a. Die reine Quantität
§ 99

[209] Die Quantität ist das reine Sein, an dem die Bestimmtheit nicht mehr als eins mit dem Sein selbst, sondern als aufgehoben oder gleichgültig gesetzt ist.

1. Der Ausdruck Größe ist insofern für Quantität nicht passend, als er vornehmlich die bestimmte Quantität bezeichnet. 2. Die Mathematik pflegt die Größe als das zu definieren, was vermehrt oder vermindert werden kann; so fehlerhaft diese Definition ist, indem sie das Definitum selbst wieder enthält, so liegt doch dies darin, daß die Größenbestimmung eine solche ist, die als veränderlich und gleichgültig gesetzt sei, so daß unbeschadet einer Veränderung derselben, einer vermehrten Extension oder Intension, die Sache, z.B. ein Haus, Rot, nicht aufhöre, Haus, Rot zu sein. 3. Das Absolute ist reine Quantität, – dieser Standpunkt fällt im allgemeinen damit zusammen, daß dem Absoluten die Bestimmung von Materie gegeben wird, an welcher die Form zwar vorhanden, aber eine gleichgültige Bestimmung sei. Auch macht die Quantität die Grundbestimmung des Absoluten aus, wenn es so gefaßt wird, daß an ihm, dem Absolut-Indifferenten, aller Unterschied nur quantitativ sei. – Sonst können der reine[209] Raum, die Zeit usf. als Beispiele der Quantität genommen werden, insofern das Reale als gleichgültige Raum- oder Zeiterfüllung aufgefaßt werden soll.
[210]

§ 100

Die Quantität zunächst in ihrer unmittelbaren Beziehung auf sich oder in der Bestimmung der durch die Attraktion gesetzten Gleichheit mit sich selbst ist kontinuierliche, in der anderen in ihr enthaltenen Bestimmung des Eins ist sie diskrete Größe. Jene Quantität ist aber ebensowohl diskret, denn sie ist nur Kontinuität des Vielen; diese ebenso kontinuierlich, [denn] ihre Kontinuität ist das Eins als Dasselbe der vielen Eins, die Einheit.

1. Die kontinuierliche und diskrete Große müssen daher[212] nicht insofern als Arten angesehen werden, als ob die Bestimmung der einen der anderen nicht zukomme, sondern sie unterscheiden sich nur dadurch, daß dasselbe Ganze das eine Mal unter der einen, das andere Mal unter der anderen seiner Bestimmungen gesetzt ist. 2. Die Antinomie des Raums, der Zeit oder der Materie, in Ansehung ihrer Teilbarkeit ins Unendliche oder aber ihres Bestehens aus Unteilbaren, ist nichts anderes als die Behauptung der Quantität das eine Mal als kontinuierlicher, das andere Mal als diskreter. Werden Raum, Zeit usw. nur mit der Bestimmung kontinuierlicher Quantität gesetzt, so sind sie teilbar ins Unendliche, mit der Bestimmung diskreter Größe aber sind sie an sich geteilt und bestehen aus unteilbaren Eins; das eine ist so einseitig als das andere.[213]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 8, Frankfurt a. M. 1979, S. 209-214.
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