B. Die Moralität
§ 503

[312] Das freie Individuum, im (unmittelbaren) Rechte nur Person, ist nun als Subjekt bestimmt, – in sich reflektierter Wille, so daß die Willensbestimmtheit überhaupt als Dasein in ihm als die seinige, unterschieden von dem Dasein der Freiheit in einer äußerlichen Sache, sei. Damit, daß die Willensbestimmtheit so im Innern gesetzt ist, ist der Wille zugleich als ein besonderer, und es treten die weiteren Besonderungen desselben und deren Beziehungen aufeinander ein. Die Willensbestimmtheit ist teils als die an sich seiende, [die] der Vernunft des Willens, das an sich Rechtliche (und Sittliche); teils als das in der tätlichen Äußerung vorhandene, sich begebende und mit derselben in Verhältnis kommende Dasein. Der subjektive Wille ist insofern moralisch frei, als diese Bestimmungen innerlich als die seinigen gesetzt und von ihm gewollt werden. Seine tätliche Äußerung mit dieser Freiheit ist Handlung, in deren Äußerlichkeit er nur dasjenige als das seinige anerkennt und sich zurechnen läßt, was er davon in sich selbst gewußt und gewollt hat.

Diese subjektive oder moralische Freiheit ist es vornehmlich, welche im europäischen Sinne Freiheit heißt. Vermöge des Rechts derselben muß der Mensch eine Kenntnis vom Unterschiede des Guten und Bösen überhaupt eigens besitzen; die sittlichen wie die religiösen Bestimmungen[312] sollen nicht nur als äußerliche Gesetze und Vorschriften einer Autorität den Anspruch an ihn machen, von ihm befolgt zu werden, sondern in seinem Herzen, Gesinnung, Gewissen, Einsicht usf. ihre Zustimmung, Anerkennung oder selbst Begründung haben. Die Subjektivität des Willens in ihm selbst ist Selbstzweck, schlechthin wesentliches Moment.

Das Moralische muß in dem weiteren Sinne genommen werden, in welchem es nicht bloß das moralisch Gute bedeutet. »Le Moral« in der französischen Sprache ist dem »Physique« entgegengesetzt und bedeutet das Geistige, Intellektuelle überhaupt. Das Moralische hat hier aber die Bedeutung einer Willensbestimmtheit, insofern sie im Innern des Willens überhaupt ist, und befaßt daher den Vorsatz und die Absicht in sich, wie das moralisch Böse.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 10, Frankfurt a. M. 1979, S. 312-313.
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