Dritte Abteilung der Logik

Die Lehre vom Begriff

§ 160

[307] Der Begriff ist das Freie, als die für sie seiende substantielle Macht, und ist Totalität, indem jedes der Momente das Ganze ist, das er ist, und als ungetrennte Einheit mit ihm gesetzt ist; so ist er in seiner Identität mit sich das an und für sich Bestimmte.


§ 161

[307] Das Fortgehen des Begriffs ist nicht mehr Übergehen noch Scheinen in Anderes, sondern Entwicklung, indem das Unterschiedene unmittelbar zugleich als das Identische miteinander und mit dem Ganzen gesetzt, die Bestimmtheit als ein freies Sein des ganzen Begriffes ist.
[308]


§ 162

Die Lehre vom Begriffe teilt sich in die Lehre 1. von dem subjektiven oder formellen Begriffe, 2. von dem Begriffe als zur Unmittelbarkeit bestimmtem, oder von der Objektivität, 3. von der Idee, dem Subjekt-Objekte, der Einheit des Begriffs und der Objektivität, der absoluten Wahrheit.

Die gewöhnliche Logik faßt nur die Materien in sich, die hier als ein Teil des dritten Teils des Ganzen vorkommen, außerdem die oben vorgekommenen sogenannten Gesetze des Denkens und in der angewandten Logik einiges von dem Erkennen, womit noch psychologisches, metaphysisches und sonst empirisches Material verbunden wird, weil jene Formen des Denkens denn endlich für sich nicht mehr[309] genügten; damit hat diese Wissenschaft jedoch die feste Richtung verloren. – Jene Formen, die wenigstens zum eigentlichen Gebiet der Logik gehören, werden übrigens nur als Bestimmungen des bewußten, und zwar desselben als nur verständigen, nicht vernünftigen Denkens genommen.

Die vorhergehenden logischen Bestimmungen, die Bestimmungen des Seins und Wesens, sind zwar nicht bloße Gedankenbestimmungen; in ihrem Übergehen, dem dialektischen Momente, und in ihrer Rückkehr in sich und Totalität erweisen sie sich als Begriffe. Aber sie sind (vgl. § 84 u. 112) nur bestimmte Begriffe, Begriffe an sich oder, was dasselbe ist, für uns, indem das Andere, in das jede Bestimmung übergeht oder in welchem sie scheint und damit als Relatives ist, nicht als Besonderes, noch ihr Drittes als Einzelnes oder Subjekt bestimmt [ist], nicht die Identität der Bestimmung in ihrer entgegengesetzten, ihre Freiheit gesetzt ist, weil sie nicht Allgemeinheit ist. – Was gewöhnlich unter Begriffen verstanden wird, sind Verstandesbestimmungen, auch nur allgemeine Vorstellungen: daher überhaupt endliche Bestimmungen; vgl. § 62.

Die Logik des Begriffs wird gewöhnlich als nur formelle Wissenschaft so verstanden, daß es ihr auf die Form als solche des Begriffs, des Urteils und Schlusses, aber ganz und gar nicht darauf ankomme, ob etwas wahr sei; sondern dies hänge ganz allein vom Inhalte ab. Wären wirklich die logischen Formen des Begriffs tote, unwirksame und gleichgültige Behälter von Vorstellungen oder Gedanken, so wäre ihre Kenntnis eine für die Wahrheit sehr überflüssige und entbehrliche Historie. In der Tat aber sind sie umgekehrt als Formen des Begriffs der lebendige Geist des Wirklichen, und von dem Wirklichen ist wahr nur, was kraft dieser formen, durch sie und in ihnen wahr ist. Die Wahrheit dieser Formen für sich selbst ist aber seither nie betrachtet und untersucht worden, ebensowenig als ihr notwendiger Zusammenhang.[310]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 8, Frankfurt a. M. 1979, S. 307-311.
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