Übergang vom Recht in Moralität
§ 104

[198] Das Verbrechen und die rächende Gerechtigkeit stellt nämlich die Gestellt der Entwicklung des Willens als in die Unterscheidung des allgemeinen an sich [seienden] und des einzelnen, für sich gegen jenen seienden [Willens] hinausgegangen dar und ferner, daß der an sich seiende Wille durch Aufheben dieses Gegensatzes in sich zurückgekehrt und damit selbst für sich und wirklich geworden ist. So ist und gilt das Recht, gegen den bloß für sich seienden einzelnen Willen bewährt, als durch seine Notwendigkeit wirklich. – Diese Gestaltung ist ebenso zugleich die fortgebildete innere Begriffsbestimmtheit des Willens. Nach seinem Begriffe ist seine Verwirklichung an ihm selbst dies, das Ansichsein und die Form der Unmittelbarkeit, in welcher er zunächst ist und diese als Gestalt am abstrakten Rechte hat, aufzuheben (§ 21), – somit sich zunächst in dem Gegensatze des allgemeinen an sich und des einzelnen für sich seienden Willens zu setzen und dann durch das Aufheben dieses Gegensatzes, die Negation der Negation, sich als Wille in seinem Dasein, daß er nicht nur freier Wille an sich, sondern für sich selbst ist, als sich auf sich beziehende Negativität zu bestimmen. Seine Persönlichkeit, als welche der Wille im abstrakten Rechte nur ist, hat derselbe so nunmehr zu seinem Gegenstande; die so für sich unendliche Subjektivität der Freiheit macht das Prinzip des moralischen Standpunkts aus.

Sehen wir näher auf die Momente zurück, durch welche der Begriff der Freiheit sich aus der zunächst abstrakten[198] zur sich auf sich selbst beziehenden Bestimmtheit des Willens, hiermit zur Selbstbestimmung der Subjektivität fortbildet, so ist diese Bestimmtheit im Eigentum das abstrakte Meinige und daher in einer äußerlichen Sache, im Vertrage das durch Willen vermittelte und nur gemeinsame Meinige; im Unrecht ist der Wille der Rechtssphäre, sein abstraktes Ansichsein oder Unmittelbarkeit als Zufälligkeit durch den einzelnen selbst zufälligen Willen gesetzt. Im moralischen Standpunkt ist sie so überwunden, daß diese Zufälligkeit selbst als in sich reflektiert und mit sich identisch die unendliche in sich seiende Zufälligkeit des Willens, seine Subjektivität ist.[199]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 7, Frankfurt a. M. 1979, S. 198-200,203.
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Philosophische Bibliothek, Bd.483, Grundlinien der Philosophie des Rechts, mit Hegels eigenhändigen Randbemerkungen in seinem Handexemplar.
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