B. Die Phänomenologie des Geistes. Das Bewußtsein
§ 413

[199] Das Bewußtsein macht die Stufe der Reflexion oder des Verhältnisses des Geistes, seiner als Erscheinung, aus. Ich ist die unendliche Beziehung des Geistes auf sich, aber als subjektive, als Gewißheit seiner selbst; die unmittelbare Identität der natürlichen Seele ist zu dieser reinen ideellen Identität mit sich erhoben, der Inhalt von jener ist für diese für sich seiende Reflexion Gegenstand. Die reine abstrakte Freiheit für sich entläßt ihre Bestimmtheit, das Naturleben der Seele, als ebenso frei, als selbständiges Objekt, aus sich, und von diesem als ihm äußeren ist es, daß Ich zunächst weiß, und ist so Bewußtsein. Ich als diese absolute Negativität ist an sich die Identität in dem Anderssein; Ich ist es selbst und greift über das Objekt als ein an sich aufgehobenes über, ist eine Seite des Verhältnisses und das ganze Verhältnis; – das Licht, das sich und noch anderes manifestiert.
[199]


§ 414
§ 415

[201] Da ich für sich nur als formelle Identität ist, so ist die dialektische Bewegung des Begriffs, die Fortbestimmung des Bewußtseins, ihm nicht als seine Tätigkeit, sondern sie ist an sich und für dasselbe Veränderung des Objekts. Das Bewußtsein erscheint daher verschieden bestimmt nach der Verschiedenheit des gegebenen Gegenstandes und seine Fortbildung als eine Veränderung der Bestimmungen seines Objekts. Ich, das Subjekt des Bewußtseins, ist Denken; die logische Fortbestimmung des Objekts ist das in Subjekt und Objekt identische, ihr absoluter Zusammenhang, dasjenige, wonach das Objekt das Seinige des Subjekts ist.

Die Kantische Philosophie kann am bestimmtesten so betrachtet werden, daß sie den Geist als Bewußtsein aufgefaßt hat und ganz nur Bestimmungen der Phänomenologie, nicht der Philosophie desselben enthält. Sie betrachtet Ich als Beziehung auf ein Jenseitsliegendes, das in seiner abstrakten Bestimmung das Ding-an-sich heißt; und nur nach dieser Endlichkeit faßt sie sowohl die Intelligenz als den Willen. Wenn sie im Begriffe der reflektierenden Urteilskraft zwar auf die Idee des Geistes, die Subjekt-Objektivität, einen anschauenden Verstand usf., wie auch auf die Idee der Natur kommt, so wird diese Idee selbst wieder zu einer Erscheinung, nämlich einer subjektiven Maxime herabgesetzt (s. § 58, Einl.). Es ist daher für einen richtigen Sinn dieser Philosophie anzusehen, daß sie von Reinhold als eine Theorie des Bewußtseins, unter dem Namen Vorstellungsvermögen, aufgefaßt worden ist. Die Fichtesche Philosophie hat denselben[202] Standpunkt, und Nicht-Ich ist nur als Gegenstand des Ich, nur im Bewußtsein bestimmt; es bleibt als unendlicher Anstoß, d.i. als Ding-an-sich. Beide Philosophien zeigen daher, daß sie nicht zum Begriffe und nicht zum Geiste, wie er an und für sich ist, sondern nur, wie er in Beziehung auf ein Anderes ist, gekommen sind.

In Beziehung auf den Spinozismus ist dagegen zu bemerken, daß der Geist in dem Urteile, wodurch er sich als Ich, als freie Subjektivität gegen die Bestimmtheit konstituiert, aus der Substanz, und die Philosophie, indem ihr dies Urteil absolute Bestimmung des Geistes ist, aus dem Spinozismus heraustritt.


§ 416

Das Ziel des Geistes als Bewußtsein ist, diese seine Erscheinung mit seinem Wesen identisch zu machen, die Gewißheit seiner selbst zur Wahrheit zu erheben. Die Existenz, die er im Bewußtsein hat, hat darin ihre Endlichkeit, daß sie die formelle Beziehung auf sich, nur Gewißheit ist. Weil das Objekt nur abstrakt als das Seinige bestimmt oder er in demselben nur in sich als abstraktes Ich reflektiert ist, so hat diese Existenz noch einen Inhalt, der nicht als der seinige ist.


§ 417

[203] Die Stufen dieser Erhebung der Gewißheit zur Wahrheit sind, daß er

a. Bewußtsein überhaupt ist, welches einen Gegenstand als solchen hat,

b. Selbstbewußtsein, für welches Ich der Gegenstand ist,

c. Einheit des Bewußtseins und Selbstbewußtseins, daß der Geist den Inhalt des Gegenstandes als sich selbst und sich selbst als an und für sich bestimmt anschaut; – Vernunft, der Begriff des Geistes.[204]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 10, Frankfurt a. M. 1979, S. 199-205.
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