B. Das Vermögen der Familie
§ 170

[323] Die Familie hat nicht nur Eigentum, sondern für sie als allgemeine und fortdauernde Person tritt das Bedürfnis und die Bestimmung eines bleibenden und sicheren Besitzes, eines Vermögens ein. Das im abstrakten Eigentum willkürliche Moment des besonderen Bedürfnisses des bloß Einzelnen und die Eigensucht der Begierde verändert sich hier in die Sorge und den Erwerb für ein Gemeinsames, in ein Sittliches.

Einführung des festen Eigentums erscheint mit Einführung der Ehe in den Sagen von den Stiftungen der Staaten, oder wenigstens eines geselligen gesitteten Lebens, in Verbindung. Worin übrigens jenes Vermögen bestehe und welches die wahrhafte Weise seiner Befestigung sei, ergibt sich in der Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft.
[323]


§ 171

Die Familie als rechtliche Person gegen andere hat der Mann als ihr Haupt zu vertreten. Ferner kommt ihm vorzüglich der Erwerb nach außen, die Sorge für die Bedürfnisse sowie die Disposition und Verwaltung des Familienvermögens zu. Dieses ist gemeinsames Eigentum, so daß kein Glied der Familie ein besonderes Eigentum, jedes aber sein Recht an das Gemeinsame hat. Dieses Recht und jene dem Haupte der Familie zustehende Disposition können aber in Kollision kommen, indem das in der Familie noch Unmittelbare der sittlichen Gesinnung (§ 158) der Besonderung und Zufälligkeit offen ist.


§ 172

Durch eine Ehe konstituiert sich eine neue Familie, welche ein für sich Selbständiges gegen die Stamme oder Häuser ist, von denen sie ausgegangen ist; die Verbindung mit solchen hat die natürliche Blutsverwandtschaft zur Grundlage, die neue Familie aber die sittliche Liebe. Das Eigentum eines Individuums steht daher auch in wesentlichem Zusammenhang mit seinem Eheverhältnis und nur in entfernterem mit seinem Stamme oder Hause.

Die Ehepakten, wenn in ihnen für die Gütergemeinschaft der Eheleute eine Beschränkung liegt, die Anordnung eines bestehenden Rechtsbeistandes der Frau u. dgl. haben insofern den Sinn, gegen den Fall der Trennung der Ehe durch natürlichen Tod, Scheidung u. dgl. gerichtet und Sicherungsversuche zu sein, wodurch den unterschiedenen[324] Gliedern auf solchen Fall ihr Anteil an dem Gemeinsamen erhalten wird.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 7, Frankfurt a. M. 1979, S. 323-325.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Grundlinien der Philosophie des Rechts
Grundlinien Der Philosophie Des Rechts (6)
Werke in 20 Bänden mit Registerband, Band 7: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse
Grundlinien der Philosophie des Rechts.
Philosophische Bibliothek, Bd.483, Grundlinien der Philosophie des Rechts, mit Hegels eigenhändigen Randbemerkungen in seinem Handexemplar.
Philosophische Bibliothek, Bd.483, Grundlinien der Philosophie des Rechts, mit Hegels eigenhändigen Randbemerkungen in seinem Handexemplar.