaren Aufhebens offen stände. Hier hilft uns wiederum die Untrennbarkeit der Vorstellung vom Willen im Unbewussten, die Unfreiheit und Abhängigkeit der Idee vom Willen, in Folge deren diese wohl sein »Was«, sein Ziel und seinen Inhalt, aber nicht sein »Dass und Ob« zu bestimmen hat. Wir werden sehen, dass der ganze Weltprocess nur dem einen Zwecke dient,[200] die Vorstellung vom Willen vermittelst des Bewusstseins zu emancipiren, um durch die Opposition derselben das Wollen zur Ruhe zu bringen; wäre nun letzteres ohne Bewusstsein erreichbar, oder bestände schon ein solches Bewusstsein im Sinne einer Emancipation der Vorstellung vom Willen zu Anfang des Weltprocesses in Gott, so wäre der ganze Weltprocess eine thörichte Zwecklosigkeit, indem er sich mühen würde, etwas zu erringen, was entweder zu dem, worauf es ankommt, gar nicht erforderlich ist, oder aber was längst vorhanden ist. Diese Erwägung giebt den letzten durchschlagenden Entscheidungsgrund gegen die Annahme eines transcendenten Bewusstseins in Gott im Sinne einer Emancipation der Vorstellung vom Willen, wenn schon die oben dagegen angeführten Gründe mehr als ausreichend waren. Dieses letzte Argument ist wohlgemerkt ein durchaus inductives, aus der empirischen Thatsache des Weltelends abgeleitetes, welches allein darauf beruht, dass keine Hypothese mit einem bewussten Gott im Stande ist, die zu erklärende Thatsache ohne Widerspruch denkbar zu machen.A42

Obwohl nach Spinoza's Identification von Gott, Substanz und Natur der Begriff Gott gewissermaassen in die Philosophie eingebürgert worden ist, so halte ich doch den Ursprung eines Begriffes für so wichtig für seine Bedeutung, dass es mir angemessen erscheint, einen Begriff von so exclusiv religiösem Ursprung wie Gott in der Philosophie möglichst zu vermeiden. Ich werde daher auch ferner für gewöhnlich bei dem Ausdruck »das Unbewusste« bleiben, obwohl die vorstehenden Darlegungen gezeigt haben werden, dass ich zum Gebrauch des Wortes »Gott« mehr Recht haben würde, als Spinoza und mancher Andre.A43 Wenn schon die formelle Negativität meiner Beziehungsweise für ein durch und durch positives Wesen für die Dauer eine inadäquate sein muss, so wird dieselbe doch so lange ihren eigenthümlichen prophylactischen Werth beanspruchen dürfen, als der anthropopathische Irrthum von der Bewusstheit des Absoluten noch in nennenswerthem Ansehn steht. Wenn aber erst einmal das negative Prädicat der Unbewusstheit als ein selbstverständliches und nicht mehr erwähnenswerthes Prädicat des Absoluten allgemein anerkannt sein wird, dann wird auch zweifelsohne diese negative Bezeichnung im geschichtlichen Fortschritt der Philosophie längst durch eine passendere positive ersetzt sein.A44[201]

A30

S. 177 Z. 2. J. H. v. Kirchmann behauptet in seiner Schrift »Ueber das Princip des Realismus« S. 43: »In Wahrheit hat also das Vorstellen des Unbewussten alle Bestimmungen, welche das Wissen bei dem Menschen zu einem bewussten machen«, und sucht diese Behauptung folgendermaassen zu begründen: »Als solche Form zeigt sich nun bei dem bewussten Wissen, dass es 1. den Inhalt überhaupt in der Form des Wissens hat; 2, dass es diese Form selbst zugleich weiss, oder dass das Wissen neben seinem Inhalt zugleich sich selbst als Wissen weiss (seiner bewusst ist); 3. dass das Wissen die vielen zerstreuten und hinter einander aufgenommenen Vorstellungen zusammenfassen und vermöge der ihm einwohnenden Beziehungsformen in der mannichfachsten Weise auf einander beziehen kann, und 4. dass das Wissen trotz der Vielheit seines Inhaltes und seiner zeitlich getrennt eintretenden Vorstellungen sie doch als Eines weiss. Von diesen die Form des Wissens betreffenden Bestimmungen besitzet nun das unbewusste Vorstellen des All-Einen nach den Auseinandersetzungen des Verfassers unzweifelhaft die unter 1., 3. und 4. ebenfalls; denn die Vernünftigkeit dieses Attributs, die wesentlich als Beziehung der einzelnen Vorstellungen in der Form von Mitteln auf andere als Zwecke dargelegt wird, gehört ja zu der Bestimmung unter 3. und die All- Einheit des Unbewussten führt auch zu der Bestimmung unter 4. Aber selbst die Bestimmung zu 2. kann dem Vorstellen des Unbewussten nicht abgesprochen werden, weil ja nur dadurch das Herausheben der zweckmässigen Mittel aus der ganzen Vorstellungsmasse bei dem aushelfenden Eingreifen des Unbewussten in einzelnen Fällen möglich ist, und weil der Gegensatz des Wollens und Vorstellens in ihm ebenfalls als gewusster enthalten sein muss, da ja das Endziel, die Aufhebung des Willens durch bewusstes Vorstellen, nur dadurch von ihm überhaupt vorgestellt werden kann.«

Hierüber ist Folgendes zu bemerken. Nr. 3 und 4 betreffen das Vereinendes zerstreut gegebenen empirischen Vorstellungsmaterials im Bewusstsein, oder die verknüpfenden Beziehungen des Vorstellungsinhaltes, der durch die Enge und Discursivität des Wahrnehmens räumlich und zeitlich zerstückelt ist. Das unbewusste Vorstellen braucht aber die innere Mannichfaltigkeit seines Inhaltes nicht erst nachträglich zur Einheit zusammenzufassen, weil derselbe ursprünglich eine einheitliche Totalität, nicht ein Aggregat von zerstreuten Bruchstücken, ist; es braucht sich seiner Einheit gar nicht bewusst zu werden, weil die innere Vielheit desselben ihm nicht, wie dem bewussten Wahrnehmen, gegeben, sondern von ihm selbst gesetzt ist und zwar in der unaufhebbaren Einheit gesetzt ist. Ebensowenig wie die Einheitsform erst nachträglich zu dem Inhalt der unbewussten Idee herzugebracht werden muss, ebensowenig die Beziehungen, in welchen die vielen Momente und Theile dieses Inhaltes zu einander und zu dem Ganzen stehen. So weit diese Beziehungen in der intellectuellen Anschauung überhaupt enthalten sein können, so weit stecken sie in dem Inhalt des unbewussten Vorstellens implicite schon drin, ohne dass dasselbe nöthig hätte, sich ihres Vorhandenseins in abstracter Explication bewusst zu werden; so weit aber die Beziehungen unseres bewussten Denkens auf der Discursivität desselben beruhen, so weit können sie überhaupt in das unbewusste Vorstellen niemals Eingang finden. Die Behauptung Kirchmann's, dass seine Punkte Nr. 3 und 4 auf das unbewusste Vorstellen in meinem Sinne Anwendung fänden, ist also sicherlich irrthümlich. Was aber den Punkt Nr. 1 betrifft, so ist der in demselben gebrauchte Ausdruck »Form des Wissens« durchaus zweideutig. Soll derselbe bloss so viel wie »Form der Idealität« (im Gegensatz zur Form der Realität oder des Daseins) besagen, so ist damit nicht mehr gesetzt wie die von mir betonte (und von Kirchmann kurz vorher citirte) Gemeinsamkeit eines idealen Inhaltes ohne eigene Realität für die unbewusste und bewusste Vorstellung; soll aber »Form des Wissens« dasselbe bedeuten wie »Form des Bewusstseins«, dann ist es ja eben die Streitfrage, ob diese Bestimmung dem unbewussten Vorstellen zukomme, so dass Kirchmann deren Bejahung von seiner Seite nicht zugleich als Grund für diese Bejahung anführen kann.

Es ist hiernach klar, dass von den vier von Kirchmann aufgestellten Punkten nur der zweite den Kern der schwebenden Frage berührt, obwohl er an Deutlichkeit des Ausdrucks zu wünschn übrig lässt. Es wird als charakteristische Form des bewussten Wissens erklärt dass das Bewusstsein nicht bloss seinen Inhalt wisse, sondern dass es ihn auch als Inhalt im Gegensatz zu seiner Form wisse, d.h. dass es ihn als Object habe, womit zugleich das Wissen von sich als Subject zusammengehört. In Wahrheit ist das Wissen von der Form des Bewusstseins als solchen und von dem Gegensatz des Inhalts gegen dieselbe erst Resultat einer höheren Entwickelung des bewussten Intellects, aber es bleibt darum doch richtig, dass das factische Bestehen dieses Gegensatzes von Form und Inhalt des Bewusstseins und die aus demselben resultirende Gegenständlichkeit oder Objectivität des Inhalts charakteristisch für das bewusste Vorstellen ist. Dies ist aber eben nur deshalb der Fall, weil für das unbewusste Vorstellen diese Trennung und dieser Gegensatz von Form und Inhalt des Wissens, von Subject und Object des Vorstellungsactes nicht besteht, weil hier Subject und Object in unmittelbarer Identität sind, oder vielmehr noch in der Indifferenz stecken geblieben, aus der ursprünglichen Ungeschiedenheit noch nicht herausgetreten sind. Dieser Gegensatz entspringt erst aus dem realen Conflict opponirender und einander hemmender Individualwillen; im All- Einen, das nichts ausser sich hat, ist nichts denkbar, was die Identität des Subject-Object in der unbewussten Idee stören und zur Scheidung des reflectirenden Wissens vom Gewussten führen könnte. – Kirchmann giebt zwei Gründe an, weshalb das unbewusste Wissen zugleich Wissen seiner selbst als Wissens, d.h. Bewusstsein (oder genauer Selbstbewusstsein) sein müsse, deren Begründungskraft mir aber, selbst im Sinne ihres Urhebers genommen, nicht recht deutlich geworden ist. Er behauptet nämlich, dass erstens das Herausheben der zweckmässigen Mittel aus der ganzen Vorstellungsmasse und zweitens die Vorstellung des Wollens als Gegensatz des Logischen ohne Wissen vom Wissen nicht möglich sei. Nun werden aber die zweckmässigen Mittel nicht aus einer ganzen Masse actueller unzweckmässiger Vorstellungen herausgehoben, sondern es werden von allen möglichen Vorstellungen nur diejenigen in's Leben treten, welche logisch gefordert (z.B. als Mittel zum Zweck gefordert) sind; es ist nicht ersichtlich, was die logische oder teleologische Bestimmung der Qualität der in's Leben tretenden Idee auf die Zerstörung der Indifferenz von Subject und Object oder von Form und Inhalt in der unbewussten Idee für einen Einfluss haben sollte. (Auf andere aus der Zwecksetzung hervorgeleitete Einwendungen gegen die Unbewusstheit der absoluten Idee wird weiter unten S. 183 ff. eingegangen werden.) Ebenso wenig ist ersichtlich wie daraus, dass das Wollen für die Idee ein gewusstes sein müsse, die andere Behauptung abgeleitet werden soll, dass das Gewusstwerden des Willens durch die Idee ein bewusstes sein müsse, oder dass bei diesem Wissen auf das Wissen als solches reflectirt werden müsse. Nicht wie Kirchmann meint, als vorgestelltes Endziel, sondern als Ausgangspunkt muss das Wollen in irgend welcher Weise bewusst werden, damit ein Process überhaupt zu Stande komme (hierauf kommen wir gleichfalls weiter unten Seite 185-186 und 432-435 zurück); indessen dieses Bewusstsein ist ein inhaltlich ganz unbestimmtes, das nur den Anstoss zur Entfaltung der Idee giebt, aber nicht in ihren Inhalt mit eingeht. – So schwindet bei näherer Untersuchung jeder Schein von Begründungskraft für die weiter von Kirchmann versuchten Beweise seiner Behauptung, dass das Vorstellen des Unbewussten alle, oder auch nur irgend eine der Bestimmungen habe, welche das Wissen bei dem Menschen zu einem bewussten machen.

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S. 178 Z. 1. »Ges. Stud. u. Aufsätze« S. 643-644.

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Auch bei Spinoza ist der vom Attribut des absoluten Denkens wohl zu unterscheidende unendliche Intellect Gottes (vgl. Ethik Theil I Satz 31 Bew.) nur die Summe der unendlich vielen endlichen Intellecte, aus welchen er sich als aus seinen integrirenden Bestandtheilen zusammensetzt (Theil V Satz 40 Anmerk.). Jeder dieser unendlich vielen Intellecte ist die Idee eines Körpers oder ausgedehnten Dinges (II Satz 11 u. 13), und sind darunter nicht bloss die menschlichen Intellecte zu verstehen, sondern überhaupt die Ideen aller Naturdinge, die ja alle mehr oder minder beseelt sind (II 13 Anm.), deren Summe also den idealen Inhalt des Universums erschöpft

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Auch bei Hegel besitzt die absolute Idee kein andres Selbstbewusstsein als dieses; so sehr Hegel urgirt, dass das Absolute nicht bloss Substanz, sondern auch (Bewusstseins-)Subject sei, so wird sie doch Bewusstseinssubject auch nach seiner Lehre immer erst in den beschränkten Individuen. Aus der falschen Voraussetzung, dass das Bewusstsein nothwendiges und ewiges Moment im Absoluten sei, folgt für Hegel consequenter Weise nichts weiter als die Ewigkeit des Naturprocesses, also die unendliche Dauer einer mit so hoch organisirten Wesen erfüllten Welt, dass das Selbstbewusstsein des Absoluten nie ausstirbt; keineswegs aber folgt für Hegel aus jener falschen Voraussetzung das Bestehen eines transcendenten Bewusstseins im Absoluten an sich.

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Nur in diesem Sinne ist auch bei Spinoza von einer Selbsterkenntniss Gottes die Kode; die Idee, welche in Gott actuell ist, ist auch in ihm jederzeit nur eine einzige, allumfassende (Ethik Theil II Satz 4), welche alle einzelnen Intellecte als die Ideen der Modi der Ausdehnung (vgl. oben S. 539 Anm.) und die Ideen aller dieser Intellecte, oder die Ideen dieser Ideen (Eth. II Satz 20 u. 21), d.h. die reinen Formen dieser Ideen ohne Rücksicht auf ihre ausgedehnten Objecte (II Satz 21 Anm.) in sich schliesst, und zwar als logisch nothwendig gesetzte in sich schliesst. Gott als Subject oder natura naturans erkennt also nicht sich als Subject der erkennenden Thätigkeit oder des Attributs des Denkens, sondern als Object desselben, d.h. als natura naturata (vgl. I Satz 29 Anm.).

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S. 188 Z. 20. Man kann dieses dem Lichte entlehnte Gleichniss noch weiter ausführen. Der leuchtende Punkt ist das absolute Subject, die sphärische Ausstrahlung des Lichts ist seine centrifugale unbewusste Action. Ein individuelles Selbstbewusstsein oder Ich entsteht nur da, wo die Umkehrung eines Strahlenbündels in die centripetale Richtung (z.B. an einem Hohlspiegel) stattgefunden hat, und alle reflectirten Strahlen sich in einem gemeinsamen Brennpunkt vereinigen. Dieser Brennpunkt ist ein Abbild des leuchtenden Centralpunktes, nur mit dem unterschied, dass in dem Urbild des absoluten Subjects die Strahlen von dem Punkte centrifugal ausgesandt werden, in dem Abbild aber die centripetalen Strahlen den Schein eines Lichtpunktes hervorbringen. Da das Bewusstsein und Selbstbewusstsein Reflexion in sich ist, so ist es auch nur in den reflexiv entstandenen Abbildern zu suchen. Sollte der centrale Lichtpunkt, ausserdem, dass er unbewusste ausstrahlende Lichtquelle ist, gleichzeitig auch noch Brennpunkt aller von ihm ausgehenden Strahlen sein, so müsste die Einrichtung getroffen sein, dass alle Strahlen an der spiegelnden Innenfläche einer Hohlkugel reflectirt werden, in deren Mittelpunkt der leuchtende Punkt stände. Alsdann würden nämlich alle vom Mittelpunkt ausgehenden Strahlen auch auf ihn reflectirt werden und an eben diesem Mittelpunkte ein universelles Abbild erzeugen, das mit dem Urbild in Eins fiele. Eine solche Einrichtung würde aber eben die Vielheit von beschränkten Abbildern ausschliessen, und alle zu einem einzigen universellen Abbild zusammenfassen; sie ist also thatsächlich in der Welt, welche uns viele individuell beschränkte Selbstbewusstseine zeigt, nicht vorhanden. Eine solche Einrichtung wäre aber auch ihrer Ausführung nach gar nicht denkbar, weil nämlich ausser den vom Centrum ausgehenden Actionen nichts existirt. Die individuell beschränkten localisirten Brennspiegel der Organismen müssen erst durch Acte gesetzt werden, welche den in ihnen sich brechenden Acten entgegentreten, und sie können es (wenn man von der Gradlinigkeit der Lichtstrahlen absieht), weil sie nur einzelne Stellen der gesammten Lichtsphäre einnehmen. Eine spiegelnde Hohlkugel aber, welche alle Acte zum Centrum reflectiren sollte, könnte nicht mehr durch Acte eben dieses Centrums gesetzt werden, sondern müsste gegeben sein als ein zweites Absolutes neben dem ersten Absoluten.

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In diesem Sinne allein will Schelling in seiner späteren »Philosophie der Offenbarung« den Theismus als Lehre vom Einen dreipersönlichen Gotte verstanden wissen (vgl. seine Definition der Persönlichkeit: Werke II 1, S. 281, und meine Schrift »Schellings positive Philosophie« S. 42 – 43 Anm.).

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Diejenigen Leser, welche gewöhnt sein sollten, mit dem ethischen Begriff der Persönlichkeit den der Freiheit untrennbar verknüpft zu denken, sind darauf hinzuweisen: 1) dass die Freiheit mit der Zurechnungsfähigkeit zeitweilig aufgehoben sein kann, ohne dass die Fortdauer der Persönlichkeit dadurch aufgehoben ist; 2) dass dieser Freiheitsbegriff nur dann eine Beziehung zum Persönlichkeitsbegriff in sich enthält, wenn er als Freiheit der individuellen Selbstbehauptung andern Individuen gegenüber genommen wird, dass er dann aber aus dem oben angeführten Grunde nicht auf das All-Eine übertragbar ist, da dieses nicht nöthig hat, sich irgend wogegen zu behaupten; 3) dass der Begriff der menschlichen Willensfreiheit überhaupt auf einer Illusion begründet ist (vgl. Cap. B. XI Anfang) und die Zurechnungsfähigkeit nicht auf einer Beschaffenheit des Willens, sondern des Intellects, und zwar des bewussten discursiven Intellects beruht, also schon deshalb nicht auf das All-Eine Anwendung finden kann. Gäbe es eine menschliche Freiheit, so würde sie doch nicht auf das All-Eine nach Analogie übertragen werden können; wäre sie selbst übertragbar, so würde sie doch keine Spur eines Persönlichkeitsbegriffs in das All-Eine mit hineintragen; würde sie aber von der Verquickung mit diesem ihr fremdartigen Begriff gereinigt, so würde schliesslich durch diese Uebertragung dem All-Einen nicht einmal etwas zugeschrieben werden, was nicht unserm Unbewussten bereits als solchem zukommt. Jeder Gegensatz eines fremden Zwanges, aus dem der Freiheitsbegriff erst seinen speciellen Gehalt gewinnt, fehlt hier, und das Unbewusste ist deshalb zweifelsohne insofern absolut frei, als es alle seine Entscheidungen nur aus sich gelber schöpft und von nichts Aeusserem darin alterirt werden kann. Es besitzt ferner thatsächlich nach unsern Untersuchungen die dem Menschen nur irrthümlich zugeschriebene Fähigkeit, in jedem Moment in die naturgesetzlich gegebene Erscheinungsreihe spontan als Ursache eingreifen zu können, welche ein neues Moment der Bestimmung des Processes zu den vorliegenden hinzufügt, und übt diese Fähigkeit in den teleologischen Eingriffen beständig aus. Es erweist sich endlich, wie wir in Cap. C XV sehen werden, vor der getroffenen Entscheidung, durch die es sich allerdings bis zur Wiederherbeiführung des status quo ante die Hände bindet, als frei, sich vernünftig oder unvernünftig zu verhalten, d. h in der Buhe des Nichtwollens zu verbleiben oder sich zum Wollen, d.h. zur Weltschöpfung zu erheben; der Mensch hingegen bandelt selbst da dem schlechthin vernünftigen Weltplan gemäss, d.h. vernünftig, wo er sich einbildet, demselben zuwider, d.h. unvernünftig, zu handeln. Das All-Eine Unbe-wusste besitzt also jede mögliche Freiheit, und kann zu derselben durch die irrthümliche Annahme einer menschlichen Freiheit und deren analoge Uebertragung keineswegs irgend eine Art noch nicht besessener Freiheit hineinzubekommen.

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S. 191 Z. 17. Sobald der Theismus sich zu ernstlichen Rettungsversuchen der Bewusstheit und Persönlichkeit Gottes herbeilassen wird, wird sicher auch die »Natur in Gott« wieder berufen sein, eine wichtige Rolle in der Discussion zu spielen. Man kann zwei verschiedene Bedeutungen dieses Ausdrucks unterscheiden. Die erste umfasst dasjenige in Gott, was ungöttlich, vorgöttlich oder untergöttlich ist, einen finsteren Urgrund oder Ungrund, einen Willen des Zornes, zu welchem im Gegensatz sich erst der göttliche Vernunftwille und Liebeswille herausarbeitet, und in dessen Ueberwindung und Bändigung er seiner selbst inne wird und sich auf sich selbst besinnt. In der zweiten Bedeutung hingegen erscheint die »Natur in Gott« als etwas eminent Göttliches, als die reinste ungetrübteste aller göttlichen Schöpfungen und als das edelste Product des göttlichen Vernunft- und Liebeswillens; sie ist das Platonische Ideenreich, oder das »ideale Universum« Schelling's, ein über Zeit, Raum und Stoff erhabenes Urbild der geschaffenen Natur vor ihrer Entlassung zur äusseren Wirklichkeit. Die erstere Bedeutung führt, wenn sie ernst genug genommen wird, um für die Bewusstseinsentstehung in Gott etwas zu leisten, auf einen parsischen oder manichäischen Dualismus zurück, welcher den Monismus der absoluten Substanz oder des absoluten Subjects sprengt; sie gehört dem Gedankenkreis einer trüben Theosophie an, welche stets als heterodox gegolten hat, und wohl auch schwerlich Aussicht hat, vom theistischen Lager der Philosophie angenommen zu werden. Einen etwas moderneren Anstrich hat die zweite Bedeutung, welche für den abstracten ästhetischen Idealismus eines Schelling, Krause, Weisse, Schopenhauer u.s.w. noch in diesem Jahrhundert bestimmend geworden ist (vgl. die betreffenden Abschnitte und die unter »abstracter Idealismus« im Sachregister verzeichneten Stellen in meiner »Deutschen Aesthetik seit Kant«). Nur von dieser zweiten lässt sich eine weitere Verwendung erwarten, und deshalb dürfen wir ihr wohl noch eine kurze Betrachtung widmen.

Die »Natur in Gott« als ideales Universum müsste es danach sein, was Gott die Unterscheidung seiner als Subject von diesem in ihm gesetzten Object ermöblichen soll. Zunächst geht aus dieser Annahme hervor, dass das ideale Universum ein von Gott unbewusst gesetztes sein muss; denn das Bewusstsein soll sich ja erst an ihm, nachdem es gesetzt ist, entzünden. Daraus folgt aber, dass die unbewusste Geistesthatigkeit Gottes auch ohne alles Bewusstsein ausgereicht hatte, dasjenige zu setzen, was das überlegene Urbild der äusseren Natur sein soll; es muss daraus weiter gefolgert werden, dass dann die unbewusste Geistesthätigkeit Gottes erst recht dazu ausreichend gewesen sein muss, um das ideale Universum in vergröberter und zersplitterter Gestalt als Realität aus sich herauszusetzen, da dies eine gröbere und ungeistigere Leistung ist im Vergleich zur Setzung des Urbilds. Hat die unbewusste Thätigkeit Gottes ausgereicht zur Production des idealen Universums, so können es überhaupt nicht mehr die Ansprüche der Weltschöpfung und Weltregierung, nicht mehr das Verhältniss des Schöpfers zur geschaffenen Welt sein, wodurch die Entfaltung eines göttlichen Bewusstseins als Vorbedingung gefordert würde, sondern es kann nur ein inneres Bedürfniss in Gott ganz abgesehen von seinen Aufgaben als Weltschöpfer und Weltregierer sein, durch welclie er sich zur Entfaltung eines göttlichen Bewusstseins getrieben fühlt. In der That ist aber ein solches Bedürfniss in Gott ebenso unnachweislich und unabsehbar, wie das ideale Universum in Gott unfähig ist, zur Befriedigung eines solchen etwaigen Bewusstseinsbedürfnisses in Gott irgend etwas beizutragen. Wenn schon das realisirte äussere Universum immerdar ein innergöttliches Product bleibt, das niemals abgelöst von der Productivität beharrt, sondern stetig durch sie neu gesetzt wird, so gilt dies für das ideale innere Universum in noch höherem Maasse, da ihm jede Veränderlichkeit fehlt, und da es nur von der göttlichen Vorstellung idealiter gesetzt, aber nicht vom göttlichen Willen realisirt ist. So gewiss beide durch unbewusste Thätigkeit Gottes stetig gesetzt werden müssen, so gewiss hat Gott in den Producten dieser unbewussten Productivität keinerlei Anlass, auf einen Gegensatz von Product und Producenten zu reflectiren, da das ideale wie das reale, das unwandelbare wie das wandelbare Product nur in und durch den Act der Productivität existirt. Kann Gott sich zu dem realen Universum nicht in einem solchen Gegensatz fühlen, dass daraus ein Bewusstsein und Selbstbewusstsein entspränge, so kann er es erst recht nicht zu einem bloss idealen Universum.

Im Uebrigen passt der Begriff des idealen Universums als eines übersinnlichen ewigen Urbilds nur für eine Weltanschauung ohne zeitliche reale Entwickelung, welche nur eine beschränkte Zahl von platonischen Ideen oder Gattungstypen kennt und im realen Naturprocess nur das ewige Einerlei von lauter individuellen Kreisläufen innerhalb eines jeden dieser Gattungstypen sieht. Dagegen ist dieser Begriff nicht aufrechtzuerhalten für einen teleologisch-evolutionistischen Weltprocess, in dem jede Entwickelungsphase des Universums als einheitlichen Ganzen seine genau bestimmte zeitliche Stelle haben muss. Wenn strenggenommen schon die übersinnlichen Gattungstypen nicht unräumlich zu denken sind, so ist ihr succesives Auftreten (z.B. in geologischen Epochen) noch weniger unzeitlich zu denken. Das ewige ideale Zugleicherklingen aller Töne der grossen Symphonie des Weltprocesses gäbe keine ideale Harmonie, sondern die gräulichste Disharmonie. Wie die verschiedenen Entwickelungsphasen des realen Universums schon im idealen Universum getrennt und als Vor und Nach geschieden sein müssen, so muss das in jeder Entwickelungsphase Zusammengehörige auch schon im idealen Universum zusammenstehen. Ein einziger Typus kann nur so lange im idealen Universum Vertreter einer Menge von Individuen im realen Universum sein, als die Idee abstract gattungsmässig aufgefasst und das reale Ineinanderübergehen der Typen ignorirt wird. Sobald die Idee als individuell concrete verstanden wird, müssen auch im idealen Universum die urbildlichen Ideen für alle realen Individuen vorhanden sein und dürfen die systematischen und genealogischen Uebergänge zwischen den Gattungstypen auch hier nicht fehlen. Alles was im realen Universum reell vorkommt, muss schon im idealen Universum ideell vorgebildet sein, und die räumliche Zusammengehörigkeit und zeitliche Aufeinanderfolge der idealen Urbilder muss dieselbe sein wie diejenige der realen Individuen. So zeigt sich denn, dass das ideale Universum identisch ist mit dem idealen Seinsgehalt des realen Universums, und dass der Unterschied zwischen beiden und derjenige von reiner Idealität und willensrealisirter Idealität ist.

Die Frage ist nun bloss noch, ob das ideale Universum und der ideale Seinsgehalt des realen Universums numerisch zusammenfallen oder zwei numerisch, verschiedene Exemplare derselben Idee sind; mit andern Worten: ob Gott ein doppeltes ideales Universum setzt und hat, nämlich eines für sich und eines für die Realisation zum realen Universum. In der That wäre es nicht abzusehen, was Gott aus dieser Verdoppelung der Idee für einen Gewinn ziehen könnte, da er das eine Exemplar genau in demselben Sinne setzt und hat wie das andere. Aber auch abgesehen von der Sonderbarkeit und Erfolglosigkeit dieser Annahme ist dieselbe nur dann möglich, wenn Denken und Wollen, Schauen und Schaffen, ideell Setzen und reell Setzen in Gott nicht zusammenfallen; denn sonst müsste jedes der beiden Exemplare des idealen Universums gleichmässig vom göttlichen Willen realisirt werden, also zwei gleiche reale Welten statt einer herauskommen. Diese unentbehrliche Hilfshypothese von der Trennbarkeit des Schauens und Schaffens in Gott widerstreitet jedoch den herkömmlichen Ansichten des Theismus ebensosehr wie den bisherigen Ergebnissen unserer philosophischen Betrachtung. Es wäre das Schauen ohne Schaffen in Gott nur denkbar, wenn er erstens das Bewusstsein, das er aus dem Ergebniss des rein idealen unbewussten Schauens erst erringen soll, schon besässe, und wenn er zweitens aus bewusster Reflexion einen Hemmungswillen setzte, welcher den unmittelbar mit dem Schauen vereinigten Realisirungswillen paralysirte. Beides sind selbst für den Standpunkt des Theisten unmögliche Annahmen. Damit ist gezeigt, dass die Hypothese einer »Natur in Gott« im Sinne eines urbildlichen idealen Universums ausser Stande ist, die Streitfrage über die Bewusstheit oder Unbewusstheit Gottes zu Gunsten der Bewusstheit zu entscheiden.

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S. 193 Z. 6 v. u. (Vgl. hierzu Plümacher »Der Kampf um's Unbewusste« Berlin 1881 S. 87-103.)

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Bei diesem Ausdruck ist natürlich nicht im Entferntesten an den erkenntniss-theoretischen Begriff der »subjectiven Erscheinung« zu denken, der das Correlat zum erkenntniss-theoretischen Begriff des »Dinges an sich« ist, während wir es hier mit dem Begriff der göttlich oder objectiv gesetzten, oder objectiven Erscheinung zu thun haben, welche das Correlat zum metaphysischen Begriff des »Wesens« ist (vgl. oben S. 171)

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S. 196 Z. 10 v. u. (Vgl. »Das sittliche Bewusstsein« 2. Aufl., zweite Abtheilung, Abschn. C. Cap. I: »Das monistische Moralprincip oder das Moralprincip der Wesensidentität der Individuen« und Cap. II: »Das religiöse Moralprincip oder das Moralprincip der Wesensidentität mit dem Absoluten« S. 613-659.)

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S. 197 Z. I. (Vgl. meine Religionsphilosophie 2. Aufl. Theil I: »Das religiöse Bewusstsein der Menschheit im Stufengang seiner Entwickelung«, B. I: »Der abstracto Monismus oder die idealistische Erlösungsreligion« S. 271-365.)

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S. 197 Z. 16. (Vgl. Religionsphilosophie Theil I. B. II: »Der Theismus« S. 366-589.)

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S. 198 Z. 2. (Vgl. Religionsphilosophie Theil I. B. II. 3 b: »Die Religion des Sohnes und die Religion des Geistes« S. 589-625 und Theil II: »Die Religion des Geistes«.)

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S. 198 Z. 20. Bei dem Erscheinen der 6. Aufl. dieses Werkes war es mir noch unbekannt, dass das hier von mir aufgestellte Postulat in einer gleichzeitig mit meiner ersten Auflage erschienenen »Christlichen Dogmatik« (Zürich, bei Orell & Füssli 1869) bereits den Anfang seiner Verwirklichung gefunden hatte. Der Verfasser (Professor A. E. Biedermann in Zürich) dieses Buches, das ich nicht bloss als die bedeutendste theologische, sondern auch als eine der hervorragendsten speculativen Leistungen des letzten Menschenalters betrachten muss, dürfte für das letzte Drittel dieses Jahrhunderts eine ähnliche Stellung in der protestantischen Theologie beanspruchen können wie Schleiermacher für dessen erstes Drittel, und in einem ähnlichen Verhältniss zu Hegel, wie Schleiermacher zu Plato und Spinoza stehen. An Stelle der Schleiermacher'schen Verschwommenheit aber bietet er eine gedrängte Fülle scharfen speculativen Denkens, und steht auf den Schultern der historisch-kritischen Richtung, deren Resultate er nicht wie die Vermittelungstheologie vertuscht, sondern in voller ungebrochener Schärfe in sich aufnimmt, und als negativen Durchgangspunkt für seine positive Speculation verwerthet, welche den eigentlichen Gedankengehalt der vorstellungsmässigen, an ihren immanenten Widersprüchen sich zersetzenden historischen Dogmen entfalten soll. Wenn auf irgend eine Weise die historische Continuität des Christenthums zu retten wäre, so wäre es ohne Zweifel auf diese; meines Erachtens ist freilich die Uebereinstimmung des historisch Ueberlieferten mit dem von der Speculation zuletzt herausgelesenen Gedankengehalt eine so entfernte, dass am Ende doch nur der Name gerettet wird, der eine ganz neue Sache' deckt. Worauf es hier aber ankommt, ist die Thatsache, dass aus den Kreisen der protestantischen Theologie selbst speculative Reformbestrebungen auftauchen, welche über kurz oder lang alles um ihre Fahne sammeln müssen, was ein lebendiges Christenthum festzuhalten sacht, also der erstarrten Orthodoxie abhold ist, und doch von der rationalistisch ausgeklärten und matt sentimentalen Irreligiosität des liberalen Protestantismus sich ebenso abgestossen findet, wie von der begrifflichen Unklarheit und dem Vertuschungssystem der Vermittelungstheologie. Der speculative Gehalt dieser neuen Reformtheologie steht nun als ein im modernen Sinne geläuterter Hegelianismus den von mir vertretenen Principien ganz nahe, wenn er auch in einigen Punkten in der Sache, in anderen nur in der Terminologie von denselben abweicht (vgl. besonders die Abschnitte: »Das Wesen Gottes«, §. 617-631; »Das Dasein Gottes«, §. 632-640, und »Der Begriff des absoluten Geistes«, §. 696-717).

Auch Biedermann sucht die höhere synthetische Einheit zu einer Weltanschauung, welche das Absolute nur als die in das All ausgegossene Lebenskraft und einer, welche es als geistige Persönlichkeit auffasst, und sieht in beidem nur einseitig wahre Vorstellungsweisen, welche in dem höheren Begriff des unpersönlichen absoluten Geistes aufgehoben werden müssen (S. 645). Dass er erstere Ansicht als die pantheistische bezeichnet, erscheint dabei als eine unwesentliche Differenz des Ausdruckes; mir dünkt, dass die Etymologie des Wortes »pantheistisch« die Beseitigung des geistigen, spiritualistischen Moments gar nicht zulasse, und dass eine Ansicht, welche das Absolute nur als ungeistige Naturkraft versteht, nur den Namen des Naturalismus oder naturalistischen Monismus, aber nicht den des Pantheismus erhalten könne. Dagegen deckt sich letztere Bezeichnung recht eigentlich mit dem Princip eines unpersönlichen absoluten Geistes, für welches Biedermann sich nur den adäquaten Ausdruck verschlagen hat. Seine angebliche Synthese des Theismus und Pantheismus ist daher sachlich ganz dasselbe, was meine Synthese des naturalistischen Monismus und des Theismus sein will, nämlich spiritualistischer Monismus oder Pantheismus.

Biedermann erkennt offen an, dass der Verstand mit Nothwendigkeit darauf geführt werde, den einheitlichen absoluten Grund der inneren Zweckmässigkeit der Welt als einen derselben unpersönlich immanenten zu fassen, und dass jeder Versuch, die gesetzmässige immanente Zweckmässigkeit auf den weisen Willen eines persönlichen Weltschöpfers zurückzuführen, dieselbe nicht nur ihrer Absolutheit entkleidet, sondern auch den immanenten Zweck der Welt mit den persönlichen Zwecken ihres Schöpfers in eine unlösbare Antinomie versetzt (§. 628). Er spricht es aus, dass Gott nicht etwa bloss mit seinem Wirken der Welt immanent, mit seinem Sein aber ihr transcendent sei, sondern dass er ihr gerade als Grund ihres Daseins immanent sei und dass dieses Grundsein der Welt sein Sein selbst sei, das nicht als ein aperes dahinter liege (S. 629); nur insofern könne eine Transcendenz Gottes der Welt gegenüber behauptet werden, als er von den Daseinsformen der Welt (Räumlichkeit und Zeitlichkeit) unberührt bleibe, d.h. als er zwar überall und immer als Grund dem endlichen Dasein immanent, aber doch selber nirgends und zu keiner Zeit sei (ebda.). Noch nirgends habe ich die Gründe gegen die Persönlichkeit des absoluten Geistes mit solcher Ausführlichkeit, Klarheit und Schärfe zusammengestellt gefunden als bei Biedermann. Er zeigt, dass die Beweise für das Dasein Gottes nur bis zu dem Begriff eines unpersönlichen absoluten Geistes als Grund für die natürliche und moralische Weltordnung zu führen im Stande sind, dass aber die Vorstellung nur durch einen gedanklich unmotivirten Sprung zu der Annahme einer Persönlichkeit des absoluten Geistes gelangt (§. 632-640). Er führt ferner vor, dass jede einzelne von den theologischerseits angenommenen Eigenschaften Gottes in ihren Consequenzen durchdacht zu einer Antinomie zwischen der Absolutheit und der Persönlichkeit Gottes führt, welche immer nur als ein specialisirter Ausdruck des zwischen diesen Begriffen bestehenden allgemeinen Widerspruchs betrachtet werden kann (§. 617-631). Er behandelt endlich diesen Widerspruch in seiner allgemeinen Gestalt, und zeigt die Unhaltbarkeit aller von den verschiedensten Seiten her angestellten Versuche, denselben zu vertuschen oder zu überwinden (§. 716). Auf diese Beweisführungen Biedermanns, welche die meinigen trefflich ergänzen, verweise ich alle Leser, die sich von meinen Auseinandersetzungen, die in dem Rahmen dieses Buches unmöglich sich zu tief in das theologische Gebiet einlassen konnten, nicht befriedigt und überzeugt fühlen sollten.

Bedenkt man, dass Biedermann's Werk vor dem Erscheinen der ersten Auflage der Phil. d. Unb. verfasst ist, so darf man sich wohl nicht darüber wundern, dass der Verfasser noch an den Hegel'schen Kategorien des In-sich-seins und Für-sich- seins des absoluten Geistes festhält, dass er von einem Reflectirtsein der natürlichen Processe und der Acte der Individualgeister in das reine In-sich-sein des absoluten Geistes (S. 638) und demgemäss von einem Selbstbewusstsein des letzteren spricht (S. 561). Es ist aber leicht erkennbar, dass bei Biedermann's metaphysischem Standpunkt gar keine Nothwendigkeit mehr zu der von ihm aus dem vorstellmässigen Theismus beibehaltenen Annahme vorliegt, dass alles, was aus der absoluten Idee durch den absoluten Willen zur natürlichen Wirklichkeit herausgesetzt ist, nun auch noch trotzdem, dass es nicht aufhört, in der schöpferischen Idee des absoluten Geistes begriffen zu sein, zum Ueberfluss noch einmal in das Absolute reflectirt, und so in demselben bewusst werde. Dass bei gewissen Acten eine solche Reflexion stattfindet, ist richtig, aber das sind eben im Verhältniss zum gesammten Wirken des Absoluten nur partielle Reflexionen, und können deshalb auch nur partielle Bewusstwerdungen, d.h. endliche individuelle Bewusstseine erzeugen, aber nicht zu einem einheitlichen Gesammtbewusstsein des absoluten Geistes, zu einem göttlichen Selbstbewusstsein führen. Bestände wircklich ein solches absolutes Selbstbewusstsein, so wäre diess das absolute Ich, d.h. die absolute Persönlichkeit wenigstens in intellectueller Hinsicht, und Biedermann's Beweise gegen die Persönlichkeit des Absoluten wären in dieser Beziehung umsonst geführt. Da aber jene Behauptung nur eine in Biedermann's metaphysischen Pantheismus nicht mehr passende theistische Reminiscenz ist, so ist zu hoffen, dass die Consequenz seiner Einsicht in die Unhaltbarkeit der Persönlichkeit des absoluten Geistes ihn dazu führen werde, auch das Selbstbewusstsein und das Bewusstsein desselben fallen zu lassen, und damit principiell auf meinen Standpunkt herüberzutreten. Wie nahe er dem letzteren trotz seiner anscheinend entgegengesetzten Ausdrucksweise schon in seiner »christlichen Dogmatik« steht, beweist am besten der von der göttlichen Allwissenheit handelnde § 627. Es heisst daselbst: Um das Wissen Gottes als absolutes, als Allwissenheit zu fassen, befiehlt die Kirchenlehre, alle Momente der endlichen Vermittelung des menschlichen Wissens hinwegzudenken (§ 409). Allein je mehr diess wirklich geschieht, desto mehr schwindet auch alle Analogie mit einem persönlichen Wissen, und es bleibt nur die unpersönliche Geistigkeit des immanenten Weltgrundes, in die alles aus ihm hervorgehende Geschehen eben damit (?) zugleich auch wieder reflectirt (?) ist. Abgesehen von dem »Reflectirtsein«, durch welches der Gedanke entstellt wird, ist es deutlich genug, dass »die reine Geistigkeit des in sich einheitlichen Grundes des ganzen Weltprocesses« (S. 566), welche keine Analogie mehr mit dem persönlichen Wissen gestatten soll, ganz dasselbe sagen will, wie bei mir die unbewusste Intuition der absoluten Idee, nur dass es hier noch nicht klar in's wissenschaftliche Bewusstsein erhoben ist, dass die Form des menschlichen Wissens, von welcher beim absoluten Wissen abstrahirt werden muss, eben gar nichts weiter ist, als die Form des Bewusstseins.

Ehe wir Biedermann verlassen, sei noch auf eine andere Inconsequenz desselben hingewiesen, welche gleichfalls als Concession an den hergebrachten Theismus zu betrachten ist. Er behauptet nämlich, dass, wenngleich die Persönlichkeit vom Begriff des absoluten Geistes ausgeschlossen bleiben müsse, dieselbe doch die einzig mögliche Vorstellung sei, unter der man sich das Wesen Gottes, obschon in unangemessener Weise, vergegenwärtigen könne, und dass das religiöse Gefühl die vorstellungsmässige Vergegenwärtigung Gottes nicht entbehren könne (S. 645-646). Zugegeben, dass die unangemessene Vorstellung der geistigen Persönlichkeit eine immer noch relativ wahrere Vorstellung Gottes ist als die einer ungeistigen Naturkraft, zugegeben auch, dass das menschliche Denken sich niemals von dem Boden der sinnlichen Vorstellung ganz losreissen kann, so folgt doch aus beiden Prämissen keineswegs, dass die »absolute Persönlichkeit« die einzig mögliche Art der Vergegenwärtigung Gottes vor dem Bewusstsein sei und für immer bleiben müsse. Denn es giebt eben keinen Dualismus zwischen Begriff und Vorstellung im menschlichen Denken, sondern. das Denken ist selbst »als reines Denken nur wissenschaftliche Verarbeitung unsererer Vorstellungen« (S. 646); wenn demnach dieser Verarbeitungsprocess einmal bis zu dem Punkte gediehen ist, dass die Bestimmung der Persönlichkeit von der Vorstellung des absoluten Geistes unbedingt auszuscheiden ist, so ist jeder Rückfall in ein überwundenes Stadium dieses Verarbeitungsprocesses der Vorstellungen unbedingt fernzuhalten, – unbeschadet des Umstandes, dass auch so der im Begriff des absoluten Geistes übrig bleibende Rest sich aus Vorstellungselementen zusammensetzt, – und folglich ohne Beeinträchtigung des religiösen Gefühls (vgl. »Die Krisis des Christenthums in der modernen Theologie« 2. Aufl. S. 17-20, 85-99). –

* In der zweiten Auflage seiner Dogmatik hat Biedermann das Bedürfniss gefühlt, seinen Standpunkt von meinem concreten Monismus schärfer zu unterscheiden, und ist dabei in einen dualistisch gebrochenen Monismus zurückgefallen, welcher nur in Bezug auf die bewussten Geister als Geister Monismus, aber in Bezug auf die Materie und den Leib, und damit auch in Bezug auf die Abhängigkeit der bewussten Geister von ihren Leibern, Dualismus im Sinne einer theistischen Schöpfungslehre ist. Die unhaltbare Theorie der Materie, auf welche dieser Dualismus sich stützt, wird ihrerseits wiederum auf eine ebenso unhaltbare Erkenntnisstheorie basirt. Dieser ganze Dualismus sammt seiner Theorie der Materie und seiner Erkenntnisstheorie war aus der ersten Auflage der Biedermann'schen Dogmatik noch gar nicht zu entnehmen und ist erst in der zweiten Auflage herausgearbeitet worden. (Vgl. meine »Krit. Wanderungen durch die Phil. der Gegenwart« Nr. VIII 2: »Biedermann's reiner Realismus« S. 200-222.)

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S. 201 Z. 18. Zur Erleichterung der Verständigung über die Frage, ob die Geistesthätigkeit des absoluten Subjects als solchen bewusst oder unbewusst ist, dürfte es angezeigt sein, noch einmal auf das Verhältniss der unbewussten und bewussten Geistesthätigkeit im Allgemeinen zurückzugreifen, wobei sich dann noch nähere Aufschlüsse darüber ergeben werden, warum es dem menschlichen Denken so schwer fällt, die centrale Thätigkeit des Weltprocesses als eine unbewusste anzuerkennen. Die unbewusste und bewusste Seite der Geistesthätigkeit ist zu vergleichen dem gleichmässigen Wogenschlag des Meeres und der Brandung am Strande, dem aufsteigenden Strahl des Springbrunnens und seiner Umbiegung im Gipfel, dem sich fortpflanzenden Lichtstrahlenkegel und seiner Umbiegung in den Brennpunkt eines Hohlspiegels. Die ungehemmte, ungestörte und ungebrochene Thätigkeit ist (wie schon Fichte wusste) auch die unbewusste; erst die gehemmte, gestörte, und gebrochene, in sich umgebogene oder in sich reflectirte Thätigkeit kann bewusst werden und auch sie nur in Bezug auf die betreffende Hemmung, Störung oder Brechung. Nicht die unbewusste Thätigkeit selbst wird bewusst, sondern nur der Konflikt zwischen ihr und dem Hinderniss, das nur in einer andern Thätigkeit bestehen kann. Die Thätigkeit liegt ganz auf Seiten des Unbewusstseins; nur der zunächst auch noch unbewusste Conflict unbewusster Thätigkeiten ruft das Bewusstsein als passive Folgeerscheinung hervor. Die Pro-ductivität ist schlechthin unbewusst, nur das momentane Product des Conflicts zweier gegeneinanderwirkenden Thätigkeiten wird bewusst, das ebenso wieder im Strom der weiteren Productivität verschwindet. Alle Spontaneität und dynamische Energie liegt auf Seiten der unbewussten Thätigkeit, und das Bewusstsein ist nur eine receptive Begleiterscheinung des unbewussten realen Weltprocesses.

Ebenso wie die dynamische Energie oder productive Activität des Wollens und Strebens liegt auch die Art und Weise der Synthesen beim Conflict mehrerer Partialthätigkeiten mit einander, die bestimmte Art und Weise der Reaction, die eigenthumlichen Modificationen der zusammentreffenden Thätigkeiten durch einander auf Seiten des Unbewussten, und auch hier ist es nur der einfache Inhalt der Synthese, der allenfalls in's Bewusstsein fällt, nicht das Wie ihres Zustandekommens aus den Faktoren durch unbewusst-logische Verknüpfung. (Das Atom z.B. mag allenfalls fühlen, dass es von zwei Seiten Stösse bekommt, und dass es in der Diagonale des Parallelogramms der Kräfte ihnen ausweicht, aber nicht, wie die unbewusst logische Synthese der Kraftäusserungen sich vollzieht und die Reaktion von autonomer Gesetzmässigkeit als Endergebniss herausspringen lässt. Der Mensch ferner wird sich der Wahrnehmung bewusst, welche durch seinen Charakter zum Motiv gestempelt wird, und der Willensentscheidung, welche als Resultante aus dem Motivationsprocess hervorgeht, aber dieser Motivationsprocess selbst bleibt ihm unbewusst, trotz des theilweisen Scheins vom Gegentheil.)

Nun besteht aber der ganze Weltprocess aus dynamischen Thätigkeiten und deren fortlaufenden Conflicten und Synthesen, also aus unbewussten Activitäten und ihren unbewusst logischen Verknüpfungen; d.h. alles was geschieht, vollzieht sich unbewusst, und das Bewusstsein fasst nur gewisse Momente dieses Geschehens auf, ist also nur eine lückenhafte, discontinuirliche, unproductive, passive und receptive Begleiterscheinung des stetigen productiven und activen Weltprocesses. Wir dürfen wohl annehmen, dass keiner Partialthätigkeit des absoluten Subjects Hemmungen, Störungen, Brechungen u. dgl. erspart bleiben, und dass deshalb das Bewusstsein eine Begleiterscheinung von universeller Bedeutung ist, die sich bei aller unbewussten Thätigkeit in reicherer oder ärmerer, hellerer oder dumpferer Weise einstellt; aber doch ist sie nur eine Begleiterscheinung der Knotenpunkte an allen Thätigkeiten, nicht ihres gradlinigen Verlaufs zwischen den Knotenpunkten. Auch im zielbewussten Denken treten nur die Fusstapfen des unbewussten intellectuellen Fortschreitens in's Bewusstsein und es ist eine optische Täuschung, dass wir das Schreiten selbst des Gedankens zu sehen wähnen, während wir nur die discontinuirlichen Fusstapfen sich aneinanderreihen sehen. Was so für das reichste und hellste Bewusstsein des philosophirenden Menschengeistes gilt, das gilt gewiss in noch höherem Maasse für das ärmere und dumpfere Bewusstsein in Individuen niederer Stufen und Ordnungen. So z.B. muss nach der mechanischen Theorie der Gase jedes Gasmolekule unbewusst gradeaus fahren, und immer nur dessen bewusst werden, wenn es gegen ein andres Gasmolekule oder gegen die Moleküle der Gefässwanderung anrennt und zurückgeschleudert oder doch seitlich abgelenkt wird.

Wir stehen mit unserm praktischen und theoretischen Denken ganz auf Seiten des peripherischen bewussten Geistes und wähnen nun ohne Weiteres, dass er das Centrum der Welt sein müsse, weil er das uns allein unmittelbar Gegebene und Bekannte, und darum den Ausgangspunkt oder das Centrum unsres Philosophirens und Erkennens bildet. Wir bilden uns ein, bei unsrer Betrachtung der geistigen Welt, ebenso wie bei der Betrachtung einer Landschaft, einen centralen Standpunkt zu haben, während wir einen ganz excentrischen einnehmen; darum fallt es uns so schwer, den Gesichtspunkt zu wechseln und einzusehen, dass das Centrale in der Welt das Unbewusste ist. Wir besitzen am bewussten Geist den Erkenntnissgrund des unbewussten, und übersehen, dass eben darum der letztere der Realgrund des ersteren sein muss. Allen Reichthum, den wir receptiv in unserm Bewusstsein vorfinden und selbstthätig erzeugen, ist lediglich ein aus der unbewussten Productivität entlehntes Gut; weil wir uns aber in dem Wahne unsres centralen Standpunkts einbilden, daran einen Originalbesitz und ein Originalproduct des bewussten Geistes zu haben, darum verkennen wir, dass es bloss geliehen ist und ursprünglich dem Reiche des unbewussten Geistes entstammt. Dringen wir nun weiter zu der Erkenntniss durch, dass im Geiste hinter dem Bewusstsein die Seite des Unbewussten liegt, so erwächst aus unsern falschen Voraussetzungen der weitere Irrthum, als ob das Unbewusste, als Gegentheil des Bewussten, ebenso arm sein müsse, wie dieses uns reich scheint. Sehen wir aber ein, dass der Reichthum des Bewusstseins nur ein aus der unbewussten Geistesthätigkeit entsprungenes und zum momentanen Niessbrauch dargeliehenes Gut ist, und dass unserm Bewusstsein nur kleine Bruchstücke aus dem gesammten Reichthum der unbewussten Geistesthätigkeit dargeliehen werden, dann erkennen wir erst, dass wir in unsrer peripherischen Excentricität die Armen, und der unbewusste Geist der unerschöpflich reiche Schöpfergeist ist.

Die einzelne Thätigkeit, welche im Conflict mit einer andern eine Störung erleidet, erfährt wohl etwas für sie Neues und unerwartetes in dieser Reflexion in sich, aber die Summe beider Thätigkeiten nicht; denn in ihnen ist ja der ganze Inhalt des Conflicts im voraus enthalten, und die Schlichtung des Conflicts durch logische Synthese vollzieht sich ebenfalls als unbewusste Funktion. Das menschliche Bewusstsein hat gut staunen über den Reichthum des Weltbildes, das seinen Inhalt ausmacht; es darf nur nicht vergessen, dass alle Empfindungselemente, aus welchen, und alle synthetischen Intellektualfunktionen, durch welche dieses Weltbild producirt wird, der unbewussten Geistesthätigkeit angehören, und dass das Bewusstsein sich nur die reifen Früchte in den Schooss fallen lässt, die es weder gepflanzt, noch gezogen, noch gepflückt hat. Der absolute Geist, welcher der einheitliche Grund und Träger aller Partialfunktionen und Individualthätigkeiten ist, setzt nicht nur je zwei collidirende Kraftäusserungen sondern alle im ganzen Weltprocess als einheitliche, in sich mannichfach gegliederte Totalfunktion. In dieser unbewussten productiven Totalfunktion des absoluten Geistes ist jeweilig aller Inhalt des Weltprocesseß, alle Bestimmtheit der sämmtlichen jeweiligen Kraftäusserungen und alle jeweilig aus denselben folgenden Synthesen als seine Innere Mannichfaltigkeit unbewusst mitgesetzt; damit ist aber auch aller Inhalt gesetzt, der in demselben Augenblick des Weltprocesses Inhalt von Bewusstseinen werden kann und muss. Im Bewusstwerden kann nichts andres zur inneren Erscheinung kommen als das, was die unbewusste Geistesthätigkeit so eben producirt hat; das einzige Plus, was hinzukommt, ist die Form der inneren Erscheinung selbst oder die Bewusstseinsform, deren Entstehung aber selbst ein Product der teleologisch auf sie gerichteten unbewussten Geistesthätigkeit ist.

Das Vorurtheil, als ob die excentrische Stellung des bewussten Menschengeistes im Weltprocess eine centrale sei, ist besonders hinderlich in der richtigen Deutung der Grundthatsache des religiösen Bewusstseins. Im religiösen Verhältniss steht Gott und Mensch in einer Einheit, welche zugleich Einheit des unbewussten und bewussten Geistes ist. Thatsächlich ist in dieser Einheit Gott der centrale unbewusste Geist, der Mensch der peripherische bewusste Geist; sofern sich der Mensch auf Gott als das Object des religiösen Verhältnisses oder auf die andre Seite seiner selbst in dieser Einheit bezieht, muss er ihn nothwendig als activen, productiven, schöpferischen, unbewussten absoluten Geist auffassen. Nun hält aber der Mensch sich allzuleicht an die eine Bestimmung, dass Gott der centrale Geist ist, und weil er sich selbst, den bewussten Geist, irrthümlicher Weise auch für einen centralen hält, wähnt er, die Bestimmung des Bewusstseins auf Gott, sofern er der absolut centrale Geist ist, in absoluter Steigerung übertragen zu müssen. Erkennt hingegen der Mensch, dass das Bewusstsein in ihm selbst wie überall in der Welt nur eine excentrische, peripherische, unproductive, passive und receptive Begleiterscheinung der centralen productiven unbewussten Geistesthätigkeit ist, dann muss er einsehen, dass es eine Herabsetzung Gottes und eine Verkennung seines centralen Gegensatzes zum peripherischen bewussten Geist ist, wenn man ihn als centrales Bewusstsein oder absolutes Bewusstseinscentrum auffasst.

Freilich ist Gott als Object des religiösen Verhältnisses, sofern er dem Menschen oder dem Subject des religiösen Verhältnisses entgegengesetzt wird, nur eine abstracte Verselbstständigung einer bestimmten Seite an der einheitlichen Totalität des absoluten Geistes; aber diese Abstraction von dem bewussten Menschengeist als dem Subject des religiösen Verhältnisses ist unerlässlich, wenn es zu einem religiösen Gegensatze von Object und Subject und durch diesen zu einem religiösen Verhältniss überhaupt kommen soll. Der absolute Geist als absoluter ist während der Dauer des Weltprocesses immer die Einheit des unbewussten und bewussten Geistes, ebenso wie jede Geistesthätigkeit die Einheit ihrer unbewussten Productivität und ihrer bewussten Receptivität bei allen ihren Conflicten und Hemmungen ist. Der absolute Geist ist während des Weltprocesses allemal unbewusster und bewusster Geist zugleich und in Einem: unbewusster Geist als einheitliches Centrum, Urquell, schöpferischer Grund und Producent des Weltprocesses, bewusster Geist als vielheitlich gebrochener, individualistisch zersplitterter, als Peripherie, Geschöpf und Product des Weltprocesses. Völlig ermangelnd des Bewusstseins ist er nur vor und nach dem Weltprocess als schlechthin ruhende, actualitätslose Potenz, in welcher ebensowenig eine unbewusste wie eine bewusste Bethätigung zu finden ist; als Potenz der Thätigkeit aber ist der absolute Geist auch so wiederum gleichmässig Potenz sowohl der bewussten wie der unbewussten Geistesthätigkeit. Damit hat es indessen das religiöse Bedürfniss nicht zu thun, sondern nur mit dem absoluten Geist innerhalb des Weltprocesses, der Einheit der unbewussten und bewussten Thätigkeit ist; an diesem wiederum interessirt es sich nicht für die Summe der peripherischen Individualbewusstseine in der Welt, sondern für den unbewussten schöpferischen centralen Grund aller, den es auch als Grund des eigenen Ich erfasst und diesem gegenüberstellt. Dieser centrale schöpferische Weltgrund aber ist der absolute Geist nur als unbewusster Geist, und darum ist er auch »Gott« nur als unbewusster Geist.

Hiermit wird Gott nichts geraubt als die absolute Identität mit dem geschöpflichen, vielheitlich zersplitterten, bewussten Geist, welche ihm geraubt werden muss, wenn er fähig werden soll, in seinem relativen Gegensatz gegen den letzteren gefasst zu werden, d.h. »Gott für den Menschen« zu werden. Es wird ihm aber nichts von dem Reichthum seines geistigen Gehalts geraubt, denn, wie oben gezeigt, kommt im bewussten Geist in der Form des Bewusstseins nur dasjenige bruchstückweise an's Licht, was in der unbewussten Geistesthätigkeit bereits ohne diese Form vorhanden ist. Der absolute Geist hat als absolutes Subject auch die Form des Bewusstseins, aber nur, sofern er nicht als Gott, sondern als Welt, nicht als Producent, sondern als Product, nicht als Schöpfer, sondern als Geschöpf gefasst wird. Der absolute Geist ist bewusster Geist nur, sofern er nicht Gott, sondern dessen Gegentheil ist; als Gott kann er nur unbewusster Geist sein. So gewiss wir nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, Gott und Welt, Schöpfer und Geschöpf, Producent und Product zu unterscheiden, unbeschadet ihrer functionellen Zusammengehörigkeit und ontologischen Identität, so gewiss sind wir auch berechtigt und verpflichtet, unbewussten und bewussten Geist zu unterscheiden trotz ihrer functionellen Zusammengehörigkeit und ontologischen Identität. Wer eine unstatthafte Losreissung und Verselbstständigung darin findet, von dem unbewussten Geiste als dem absoluten Prius und Realgrund des bewussten Geistes zu reden, der muss es auch ebenso unstatthaft finden, von Gott, Schöpfer und Producent im Gegensatz zu Welt, Geschöpf und Product zu reden, der muss überhaupt zu reden aufhören, weil das absolute Sein in letzter Instanz nur ein einziges und einheitliches, alle Gegensätze in sich befassendes ist.

Wenn nun auch der Gegensatz des unbewussten Geistes und des bewussten Geistes wegen ihres Zusammenschlusses im absoluten Geiste ein bloss relativer ist, so ist darum doch der Gegensatz der Prädicate unbewusst und bewusst kein bloss relativer, sondern ein contradictorischer. Es ist kein Widerspruch, dass der absolute Geist einerseits ein unbewusster, andererseits ein bewusster ist, oder dass dieselbe Geistesthätigkeit einerseits eine unbewusste ist, und andererseits zum Bewusstsein führt; es ist diess ebensowenig ein Widerspruch, als dass ein Magnet einerseits nordmagnetisch, andererseits südmagnetisch ist und diese Gegensätze in jedem seiner kleinsten Theilchen vereinigt. Aber es wäre ein Widerspruch, wenn eine und dieselbe Geistesthätigkeit gleichzeitig in demselben Punkte und in derselben Beziehung unbewusst und bewusstsein sollte. Diese Prädicate schliessen einander als contradictorisch entgegengesetzte aus, wenn sie auf ein und denselben Punkt in ein und derselben Hinsicht bezogen werden sollen; sie sind keiner Mischung und Verbindung an ein und demselben Punkte fähig, sondern nur einer Vertheilung auf verschiedene Zeiten, Punkte, Theile oder Seiten des nämlichen Subjects oder der nämlichen Thätigkeit. Wäre der Gegensatz zwischen den Prädicaten unbewusst und bewusst ein bloss relativer, so wäre eine solche Mischung und Verschmelzung zwischen ihnen möglich, wie sich zwei Farben zu einer Mischfarbe oder zwei Töne zu einem Klange verbinden. Es ist wichtig, noch einmal nachdrücklich darauf aufmerksam zu machen, dass der fragliche Gegensatz kein relativer ist; es ist darum so wichtig, weil das philosophirende Bewusstsein, das auf der Seite des Bewusstseins steht, so leicht geneigt ist, sich die unbewusste Geistesthätigkeit dadurch leichter vorstellbar zu machen, dass sie versucht, dieselbe nach Analogie der bewussten Geistesthätigkeit zu denken und die Unbewusstheit derselben als eine bloss graduelle Abschwächung der Bewusstheit zu verstehen. Wäre dies richtig, wäre die unbewusste Geistesthätigkeit nur eine minder bewusste, und von der bewussten nur graduell verschieden, dann wäre der Gegensatz eben kein contradictorischer, sondern nur ein relativer des höheren und geringeren Grades. Es ist eine Folge des oben erwähnten Vorurtheils von der centralen Stellung des eigenen Bewusstseins, was immer wieder unwillkürlich und unvermerkt auch philosophische Köpfe dazu verleitet, die unbewusste Geistesthätigkeit als eine auch noch bewusste und bloss mit einem sehr viel dumpferen und schwächeren Bewusstsein behaftete sich vorstellig machen zu wollen. Deshalb ist noch einmal zusammenzufassen, was diese Ansicht unstatthaft macht.

Es sind dies hauptsächlich folgende Gründe. Die Form des Bewusstseins, wie oben (II. S. 51-60) ausgeführt ist, hat gar keine Grade, sondern nur der Reichthum oder die Armuth, die Deutlichkeit oder Undeutlichkeit des Inhalts hat Grade. Die unbewusste Geistesthätigkeit müsste, wenn sie in irgend welchem Sinne bewusste Thätigkeit niederen Grades sein sollte, bewusste Thätigkeit mit einem ärmeren und undeutlicheren Inhalt, aber von principiell und wesentlich gleicher Bewusstseinsform sein. Die graduelle Relativität des Gegensatzes von unbewusst und bewusst würde demnach aus dem Gebiete der Bewusstseinsform hinausgewiesen und auf das Gebiet des geistigen Gehalts, ganz abgesehen von seiner (bewussten oder unbewussten) Form hinübergeschoben, wodurch sich bereits die Missverständlichkeit und Schiefheit des ganzen Versuches enthüllt. Denn der Gegensatz in der bewussten und unbewussten Form der Geistesthätigkeit kann unmöglich auf Gradunterschiede des Inhalts abgewälzt und durch solche verständlich gemacht werden.

Wer den Mangel an Gradunterschieden in der Bewusstseinsform als solchen nicht zugiebt, der ist ferner darauf hinzuweisen, dass diejenigen graduellen Unterschiede im Reichthum und in der Deutlichkeit des Inhalts, welche von ihm als Gradunterschiede der Bewusstseinsform gedeutet werden, sämmtlich nur auf der peripherischen Seite des Weltprocesses ihren Platz haben, also bloss Unterschiede in der Receptivität der Hemmungen und Störungen sind, welche die productiven Thätigkeiten einander bereiten, dass sie aber nicht in diese productiven Thätigkeiten als solche hineinreichen. Mit andern Worten, alle sogenannten Grundunterschiede helleren und dumpferen, reicheren und ärmeren Bewusstseins sind in der absteigenden Stufenreihe des Thier- und Pflanzenreichs einerseits und in der absteigenden Stufenreihe von Individuen niederer Ordnung innerhalb der höheren Organismen zu finden und hier bereits vollständig erschöpft, ohne dass aber damit der peripherische Standpunkt oder die Seite des Bewusstseins, der unproductiven und rein passiven Receptivität verlassen und überschritten wird. Wo immer wir einer bewussten Geistesthätigkeit gleichviel welchen Grades begegnen, da ist sie nur das passive Ergebniss hinter ihr liegender unbewusster Geistesthätigkeiten, welche sowohl ihren Inhalt als auch das Entstehen ihrer Form vorbereitet haben. Ueberall setzt die bewusste Geistesthätigkeit gleichviel welchen Grades eine unbewusste voraus, an welche sie als an ihren Gegensatz gebunden ist, wie der Nordmagnetismus an den Südmagnetismus. So wenig ein magnetischer Nordpol an einem geringeren Grade von Nordmagnetismus (anstatt an Südmagnetismus) seinen Gegenpol finden könnte, ebensowenig die bewusste Thätigkeit an einer minder bewussten (statt an einer unbewussten).

Wäre die sogenannte unbewusste Geistesthätigkeit in Wahrheit nur eine minder bewusste, so müsste auch alle productive Geistesthätigkeit eine in irgend welchem Grade bewusste sein. Nun ist soviel zweifellos, dass die sogenannten niederen Grade des Bewusstseins mit einer grösseren Armuth, Undeutlichkeit und Enge des Inhalts verknüpft sind, wenn sie nicht, wie ich meine, ganz auf ihnen beruhen. Es muss demnach angenommen werden, dass die Leistungsfähigkeit oder der Grad der Productivität, welchen die mehr oder minder bewusste Geistesthätigkeit aus sich entfaltet, mit dem Grade des Bewusstseins wechseln muss. Demnach müsste das hellste und reichste Bewusstsein auch den höchsten Grad geistiger Productivität aus sich entfalten, und in seiner Leistungsfähigkeit allen niederen Graden bewusster Geistesthätigkeit weit überlegen sein. Die Erfahrung lehrt uns aber, dass unser höchstes Bewusstsein gar keine Spur von Productivität besitzt, sondern alles ganz passiv aus unbewusster Geistesthätigkeit empfängt. Wenn diess schon für das höchste Bewusstsein gilt, so wird es erst recht für die Bewusstseine der mittleren und niederen Nervencentra gelten. Wenn schon im höchsten menschlichen Bewusstsein der Schein der Productivität nur dadurch entsteht, dass die Producte der unbewussten Geistesthätigkeit irrthümlich als Product der sie bloss recipirenden Bewusstseinsform aufgefasst werden, und dass blosse Begleitgefühle des unbewussten Strebens für ein bewusstes Streben selbst gehalten werden, dann wird das bei den Bewusstseinen niederer Ordnung im menschlichen Individuum, welche dem höchsten Bewusstsein als relativ unbewusst gelten, erst recht so sein müssen.

Es ist demnach unmöglich, dass diejenige unbewusste Geistesthätigkeit, welche dem höchsten menschlichen Bewusstsein seinen Inhalt als fertig bereiteten zuführt, nichts weiter sein sollte, als die bewusste Geistesthätigkeit der mittleren und niederen Nervencentra. Denn das Niedere kann wohl vom Höheren geistig gefördert und inspirirt werden, aber nicht das Höhere vom Niederen geistig alimentirt werden, zumal wir uns dann in analoger Weise die Bewusstseinsthätigkeit der mittleren Nervencentra durch die noch niedriger stehende Bewusstseinsthätigkeit der niedrigsten Nervencentra und diese durch die Bewusstseinsthätigkeit der Plasmamolekule alimentirt denken müssten. Wenn nach Analogie der höchsten Stufe des Bewusstseins alle niederen Stufen für erst recht unproductiv erklärt werden müssen, so können unmöglich die den oberen Bewusstseinen zugefährten (relativ- unbewussten) Producte aus der Productivität unterer Bewusstseine herstammen; sondern wo der Inhalt höherer Bewusstseine aus dem ihm zugeführten Inhalt niederer Bewusstseinscentra mitbestimmt wird, können diese letzteren nur Durchgangspunkte für die productive Thätigkeit des unbewussten Geistes sein. Käme alle geistige Productivität direct aus der bewussten Thätigkeit nächst niederer Stufe, so müsste indirect alle geistige Productivität aus der bewussten Thätigkeit der Uratome als der denkbar ärmsten und dumpfsten abgeleitet werden, was ja auch in der That die Ansicht des Hylozoismus ist. Wenn dagegen alles Bewusstsein in der Welt nur eine passive peripherische Begleiterscheinung am unbewussten Weltprocess ist und allen Reichthum seines Inhalts von diesem fertig geliefert bekommt, so muss die unbewusste Geistesthätigkeit, welche der Realgrund des Bewusstseins ist, diesem an Reichthum des Gehalts, Blickweite und Fähigkeit der logischen Synthese unendlich überlegen, nicht aber unendlich unterlegen sein, wie es die problematische Bewusstseinsthätigkeit der Uratome nothwendig sein muss. Der productive Quell des Bewusstseinsinhalts kann nur in einem inhaltlich höher Stehenden gesucht werden, nicht in einem inhaltlich tiefer Stehenden, wie es alles Bewusstsein niederen Grades nothwendig sein muss. Darum wird die unbewusste productive Geistesthätigkeit nothwendig auf verkehrtem Wege gesucht, wenn man sie in einem relativen Gegensatz oder einer bloss graduellen Abschwächung des Bewusstseins zu finden wähnt.

Um zu der unentbehrlichen Steigerung nach Seiten des Inhalts zu gelangen, muss man entweder die Form mit steigern, oder aber den Inhalt von der Form abtrennen; das erstere thut der Theismus, der alle productive für uns unbewusste Geistesthätigkeit als eine für Gott bewusste göttliche Geistesthätigkeit ansieht, das andre thut die Philosophie des Unbewussten. Wenn der Mensch die Verkehrtheit des nach unten und abwärts führenden Weges eingesehen hat, und doch noch nicht von dem Vorurtheil der centralen Stellung des Bewusstseins loskommen kann, so schlägt er leicht in den theistischen Weg um und versucht, die für uns unbewusste productive Geistesthätigkeit als eine an und für sich im höchsten Grade bewusste Gottesthätigkeit zu deuten. Er versucht dann wohl dieser vorurtheilsvollen Wendung eine philosophische Begründung zu geben dadurch, dass er sagt, der bewusste Geist könne nur seinesgleichen, also nur niedere oder höhere bewusste Geister begreifen, aber niemals den absoluten Gegensatz seiner selbst denken und demgemäss auch das für ihn Undenkbare nicht zum Erklärungsprincip benutzen.

Nun ist an diesem Einwurf so viel richtig, dass der bewusste Geist dasjenige, was in jeder Hinsicht sein Gegentheil wäre, auch nur via negationis zu denken vermöchte, d.h. durch lauter negative Bestimmungen ausser derjenigen des Seins, und dass er auf diesem Wege keinerlei positive Einsicht in die positive Beschaffenheit und Wahrheit seines Gegentheils zu gewinnen vermöchte. Aber so liegt die Sache ja gar nicht, dass der unbewusste Geist dem bewussten in jeder Hinsicht entgegengesetzt wäre, sondern er ist diess lediglich in Bezug auf die Form der Geistesthätigkeit. Nur in Bezug auf die Form des Bewusstseins und die mit ihr zusammenhängende sinnliche, abstracte, discursive, reflectirende Art des Denkens und alle damit gesetzten Gebrechen und Nachhülfen hat der bewusste Geist den Weg der Negation einzuschlagen, wenn er die unbewusste Geistesthätigkeit formell richtig denken will. Dagegen in Bezug auf den geistigen Gehalt, der in dieser nur negativ (als »unbewusst«) zu bestimmenden Form sich entfaltet, wäre die via negationis ganz verkehrt, und es ist vielmehr die via eminentiae (nach dem Ausdruck der Scholastiker), welche hier zum Ziele der positiven Bestimmbarkeit führt. Derselbe geistige Gehalt, den der bewusste Geist nur bruchstückweise und eingeengt in die Schranken der Bewusstseinsform empfängt, setzt die unbewusste Geistesthätigkeit in universeller einheitlicher Totalität aus sich heraus, so dass alle innere Mannichfaltigkeit dieses Gesammtinhalts eine absolute logische Synthese bildet. Für die secundären Bestimmungen der Form dieser unbewussten Geistesthätigkeit fehlt es uns nicht ganz an Analogien im bewussten Geistesleben, welche als positiv gelten können, wie z.B. übersinnlich, concret, intuitiv, in Eins schauend; aber für die primäre Bestimmung der Form der unbewussten Geistesthätigkeit im Gegensatz zur Bewusstseinsform muss es uns allerdings an jeder positiven Analogie fehlen, weil wir eben auf der entgegengesetzten, peripherischen Seite der Welt stehen. Nur soviel werden wir sagen können, dass dem überragenden Inhalt der unbewussten Geistesthätigkeit zugleich auch eine ihr Gegentheil (die Bewusstseinsform) überragende Form wird zukommen müssen, dass mit andern Worten die unbewusste Form der unbewussten Geistesthätigkeit zugleich als eine der Bewusstseinsform überlegene, d.h. überbewusste, wird gedacht werden müssen. Somit behauptet die via eminentiae auch auf Seiten der Form ein gewisses Recht, nur mit dem unterschiede, dass sie hier wegen ihrer Verbindung mit der via negationis zu keiner positiven Bestimmtheit des Gedankens führt, während sie auf Seiten des geistigen Gehalts, wo die Negation kein Recht hat, positive Bestimmtheit gewährt.

Der bewusste Gedanke der unbewussten Geistesthätigkeit, welcher im Bewusstsein die unbewusste Geistesthätigkeit repräsentiren soll, ist demnach in inhaltlicher Hinsicht durchweg positiv bestimmt, und nur in formeller Hinsicht mit einer gewissen Unbestimmtheit behaftet, insofern nur für die secundären formalen Eigenschaften positive Analogien möglich sind, für die primäre Form aber nur eine negative Bestimmung (»unbewusst«) möglich ist, welche die Art und Weise der Ueberlegenheit dieser Form über die Bewusstseinsform (die »Ueberbewusstheit«) als positiv unlösbare Denkaufgabe stehen lässt. Gewiss kann man nicht sagen, dass durch diese auf Seiten der Form verbleibende positive Unbestimmtheit der Begriff der unbewussten Geistesthätigkeit undenkbar gemacht werde, der sowohl in Bezug auf seinen Inhalt wie in Bezug auf seine secundären Formbestimmungen aus lauter positiven Gedankenelementen zusammengesetzt ist. Wenn eine einzige bloss negative Bestimmung an einem sonst durchweg positiv bestimmten Begriff genügen sollte, um dessen Undenkbarkeit zu begründen, so müssten wir überhaupt zu denken aufhören.

Neuerdings hat auch in theistischen Kreisen sowohl der christlichen wie der jüdischen Bekenntnisse die Einsicht mehr und mehr Anhänger gewonnen, dass die Thätigkeit des Absoluten innerhalb des Weltprocesses, durch welche die Materie gesetzt, organisirt, beseelt wird, und durch welche die organisch-psychischen Individuen inspirirt und intellectualisirt werden, nicht füglich als eine unmittelbar bewusste Thätigkeit Gottes gedacht werden könne, dass vielmehr diese Thätigkeit in der That als eine unbewusst-geistige, obzwar von Gott ausgehende, aufzufassen sei. Diese Theisten, welche auf eine reale Immanenz des Absoluten in der Welt und den Individualgeistern hinauswollen, erkennen somit die »Phil. d. Unbew.« als eine philosophisch berechtigte Ansicht an, aber nur als Mittelglied der theistischen Weltanschauung, nicht als deren Endglied. Sie sehen in meiner Philosophie die »Oeconomie Gottes als des heiligen Geistes« in einer vollkommeneren Gestalt als bisher durchgeführt, insofern das Absolute sowohl als belebende unbewusst- geistige Naturkraft wie auch als teleologisch waltende und heiligende Geistesmacht entwickelt wird; sie sind also insofern heterodox, als sie die Bewusstheit und Persönlichkeit der dritten Gestalt der christlichen Trinität preisgeben und verneinen und damit zum alttestamentlichen und urchristlichen Sinne des heiligen Geistes zurückkehren. Aber sie halten nichts desto weniger an der Bewusstheit und Persönlichkeit »Gottes des Vaters« fest und behaupten, dass meine Philosophie es nur um so klarer gemacht habe, wie wenig die Oeconomie des Geistes abgetrennt von derjenigen des Vaters (und des Sohnes) dem religiösen Bewusstsein genügen könne. Sie geben zu, dass aus rein theoretischen philosophischen Gesichtspunkten das providentielle Walten eines unbewussten absoluten Geistes genügen möge, betonen aber desto schärfer, dass aus praktischen religiösen Gesichtspunkten eine selbstbewusste göttliche Person hinter und über dem unbewussten göttlichen Geisteswalten unentbehrlich sei. Beides suchen sie dann philosophisch dadurch zu vermitteln, dass der in der Welt wirksame unbewusste Geist Gottes als eine des Bewusstseins entäusserte Thätigkeit des an sich selbstbewussten Gottes aufgefasst wird, welche, obzwar an sich selbst und unmittelbar unbewusst, doch wiederum mittelbar von der Allwissenheit des göttlichen Bewusstseins mit umspannt werde.

Einer solchen Auffassung gegenüber ist folgendes zu bemerken. Zunächst in methodologischer Hinsicht darf nur schrittweise vom Gegebenen zu hypothetischen Ursachen aufgestiegen werden, und jeder dieser folgenden Schritte bedarf einer neuen Rechtfertigung. Wenn zugestanden wird, dass uns für die Erklärung der gegebenen Natur- und Geisteswelt in erster Reihe ein unbewusster absoluter Geist genügt, und dass die rein theoretische philosophische Forschung uns keinen Anlass und keine Rechtfertigung bietet für einen weiteren Schritt über diesen unbewussten absoluten Geist hinaus zu einem bewussten, so ist eigentlich der Phil. d. Unbew. alles zugestanden, was sie verlangen kann. Denn es sind dann wesentlich unphilosophische oder doch ausserphilosophische Motive, welche zu diesem weiteren Schritte hindrängen, und um solche hat die Philosophie eigentlich nicht nöthig sich zu bekümmern. Thut sie es doch, so thut sie es aus dem psychologischen Interesse, einen Motivationsprocess durchschauen zu wollen, der die philosophischen Ergebnisse letzten Endes auf den Kopf stellen zu sollen glaubt.

Sofern es nun aber angebliche religiöse Postulate sind, welche den Schritt über den unbewussten Geist hin zum bewussten verlangen, liegt dann doch der Verdacht sehr nahe, dass diese Postulate nur Ueberlebsel einer anderartigen theoretischen Voraussetzung sind, welche sich einmal gewohnheitsmässig mit den religiösen Gefühlen associirt haben und durch ihr Beharrungsvermögen die Voraussetzung überdauern, unter welcher sie allein gerechtfertigt sind. Diese Voraussetzung aber besteht darin, dass ein absoluter Geist, wie das religiöse Bewusstsein ihn als Object des religiösen Verhältnisses braucht, nur als bewusster denkbar sei und anders gar nicht; unter dieser Voraussetzung ist natürlich die Existenz eines bewussten absoluten Geistes Lebensbedingung für das religiöse Bedürfniss, und das Postulat eines solchen religiös gerechtfertigt. Wenn nun aber einmal die Existenz eines unbewussten absoluten Geistes zugestanden ist, welcher die ganze innerweltliche Bethätigung Gottes erschöpft, so ist eben damit das völlig zureichende und adäquate Object des religiösen Verhältnisses gegeben, und die Forderung, darüber hinaus nach einen bewussten absoluten Geist supponiren zu müssen, verliert jede religiöse Berechtigung. Aber es ist psychologisch begreiflich, dass die vorstellungsmässigen Formen der Einkleidung, welche der religiöse Process unter der Herrschaft jener Voraussetzung angenommen hat, nicht mit einem Schlage vor der Einsicht in die Hinfälligkeit jener Voraussetzung schwinden, sondern sich mit Zähigkeit behaupten, und dann, auch zur Vermeidung eines praktischen Selbstwiderspruchs nach theoretischer Rechtfertigung streben. Das Ergebniss dieses Strebens ist die Projection der Vorstellung eines bewussten absoluten Geistes hinter den allein mit uns in Beziehung tretenden unbewussten absoluten Geist als dessen Grund und Urquell.

Das Ueberlebsel einer überwundenen Periode des religiösen Vorstellungsgehalts macht dann naturgemäss den Versuch, sich mit den bereits überwundenen theoretischen Vorurtheilen zu verbünden, sie aufzufrischen und in ihnen eine Stütze zu suchen. Aber wenn schon bei der Alternative: »bewusster oder unbewusster absoluter Geist« die Bedenken gegen den unbewussten hinfällig und die Bedenken gegen den bewussten schwerwiegend und unwiderleglich waren, so muss dies noch mehr der Fall sein, wenn die Alternative lautet: »unbewusster absoluter Geist allein oder unbewusster mit bewusstem dahinter«. Alles was der bewusste absolute Geist irgend für die Welt leisten könnte, das leistet ja der unbewusste ebenso gut und noch besser; ja sogar er leistet es allein, weil nur er mit der Welt in directe Beziehung tritt und dem bewussten das ganze Gebiet etwaiger Bethäthigung ohne Rest vorwegnimmt. Der bewusste absolute Geist hinter dem unbewussten ist ein fünftes Rad am Wagen, ein müssiger Zuschauer, durch dessen Zuschauen nichts geleistet und nichts geändert wird. Es ist letzten Endes doch wieder nur die Projection des verabsolutirten menschlichen Ich in das Centrum der Welt in Folge des Vorurtheils, dass das für den peripherisch gestellten Menschen relativ centrale Individualbewusstsein auch für die Welt als Ganzes das absolut Centrale sein müsse.

Jede Umwälzung der metaphysischen Weltanschauung hat eine Umwandlung der religiösen Vorstellungswelt und damit auch der vorstellungsmässigen Formen, in denen sich der praktische religiöse Process vollzieht, zur Folge, und eine solche Umwandlung wird auch der Religion nicht erspart bleiben, wenn aus der Umwandlung der metaphysischen Weltanschauung im Sinne eines unbewussten absoluten Geistes praktische Consequenzen gezogen werden. Aber es ist nicht gesagt, dass mit jeder Umwandlung der metaphysischen Weltanschauung das religiöse Bewusstsein Einbusse erleiden müsse. Im Gegentheil kann man aus dem Gesichtspunkt einer teleologischen Weltanschauung a priori vermuthen, dass jeder grosse Fortschritt der metaphysischen Weltanschauung zur Wahrheit auch eine Reinigung, Abklärung, Concentration und Vertiefung des religiösen Bewusstseins nach sich ziehen müsse. Allerdings werden bei solchem Umschwung jedes Mal eine Menge vorstellungsmässiger Einkleidungen fallen müssen, welche den gewohnheitsmässigen Anhängern des Alten als wesentliche Bestandtheile der Religion gelten, den Vertretern des Neuen aber nur als Verhüllungen und Entstellungen des religiösen Verhältnisses und Lebensprocesses erscheinen können.

Selbst wenn der Irrthum, auf welchem das vermeintliche Bedürfniss des religiösen Bewusstseins nach einem bewussten absoluten Geiste hinter dem unbewussten beruht, nicht so durchsichtig in seiner psychologischen Entstehung wäre, so könnte demselben von philosophischer Seite doch nur unter der Bedingung irgendwelche theoretische Zulässigkeit zugestanden werden, wenn die Vereinigung eines unbewussten absoluten Geistes mit einem bewussten absoluten Geiste überhaupt denkbar wäre. Das ist sie aber entschieden nicht. Wenn die Bewusstheit das Centrale, höchst Wertvolle, der Unbewusstheit unvergleichlich Ueberlegene ist, so erscheint es widersinnig, dass der absolute Geist sich dieses seines höchsten Gutes selbst beraubt und aus den lichten Höhen eines absoluten Bewusstseins in die dunklen Tiefen der Unbewusstheit freiwillig hinabstürzt. Es wäre das ein geradezu unerhörter Vorgang, für den auch das in Aussicht stehende Wiedererwachen des Bewusstseins aus dem unbewussten Geiste in der Welt keine Erklärung bieten könnte. Das Streben des absoluten Geistes nach Bewusstseinsentstehung in der Welt ist begreiflich, wenn dieses peripherische Bewusstsein das erste und einzige ist und nebenbei Mittel für einen unbewussten Zweck ist, aber es ist unbegreiflich, wenn es nur die bruchstückartige, zerstückelte und verkümmerte Wiedergewinnung dessen liefert, was er in absoluter Ganzheit und Vollkommenheit schon ohnehin besitzt, und wenn alle durch das Bewusstsein zu erreichenden Zwecke von ihm auch unmittelbar und ohne den Umweg durch das zersplitterte Weltbewusstsein erreicht werden können. Die Selbstentäusserung des absoluten Bewusstseins könnte nur durch einen Augenblick der Sinnesverwirrung, der Vernunftlosigkeit oder Selbstentfremdung (Alienation) erklärlich werden, und würde einen »Fall« des Absoluten aus dem Licht in die Finsterniss gleichzuachten sein. Bin Fall, eine Urschuld, oder wie man sonst solchen Vorgang mit gnostischen Bildern bezeichnen wolle, wäre erklärlich in einem bewusstlosen Absoluten, sofern in ihm noch keine Vernunft zur Bethätigung gelangt ist, sondern ausschliesslich vernunftlose Momente blind walten; aber es ist undenkbar in einem absolut bewussten und selbstbewussten Geiste von actueller Vernünftigkeit.

Aber auch abgesehen von der Widersinnigkeit eines solchen Abfalls des absoluten Bewusstseins von sich selbst ist dasselbe undenkbar in der Art seiner Ausführung. Wenn die Bewusstheit eine dem absoluten Geiste wesentlich zukommende Bestimmung ist, wie soll er es dann anfangen, dieselbe von sich abzuthun und deren Gegentheil an sich zu nehmen? Es könnte ihm ja dann ebenso gut möglich sein, sich der Vernunft oder der Allmacht, oder irgend einer sonstigen ihm wesentlichen Bestimmung zu entäussern und deren Gegentheil an sich zu nehmen! So undenkbar wie das eine ist auch das andre. Es ist unmöglich, in dem unbewussten absoluten Geist einen »heruntergekommenen«, oder sich selbst und seinem innersten Wesen untreu gewordenen, oder von sich selbst abgefallenen bewussten Geist zu sehen. Wenn der absolute Geist als thätiger, d.h. als weltsetzender und weltregierender, mit anderem Worte als innerweltlicher Geist ein unbewusster Geist und nichts weiter ist, dann ist er es nicht erst seit Beginn der Weltschöpfung, sondern dann ist er auch von jeher unbewusst gewesen, und ist und bleibt es von Ewigkeit zu Ewigkeit. Ob das Absolute vor Beginn des Weltprocesses bewusst oder unbewusst war, und ob es nach dem Ende dieses Weltprocesses bewusst oder unbewusst sein wird, das sind Fragen, mit denen es wenigstens das religiöse Bewusstsein gar nicht zu thun hat, denn das religiöse Bewusstsein hat es nur insofern mit dem Absoluten zu thun, als dieses »Gott«, oder Object des religiösen Verhältnisses ist, also mit der Welt in realer Beziehung steht, d.h. innerweltlicher Geist ist.

Es wäre zwar höchst widersinnig und unverständlich, warum ein vorweltlicher bewusster Geist sich zum innerweltlichen unbewussten Geist degradiren sollte, aber es wäre doch nicht gerade ein logischer Widerspruch, dass er vor dem Process bewusst, im Process unbewusst sein solle. In diesen logischen Widerspruch gerathen wir aber, wenn derselbe Geist zu derselben Zeit, nämlich im Process, als absoluter Geist sowohl bewusst als auch unbewusst sein soll. Nicht das ist ein Widerspruch, dass seine Thätigkeit eine central unbewusste und zugleich in ihrer Hemmung und Reflexion in sich eine peripherisch bewusste ist; wohl aber ist es ein Widerspruch, dass seine Thätigkeit als activ producirende und centrale sowohl unbewusst als auch bewusstsein soll, und dass das absolute Subject als solches in Bezug auf diese centrale Thätigkeit sowohl unbewusst als auch bewusstsein soll. Eben diesen Widerspruch aber ladet der Theismus auf sich, wenn er den Monismus der absoluten Substanz und des absoluten Subjects wahren und doch hinter dem unbewussten Geist einen bewussten aufrecht erhalten will. Gott hat dann gleichsam zwei Augen, von denen er das eine in Bezug auf seine Thätigkeit zudrückt, das andere offen hält; uns liegt es dann ob, diese Thätigkeit bald auf das eine, bald auf das andere Auge zu beziehen und sie je nachdem unbewusst oder bewusst zu nennen. Es ist klar, dass eine solche Fiction nicht aufrecht zu erhalten ist. Wenn eine productive Thätigkeit Function Gottes ist, so kann sie für ihn nur entweder bewusst oder unbewusst sein, aber nicht beides zugleich. Wenn er ein centrales Bewusstsein hat, und die Thätigkeit Gottes von diesem als Bewusstseinshalt umspannt wird, so ist sie bewusst, und kann in keinem Sinne mehr ausserdem für ihn unbewusst genannt werden. Wenn aber die Thätigkeit Gottes für ihn als Gott unbewusst sein soll, so heisst das eben, sie fällt nicht in sein göttliches Bewusstsein, oder er hat kein göttliches Bewusstsein von ihr; dann ist es ein Selbstwiderspruch, doch noch von einem göttlichen Bewusstsein zu reden, welches auch diese Thätigkeit als seinen Inhalt umspannt. Gott als absolutes Subject kann nicht zwei Bewusstseine haben, für deren eines seine Weltaction bewusst, und für deren anderes sie unbewusst wäre. Dies wäre erst dann ohne Widerspruch möglich, wenn die Weltaction des unbewussten Geistes gar nicht mehr Action Gottes als des bewussten Geistes wäre, sondern wenn vielmehr Gott sich vor Beginn des Weltprocesses in zwei Subjecte gespalten hätte, ein bewusstes und ein unbewusstes. Eine solche Spaltung wäre etwas wesentlich anders als die Einschränkung des absoluten Subjects zu weltlichen Individualsubjecten, wie sie dem unbewussten absoluten Geist im Weltprocess obliegt; bei dieser Einschränkung bleibt das Subject numerisch-identisch und erwirbt bloss zu seiner unbewussten productiven Thätigkeit noch eine bewusste receptive hinzu, während bei jener Spaltung das besessene absolute Bewusstsein bloss für den einen Theil vorbehalten bleibt und dem anderen Theil entzogen wird.

Eine solche Spaltung des bewussten absoluten Subjects in ein bewusstes und ein unbewusstes ist demnach nur als Zertheilung der einen absoluten Substanz in zwei zu denken, so dass die eine Hälfte das Bewusstsein ganz für sich behält und die andere Hälfte ganz ohne Bewusstsein aus sich entlässt oder von sich ausstösst. Die »Aushauchung« des unbewussten Geistes aus dem bewussten absoluten Geiste ist also dann nicht mehr als functionelle Manifestation, sondern als substantielle Emanation zu verstehen, so jedoch, dass nur die formlose Substanz des Geistes ausgeströmt wird und die wesentliche Form der Geistigkeit, als welche für den Theismus die Bewusstheit gilt, nicht mit ausgestrahlt wird. Bei dieser Substanztheilung geht jedenfalls mit der substantiellen Einheit des Subjects auch die Absolutheit in die Brüche, da nach der Theilung keines der beiden Bruchstücke mehr »das Absolute« heissen kann. Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit dieser ganzen Emanationsvorstellung, die nur ein Ueberlebsel des religiösen Naturalismus in den geistigen Religionen ist, wird doch dabei immerhin soviel klar, dass die angenommene Trennbarkeit der Geistessubstanz von der Form der Bewusstheit den Glauben, als ob ihm diese Form wesentlich wäre, widerlegt. Aller Theismus, welcher eine streng monistische Basis nicht verlassen will, kann sich diese emanatistische Ausflucht vor dem Widerspruch des bewusst- unbewussten Absoluten nicht aneignen; der Dualismus von Gott und Welt, welcher eben durch den immanenten unbewussten Geist überwunden werden sollte, taucht ja hier nur in neuer, abenteuerlicherer Gestalt als Dualismus des beschaulich ruhenden bewussten Gottvaters und des rastlos thätigen unbewussten Gottgeistes wieder auf. Die Versuche einer solchen Unterscheidung in Gott sind ja auch in der Philosophie nichts Neues; aber während sie in der älteren Mystik (Plotin, Eckhart) im abstract-monistischen Interesse hinter dem innerweltlichen persönlich gewordenen Gott eine unpersönliche, bestimmungslose, unthätige abstract eine Gottheit festhielten, suchen sie nunmehr im Interesse des theistischen Vorurtheils hinter der innerweltlichen unbewussten und unpersönlichen Gottheit einen bewussten persönlichen Gott zu retten, der nichts zu thun hat und doch nicht nichts denken soll. Beide Arten von innergöttlichem Dualismus, deren unklares Ineinanderübergehen durch Giardano Bruno bezeichnet wird, sind gleich unphilosophisch und gleich werthlos in religiöser Hinsicht. Ueber alle solche dualistischen Vel leïtäten muss kurzer Hand der Monismus triumphiren, und dieser, der uns zur substantiellen Einheit des absoluten Subjects zurückführt, stellt uns von Neuem vor die schlechthin einfache Alternative: ist dieses eine absolute Subject als absolutes und seine productive Thätigkeit als centrale bewusst oder unbewusst? Die Antwort kann nun nicht mehr zweifelhaft sein.

A43

S. 201 Z. 12 V. U. Eine Ausnahme machen natürlich religionsphilosophische Untersuchungen, bei denen das Wort Gott sich als die herkömmliche und allein adäquate Bezeichnung für das Object des religiösen Bewusstseins ungesucht darbietet und nur mit zweckloser Gewaltsamkeit umgangen und umschrieben werden könnte.

A44

S. 201 letzte Z. Für so lange dagegen, als die Volksmetaphysik der abendländischen Religionen den theistischen Gottesbegriff im Sinne einer selbstbewussten Persönlichkeit festzuhalten bemüht ist, wird die wissenschaftliche Philosophie sich dadurch von der theologischen Scheinphilosophie unterscheiden müssen, dass sie die Unbewusstheit und Unpersönlichkeit des all-einen Weltwesens auf ihre Fahne schreibt, dass sie in irgend welchem Sinne »Phil. d. Unbewussten« ist. Es ist klar, dass jedes philosophische System, das sich bemüht, das Selbstbewusstsein und die Persönlichkeit Gottes als denkbar und zulässig zu erweisen, auf den Dank und die Theilnahme aller an der Erhaltung der jüdischchristlichen Weltanschauung interessirten Kreise rechnen darf, auch wenn es sonst noch so dürftig und unzulänglich ist (wie z.B. das Lotze'sche); es ist ebenso klar, dass jede theologisch unbefangene Philosophie, welche die Unmöglichkeit eines selbstbewussten und persönlichen Gottes aufdeckt und blosslegt, sich die Feindschaft jener Kreise in um so heftigerem Maasse zuziehen muss, je besser und werthvoller sie im Uebrigen erscheint, d.h. je mehr sie als einflussreicher Gegner in Betracht kommt. Den Materialismus, Hylozoismus und Pluralismus hat die christliche Weltanschauung nicht zu fürchten, da diese Standpunkte wegen ihres Mangels an einer objectiven Teleologie und an einem substantiell einheitlichen Weltgrunde ausser Stande sind, Sittlichkeit und Religion zu begreifen und zu begründen und den unveräusserlichen Ansprüchen des sittlichen und religiösen Bewusstseins der Menchheit Genüge zu thun. Eine concretmonistische und teleologische Weltanschauung hingegen, welche sich durch eine Ethik und Religions-philosophie bereits praktisch legitimirt hat und trotzdem die Unbewusstheit und Unpersönlichkeit des all-einen Weltgeistes behauptet, fordert ihre nachdrückliche Bekämpfung auf das Dringendste heraus.

Leider kann ich nicht sagen, dass meine Gegner bisher irgendwelche nennenswerthe Beiträge zur Erörterung und Lösung dieser Cardinalfrage nach der Bewusstheit oder Unbewusstheit des Weltwesens geliefert hätten, vielmehr sehe ich mich genöthigt zu constatiren, dass dieselben sich in einer Weise um die Discussion dieses Punktes herumgedrückt haben, welche auf das Vertrauen in ihre Kampffähigkeit und in das Gewicht ihrer Gründe ein bedenkliches Licht wirft. Theilweise hat man meine Behauptung der Unbewusstheit des All-Einen als eine persönliche Schrulle, als eine unbegreifliche Caprice bei Seite geschoben, ohne zu beachten, dass dieselben Bedenken das Gewissen der besten Christen seit Jahrtausenden beunruhigt haben, in der neuesten deutschen Speculation sich vertieft und positiv consolidirt haben, und von mir auf keinem Punkte erfunden, sondern nur systematisch zusammengestellt und näher durchgeführt sind. Was aber von einigen Seiten gegen meine Darlegungen vorgebracht worden ist, das ist so kurz und so oberflächlich, dass es ausser allem Verhältniss zu dem Umfang und der Durcharbeitung steht, welche ich diesem wichtigen Gegenstande in immer erneuten Anläufen gewidmet habe.

Es wäre daher dringend zu wünschen, dass man im christischen Lager sich endlich einmal ein Herz fasste, und meine Philosphie in demjenigen Centralpunkt, durch welchen sie die Feindschaft hervorgerufen hat, einer eingehenden Erörterung unterzöge, anstatt wie bisher die Unfähigkeit zur Widerlegung dieser Hauptsache durch Angriffe auf allerlei Aussenwerke zu maskiren und dann zu thun, als ob damit das ganze System gestürzt wäre. Ich bitte aber dringend, sich bei einer solchen Discussion nicht bloss wie gewöhnlich eine vereinzelte Auslassung von mir zum Gegenstand der Kritik zu wählen und alle übrigen Stellen zu ignoriren, sondern alle meine aus verschiedenen Gesichtspunkten über diese Frage angestellten Betrachtungen einmal im Zusammenhange zu lesen und die Polemik gegen die Gesammtheit dieser Erörterungen zu richten. Hierzu gehören ausser dem Cap. C VIII und den darauf bezüglichen Nachträgen »Die Religion des Geistes« 8. 143-163 u. 178-179; »Phil. Fragen der Gegenwart« Bd. I, S. 131-136; »Phil. des Schönen« S. 378-482; »Lotze's Philosophie« Abschn. II, Cap. 7: »Das absolute Subject« S. 154-183; »Das sittliche Bewusstsein« 2. Aufl. S. 638-641 u. 617-622.

Quelle:
Eduard Hartmann: Philosophie des Unbewussten. Band 2, Leipzig 10[o.J.], S. 175-202.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Philosophie des Unbewußten
Eduard Von Hartmann's Ausgewahlte Werke (8); Philosophie Des Unbewussten. 10. Erweiterte Aufl
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