A. Unbefangenes Unrecht
§ 84

[174] Die Besitznahme (§ 54) und der Vertrag für sich und nach ihren besonderen Arten, zunächst verschiedene Äußerungen und Folgen meines Willens überhaupt, sind, weil der Wille[174] das in sich Allgemeine ist, in Beziehung auf das Anerkennen Anderer Rechtsgründe. In ihrer Äußerlichkeit gegeneinander und Mannigfaltigkeit liegt es, daß sie in Beziehung auf eine und dieselbe Sache verschiedenen Personen angehören können, deren jede aus ihrem besonderen Rechtsgrunde die Sache für ihr Eigentum ansieht, womit Rechtskollisionen entstehen.


§ 85

Diese Kollision, in der die Sache aus einem Rechtsgrunde angesprochen wird und welche die Sphäre des bürgerlichen Rechtsstreits ausmacht, enthält die Anerkennung des Rechts als des Allgemeinen und Entscheidenden, so daß die Sache dem gehören soll, der das Recht dazu hat. Der Streit betrifft nur die Subsumtion der Sache unter das Eigentum des einen oder des anderen; – ein schlechtweg negatives Urteil, wo im Prädikate des Meinigen nur das Besondere negiert wird.


§ 86

In den Parteien ist die Anerkennung des Rechts mit dem entgegengesetzten besonderen Interesse und ebensolcher Ansicht verbunden. Gegen diesen Schein tritt zugleich in ihm selbst (vorherg. §) das Recht an sich als vorgestellt und gefordert hervor. Es ist aber zunächst nur als ein Sollen,[175] weil der Wille noch nicht als ein solcher vorhanden ist, der sich von der Unmittelbarkeit des Interesses befreit, als besonderer den allgemeinen Willen zum Zwecke hätte; noch ist er hier als eine solche anerkannte Wirklichkeit bestimmt, gegen welche die Parteien auf ihre besondere Ansicht und Interesse Verzicht zu tun hätten.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 7, Frankfurt a. M. 1979, S. 174-176.
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