c. Die absolute Idee
§ 236

[388] Die Idee als Einheit der subjektiven und der objektiven Idee ist der Begriff der Idee, dem die Idee als solche der Gegenstand, dem das Objekt sie ist; – ein Objekt, in welches alle Bestimmungen zusammengegangen sind. Diese Einheit ist hiermit die absolute und alle Wahrheit, die sich selbstdenkende Idee, und zwar hier als denkende, als logische Idee.


§ 237

Für sich ist die absolute Idee, weil kein Übergehen noch Voraussetzen und überhaupt keine Bestimmtheit, welche nicht flüssig und durchsichtig wäre, in ihr ist, die reine Form des Begriffs, die ihren Inhalt als sich selbst anschaut. Sie ist sich Inhalt, insofern sie das ideelle Unterscheiden ihrer selbst von sich und das eine der Unterschiedenen die Identität mit[388] sich ist, in der aber die Totalität der Form als das System der Inhaltsbestimmungen enthalten ist. Dieser Inhalt ist das System des Logischen. Als Form bleibt hier der Idee nichts als die Methode dieses Inhalts, – das bestimmte Wissen von der Währung ihrer Momente.


§ 238

[389] Die Momente der spekulativen Methode sind α) der Anfang, der das Sein oder Unmittelbare ist; für sich aus dem einfachen Grunde, weil er der Anfang ist. Von der spekulativen Idee aus aber ist es ihr Selbstbestimmen, welches als die absolute Negativität oder Bewegung des Begriffs urteilt und sich als das Negative seiner selbst setzt. Das Sein, das für den Anfang als solchen als abstrakte Affirmation erscheint, ist so vielmehr die Negation, Gesetztsein, Vermitteltsein überhaupt und Vorausgesetztsein. Aber als die Negation des Begriffs, der in seinem Anderssein schlechthin identisch mit sich und die Gewißheit seiner selbst ist, ist es der noch nicht als Begriff gesetzte Begriff oder der Begriff an sich. – Dies Sein ist darum als der noch unbestimmte, d. i. nur an sich oder unmittelbar bestimmte Begriff ebensosehr das Allgemeine.

Der Anfang wird im Sinne des unmittelbaren Seins aus der Anschauung und Wahrnehmung genommen, – der Anfang der analytischen Methode des endlichen Erkennens; im Sinn der Allgemeinheit ist er der Anfang der synthetischen Methode desselben. Da aber das Logische unmittelbar ebenso Allgemeines als Seiendes, ebenso von dem Begriffe sich Vorausgesetztes als unmittelbar er selbst ist, so ist sein Anfang ebenso synthetischer als analytischer Anfang.


§ 239

[390] β) Der Fortgang ist das gesetzte Urteil der Idee. Das unmittelbare Allgemeine ist als der Begriff an sich die Dialektik, an ihm selbst seine Unmittelbarkeit und Allgemeinheit zu einem Momente herabzusetzen. Es ist damit das Negative des Anfangs oder das Erste in seiner Bestimmtheit gesetzt; es ist für eines, die Beziehung Unterschiedener, – Moment der Reflexion.

Dieser Fortgang ist ebensowohl analytisch, indem durch die immanente Dialektik nur das gesetzt wird, was im unmittelbaren Begriffe enthalten ist, – als synthetisch, weil in diesem Begriffe dieser Unterschied noch nicht gesetzt war.


§ 240

Die abstrakte Form des Fortgangs ist im Sein ein Anderes und Übergehen in ein Anderes, im Wesen Scheinen in dem Entgegengesetzten, im Begriffe die Unterschiedenheit des Einzelnen von der Allgemeinheit, welche sich als solche in das von ihr Unterschiedene kontinuiert und als Identität mit ihm ist.


§ 241

In der zweiten Sphäre ist der zuerst an sich seiende Begriff zum Scheinen gekommen und ist so an sich schon die Idee. – Die Entwicklung dieser Sphäre wird Rückgang in die erste, wie die der ersten ein Übergang in die zweite ist; nur durch diese gedoppelte Bewegung erhält der Unterschied sein[391] Recht, indem jedes der beiden Unterschiedenen sich an ihm selbst betrachtet zur Totalität vollendet und darin sich zur Einheit mit dem anderen betätigt. Nur das Sichaufheben der Einseitigkeit beider an ihnen selbst läßt die Einheit nicht einseitig werden.


§ 242

Die zweite Sphäre entwickelt die Beziehung der Unterschiedenen zu dem, was sie zunächst ist, zum Widerspruche an ihr selbst – im unendlichen Progreß –, der sich γ) in das Ende auflöst, daß das Differente als das gesetzt wird, was es im Begriffe ist. Es ist das Negative des Ersten und als die Identität mit demselben die Negativität seiner selbst; hiermit die Einheit, in welcher diese beiden Ersten als ideelle und Momente, als aufgehobene, d. i. zugleich als aufbewahrte sind. Der Begriff, so von seinem Ansichsein vermittels seiner Differenz und deren Aufheben sich mit sich selbst zusammenschließend, ist der realisierte Begriff, d. i. der Begriff, das Gesetztsein seiner Bestimmungen in seinem Fürsichsein enthaltend, – die Idee, für welche zugleich als absolut Erstes (in der Methode) dies Ende nur das Verschwinden des Scheins ist, als ob der Anfang ein Unmittelbares und sie ein Resultat wäre; – das Erkennen, daß die Idee die eine Totalität ist.


§ 243

Die Methode ist auf diese Weise nicht äußerliche Form, sondern die Seele und der Begriff des Inhalts, von welchem sie nur unterschieden ist, insofern die Momente des Begriffs auch an ihnen selbst in ihrer Bestimmtheit dazu kommen, als die Totalität des Begriffs zu erscheinen. Indem diese Bestimmtheit oder der Inhalt sich mit der Form zur Idee zurückführt, so stellt sich diese als systematische Totalität dar, welche nur eine Idee ist, deren besondere Momente ebensowohl an sich dieselbe sind, als sie durch die Dialektik des Begriffs das einfache Fürsichsein der Idee hervorbringen. – Die Wissenschaft schließt auf diese Weise damit, den Begriff ihrer selbst zu fassen, als der reinen Idee, für welche die Idee ist.


§ 244

[392] Die Idee, welche für sich ist, nach dieser ihrer Einheit mit sich betrachtet, ist sie Anschauen, und die anschauende Idee Natur. Als Anschauen aber ist die Idee in einseitiger Bestimmung der Unmittelbarkeit oder Negation durch äußerliche Reflexion gesetzt. Die absolute Freiheit der Idee aber ist, daß sie nicht bloß ins Leben übergeht, noch als endliches Erkennen dasselbe in sich scheinen läßt, sondern in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Widerschein, sich als Natur frei aus sich zu entlassen.[393]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 9, Frankfurt a. M. 1979.
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