Wie der gemeine Menschenverstand

die Philosophie nehme, –

dargestellt an den Werken

des Herrn Krug

[188] I. Briefe über die Wissenschaftslehre. Nebst einer Abhandlung über die von derselben versuchte Bestimmung des religiösen Glaubens. Leipzig bei Roch und Komp. 1800

II. Briefe über den neuesten Idealism. Eine Fortsetzung der Briefe über die Wissenschaftslehre. Leipzig in der Heinr. Müllerschen Buchhandlung. 1801

III. Entwurf eines neuen Organons der Philosophie, oder Versuch über die Prinzipien der philosophischen Erkenntnis. Von Wilh. Traugott Krug, Adj. der philos. Fakultät in Wittenberg. Ti prôton estin ergon tou philosophountos; – apobalein oinsin. Arrian. Meißen und Lübben bei K. F. W. Erbstein. 1801


Herrn Krugs philosophische Bemühungen teilen sich von selbst nach zwei Seiten, deren eine polemisch gegen den transzendentalen Idealismus gekehrt ist, die andere aber seine eigenen philosophischen Überzeugungen, wie Herr Krug es nennt, betrifft.

Was nun das polemische Verfahren des Herrn Krug betrifft, so soll der Standpunkt, den er gegen die Wissenschaftslehre sich gibt, der Standpunkt der Skepsis sein, S. 5, Vorrede, und zwar so, wie es der Skepsis zieme, daß Herr Krug nicht aus seinen eigenen Überzeugungen (warum nicht, wird sich bei Gelegenheit der Briefe über den transzendentalen Idealismus und vorzüglich des Organons, wo der Verfasser seine eigenen Überzeugungen darlegt, ergeben), sondern aus der[188] Wissenschaftslehre selbst argumentiere, und Herr Krug meint, daß eine wissenschaftliche Untersuchung durch seine Briefe eingeleitet werden soll. In Rücksicht der subjektiven Art der Äußerung ist es eine wahre Lust, des Herrn Verfassers Nüchternheit, Billigkeit und Rechtschaffenheit sprechen zu hören. »Die Wissenschaftslehre«, sagt er, »hat, zwar, bisher, ziemlich, spröde getan und ihre Gegner, größtenteils, in einem, etwas, unsanften Tone zurechtgewiesen; indessen, ist, auch, nicht zu leugnen, daß sie, in manchen Fällen bloß, das Wiedervergeltungsrecht gebraucht hat, und, wenn sie dabei, die Grenzen, desselben, hin und wieder, überschritten hat, dies, vielleicht, mehr, von der Kraftfülle, womit sie den Kampfplatz betrat, als von einer feindseligen Gesinnung herrühren mag«. Der Verfasser habe »bisher keinen Anteil an diesem Streite genommen, weil er es für Pflicht hielt, ein System erst genauer für sich selbst zu prüfen, ehe er mit einer öffentlichen Prüfung hervortrete«. Mit dem edlen und wohltätigen Bewußtsein dieser erfüllten Pflicht behandle er nun ›die Wissenschaftslehre mit der ihr gebührenden Achtung, habe ihr nicht gehässige Folgerungen, sondern Gründe entgegengesetzt und fürchte, wenn er sich nicht gänzlich in seinen Gegnern irre, keine entgegengesetzte Behandlung, denn er habe von ihnen eine viel zu vorteilhafte Meinung, als daß er nicht hoffen sollte, auf einem anderen Fuß behandelt zu werden als‹ usw. ›Sollte er sich aber, doch, in seiner Hoffnung betrogen finden, so werde er seine Untersuchungen aufgeben; der rechtschaffene und würdige Grund hiervon ist, weil aus einer literarischen Fehde, die mit leidenschaftlicher Hitze geführt werde, selten, etwas Kluges, herauskomme, und am Ende den Zuschauern nur ein Skandal gegeben werde, das die Wissenschaft samt ihren Pflegern (unter welche sich Herr Krug auch rechnet) in öffentlichen Mißkredit bringe.‹

Im ersten Briefe erzählt Herr Krug, was er am transzendentalen[189] Idealismus zu billigen finde; er erklärt S. 14, daß er das Ich gar nicht so lächerlich noch so undenkbar finde, als es manche zu finden scheinen; was denn, fragt er, Ungereimtes, was einem verständigen Menschen ein Lachen oder, auch nur, ein Lächeln abnötigen könnte, darin liege, wenn ich das, was ich durch die Abstrakzion (so orthographiert Herr Krug) von allem, was nicht zu mir selbst gehört, denke, schlechthin Ich nenne? – auch finde er die Forderung sehr begründet: »Merke auf dich selbst, kehre deinen Blick von allem, was dich umgibt, ab und in dein Inneres.« – Ferner habe er auch nichts dagegen usw., endlich könne er auch den Idealism als philosophische Theorie nicht für so gefährlich halten, als er von vielen scheint gehalten zu werden. Von diesen Seiten wüßte er dem transzendentalen Idealisme (so dekliniert Herr Krug: dem Organisme, dem Dogmatisme; im Genitiv: des Idealismes, des Organismes, des Realismes usw.) nichts entgegenzusetzen; ob er aber nicht sonst Blößen habe, wird sich in der Folge zeigen.

Dasjenige, worin Herr Krug dem transzendentalen Idealismus seinen Beifall schenkt, macht den Inhalt des ersten Briefs aus; aber dieser dünkelvolle und selbstgefällige Ton der Gerechtigkeit und Nüchternheit und diese Langweiligkeit der Manier geht durchs Ganze durch.

Was aber Herr Krug gegen die Wissenschaftslehre vorbringt und was er S. 79 eine ausführliche Prüfung nennt, geht von S. 24-52, denn im dritten Brief hat er es nur mit den Namen des Idealismes, Dogmatismes und Realismes zu tun; ›es komme zwar in der Hauptsache nicht auf die Namen an, aber durch die Entgegensetzung des Dogmatismes sei, gewissermaßen, schon zum voraus der Stab über alle und jede Gegner der Wissenschaftslehre gebrochen, und eben dadurch werde dem Geiste der unparteiischen Prüfung, wozu doch, so oft und so nachdrücklich, von ihr aufgefordert worden ist, aller Zugang wo nicht verwehrt, doch erschwert.‹ – Um[190] solche Gefahr nun abzuwenden, teilt Herr Krug den Dogmatismus in materialer Hinsicht ein in Idealismus, der die Realität der Außenwelt leugne, Realismus, wenn er die Realität zugebe und behaupte; – aber bei dieser Einteilung ist gerade der transzendentale Idealismus ausgelassen, denn dieser gibt nicht bloß zu – denn von einem Zugeben ist die Rede in philosophischen Systemen nicht –, sondern behauptet die Realität der Außenwelt ebensowohl als ihre Idealität, und der theoretische Teil der Wissenschaftslehre geht auf gar nichts anderes als auf eine Deduktion der Realität der Außenwelt.

Die ausführliche Prüfung selbst (S. 24-52) der Wissenschaftslehre ist gegen einen einzigen Punkt gerichtet; Herr Krug kann nämlich die Beschränktheit des Ich nicht ertragen: Ich soll sich nämlich beschränken, und zwar nicht etwa mit Freiheit und Willkür (eine gute Zusammenstellung), sondern zufolge eines immanenten Gesetzes seines eigenen Wesens, und doch beruhe der Beglaubigungsgrund des transzendentalen Idealismus auf dem Interesse der Selbständigkeit; und auch ich, sagt Herr Krug, bin mit dem Freunde, an den er diese Briefe richtet, und mit dem Urheber der Wissenschaflslehre sehr für meine Selbständigkeit interessiert; daß sich Fichte mit Herrn Krug und seinem Freunde als gemeinschaftlicher Interessent an Herrn Krugs Selbständigkeit assoziiert habe, wie Herr Krug hier erzählt, ist dem Publikum sonst nicht bekannt gewesen. Für das Interesse dieser Selbständigkeit sei es aber völlig gleichgültig, ob das Ich durch seine äußere oder durch eine innere Natur notwendig so handle, wie es handle. Herr Krug vergleicht das Ich, das aus innerer Naturnotwendigkeit handelt, und das Ich, das durch eine Natur außer uns bestimmt werde, dieses mit einer bloßen Flöte, die ein Künstler spielt, jenes mit einer Flötenuhr, die durch sich selbst harmonische Tone hervorbringe.

Hieraus erhelle, also wohl auch, zur Genüge, daß es mit der Pflichtmäßigkeit der idealistischen Denkart so ernstlich nicht[191] gemeint sei; mit jeder philosophischen Theorie könne ein guter Willen und eine moralische Gesinnung verbunden sein. (Dagegen ist ihm der Anthropomorphism der Einbildungskraft, der Polytheism, S. 112, ein desto ärgerer Greuel; er erklärt ihn für durchaus unverträglich mit der Moralität.) Ungeachtet nun das Interesse der Selbständigkeit durch den transzendentalen Idealismus nicht hinlänglich befriedigt sei, so sei doch für das spekulative Interesse der Vernunft ungemein viel gewonnen; hier sei alles Licht und Klarheit, das Ich läßt und sieht alles vor seinen Augen entstehen; aber die Hauptaufgabe sei doch nicht gelöst. Herr Krug sehe nämlich zwei Menschen, einen Europäer und einen Mohren, und fühle sich genötigt, sich den einen mit weißer, den anderen mit schwarzer Hautfarbe vorzustellen; oder er möchte einen Menschen aus einer Lebensgefahr retten, aber die Fluten toben oder die Flammen wüten usw., – in der Unbegreiflichkeit der Schranken bleibe die Wissenschaftslehre stecken, wie allem Vermuten nach alle Philosophie.

Den letzten Brief, worin Herr Krug über die Einstimmung oder Nichteinstimmung des Kantischen Systems billiger – und klugerweise meint, es sei wohl am besten, sich des Urteils über diese Sache vorderhand ganz zu enthalten, schließt Herr Krug mit dem Wort:


ignavum fucos pecus a praesepibus arce,


was wohl noch auf manchen paßt, an den Herr Krug nicht dachte, als er es niederschrieb.

Ganz gleichen Inhalts ist die polemische Seite der Briefe über den neuesten Idealism, die gegen das Schellingsche System der transzendentalen Philosophie gerichtet sind, -nur sagt der Verfasser in der Vorrede, daß er hier in Ansehung der offenen Darlegung seiner eigenen Überzeugungen einen Schritt weiter gegangen sei.[192]

Zu der Offenheit der Darstellung wird auch gerechnet werden müssen, daß Herr Krug hier seine Einwürfe kecker vorträgt und in dem System Schellings – wie ihn Herr Krug unseren transzendentalen Idealisten nennen mag, ist eigentlich nicht abzusehen – unverzeihliche Inkonsequenzen, handgreifliche Widersprüche, Nonsens usw. demonstriert.

Über die ursprüngliche Begrenztheit scheint Herrn Krug, aus der Konstruktion der Handlungsweisen des Ich aus entgegengesetzten Tätigkeiten oder aus der ursprünglichen Differenz, einiges Licht aufgegangen zu sein, und über die absolute Notwendigkeit, die Vernunft als Subjekt und Objekt und damit Beschränktheit zu setzen, läßt sich Herr Krug weiter nicht vernehmen. Aber desto mehr hält er sich nun an die Bestimmtheit, die als das Unerklärbare und Unbegreifliche der Philosophie eingestanden werde.

Fürs erste findet er es widersprechend, daß in der Philosophie durchaus nichts vorausgesetzt werden soll und doch das Absolute A = A, als absolute Identität und als Differenz, woraus alle Beschränktheit konstruiert wird, vorausgesetzt werde.

Dieser Widerspruch ist genau derjenige, den der gemeine Verstand immer in der Philosophie finden wird; der gemeine Verstand setzt das Absolute mit dem Endlichen genau auf denselben Rang und dehnt die Forderungen, die in Rücksicht auf das Endliche gemacht werden, auf das Absolute aus. Es wird also in der Philosophie gefordert, es soll nichts unbewiesen hingestellt werden; der gemeine Verstand findet gleich die Inkonsequenz, die begangen worden ist, er findet, daß man das Absolute nicht bewiesen hat; – mit der Idee des Absoluten werde unmittelbar sein Sein gesetzt, aber, weiß der gemeine Verstand einzuwenden, er könne sich sehr gut etwas denken, eine Idee von etwas machen, ohne daß darum notwendig sei, daß dieses gedachte Etwas zugleich ein Dasein habe usw. So wird Herr Krug der Geometrie vorwerfen, daß sie keine in sich vollendete Wissenschaft sei, wie sie behaupte, denn die beweise ja das Dasein[193] eines unendlichen Raums nicht, in den sie ihre Linien ziehe, – Oder hält Herr Krug Gott oder das Absolute für eine Art von Hypothese, welche sich die Philosophie zuschulden kommen lasse, wie die eine Physik sich die Hypothese eines leeren Raums, einer magnetischen, elektrischen Materie usw. erlaubt, an deren Stelle eine andere Physik wieder andere Hypothesen setzen kann?

Die zweite Inkonsequenz, die Herrn Krug auffällt, ist, daß versprochen sei, das ganze System unserer Vorstellungen solle deduziert werden; und ob er schon selbst eine Stelle im transzendentalen Idealismus gefunden hat, worin der Sinn dieses Versprechens ausdrücklich erläutert ist, so kann er sich doch nicht enthalten, wieder überhaupt zu vergessen, daß hier von Philosophie die Rede ist. Herr Krug kann sich nicht enthalten, die Sache wie der gemeinste Plebs zu verstehen und zu fordern, es solle jeder Hund und Katze, ja sogar Herrn Krugs Schreibfeder duduziert werden, und da dies nicht geschieht, so meint er, es müsse seinem Freunde der kreißende Berg und das kleine, kleine Mäuschen einfallen; man hätte sich nicht sollen das Ansehen geben, als ob man das ganze System der Vorstellungen deduzieren wolle.

Komisch ist es, wie Herr Krug denn doch so gnädig ist, den Philosophen, der sich das Ansehen eines Meisters in der Philosophie gebe, jedoch nicht so scharf beim Worte nehmen zu wollen; sondern er verlangt nur etwas Weniges, nur die Deduktion von einer bestimmten Vorstellung, z.B. dem Monde mit allen seinen Merkmalen, oder einer Rose, einem Pferd, einem Hunde oder Holz, Eisen, Ton, einer Eiche oder auch nur von seiner Schreibfeder. Es sieht aus, als ob Herr Krug den Idealisten mit solchen Forderungen die Sache leicht habe machen wollen, daß er vom Sonnensystem nur einen untergeordneten Punkt, den Mond, oder als etwas noch viel Leichteres seine Schreibfeder aufgegeben hat. Begreift denn aber Herr Krug nicht, daß die Bestimmtheiten, die im transzendentalen Idealismus unbegreiflich sind, der Naturphilosophie,[194] von deren Unterschied von dem transzendentalen Idealismus er gar nichts zu wissen scheint, soweit von ihnen – wie von Herrn Krugs Schreibfeder nicht – in der Philosophie die Rede sein kann, angehören? In derselben kann er eine Dedukzion (ein Wort, dessen Bedeutung hier sowenig taugt als seine Orthographie) von einem derjenigen Dinge, die er vorschlägt, vom Eisen finden. Hat denn Herr Krug so wenig einen Begriff von philosophischer Konstruktion, um zu meinen, daß der Mond ohne das ganze Sonnensystem begriffen werden könne, und hat er eine so schwache Vorstellung von diesem Sonnensystem, um nicht einzusehen, daß das Erkennen dieses Systems die erhabenste und höchste Aufgabe der Vernunft ist? Wenn Herr Krug von der Größe dieser bestimmten Aufgabe oder wenn er von dem, was überhaupt im jetzigen Augenblicke zunächst Interesse der Philosophie ist, nämlich einmal wieder Gott absolut vornehin an die Spitze der Philosophie als den alleinigen Grund von allem, als das einzige principium essendi und cognoscendi zu stellen, nachdem man ihn lange genug neben andere Endlichkeiten oder ganz ans Ende als ein Postulat, das von einer absoluten Endlichkeit ausgeht, gestellt hat, – wenn er hiervon eine ferne Ahnung hatte, wie konnte ihm denn einfallen, die Deduktion seiner Schreibfeder von der Philosophie zu verlangen? Ein Hund, eine Eiche, ein Pferd, ein Rohr sind freilich, so wie ein Moses, Alexander, Kyros, Jesus usw., etwas Vortrefflicheres, und beide Reihen von Organisationen liegen der Philosophie näher als Herrn Krugs Schreibfeder und die von ihr abgefaßten philosophischen Werke; die Naturphilosophie weist ihn hin, wie er die Organisationen einer Eiche, Rose, Hund und Katze zu begreifen hat, und wenn er Lust und Eifer hat, seine menschliche Individualität zu der Stufe des Lebens einer Rose oder eines Hundes zu kontrahieren, um das lebendige Sein derselben vollkommen zu begreifen und zu fassen, so mag er den Versuch machen, aber anderen kann er es nicht zumuten; besser, er versuche es, sein Wesen zu den größten Individualitäten[195] eines Kyros, Moses, Alexander, Jesus usw. oder auch nur des großen Redners Cicero auszudehnen, so kann es nicht fehlen, daß er ihre Notwendigkeit begreifen und diese einzelnen sowie die Reihe der Erscheinungen des Weltgeistes, die man Geschichte nennt, einer Konstruktion für fähiger halten wird; aber von der Forderung der Deduktion seiner Schreibfeder wird er zu diesem Behuf ganz abstehen müssen und sich wegen der Unwissenheit in solchen Dingen über den Idealismus auch keinen weiteren Kummer machen.

Herr Krug glaubt mit dieser Forderung der Deduktion von so etwas Bestimmtem einen äußerst guten Fund getan zu haben; er hält sich damit gegen den Idealismus für ganz gedeckt und meint, daß durch die Lösung dieses Problems das neueste idealistische System gegen alle ferneren Einwendungen in Sicherheit gestellt werden könnte; er wenigstens würde kein Bedenken tragen, sogleich das ganze System mit seiner deduzierten Schreibfeder zu unterschreiben; er ist aber auch im voraus überzeugt, daß kein Idealist in der Welt auch nur den Versuch dazu machen werde.

Damit man seinen Einwurf ja recht wohl verstehe, so legt er beispielsweise von S. 34 an seinen Menschenverstand recht gemütlich in einer Reihe naiver Probleme vor, welche der transzendentale Idealismus schwerlich werde lösen können. Solche Dinge sind dann, daß wir genötigt seien, uns vorzustellen, daß wir zu einer bestimmten Zeit geboren wurden, daß wir zu einer bestimmten Zeit sterben, daß wir auch täglich Nachrichten durch Zeitungen von dem erhalten, was sich in der Welt dazuträgt, wo wir nicht sind usw. – Daß, wenn die Organisation Produkt der Intelligenz ist, man nicht einsehe, wie der Naturforscher in Gegenden kommen könne, wo er neue Pflanzen entdecke, wie er nötig habe, die Erde zu bereisen usw., ferner nicht, wie die Intelligenz einen Blindgeborenen, Krankheit, Tod produzieren könne, –[196] kurz, es ist ganz ungeschickt, sich nicht unter die Fucos zu rechnen und doch rein aus diesem Tone des gemeinsten Menschenverstandes zu reden, – Herr Krug erklärt, daß ihn keine falsche Scham abhalte, seine Einwürfe vorzutragen, er suche aufrichtig die Wahrheit; weil er ein Handeln oder Tun ohne ein Sein schlechterdings nicht denken könne, »so bin ich«, sagt er, »vielleicht eben darum absolut unfähig zum Philosophieren; aber ich kann nun einmal nicht dafür, daß es so ist, und ich will lieber jene Unfähigkeit eingestehen, als eine Überzeugung heucheln, die ich nicht habe«; – aber es ist ja die Alternative nicht vorhanden, entweder zu heucheln oder den gemeinen Menschenverstand über die Philosophie auszugießen. – Außer diesen Widersprüchen im großen, die Herr Krug entdeckt, daß alles im transzendentalen Idealismus deduziert werden solle und die Hunde und Pferde doch nicht deduziert werden, findet er noch andere, indem er einzelne Stellen des Systems, in welchen von ganz verschiedenen Standpunkten die Rede ist, zusammenstellt und dann über den Widerspruch, wie S. 90, mit den Worten der Juden ausruft: »Nun was brauchen wir weiter Zeugnis, daß unser System ein dogmatischer transzendenter Idealism sei? wir haben's ja aus seinem eigenen Munde gehört.« In der einen Stelle, die Herr Krug aushebt, ist nämlich von der ursprünglichen Begrenztheit oder davon, daß sich Ich in Entgegensetzung als Subjekt und als Objekt setzt, die Rede, wobei gesagt wird, daß ein System, das diesen Grund aufhebe, ein dogmatischer transzendenter Idealismus wäre. Die andere Stelle betrifft die Epoche der Entwicklung des Selbstbewußtseins, in welcher Subjektives und Objektives für das Ich selbst sich trennen; für diesen Punkt der Trennung liegt die Grenze weder im Ich, das jetzt als subjektives bestimmt ist, noch im Ding, – sie liegt, ist dies ausgedrückt, nirgends, sie ist schlechthin, weil sie ist; sie wird in bezug auf das Ich sowohl als das Ding als schlechthin zufällig erscheinen. Herr Krug erklärt dies so: es gebe gar keinen Grund der Begrenztheit.[197]

Man sieht aus solchen Kläglichkeiten, daß Herr Krug das System, das er gründlich zu prüfen für Pflicht erklärt, ehe er es öffentlich zu beurteilen wage, nicht einmal obenhin kennt; sonst, wenn er wußte, daß das Bewußtsein konstruiert werden sollte, so konnte er zum voraus wissen, ohne nach einer besonderen Stelle sich umzusehen, daß eine Handlung der Intelligenz vorkommen müsse, in welcher die Grenze für Ich und das Ding als zufällig, als ohne Grund erscheint.

Noch ist, nachdem wir Herrn Krugs Prüfungsweise gezeigt haben, zu erwähnen, daß am Ende der Briefe über die Wissenschaftslehre von S. 61 bis ans Ende als Anhang eine Abhandlung über den religiösen Glauben und dieser ein Anhang und wieder ein Zusatz beigefügt ist; das Ganze betrifft die Fichteschen Aufsätze über Religion. Da Herr Krug hier ausdrücklich erklärt – was er überhaupt ohne ausdrückliche Erklärung tut –, daß er den transzendentalen Gesichtspunkt, der nur dem Philosophen als solchem eigen sein könne und der schon ausführlich vom ihm geprüft (wir finden, daß Herr Krug gar nicht von ihm gesprochen hat) worden sei, in dieser Untersuchung ganz beiseite liegen lassen wolle, so haben wir über diese Herzens- und Menschenverstandsergießungen vollends gar nichts zu sagen. Besonders eindringend sind die Ausbrüche seines Feuereifers gegen die Heiden und ihren krassesten Aberglauben, der der Religion des guten Lebenswandels schnurstracks zuwider sei; sie gehen dagegen, daß in einem der Aufsätze im philosophischen Journal mit einer, wie Herr Krug meint, gewissen, mit der Würde des Gegenstandes nicht wohl vereinbaren Keckheit, gesagt sei: die Religion kann ebensogut mit dem Polytheismus und dem Anthropomorphismus als usw. bestehen; zu welchen Abenteuerlichkeiten, ruft Herr Krug aus, kann nicht die Sucht, durch Paradoxien zu glänzen, auch einen guten Kopf verleiten!

Was Herrn Krugs eigene Überzeugungen betrifft, so fordert er zu ›einer besonderen Prüfung derselben auf, da er eben mit einer neuen Fundamentalphilosophie beschäftigt ist, wobei[198] ihm eine solche Prüfung vielleicht zustatten kommen dürfte‹; es geschieht erst in den Briefen über den transzendentalen Idealismus und im Organon, daß Herr Krug damit herausgeht, lat. urceus exit (die eigentliche amphora aber soll ein Werk über die ganze Philosophie in 8 Bänden, nämlich 7 Bänden Inhalts und einem Bande Sachregister werden, für welches Herr Krug den Entwurf des Organons als einen Kranz aushängt). Um diese Überzeugungen im Mittelpunkt aufzufassen, nehmen wir das auf, was Herr Krug die Hauptsache jener Überzeugungen oder sein System nennt; in unserem Bewußtsein sei nämlich (Organon, S. 75) eine ursprüngliche transzendentale Synthesis zwischen dem Realen und dem Idealen, und dasjenige System, welches diese transzendentale Synthesis anerkenne und behaupte, ohne sie erklären zu wollen – weil, um sie zu erklären, man von dem einen oder dem anderen anfangen, mithin die Synthesis selbst aufheben müßte –, nenne er transzendentalen Synthetism, welcher also transzendentaler Realism und transzendentaler Idealism in unzertrennlicher Vereinigung ist. – Dies sind Worte, die nicht übel lauten. Es ist nur zu untersuchen, wie denn Herr Krug jene Synthesis des Realen und Idealen eigentlich versteht; denn das Wort Synthesis macht die Sache nicht aus. Die ursprüngliche Synthesis nun ist nach Organon S. 25 das Bewußtsein; das Bewußtsein aber ist nicht das Ich, sondern ist im Ich.

Hören wir Herrn Krug noch weiter über das Ich; er ist überall ein warmer Patron des Ich gegen die Gegner der Wissenschaftslehre, er hat nichts gegen das Ich als Anfangspunkt der Philosophie; aller Spott darüber sei kleinlich und abgeschmackt usw. Er macht Ich gleichfalls zum Realprinzip des Erkennens; er erzählt, daß der transzendentale Idealismus auf die Selbständigkeit des Ich oder der Vernunft sich gründe und daß er sich selbst für diese Selbständigkeit interessiere. Bei Herrn Krug aber trennt sich das Ich von der Vernunft ab, sie kommen nur in dieser Erzählung das eine als Erklärung des anderen vor; sonst wird in den drei Werken,[199] die wir vor uns haben, soweit sie eine Beziehung auf Philosophie haben, auch das Wort Vernunft von Herrn Krug nicht gebraucht; außer in den Briefen über die Wissenschaftslehre findet man es ein paarmal im Genitiv vor oder S. 45 in ähnlicher Bedeutung – (worauf wir auch Herrn Krug deswegen aufmerksam machen, damit ihm nicht in den sieben Bänden der philosophischen Wissenschaften begegne, daß die Vernunft gar nicht oder nur im Genitiv vorkomme und also im Sachregister, dem 8. Bande, diese Sache nicht anzutreffen wäre). Herr Krug hat diese Zusammenstellung von Ich oder Vernunft aufgehoben, denn die Vernunft konnte nicht zum Ding gemacht werden; daß Ich aber ein Ding ist, ist eins der Grundprinzipien dieses Synthetismus, das er häufig und angelegentlich beweist (S. 80 über transzendentalen Idealismus): wo wir ein Handeln wahrnehmen, müssen wir auch ein Handelndes annehmen, d.h. ein Subjekt von gewisser Realität setzen, von welchem das Handeln gleichsam ausgeht; oder im Organon: es gibt ein Ich, das Subjekt der Tätigkeit ist, denn wirkliche Tätigkeit ohne ein Subjekt der Tätigkeit läßt sich nicht denken, wie jeden, versichert Herr Krug, sein Bewußtsein lehren wird, sobald er den Versuch machen will, so etwas zu denken. Daß das principium essendi des Erkennens oder das Realprinzip der Erkenntnis ein erkennendes Subjekt sei, davon gibt Herr Krug eine Art von Beweis; denn, sagt er, wäre kein solches Subjekt da, so wäre auch keine Erkenntnis da.

In diesem Ding nun ist das Bewußtsein, und dies Bewußtsein ist eine Kollektion von unendlich vielen Sachen. Herr Krug zählt darunter einen Satz des Widerspruchs, einen gewissen praktischen Satz, nämlich das Sittengesetz, ferner einen Alexander, der ein großer Held, einen Cicero, der ein großer Redner gewesen, und unendliche viele dergleichen (S. 14), – lauter Sachen, die alle nicht in dem Satz Ich = Ich oder A = A enthalten seien und mannigfaltige Tatsachen des Bewußtseins heißen. Diese unendlich mannigfaltigen Tatsachen des Bewußtseins liegen zwar alle im Ich, in das sie[200] auf eine unbegreifliche Weise kommen, aber freilich wie ein Chaos ohne alle Einheit und Ordnung:


Es geht alles durcheinander

wie Mäusedreck und Koriander.


Da tritt nun eine Vernunft im Genitivus herzu und bringt S. 76 f. eine formale Einheit hinein, ordnet die Verwirrung an und verbindet durch Unterordnung unter ein gewisses Prinzip als ihren Vereinigungspunkt; – nicht als wenn aus demselben alle einzelnen Erkenntnisse ihrem Inhalte nach abgeleitet werden könnten und sollten, sondern es sollen nur die einzelnen Erkenntnisse in ihrer Mannigfaltigkeit darauf als auf eine gewisse Einheit bezogen werden, so wie sich in einem Gewölbe alles auf den Schlußstein als höchsten und letzten Vereinigungspunkt bezieht, obwohl dieser Punkt nicht zugleich das Fundament des Gewölbes in sich enthalten kann; – und vielleicht, meint Herr Krug, hatte die Wissenschaftslehre eben dies in Gedanken, als sie den Satz Ich = Ich an die Spitze ihrer Untersuchungen Stellte, und dies A = A wäre eine symbolische Darstellung jener Harmonie, der oberste formale Grundsatz der Philosophie, welcher aber schon anderweit[ig]e materiale Grundsätze, Tatsachen des Bewußtseins in Begriffe aufgefaßt und in Sätzen dargestellt, voraussetzt. – Jenes Vielleicht macht der Vorsichtigkeit des Herrn Krug Ehre; ganz gewiß wollte er es doch nicht versichern.

Man sieht nun auch, als Herr Krug sich wegen der ursprünglichen Beschränktheit gegen den transzendentalen Idealismus kehrte, war es ihm nicht um Befreiung von der Beschränktheit zu tun, sondern einen Freibrief für die unendliche Menge der Beschränktheiten des empirischen Bewußtseins darin zu finden und zu zeigen, daß dieses System um kein Haar besser sei als sein Synthetismus, der eine unendliche Menge von Beschränktheiten des Bewußtseins setzt; Herr Krug seines[201] Orts (Briefe über den transzendentalen Idealismus) halte dafür, daß es den Philosophen keineswegs entehre, gleich von vornherein einzugestehen, daß es Dinge gebe, die höher als alle menschliche Weisheit liegen; – aus seinem Bewußtsein heraus und über dasselbe hinausgehen zu wollen, scheine ihm gerade soviel zu sein, als sein Bewußtsein aufheben und es doch in demselben Akte, wodurch es aufgehoben wird, behalten zu wollen. – Denkt aber Herr Krug unter philosophischer Reflexion etwas anderes als die Aufhebung des Bewußtseins und das Behalten desselben in einem und ebendemselben Akt?

Zum Prinzip seiner Spekulation das empirische Bewußtsein zu machen, dazu glaubt sich Herr Krug also mit allem Fuge berechtigt, und ebenso dazu, daß das, was er in seinem empirischen Bewußtsein finde und in demselben denken müsse, vollkommen wahr sei; er müsse das Ich als Ding denken, und daher sei es ein Ding. Wir setzen dasjenige als wirklich, was wir als notwendig hinzudenken müssen; so verfahren schon seit Menschengedenken die Physiker und Mathematiker in ihren Wissenschaften (S. 82), und niemand bis diesen Tag habe sie noch in Anspruch wegen dieses Verfahrens genommen; ja selbst der transzendentale Idealismus verfahre so an hundert Orten! Warum soll es den Gegnern nicht gestattet sein? ego homuncio non fecerim? – Nur vergißt Herr Krug, daß, wenn Mathematik, Physik und Idealismus fragen, was gedacht werden müsse, sie sich nicht an das empirische Bewußtsein wenden, worin die Hunde und Katzen, Herrn Krugs Schreibfedern und der große Redner Cicero usw. ihr Wesen treiben. – Nach dem Bisherigen muß der Synthetismus des Herrn Krug auf folgende Weise gedacht werden: Man stelle sich einen Krug vor, worin Reinholdisches Wasser, Kantisches abgestandenes Bier, aufklärender Sirup, Berlinismus genannt, und andere dergleichen[202] Ingredienzien durch irgendeinen Zufall als Tatsachen enthalten sind; der Krug ist das Synthetische derselben = Ich; nun tritt aber einer hinzu und bringt in jenes Gesödel dadurch eine Einheit, daß er die Dinge sondert, eins nach dem ändern riecht und schmeckt oder wie das zu machen ist, vornehmlich von anderen hört, was da hineingekommen sei, und nun eine Erzählung davon macht; dieser ist nun die formale Einheit oder philosophisches Bewußtsein.

Dies ist das Wesen des Krugischen Synthetismus, und es ist, so offen und unverhohlen es daliegt, nicht so leicht herauszufinden, da dieses System, wie ein wahres philosophisches System es tun muß, die anderen alle gleichfalls in sich faßt: weil Sein und Denken im empirischen Bewußtsein auf eine unbegreifliche Weise vereinigt sind, so daß eine echte, nüchterne und bescheidene Philosophie nicht darüber hinaus soll, hält Herr Krug sein System für einig mit dem Jacobischen; die Kantischen Begriffe a priori fehlen ihm nicht, und wie wir gesehen haben, ist er auch ein warmer Patron vom Ich des Idealismus.

Sonst, was die historische Rücksicht auf das Eigentliche dieses Systems betrifft, so wird man notwendig an das ältere, ganz gleiche System des Herrn Schmid (Philosophisches Journal, Jahrg. 1795, 10. Heft) erinnert (wie auch der Rezensent des Organon in der Allgemeinen Literatur-Zeitung bemerkt), ein System, von dem man nicht denken konnte, daß, nachdem auch der Erfinder desselben selbst die Ausführung aufgegeben hatte, es aus seiner Vernichtung durch einen anderen wieder erweckt werden sollte. Es ist ganz eingetroffen, was Fichte damals (Philosophisches Journal, Jahrg. 1795, 12. Heft) schon voraussagte, daß diese Entdeckung ohne Zweifel benutzt werden werde; nur sei zu wünschen, daß diejenigen, die sie benutzen, dem wahren Erfinder die Ehre des Erfindens und, wie[203] er lieber wolle, die Ehre des Findens lassen und sich gegen ihn besser benehmen als gegen einen anderen berühmten philosophischen Schriftsteller, dessen Schriften der wahre Urquell ihres Kantianismus sind und dem doch nur wenige die schuldige Dankbarkeit beweisen. – Gegen Reinhold läßt sich Herr Krug diesen Fehler des Undanks nicht ganz zuschulden kommen, aber doch Reinholden bei weitem nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Organon S. 33 sagt Herr Krug, daß die Theorie, wenn sie das Bewußtsein als das Fundament der philosophischen Erkenntnis aufstellte, von der Wahrheit gar nicht so weit entfernt war, als manche Beurteiler derselben behauptet haben; aber sie habe nur darin gefehlt (Herr Krug hat den rechten Fleck getroffen), daß sie voraussetzte, die ganze philosophische Erkenntnis müsse auf eine einzige Tatsache des Bewußtseins erbaut oder daraus hergeleitet werden. Allein Herr Krug tut in Wahrheit der Theorie Unrecht, denn mit der Stoffheit der Vorstellungen, welche in jenem einen Grundsatz des Bewußtseins auch enthalten ist, muß ja die Menge der Tatsachen des Bewußtseins, so unendlich mannigfaltig Herr Krug sie nur verlangen kann, hereinkommen.

Sonst sagte Fichte von diesem System des Synthetismus selbst, daß es vortrefflich dem dringendsten Bedürfnisse der Zeit entspreche; die Kantische Philosophie habe Aufsehen erregt, und es suchen viele hinter ihr etwas Besonderes. Durch jenes System werden mit einem Male alle Schwierigkeiten weggenommen; die Welt ist da fertig ohne alles Zutun der Vernunft. Der kritische Idealismus erhält eine so leicht zu fassende Bedeutung; es wird durch ihn weiter nichts behauptet als das Vermögen, unsere Kenntnisse in ein System zu bringen. – Bloß das bleibt, nachdem wir jetzt den Aufschluß erhalten haben, wunderbar, wie soviel Lärmen um nichts habe entstehen können, wie Kant so mächtige Zurüstungen[204] habe machen können, um den sehr simplen Satz darzutun, daß wir über die Dinge in der Welt räsonieren können. – Was damals in Rücksicht auf Kant geschah, hat Herr Krug für das Fichtesche System geleistet, indem er zeigt, daß Ich = Ich das Prinzip der ursprünglichen Identität des Ich bedeute, wovon uns nur das Bewußtsein unserer selbst belehren könne, welches alle meine Tätigkeiten begleitet und wodurch ich sie als meine Tätigkeit anerkenne; kurz, daß die Identität darein zu setzen ist, daß alle Tatsachen des Bewußtseins in mir und in keinem Fremden sind. – Doch bescheidet sich Herr Krug, diese Erklärung des Ich = Ich mit einem Vielleicht vorzutragen, denn »vielleicht« könnte Ich = Ich auch etwas anderes ausdrücken sollen.

Den Grundstein zu dieser Fundamentalphilosophie seiner Überzeugungen legt Herr Krug ausführlich im 3. §, worin er beweist, daß es nur ein Realprinzip, das Ich, aber mehrere Idealprinzipien geben müsse; er beruft sich in der Folge S. 19 und 77 darauf, hier die Mehrheit der Prinzipien dargetan zuhaben; dennoch lautet der Anfang der Schlußanmerkung zu diesem § S. 15 so: ›Ich zweifle demnach sehr, daß man aus dem magischen Kreise, in den uns die Untersuchung über die Prinzipien der philosophischen Erkenntnis versetzt, jemals durch die Annahme eines obersten absoluten Prinzips herauskommen werde, das den gesamten Inhalt und die gesamte Form der Philosophie ausdrücke usw.‹ (aus Schelling, Über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt). Wenn Herr Krug ein 8 Bände starkes Werk der philosophischen Wissenschaften darauf gründen will, wie kann ihn seine Bescheidenheit und Nüchternheit so weit verführen, daß, nachdem er das Prinzip seiner Überzeugungen bewiesen hat, er an dem entgegengesetzten Prinzip nur zweifelt?

Mit einer Haupttatsache des Bewußtseins, der Außenwelt nämlich, bringt es Herr Krug auch nicht weiter, als daß er S. 40 das Resultat zieht, daß, wenn die Annahme der Realität der Außenwelt zwar nicht direkt bewiesen werden[205] könne, so lasse sich doch indirekt, d.h. durch Reflexion, auf die gegenseitige Behauptung sehr viel zur Rechtfertigung jenes Glaubens sagen, nämlich dieser Glaube und Voraussetzung sei jedem Menschen so notwendig und natürlich, daß sich selbst der entschiedenste Idealist nicht davon losmachen könne, denn er glaubt daran, sobald er nicht spekuliert. – Und S. 47 ergibt sich eben hieraus, daß der Glaube an die objektive Welt weit vernünftiger sei als die Behauptung des Gegenteils.

Die dargestellten einfachen und populären Vorstellungen von der Philosophie, wie sie ein Synthetismus ist, hat Herr Krug in spanische Stiefel realer Prinzipien und formaler Idealprinzipien wie auch materialer Idealprinzipien eingeschnürt, Fichtes, Schellings Schriften, Philosophisches Journal, seine eigenen Werke fleißig zitiert, das Ganze in Paragraphen und besondere Anmerkungen Nr. 1, 2, 3 usw. abgeteilt usf., – kurz, durch alle solche Anstalten der Sache seines gemeinen Menschenverstandes wieder einen Teil der Popularität und Faßlichkeit entzogen, die sie an und für sich hat und die ein Hauptverdienst derselben so sehr ausmacht, daß man, wenn dieser in Paragraphen gebrachte gemeine Menschenverstand wirklich Philosophie wäre, unsere Zeiten und Sitten zu bedauern hätte, die es nicht erlauben, sich, wie Sokrates tat, an jeden vornehmen und gemeinen Mann geradezu zu wenden; es müßte Herrn Krug gelingen, in kurzer Zeit das ganze ungebildete Publikum in ein philosophisches umzukleiden. Auch für die Skeptiker ist diese Philosophie vortrefflich, wie Herr Krug selbst einsieht: »Wenn ich«, sagt er, »nur die Tatsachen meines Bewußtseins richtig aufgefaßt und verständlich dargestellt habe, so wird kein Philosoph in der Welt die von mir aufgestellten Prinzipien ableugnen können; selbst der Skeptiker wird sie zugeben müssen.«

Wenn Herr Krug am Ende des Organons (wo wir auch belehrt werden, daß dieses Organon eigentlich noch nicht das Organon sei) anzeigt, daß er, wenn seine Grundsätze den[206] Beifall der Kenner zu erhalten das Glück haben sollten, ein System der Philosophie in acht Bänden auszuarbeiten nicht abgeneigt sein würde, wie er seinen Freunden bereits in einer Privatankündigung zu erkennen gegeben habe, – so geben wir ihm einerseits nur zu bedenken, daß sich in sieben Bänden allerdings eine hübsche Anzahl von Tatsachen des Bewußtseins aufstellen läßt, aber daß nicht abzusehen ist, wie er darein die unendlich mannigfaltigen Tatsachen des philosophischen Bewußtseins, darunter er auch zählt, daß »ein großer Redner, namens Cicero, ein großer Krieger, namens Alexander, gewesen sei« usw., bringen könne; – andererseits, wenn sieben Bände für diese Tatsachen nicht ausreichen werden, wo soll noch Raum zum Philosophieren über diese zum Grunde gelegten Sachen übrigsein, da ja der achte Band laut S. 112 für die Literatur der Philosophie und für ein Register über die philosophischen Sachen der sieben Bände bestimmt ist?[207]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 2, Frankfurt a. M. 1979, S. 188-208.
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