c. Beobachtung der Beziehung des Selbstbewußtseins auf seine unmittelbare Wirklichkeit; Physiognomik und Schädellehre

[233] Die psychologische Beobachtung findet kein Gesetz des Verhältnisses des Selbstbewußtseins zu der Wirklichkeit oder der ihm entgegengesetzten Welt und ist durch die Gleichgültigkeit beider gegeneinander auf die eigentümliche Bestimmtheit der realen Individualität zurückgetrieben, welche an und für sich selbst ist oder den Gegensatz des Fürsichseins und des Ansichseins in ihrer absoluten Vermittlung getilgt enthält. Sie ist der Gegenstand, der Jetzt der Beobachtung geworden oder zu dem sie übergeht.

Das Individuum ist an und für sich selbst: es ist für sich, oder es ist ein freies Tun; es ist aber auch an sich, oder es selbst hat ein ursprüngliches bestimmtes Sein, – eine Bestimmtheit, welche dem Begriffe nach dasselbe ist, was die Psychologie außer ihm finden wollte. An ihm selbst tritt also der Gegensatz hervor, dies Gedoppelte, Bewegung des Bewußtseins und das feste Sein einer erscheinenden Wirklichkeit zu sein, einer solchen, welche an ihm unmittelbar die seinige ist. Dies Sein, der Leib der bestimmten Individualität, ist die Ursprünglichkeit derselben, ihr Nichtgetanhaben. Aber indem das Individuum zu gleich nur ist, was es getan hat, so ist sein Leib auch der von ihm hervorgebrachte Ausdruck seiner selbst; zugleich ein Zeichen, welches nicht unmittelbare Sache geblieben, sondern woran es nur zu erkennen gibt, was es in dem Sinne ist, daß es seine ursprüngliche Natur ins Werk richtet.

Betrachten wir die hier vorhandenen Momente in Beziehung auf die vorhergehende Ansicht, so ist hier eine allgemeine menschliche Gestalt oder wenigstens die allgemeine eines Klimas, Weltteils, eines Volks, wie vorhin dieselben allgemeinen Sitten und Bildung. Hierzu kommen die besonderen Umstände und Lage innerhalb der allgemeinen Wirklichkeit; hier ist diese besondere Wirklichkeit als besondere Formation[233] der Gestalt des Individuums. – Auf der andern Seite, wie vorhin das freie Tun des Individuums und die Wirklichkeit als die seinige gegen die vorhandene gesetzt war, steht hier die Gestalt als Ausdruck seiner durch es selbst gesetzten Verwirklichung, die Züge und Formen seines selbsttätigen Wesens. Aber die sowohl allgemeine als besondere Wirklichkeit, welche die Beobachtung vorhin außer dem Individuum vorfand, ist hier die Wirklichkeit desselben, sein angeborener Leib, und in eben diesen fällt der Ausdruck, der seinem Tun angehört. In der psychologischen Betrachtung sollte die an und für sich seiende Wirklichkeit und die bestimmte Individualität aufeinander bezogen werden; hier aber ist die ganze bestimmte Individualität Gegenstand der Beobachtung; und jede Seite seines Gegensatzes ist selbst dies Ganze. Zu dem äußeren Ganzen gehört also nicht nur das ursprüngliche Sein, der angeborene Leib, sondern ebenso die Formation desselben, die der Tätigkeit des Innern angehört; er ist Einheit des ungebildeten und des gebildeten Seins und die von dem Fürsichsein durchdrungene Wirklichkeit des Individuums. Dieses Ganze, welches die bestimmten ursprünglichen festen Teile und die Züge, die allein durch das Tun entstehen, in sich faßt, ist, und dies Sein ist Ausdruck des Innern, des als Bewußtsein und Bewegung gesetzten Individuums. – Dies Innere ist ebenso nicht mehr die formelle, inhaltlose oder unbestimmte Selbsttätigkeit, deren Inhalt und Bestimmtheit, wie vorhin, in den äußeren Umständen läge, sondern es ist ein an sich bestimmter ursprünglicher Charakter, dessen Form nur die Tätigkeit ist. Zwischen diesen beiden Seiten also wird hier das Verhältnis betrachtet, wie es zu bestimmen und was unter diesem Ausdrucke des Inneren im Äußeren zu verstehen ist.

Dies Äußere macht zuerst nur als Organ das Innere sichtbar oder überhaupt zu einem Sein für Anderes; denn das Innere, insofern es in dem Organe ist, ist es die Tätigkeit[234] selbst. Der sprechende Mund, die arbeitende Hand, wenn man will auch noch die Beine dazu, sind die verwirklichenden und vollbringenden Organe, welche das Tun als Tun oder das Innere als solches an ihnen haben; die Äußerlichkeit aber, welche es durch sie gewinnt, ist die Tat als eine von dem Individuum abgetrennte Wirklichkeit. Sprache und Arbeit sind Äußerungen, worin das Individuum nicht mehr an ihm selbst sich behält und besitzt, sondern das Innere ganz außer sich kommen läßt und dasselbe Anderem preisgibt. Man kann darum ebensosehr sagen, daß diese Äußerungen das Innere zu sehr, als daß sie es zu wenig ausdrücken; zu sehr, – weil das Innere selbst in Ihnen ausbricht, bleibt kein Gegensatz zwischen ihnen und diesem; sie geben nicht nur einen Ausdruck des Innern, sondern es selbst unmittelbar; zu wenig, – weil das Innere in Sprache und Handlung sich zu einem Anderen macht, so gibt es sich damit dem Elemente der Verwandlung preis, welches das gesprochene Wort und die vollbrachte Tat verkehrt und etwas anderes daraus macht, als sie an und für sich als Handlungen dieses bestimmten Individuums sind. Nicht nur verlieren die Werke der Handlungen durch diese Äußerlichkeit von dem Einwirken anderer den Charakter, etwas Bleibendes gegen andere Individualitäten zu sein; sondern indem sie sich zum Inneren, das sie enthalten, als abgesondertes gleichgültiges Äußeres verhalten, können sie als Inneres durch das Individuum selbst ein anderes sein, als sie erscheinen, – entweder daß es sie mit Absicht für die Erscheinung zu etwas anderem macht, als sie in Wahrheit sind, oder daß es zu ungeschickt ist, sich die Außenseite zu geben, die es eigentlich wollte, und sie so zu befestigen, daß ihm von anderen sein Werk nicht verkehrt werden kann. Das Tun also, als vollbrachtes Werk, hat die doppelte, entgegengesetzte Bedeutung, entweder die innere Individualität und nicht ihr Ausdruck oder als Äußeres eine von dem Innern freie Wirklichkeit zu sein, welche ganz etwas anderes ist als jenes. – Um dieser Zweideutigkeit willen müssen wir. uns nach dem Innern umsehen, wie es [235] noch, aber sichtbar oder äußerlich, an dem Individuum selbst ist. Im Organe aber ist es nur als unmittelbares Tun selbst, das seine Äußerlichkeit an der Tat erlangt, die entweder das Innere vorstellt oder auch nicht. Das Organ, nach diesem Gegensatze betrachtet, gewährt also nicht den Ausdruck, der gesucht wird.

Wenn nun die äußere Gestalt nur, insofern sie nicht Organ oder nicht Tun, hiermit als ruhendes Ganzes ist, die innere Individualität ausdrücken könnte, so verhielte sie sich also als ein bestehendes Ding, welches das Innere als ein Fremdes in sein passives Dasein ruhig empfinge und hierdurch das Zeichen desselben würde; – ein äußerer, zufälliger Ausdruck, dessen wirkliche Seite für sich bedeutungslos, – eine Sprache, deren Töne und Tonverbindungen nicht die Sache selbst, sondern durch die freie Willkür mit ihr verknüpft und zufällig für sie sind.

Eine solche willkürliche Verbindung von solchen, die ein Äußeres füreinander sind, gibt kein Gesetz. Die Physiognomik soll sich aber von anderen schlechten Künsten und heillosen Studien dadurch unterscheiden, daß sie die bestimmte Individualität in dem notwendigen Gegensatze eines Inneren und Äußeren, des Charakters als bewußten Wesens und ebendesselben als seiender Gestalt betrachtet und diese Momente so aufeinander bezieht, wie sie durch ihren Begriff aufeinander bezogen sind und daher den Inhalt eines Gesetzes ausmachen müssen. In der Astrologie, Chiromantie und dergleichen Wissenschaften hingegen scheint nur Äußeres auf Äußeres, irgend etwas auf ein ihm Fremdes bezogen zu sein. Diese Konstellation bei der Geburt und, wenn dies Äußere näher auf den Leib selbst gerückt wird, diese Züge der Hand sind äußere Momente für das lange oder kurze Leben und das Schicksal des einzelnen Menschen überhaupt. Als Äußerlichkeiten verhalten sie sich gleichgültig zueinander und haben nicht die Notwendigkeit füreinander, welche in der Beziehung eines Äußeren und inneren liegen soll.

Die Hand freilich scheint nicht sosehr etwas Äußeres für das[236] Schicksal zu sein, sondern vielmehr als Inneres zu ihm sich zu verhalten. Denn das Schicksal ist auch wieder nur die Erscheinung dessen, was die bestimmte Individualität an sich als innere ursprüngliche Bestimmtheit ist. – Zu wissen nun, was sie an sich ist, dazu kommt der Chiromante wie auch der Physiognomiker auf eine kürzere Weise als z.B. Solon, der erst aus und nach dem Verlaufe des ganzen Lebens dies wissen zu können erachtete; er betrachtete die Erscheinung, jene aber das Ansich. Daß aber die Hand das Ansich der Individualität in Ansehung ihres Schicksals darstellen muß, ist leicht daraus zu sehen, daß sie nächst dem Organ der Sprache am meisten es ist, wodurch der Mensch sich zur Erscheinung und Verwirklichung bringt. Sie ist der beseelte Werkmeister seines Glücks; man kann von ihr sagen, sie ist das, was der Mensch tut, denn an ihr als dem tätigen Organe seines Sichselbstvollbringens ist er als Beseelender gegenwärtig, und indem er ursprünglich sein eigenes Schicksal ist, wird sie also dies Ansich ausdrücken.

Aus dieser Bestimmung, daß das Organ der Tätigkeit ebensowohl ein Sein als das Tun in ihm ist oder daß das innere Ansichsein selbst an ihm gegenwärtig [ist] und ein Sein für andere hat, ergibt sich eine andere Ansicht desselben als die vorherige. Wenn nämlich die Organe überhaupt darum nicht als Ausdrücke des Inneren genommen werden zu können sich zeigten, weil in ihnen das Tun als Tun gegenwärtig, das Tun als Tat aber nur Äußeres ist und Inneres und Äußeres auf diese Weise auseinanderfällt und [sie] fremde gegeneinander sind oder sein können, so muß nach der betrachteten Bestimmung das Organ auch wieder als Mitte beider genommen werden, indem eben dies, daß das Tun an ihm gegenwärtig ist, zugleich eine Äußerlichkeit desselben ausmacht, und zwar eine andere, als die Tat ist; jene nämlich bleibt dem Individuum und an ihm. – Diese Mitte und Einheit des Inneren und Äußeren ist nun fürs erste selbst auch äußerlich; alsdann aber ist diese Äußerlichkeit zugleich in das Innere aufgenommen; sie steht als einfache Äußerlichkeit[237] der zerstreuten entgegen, welche entweder nur ein einzelnes, für die ganze Individualität zufälliges Werk oder Zustand oder aber als ganze Äußerlichkeit das in eine Vielheit von Werken und Zuständen zersplitterte Schicksal ist. Die einfachen Züge der Hand also, ebenso Klang und Umfang der Stimme als die individuelle Bestimmtheit der Sprache, – auch dieselbe wieder, wie sie durch die Hand eine festere Existenz als durch die Stimme bekommt, die Schrift, und zwar in ihrer Besonderheit als Handschrift – alles dieses ist Ausdruck des Innern, so daß er als die einfache Äußerlichkeit sich wieder gegen die vielfache Äußerlichkeit des Handelns und des Schicksals, sich als Inneres gegen diese verhält. – Wenn also zuerst die bestimmte Natur und angeborene Eigentümlichkeit des Individuums zusammen mit dem, was sie durch die Bildung geworden, als das Innere, als das Wesen des Handelns und des Schicksals genommen wird, so hat es seine Erscheinung und Äußerlichkeit zuerst an seinem Munde, Hand, Stimme, Handschrift sowie an den übrigen Organen und deren bleibenden Bestimmtheiten; und alsdann erst drückt es sich weiter hinaus nach außen an seiner Wirklichkeit in der Welt aus.

Weil nun diese Mitte sich als die Äußerung bestimmt, welche zugleich ins Innere zurückgenommen ist, ist ihr Dasein nicht auf das unmittelbare Organ des Tuns eingeschränkt; sie ist vielmehr die nichts vollbringende Bewegung und Form des Gesichts und der Gestaltung überhaupt. Diese Züge und ihre Bewegung sind nach diesem Begriffe das zurückgehaltene, an dem Individuum bleibende Tun und nach seiner Beziehung auf das wirkliche Tun das eigene Beaufsichtigen und Beobachten desselben, Äußerung als Reflexion über die wirkliche Äußerung. – Das Individuum Ist zu und bei seinem äußeren Tun darum nicht stumm, weil es dabei zugleich in sich reflektiert ist, und es äußert dies Insichreflektiertsein; dies theoretische Tun oder die Sprache des Individuums mit sich selbst[238] darüber ist auch vernehmlich für andere, denn sie ist selbst eine Äußerung.

An diesem Innern, welches in seiner Äußerung Inneres bleibt, wird also das Reflektiertsein des Individuums aus seiner Wirklichkeit beobachtet, und es ist zu sehen, welche Bewandtnis es mit dieser Notwendigkeit hat, die in dieser Einheit gesetzt ist. – Dies Reflektiertsein ist zuerst verschieden von der Tat selbst und kann also etwas anderes sein und für etwas anderes genommen werden, als sie ist; man sieht es einem am Gesicht an, ob es ihm Ernst mit dem ist, was er sagt oder tut. – Umgekehrt aber ist dieses, was Ausdruck des Innern sein soll, zugleich seiender Ausdruck und fällt hiermit selbst in die Bestimmung des Seins herunter, das absolut zufällig für das selbstbewußte Wesen ist. Es ist daher wohl Ausdruck, aber zugleich auch nur wie ein Zeichen, so daß dem ausgedrückten Inhalte die Beschaffenheit dessen, wodurch es ausgedrückt wird, vollkommen gleichgültig ist. Das Innere ist in dieser Erscheinung wohl sichtbares Unsichtbares, aber ohne an sie geknüpft zu sein; es kann ebensowohl in einer anderen Erscheinung sein, als ein anderes Inneres in derselben Erscheinung sein kann. –Lichtenberg sagt daher mit Recht: »Gesetzt, der Physiognome haschte den Menschen einmal, so käme es nur auf einen braven Entschluß an, sich wieder auf Jahrtausende unbegreiflich zu machen.« – Wie in dem vorhergehenden Verhältnisse die vorliegenden Umstände ein Seiendes waren, woraus die Individualität sich das nahm, was sie vermochte und wollte, entweder sich ihm ergebend oder es verkehrend, aus welchem Grunde es die Notwendigkeit und das Wesen der Individualität nicht enthielt, – ebenso ist hier das erscheinende unmittelbare Sein der Individualität ein solches, das entweder ihr Reflektiertsein aus der Wirklichkeit und ihr Insichsein ausdrückt oder das für sie nur ein Zeichen ist, das gleichgültig gegen das Bezeichnete [ist] und darum in[239] Wahrheit nichts bezeichnet; es ist ihr ebensowohl ihr Gesicht als ihre Maske, die sie ablegen kann. – Sie durchdringt ihre Gestalt, bewegt sich, spricht in ihr; aber dies ganze Dasein tritt ebenso als ein gleichgültiges Sein gegen den Willen und die Handlung über; sie tilgt an ihm die Bedeutung, die es vorhin hatte, ihr Reflektiertsein in sich oder ihr wahres Wesen an ihm zu haben, und legt es umgekehrt vielmehr in den Willen und in die Tat.

Die Individualität gibt dasjenige Insichreflektiertsein auf, welches in den Zügen ausgedrückt ist, und legt ihr Wesen in das Werk. Hierin widerspricht sie dem Verhältnisse, welches von dem Vernunftinstinkte, der sich auf das Beobachten der selbstbewußten Individualität legt, in Ansehung dessen, was ihr Inneres und Äußeres sein soll, festgesetzt wird. Dieser Gesichtspunkt führt uns auf den eigentlichen Gedanken, der der physiognomischen – wenn man so will – Wissenschaft zum Grunde liegt. Der Gegensatz, auf welchen dies Beobachten geraten, ist der Form nach der Gegensatz von Praktischem und Theoretischem, beides nämlich innerhalb des Praktischen selbst gesetzt, – von der sich im Handeln (dies im allgemeinsten Sinne genommen) verwirklichenden Individualität und derselben, wie sie in diesem Handeln zugleich daraus heraus, in sich reflektiert und es ihr Gegenstand ist. Das Beobachten nimmt diesen Gegensatz nach demselben verkehrten Verhältnisse auf, worin er sich in der Erscheinung bestimmt. Für das unwesentliche Äußere gilt ihm die Tat selbst und das Werk, es sei der Sprache oder einer befestigteren Wirklichkeit, – für das wesentliche Innere aber das Insichsein der Individualität. Unter den beiden Seiten, welche das praktische Bewußtsein an ihm hat, dem Beabsichtigen und der Tat – dem Meinen über seine Handlung und der Handlung selbst – wählt die Beobachtung jene Seite zum wahren Innern; dieses soll seine mehr oder weniger unwesentliche Äußerung an der Tat, seine wahre aber an seiner Gestalt haben. Die letztere Äußerung ist unmittelbare sinnliche Gegenwart des individuellen Geistes; die Innerlichkeit,[240] die die wahre sein soll, ist die Eigenheit der Absicht und die Einzelheit des Fürsichseins; beides der gemeinte Geist. Was das Beobachten zu seinen Gegenständen hat, ist also gemeintes Dasein, und zwischen solchem sucht es Gesetze auf.

Das unmittelbare Meinen über die gemeinte Gegenwart des Geistes ist die natürliche Physiognomik, das vorschnelle Urteil über die innere Natur und den Charakter ihrer Gestalt bei ihrem ersten Anblicke. Der Gegenstand dieser Meinung ist von der Art, daß es in seinem Wesen liegt, in Wahrheit etwas anderes zu sein als nur sinnliches unmittelbares Sein. Es ist zwar auch eben dieses im Sinnlichen aus ihm Insichreflektiertsein, was gegenwärtig, die Sichtbarkeit als Sichtbarkeit des Unsichtbaren, was Gegenstand des Beobachtens ist. Aber eben diese sinnliche unmittelbare Gegenwart ist Wirklichkeit des Geistes, wie sie nur für die Meinung ist; und das Beobachten treibt sich nach dieser Seite mit seinem gemeinten Dasein, mit der Physiognomie, Handschrift, Ton der Stimme usf. herum. – Es bezieht solches Dasein auf eben solches gemeintes Inneres. Es ist nicht der Mörder, der Dieb, welcher erkannt werden soll, sondern die Fähigkeit, es zu sein; die feste abstrakte Bestimmtheit verliert sich dadurch in die konkrete unendliche Bestimmtheit des einzelnen Individuums, die nun kunstreichere Schildereien erfordert, als jene Qualifikationen sind. Solche kunstreichen Schildereien sagen wohl mehr als die Qualifikation durch Mörder, Dieb, oder gutherzig, unverdorben usf., aber für ihren Zweck, das gemeinte Sein oder die einzelne Individualität auszusprechen, bei weitem nicht genug, sowenig als die Schildereien der Gestalt, welche über die flache Stirne, lange Nase usf. hinausgehen. Denn die einzelne Gestalt wie das einzelne Selbstbewußtsein ist als gemeintes Sein unaussprechlich. Die Wissenschaft der Menschenkenntnis, welche auf den vermeinten Menschen, sowie [die] der Physiognomik, die auf seine vermeinte Wirklichkeit geht und das bewußtlose Urteilen der natürlichen Physiognomik zu einem[241] Wissen erheben will, ist daher etwas End- und Bodenloses, das nie dazu kommen kann zu sagen, was es meint, weil es nur meint und sein Inhalt nur Gemeintes ist.

Die Gesetze, welche diese Wissenschaft zu finden ausgeht, sind Beziehungen dieser beiden gemeinten Seiten und können daher selbst nichts als ein leeres Meinen sein. Auch da dies vermeinte Wissen, das mit der Wirklichkeit des Geistes sich zu tun macht, gerade dies zu seinem Gegenstande hat, daß er aus seinem sinnlichen Dasein heraus sich in sich reflektiert, und das bestimmte Dasein für ihn eine gleichgültige Zufälligkeit ist, so muß es bei seinen aufgefundenen Gesetzen unmittelbar wissen, daß nichts damit gesagt ist, sondern eigentlich rein geschwatzt oder nur eine Meinung von sich gegeben wird; ein Ausdruck, der die Wahrheit hat, dies als dasselbe auszusprechen, – seine Meinung zu sagen und damit nicht die Sache, sondern nur eine Meinung von sich beizubringen. Dem Inhalte nach aber können diese Beobachtungen nicht von denen abweichen: »Es regnet allemal, wenn wir Jahrmarkt haben, sagt der Krämer; und auch allemal, wenn ich Wäsche trockne, sagt die Hausfrau.«

Lichtenberg, der das physiognomische Beobachten so charakterisiert, sagt auch noch dies: »Wenn jemand sagte: du handelst zwar wie ein ehrlicher Mann, ich sehe es aber aus deiner Figur, du zwingst dich und bist ein Schelm im Herzen; fürwahr eine solche Anrede wird bis ans Ende der Welt von jedem braven Kerl mit einer Ohrfeige erwidert werden.« – Diese Erwiderung ist deswegen treffend, weil sie die Widerlegung der ersten Voraussetzung einer solchen Wissenschaft des Meinens ist, daß nämlich die Wirklichkeit des Menschen sein Gesicht usf. sei. – Das wahre Sein des Menschen ist vielmehr seine Tat; in ihr ist die Individualität wirklich, und sie ist es, welche das Gemeinte in seinen beiden Seiten aufhebt. Einmal das Gemeinte als ein leibliches ruhendes[242] Sein; die Individualität stellt sich vielmehr in der Handlung als das negative Wesen dar, welches nur ist, insofern es Sein aufhebt. Alsdann hebt die Tat die Unaussprechlichkeit der Meinung ebenso in Ansehung der selbstbewußten Individualität auf, welche in der Meinung eine unendlich bestimmte und bestimmbare ist. In der vollbrachten Tat ist diese schlechte Unendlichkeit vernichtet. Die Tat ist ein Einfach-Bestimmtes, Allgemeines, in einer Abstraktion zu Befassendes; sie ist Mord, Dieb stahl oder Wohltat, tapfere Tat usf., und es kann von ihr gesagt werden, was sie ist. Sie ist dies, und ihr Sein ist nicht nur ein Zeichen, sondern die Sache selbst. Sie ist dies, und der individuelle Mensch ist, was sie ist; in der Einfachheit dieses Seins ist er für andere seiendes, allgemeines Wesen und hört auf, nur Gemeintes zu sein. Er ist zwar darin nicht als Geist gesetzt; aber indem von seinem Sein als Sein die Rede und einerseits das gedoppelte Sein, der Gestalt und der Tat, sich gegenübersteht und jene wie diese seine Wirklichkeit sein soll, so ist vielmehr nur die Tat als sein echtes Sein zu behaupten, – nicht seine Figur, welche das ausdrücken sollte, was er zu seinen Taten meint, oder was man meinte, daß er tun nur könnte. Ebenso indem andererseits sein Werk und seine innere Möglichkeit, Fähigkeit oder Absicht, entgegengesetzt werden, ist Jenes allein für seine wahre Wirklichkeit anzusehen, wenn auch er selbst sich darüber täuscht und, aus seiner Handlung in sich gekehrt, in diesem Innern ein Anderes zu sein meint als in der Tat. Die Individualität, die sich dem gegenständlichen Elemente anvertraut, indem sie zum Werke wird, gibt sich damit wohl dem preis, verändert und verkehrt zu werden. Aber den Charakter der Tat macht eben dies aus, ob sie ein wirkliches Sein ist, das sich hält, oder ob nur ein gemeintes Werk, das in sich nichtig vergeht. Die Gegenständlichkeit verändert nicht die Tat selbst, sondern zeigt nur, was sie ist, d.h. ob sie ist oder ob sie nichts ist. – Die Zergliederung dieses Seins in Absichten und dergleichen Feinheiten, wodurch der wirkliche Mensch, d.h. seine Tat, wieder in ein[243] gemeintes Sein zurückerklärt werden soll, wie er wohl selbst auch sich besondere Absichten über seine Wirklichkeit erschaffen mag, müssen dem Müßiggange der Meinung überlassen bleiben, der, wenn er seine tatenlose Weisheit ins Werk richten, den Charakter der Vernunft am Handelnden ableugnen und ihn auf diese Weise mißhandeln will, daß er statt der Tat vielmehr die Figur und die Züge für das Sein desselben erklären will, die obige Erwiderung zu befahren hat, die ihm erweist, daß Figur nicht das Ansich ist, sondern vielmehr ein Gegenstand der Behandlung sein kann.

Sehen wir nun auf den Umfang der Verhältnisse überhaupt, in welchen die selbstbewußte Individualität zu ihrem Äußeren stehend beobachtet werden kann, so wird eines zurück sein, welches die Beobachtung sich noch zu ihrem Gegenstande machen muß. In der Psychologie ist es die äußere Wirklichkeit der Dinge, welche an dem Geiste ihr sich bewußtes Gegenbild haben und ihn begreiflich machen soll. In der Physiognomik dagegen soll er in seinem eigenen Äußeren als in einem Sein, welches die Sprache – die sichtbare Unsichtbarkeit – seines Wesens sei, erkannt werden. Noch ist die Bestimmung der Seite der Wirklichkeit übrig, daß die Individualität an ihrer unmittelbaren, festen, rein daseienden Wirklichkeit ihr Wesen ausspreche. – Diese letzte Beziehung unterscheidet sich also von der physiognomischen dadurch, daß diese die sprechende Gegenwart des Individuums ist, das in seiner handelnden Äußerung zugleich die sich in sich reflektierende und betrachtende darstellt, eine Äußerung, welche selbst Bewegung ist, ruhende Züge, welche selbst wesentlich ein vermitteltes Sein sind. In der noch zu betrachtenden Bestimmung aber ist endlich das Äußere eine ganz ruhende Wirklichkeit, welche nicht an ihr selbst redendes Zeichen [ist], sondern getrennt von der selbstbewußten Bewegung sich für sich darstellt und als bloßes Ding ist.

Zunächst erhellt über die Beziehung des Inneren auf dies sein Äußeres, daß sie als Verhältnis des Kausalzusammenhangs[244] begriffen werden zu müssen scheint, indem die Beziehung eines Ansichseienden auf ein anderes Ansichseiendes, als eine notwendige, dies Verhältnis ist.

Daß nun die geistige Individualität auf den Leib Wirkung habe, muß sie als Ursache selbst leiblich sein. Das Leibliche aber, worin sie als Ursache ist, ist das Organ, aber nicht des Tuns gegen die äußere Wirklichkeit, sondern des Tuns des selbstbewußten Wesens in sich selbst, nach außen nur gegen seinen Körper; es ist nicht sogleich abzusehen, welches diese Organe sein können. Würde nur an die Organe überhaupt gedacht, so würde das Organ der Arbeit überhaupt leicht bei der Hand sein, ebenso das Organ des Geschlechtstriebes usf. Allein solche Organe sind als Werkzeuge oder als Teile zu betrachten, welche der Geist als ein Extrem zur Mitte gegen das andere Extrem, das äußerer Gegenstand ist, hat. Hier aber ist ein Organ verstanden, worin das selbstbewußte Individuum als Extrem gegen seine eigene, ihm entgegengesetzte Wirklichkeit sich für sich erhält, nicht zugleich nach außen gekehrtes, sondern in seiner Handlung reflektiertes, und woran die Seite des Seins nicht ein Sein für Anderes ist. In der physiognomischen Beziehung wird das Organ zwar auch als in sich reflektiertes und das Tun besprechendes Dasein betrachtet; aber dies Sein ist ein gegenständliches, und das Resultat der physiognomischen Beobachtung ist dieses, daß das Selbstbewußtsein gegen eben diese seine Wirklichkeit als gegen etwas Gleichgültiges gegenübertritt. Diese Gleichgültigkeit verschwindet darin, daß dies Insichreflektiertsein selbst wirkend ist; dadurch erhält jenes Dasein eine notwendige Beziehung auf es; daß es aber auf das Dasein wirkend sei, muß es selbst ein aber nicht eigentlich gegenständliches Sein haben, und als dies Organ soll es aufgezeigt werden.

Im gemeinen Leben nun wird der Zorn z.B., als ein solches inneres Tun, in die Leber verlegt; Platon gibt ihr sogar noch etwas Höheres, das nach einigen sogar das Höchste ist, zu, nämlich die Prophezeiung oder die Gabe, das Heilige und[245] Ewige unvernünftigerweise auszusprechen.1 Allein die Bewegung, welche das Individuum in der Leber, dem Herzen usf. hat, kann nicht als die ganz in sich reflektierte Bewegung desselben angesehen werden, sondern sie ist darin vielmehr so, daß sie ihm schon in den Leib geschlagen ist und ein animalisches, heraus gegen die Äußerlichkeit sich wendendes Dasein hat.

Das Nervensystem hingegen ist die unmittelbare Ruhe des Organischen in seiner Bewegung. Die Nerven selbst sind zwar wieder die Organe des schon in seine Richtung nach außen versenkten Bewußtseins; Gehirn und Rückenmark aber dürfen als die in sich bleibende – die nicht gegenständliche, die auch nicht hinausgehende – unmittelbare Gegenwart des Selbstbewußtseins betrachtet werden. Insofern das Moment des Seins, welches dies Organ hat, ein Sein für Anderes, Dasein ist, ist es totes Sein, nicht mehr Gegenwart des Selbstbewußtseins. Dies Insichselbstsein ist aber seinem Begriffe nach eine Flüssigkeit, worin die Kreise, die darein geworfen werden, sich unmittelbar auflösen und kein Unterschied als seiender sich aus drückt. Inzwischen, wie der Geist selbst nicht ein Abstrakt-Einfaches ist, sondern ein System von Bewegungen, worin er sich in Momente unterscheidet, in dieser Unterscheidung selbst aber frei bleibt, und wie er seinen Körper überhaupt zu verschiedenen Verrichtungen gliedert und einen einzelnen Teil desselben nur einer bestimmt, so kann auch sich vorgestellt werden, daß das flüssige Sein seines Insichseins ein gegliedertes ist; und es scheint so vorgestellt werden zu müssen, weil das in sich reflektierte Sein des Geistes im Gehirn selbst wieder nur eine Mitte seines reinen Wesens und seiner körperlichen Gliederung ist, eine Mitte, welche hiermit von der Natur beider und also von der Seite der letzteren auch die seiende Gliederung wieder an ihr haben muß.

Das geistig-organische Sein hat zugleich die notwendige[246] Seite eines ruhenden bestehenden Daseins; jenes muß als Extrem des Fürsichseins zurücktreten und diese als das andere Extrem gegenüber haben, welches alsdann der Gegenstand ist, worauf jenes als Ursache wirkt. Wenn nun Gehirn und Rückenmark jenes körperliche Fürsichsein des Geistes ist, so ist der Schädel und die Rückenwirbelsäule das andere ausgeschiedene Extrem hinzu, nämlich das feste ruhende Ding. – Indem aber jedem, wenn er an den eigentlichen Ort des Daseins des Geistes denkt, nicht der Rücken, sondern nur der Kopf einfällt, so können wir uns in der Untersuchung eines Wissens, als das vorliegende ist, mit diesem – für es nicht zu schlechten – Grunde begnügen, um dies Dasein auf den Schädel einzuschränken. Sollte einem der Rücken insofern einfallen, als auch wohl zuweilen durch ihn Wissen und Tun zum Teil ein-, zum Teil aber angetrieben wird, so würde dies dafür, daß das Rückenmark mit zum inwohnenden Orte des Geistes und seine Säule zum gegenbildlichen Dasein genommen werden müsse, darum nichts beweisen, weil es zuviel bewiese; denn man kann ebenso sich erinnern, daß auch andere äußerliche Wege, der Tätigkeit des Geistes beizukommen, um sie zu erwecken oder zurückzuhalten, beliebt werden. – Die Rückenwirbelsäule fällt also, wenn man will, mit Recht hinweg; und es ist so gut als viele andere naturphilosophische Lehren konstruiert, daß der Schädel allein zwar nicht die Organe des Geistes enthalte. Denn dies wurde vorhin aus dem Begriffe dieses Verhältnisses ausgeschlossen und deswegen der Schädel zur Seite des Daseins genommen; oder wenn nicht an den Begriff der Sache erinnert werden dürfte, so lehrt ja die Erfahrung, daß, wie mit dem Auge als Organe gesehen, so nicht mit dem Schädel gemordet, gestohlen, gedichtet usw. wird. – Es ist sich deswegen auch des Ausdrucks Organ für diejenige Bedeutung des Schädels zu enthalten, von welcher noch zu sprechen ist. Denn ob man gleich zu sagen pflegt, daß es vernünftigen Menschen nicht auf das Wort, sondern auf die Sache ankomme, so ist daraus doch nicht die Erlaubnis zu[247] nehmen, eine Sache mit einem ihr nicht zugehörigen Worte zu bezeichnen; denn dies ist Ungeschicklichkeit zugleich und Betrug, der nur das rechte Wort nicht zu haben meint und vorgibt und [der] es sich verbirgt, daß ihm in der Tat die Sache, d.h. der Begriff fehlt; wenn dieser vorhanden wäre, würde er auch sein rechtes Wort haben. – Zunächst hat sich hier nur dies bestimmt, daß, wie das Gehirn der lebendige Kopf, der Schädel das caput mortuum ist.

In diesem toten Sein hätten also die geistigen Bewegungen und bestimmten Weisen des Gehirns ihre Darstellung äußerer Wirklichkeit, die jedoch noch an dem Individuum selbst ist, sich zu geben. Für das Verhältnis derselben zu ihm, der als totes Sein den Geist nicht in sich selbst inwohnen hat, bietet sich zunächst das oben festgesetzte, das äußere und mechanische dar, so daß die eigentlichen Organe – und diese sind am Gehirne – ihn hier rund ausdrücken, dort breitschlagen oder plattstoßen, oder wie man sonst diese Einwirkung darstellen mag. Selbst ein Teil des Organismus, muß in ihm zwar, wie in jedem Knochen, eine lebendige Selbstbildung gedacht werden, so daß, hiernach betrachtet, er von seiner Seite vielmehr das Gehirn drückt und dessen äußere Beschränkung setzt; wozu er auch als das Härtere eher das Vermögen hat. Dabei aber würde noch immer dasselbe Verhältnis in der Bestimmung der Tätigkeit beider gegeneinander bleiben; denn ob der Schädel das Bestimmende oder das Bestimmte ist, dies änderte an dem Kausalzusammenhange überhaupt nichts, nur daß dann der Schädel zum unmittelbaren Organe des Selbstbewußtseins gemacht würde, weil in ihm als Ursache sich die Seite des Fürsichseins fände. Allein indem das Fürsichsein als organische Lebendigkeit in beide auf gleiche Weise fällt, fällt in der Tat der Kausalzusammenhang zwischen ihnen hinweg. Diese Fortbildung beider aber hinge im Innern zusammen und wäre eine organische prästabilierte Harmonie, welche die beiden sich aufeinander beziehenden Seiten frei gegeneinander und jeder ihre eigene Gestalt läßt, der die Gestalt[248] der anderen nicht zu entsprechen braucht; und noch mehr die Gestalt und die Qualität gegeneinander, – wie die Form der Weinbeere und der Geschmack des Weines frei gegeneinander sind. – Indem aber auf die Seite des Gehirns die Bestimmung des Fürsichseins, auf die Seite des Schädels aber die Bestimmung des Daseins fällt, so ist innerhalb der organischen Einheit auch ein Kausalzusammenhang derselben zu setzen; eine notwendige Beziehung derselben als äußere füreinander, d.h. eine selbst äußerliche, wodurch also ihre Gestalt durch einander bestimmt würde.

In Ansehung der Bestimmung aber, in welcher das Organ des Selbstbewußtseins auf die gegenüberstehende Seite tätige Ursache wäre, kann auf mancherlei Weise hin und her geredet werden; denn es ist von der Beschaffenheit einer Ursache die Rede, die nach ihrem gleichgültigen Dasein, ihrer Gestalt und Größe betrachtet wird, einer Ursache, deren Inneres und Fürsichsein gerade ein solches sein soll, welches das unmittelbare Dasein nichts angeht. Die organische Selbstbildung des Schädels ist zuerst gleichgültig gegen die mechanische Einwirkung, und das Verhältnis dieser beiden Verhältnisse ist, da jenes das Sich-auf-sich-selbst-Beziehen ist, eben diese Unbestimmtheit und Grenzenlosigkeit selbst. Alsdann, wenn auch das Gehirn die Unterschiede des Geistes zu seienden Unterschieden in sich aufnähme und eine Vielheit innerer, einen verschiedenen Raum einnehmender Organe wäre – was der Natur widerspricht, welche den Momenten des Begriffs ein eigenes Dasein gibt, und daher die flüssige Einfachheit des organischen Lebens rein auf eine Seite und die Artikulation und Einteilung desselben ebenso in seinen Unterschieden auf die andere Seite stellt, so daß sie, wie sie hier gefaßt werden sollen, als besondere anatomische Dinge sich zeigen –, so würde es unbestimmt sein, ob ein geistiges Moment, je nachdem es ursprünglich stärker oder schwächer wäre, entweder in jenem Falle ein expandierteres, in diesem ein kontrahierteres Gehirnorgan besitzen müßte, oder auch gerade umgekehrt. – Ebenso ob[249] seine Ausbildung das Organ vergrößerte oder verkleinerte, ob es dasselbe plumper und dicker oder feiner machte. Dadurch, daß es unbestimmt bleibe, wie die Ursache beschaffen ist, ist es ebenso unbestimmt gelassen, wie die Einwirkung auf den Schädel geschieht, ob sie ein Erweitern oder Verengern und Zusammenfallenlassen ist. Wird diese Einwirkung etwa vornehmer als ein Erregen bestimmt, so ist es unbestimmt, ob es nach der Weise eines Kantharidenpflasters auftreibend oder eines Essigs einschrumpfend geschieht. – Für alle dergleichen Ansichten lassen sich plausible Gründe vorbringen, denn die organische Beziehung, welche ebensosehr eingreift, läßt den einen so gut passieren als den anderen und ist gleichgültig gegen allen diesen Verstand.

Dem beobachtenden Bewußtsein ist es aber nicht darum zu tun, diese Beziehung bestimmen zu wollen. Denn es ist ohnehin nicht das Gehirn, was als animalischer Teil auf der einen Seite steht, sondern dasselbe als Sein der selbstbewußten Individualität. – Sie als stehender Charakter und sich bewegendes bewußtes Tun ist für sich und in sich, diesem Für und Insichsein steht ihre Wirklichkeit und Dasein für Anderes entgegen; das Für- und Insichsein ist das Wesen und Subjekt, welches am Gehirne ein Sein hat, das unter es subsumiert ist und seinen Wert nur durch die inwohnende Bedeutung erhält. Die andere Seite der selbstbewußten Individualität aber, die Seite ihres Daseins ist das Sein als selbständig und Subjekt oder als ein Ding, nämlich ein Knochen; die Wirklichkeit und Dasein des Menschen ist sein Schädelknochen. – Dies ist das Verhältnis und der Verstand, den die beiden Selten dieser Beziehung in dem sie beobachtenden Bewußtsein haben.

Diesem ist es nun um die bestimmtere Beziehung dieser Seiten zu tun; der Schädelknochen hat wohl im allgemeinen die Bedeutung, die unmittelbare Wirklichkeit des Geistes zu sein. Aber die Vielseitigkeit des Geistes gibt seinem Dasein eine ebensolche Vieldeutigkeit; was zu gewinnen ist, ist die Bestimmtheit der Bedeutung der einzelnen Stellen, in welche[250] dies Dasein geteilt ist, und es ist zu sehen, wie sie das Hinweisen darauf an ihnen haben.

Der Schädelknochen ist kein Organ der Tätigkeit, noch auch eine sprechende Bewegung; es wird weder mit dem Schädelknochen gestohlen, gemordet usf., noch verzieht er zu solchen Taten im geringsten die Miene, so daß er sprechende Gebärde würde. – Noch hat auch dieses Seiende den Wert eines Zeichens. Miene und Gebärde, Ton, auch eine Säule, ein Pfahl, der auf einer öden Insel eingeschlagen ist, kündigen sich sogleich an, daß noch irgend etwas anderes damit gemeint ist als das, was sie unmittelbar nur sind. Sie geben sich selbst sogleich für Zeichen aus, indem sie eine Bestimmtheit an ihnen haben, welche auf etwas anderes dadurch hinweist, daß sie ihnen nicht eigentümlich angehört. Man kann sich wohl auch bei einem Schädel, wie Hamlet bei Yoricks2, vielerlei einfallen lassen, aber der Schädelknochen für sich ist ein so gleichgültiges, unbefangenes Ding, daß an ihm unmittelbar nichts anderes zu sehen und zu meinen ist als nur er selbst; er erinnert wohl an das Gehirn und seine Bestimmtheit, an Schädel von anderer Formation, aber nicht an eine bewußte Bewegung, indem er weder Miene und Gebärde noch etwas an ihm eingedrückt hat, das [als] von einem bewußten Tun herkommend sich ankündigte; denn er ist diejenige Wirklichkeit, welche an der Individualität eine solche andere Seite darstellen sollte, die nicht mehr sich in sich reflektierendes Sein, sondern rein unmittelbares Sein wäre.

Da er ferner auch nicht selbst fühlt, so scheint sich eine bestimmtere Bedeutung für ihn etwa noch so ergeben zu können, daß bestimmte Empfindungen durch die Nachbarschaft erkennen ließen, was mit ihm gemeint sei; und indem eine bewußte Weise des Geistes bei einer bestimmten Stelle desselben ihr Gefühl hat, wird etwa dieser Ort in seiner Gestalt sie und ihre Besonderheit andeuten. Wie z.B. manche bei dem angestrengten Denken oder auch schon beim Denken[251] überhaupt eine schmerzliche Spannung irgendwo im Kopfe zu fühlen klagen, könnte auch das Stehlen, das Morden, das Dichten usf. jedes mit einer eigenen Empfindung begleitet sein, die außerdem noch ihre besondere Stelle haben müßte. Diese Stelle des Gehirns, die auf diese Art mehr bewegt und betätigt wäre, würde wahrscheinlich auch die benachbarte Stelle des Knochens mehr ausbilden; oder diese würde aus Sympathie oder Konsensus auch nicht träge sein, sondern sich vergrößern oder verkleinern oder, auf welche Weise es sei, sich formieren, – Was jedoch diese Hypothese unwahrscheinlich macht, ist dies, daß das Gefühl überhaupt etwas Unbestimmtes ist und das Gefühl im Kopfe als dem Zentrum das allgemeine Mitgefühl alles Leidens sein möchte, so daß sich mit dem Diebs-Mörders-Dichters-Kopf-Kitzel oder Schmerz andere vermischen und sich voneinander sowie von denen, die man bloß körperlich nennen kann, so wenig unterscheiden lassen würden, als aus dem Symptome des Kopfwehs, wenn wir seine Bedeutung nur auf das Körperliche einschränken, sich die Krankheit bestimmen läßt.

Es fällt in der Tat, von welcher Seite die Sache betrachtet werde, alle notwendige gegenseitige Beziehung sowie deren durch sich selbst sprechende Andeutung hinweg. Es bleibt, wenn denn die Beziehung doch stattfinden soll, eine begrifflose freie prästabilierte Harmonie der entsprechenden Bestimmung beider Seiten übrig und notwendig; denn die eine soll geistlose Wirklichkeit, bloßes Ding sein. – Es stehen also eben auf einer Seite eine Menge ruhender Schädelstellen, auf der ändern eine Menge Geisteseigenschaften, deren Vielheit und Bestimmung von dem Zustande der Psychologie abhängen wird. Je elender die Vorstellung von dem Geiste ist, um so mehr wird von dieser Seite die Sache erleichtert; denn teils werden die Eigenschaften um so weniger, teils um so abgeschiedener, fester und knöcherner, hierdurch Knochenbestimmungen um so ähnlicher und mit ihnen vergleichbarer. Allein obzwar durch die Elendigkeit der Vorstellung von dem Geiste vieles erleichtert ist, so bleibt doch immer eine[252] sehr große Menge auf beiden Seiten; es bleibt die gänzliche Zufälligkeit ihrer Beziehung für die Beobachtung. Wenn von den Kindern Israels aus dem Sand am Meere, dem sie entsprechen sollen, jedes das Körnchen, dessen Zeichen es ist, sich nehmen sollte, so ist diese Gleichgültigkeit und Willkür, welche jedem das seine zuteilte, ebenso stark als die, welche jeder Seelenfähigkeit, Leidenschaft und, was hier gleichfalls betrachtet werden müßte, den Schattierungen von Charakteren, von welchen die feinere Psychologie und Menschenkenntnis zu sprechen pflegt, ihre Schädelstätten und Knochenformen zuweist. – Der Schädel des Mörders hat dieses – nicht Organ, auch nicht Zeichen, sondern diesen Knorren; aber dieser Mörder hat noch eine Menge anderer Eigenschaften sowie andere Knorren und mit den Knorren auch Vertiefungen; man hat die Wahl unter Knorren und Vertiefungen, Und wieder kann sein Mordsinn, auf welchen Knorren oder Vertiefung es sei, und hinwiederum [können] diese, auf welche Eigenschaft es sei, bezogen werden; denn weder ist der Mörder nur dies Abstraktum eines Mörders, noch hat er nur eine Erhabenheit und eine Vertiefung. Die Beobachtungen, welche hierüber angestellt werden, müssen darum gerade auch so gut lauten als der Regen des Krämers und der Hausfrau am Jahrmarkte und bei der Wäsche. Krämer und Hausfrau konnten auch die Beobachtung machen, daß es immer regnet, wenn dieser Nachbar vorbeigeht oder wenn Schweinsbraten gegessen wird. Wie der Regen gegen diese Umstände, so gleichgültig ist für die Beobachtung diese Bestimmtheit des Geistes gegen dieses bestimmte Sein des Schädels. Denn von den beiden Gegenständen dieses Beobachtens ist der eine ein trockenes Fürsichsein, eine knöcherne Eigenschaft des Geistes, wie der andere ein trockenes Ansichsein, ein so knöchernes Ding, als beide sind, ist vollkommen gleichgültig gegen alles andere; es ist dem hohen Knorren ebenso gleichgültig, ob ein Mörder in seiner Nachbarschaft, als dem Mörder, ob die Plattheit in seiner Nähe ist.

Es bleibt allerdings die Möglichkeit, daß mit irgendeiner[253] Eigenschaft, Leidenschaft usf. ein Knorren an irgendeiner Stelle verbunden sei, unüberwindlich übrig. Man kann sich den Mörder mit einem hohen Knorren hier an dieser Schädelstelle, den Dieb mit einer dort vorstellen. Von dieser Seite ist die Schädelwissenschaft noch großer Erweiterung fähig; denn zunächst scheint sie sich nur auf die Verbindung eines Knorren mit einer Eigenschaft an demselben Individuum, so daß dieses beide besitzt, einzuschränken. Aber schon die natürliche Schädelwissenschaft – denn es muß so gut eine solche als eine natürliche Phsylognomik geben geht über diese Schranke hinaus; sie urteilt nicht nur, daß ein schlauer Mensch einen faustdicken Knorren hinter den Ohren sitzen habe, sondern sie stellt auch vor, daß die untreue Ehefrau nicht selbst, sondern das andere eheliche Individuum Knorren an der Stirne habe. – Ebenso kann man sich auch den, der mit dem Mörder unter einem Dache wohnt, oder auch seinen Nachbar und weiter hinaus seine Mitbürger usf. mit hohen Knorren an irgendeiner Schädelstelle vorstellen, so gut als die fliegende Kuh, die zuerst von dem Krebs, der auf dem Esel ritt, geliebkost und hernach usf. wurde. – Wird aber die Möglichkeit nicht im Sinne der Möglichkeit des Vorstellen; sondern der inneren Möglichkeit oder des Begriffs genommen, so ist der Gegenstand eine solche Wirklichkeit, welche reines Ding und ohne dergleichen Bedeutung ist und sein soll und sie also nur in der Vorstellung haben kann.

Schreitet, ungeachtet der Gleichgültigkeit der beiden Seiten, der Beobachter jedoch ans Werk, Beziehungen zu bestimmen, teils frisch gehalten durch den allgemeinen Vernunftgrund, daß das Äußere der Ausdruck des Inneren sei, teils sich unterstützend mit der Analogie von Schädeln der Tiere – welche zwar wohl einen einfacheren Charakter haben mögen als die Menschen, von denen es aber zugleich um ebenso schwerer zu sagen wird, welchen sie haben, indem es nicht der Vorstellung eines jeden Menschen so leicht sein kann, sich in die Natur eines Tieres recht hineinzubilden –, so findet[254] der Beobachter bei der Versicherung der Gesetze, die er entdeckt haben will, eine vorzügliche Hilfe an einem Unterschiede, der uns hier notwendig auch einfallen muß. – Das Sein des Geistes kann wenigstens nicht als so etwas schlechthin Unverrücktes und Unverrückbares genommen werden. Der Mensch ist frei; es wird zugegeben, daß das ursprüngliche Sein nur Anlagen sind, über welche er viel vermag oder welche günstiger Umstände bedürfen, um entwickelt zu werden; d.h. ein ursprüngliches Sein des Geistes ist ebensowohl als ein solches auszusprechen, das nicht als Sein existiert. Widersprächen also Beobachtungen demjenigen, was irgendeinem als Gesetz zu versichern einfällt, wäre es schön Wetter am Jahrmarkte oder bei der Wäsche, so könnten Krämer und Hausfrau sprechen, daß es eigentlich regnen sollte und die Anlage doch dazu vorhanden sei; ebenso das Schädelbeobachten, – daß dies Individuum eigentlich so sein sollte, wie der Schädel nach dem Gesetze aussagt, und eine ursprüngliche Anlage habe, die aber nicht ausgebildet worden sei; vorhanden ist diese Qualität nicht, aber sie sollte vorhanden sein. – Das Gesetz und das Sollen gründet sich auf das Beobachten des wirklichen Regens und des wirklichen Sinnes bei dieser Bestimmtheit des Schädels; ist aber die Wirklichkeit nicht vorhanden, so gilt die leere Möglichkeit für ebensoviel. – Diese Möglichkeit, d. i. die Nichtwirklichkeit des aufgestellten Gesetzes und hiermit ihm widersprechende Beobachtungen müssen eben dadurch hereinkommen, daß die Freiheit des Individuums und die entwickelnden Umstände gleichgültig gegen das Sein überhaupt sind, sowohl gegen es als ursprüngliches Inneres wie als äußeres Knöchernes, und daß das Individuum auch etwas anderes sein kann, als es innerlich ursprünglich und noch mehr als ein Knochen ist.

Wir erhalten also die Möglichkeit, daß dieser Knorren oder Vertiefung des Schädels sowohl etwas Wirkliches als auch nur eine Anlage, und zwar unbestimmt zu irgend etwas, daß er etwas Nichtwirkliches bezeichne; wir sehen es einer[255] schlechten Ausrede wie immer ergehen, daß sie wider dasjenige, dem sie aufhelfen soll, selbst zu gebrauchen steht. Wir sehen das Meinen durch die Natur der Sache dahin gebracht, das Gegenteil dessen, aber gedankenlos, selbst zu sagen, was es festhält; – zu sagen, es wird durch diesen Knochen irgend etwas angedeutet, aber ebensogut auch nicht.

Was der Meinung selbst bei dieser Ausrede vorschwebt, ist der wahre, sie gerade vertilgende Gedanke, daß das Sein als solches überhaupt nicht die Wahrheit des Geistes ist. Wie schon die Anlage ein ursprüngliches Sein ist, das an der Tätigkeit des Geistes keinen Anteil hat, ein eben solches ist seinerseits auch der Knochen. Das Seiende ohne die geistige Tätigkeit ist ein Ding für das Bewußtsein und so wenig sein Wesen, daß es vielmehr das Gegenteil desselben und das Bewußtsein sich allein wirklich ist durch die Negation und Vertilgung eines solchen Seins. – Es ist von dieser Seite für völlige Verleugnung der Vernunft anzusehen, für das wirkliche Dasein des Bewußtseins einen Knochen auszugeben; und dafür wird er ausgegeben, indem er als das Äußere des Geistes betrachtet wird, denn das Äußere ist eben die seiende Wirklichkeit. Es hilft nichts zu sagen, daß von diesem Äußeren nur auf das Innere, das etwas anderes sei, geschlossen werde, das Äußere nicht das Innere selbst, sondern nur dessen Ausdruck sei. Denn in dem Verhältnisse beider zueinander fällt eben auf die Seite des Inneren die Bestimmung der sich denkenden und gedachten, auf die Seite des Äußeren aber die der seienden Wirklichkeit. – Wenn also einem Menschen gesagt wird: du (dein Inneres) bist dies, weil dein Knochen so beschaffen ist, so heißt es nichts anderes als: ich sehe einen Knochen für deine Wirklichkeit an. Die bei der Physiognomik erwähnte Erwiderung eines solchen Urteils durch die Ohrfeige bringt zunächst die weichen Teile aus Ihrem Ansehen und Lage und erweist nur, daß diese kein wahres Ansich, nicht die Wirklichkeit des Geistes sind; hier müßte die Erwiderung eigentlich so weit gehen, einem, der so urteilt, den Schädel einzuschlagen, um gerade so greiflich,[256] als seine Weisheit ist, zu erweisen, daß ein Knochen für den Menschen nichts an sich, viel weniger seine wahre Wirklichkeit ist.

Der rohe Instinkt der selbstbewußten Vernunft wird eine Schädelwissenschaft unbesehen verwerfen, – diesen anderen beobachtenden Instinkt derselben, der zur Ahnung des Erkennens gediehen, es auf die geistlose Weise, daß das Äußere Ausdruck des Inneren sei, erfaßt hat. Aber je schlechter der Gedanke ist, desto weniger fällt es zuweilen auf, worin bestimmt seine Schlechtigkeit liegt, und desto schwerer ist es, sie auseinanderzulegen. Denn der Gedanke heißt um so schlechter, je reiner und leerer die Abstraktion ist, welche ihm für das Wesen gilt. Der Gegensatz aber, auf den es hier ankommt, hat zu seinen Gliedern die ihrer bewußte Individualität und die Abstraktion der ganz zum Dinge gewordenen Äußerlichkeit, – jenes innere Sein des Geistes als festes geistloses Sein aufgefaßt, eben solchem Sein entgegengesetzt. – Damit scheint aber auch die beobachtende Vernunft in der Tat ihre Spitze erreicht zu haben, von welcher sie sich selbst verlassen und sich überschlagen muß; denn erst das ganz Schlechte hat die unmittelbare Notwendigkeit an sich, sich zu verkehren. – Wie von dem jüdischen Volke gesagt werden kann, daß es gerade darum, weil es unmittelbar vor der Pforte des Heils stehe, das verworfenste sei und gewesen sei; was es an und für sich sein sollte, diese Selbstwesenheit ist es sich nicht, sondern verlegt sie jenseits seiner; es macht sich durch diese Entäußerung ein höheres Dasein möglich, wenn es seinen Gegenstand wieder in sich zurücknehmen könnte, als wenn es innerhalb der Unmittelbarkeit des Seins stehengeblieben [wäre], weil der Geist um so größer ist, aus je größerem Gegensatze er in sich zurückkehrt; diesen Gegensatz aber macht er sich in dem Aufheben seiner unmittelbaren Einheit und in der Entäußerung seines Fürsichseins. Allein wenn ein solches Bewußtsein sich nicht reflektiert, ist die Mitte, worin es steht, die unselige Leere, indem dasjenige, was sie erfüllen sollte, zum festen Extreme[257] geworden ist. So ist diese letzte Stufe der beobachtenden Vernunft ihre schlechteste, aber darum ihre Umkehrung notwendig.

Denn die Übersicht der bisher betrachteten Reihe von Verhältnissen, welche den Inhalt und Gegenstand der Beobachtung ausmachen, zeigt, daß in ihrer ersten Weise, in der Beobachtung der Verhältnisse der unorganischen Natur ihr schon das sinnliche Sein verschwindet, die Momente ihres Verhältnisses stellen sich als reine Abstraktionen und als einfache Begriffe dar, welche an das Dasein von Dingen festgeknüpft sein sollten, das aber verlorengeht, so daß das Moment sich als reine Bewegung und als Allgemeines erweist. Dieser freie in sich vollendete Prozeß behält die Bedeutung eines Gegenständlichen, tritt aber nur als ein Eins auf; im Prozesse des Unorganischen ist das Eins das nicht existierende Innere; als Eins aber existierend ist er das Organische. – Das Eins steht als Fürsichsein oder negatives Wesen dem Allgemeinen gegenüber, entzieht sich diesem und bleibt frei für sich, so daß der Begriff, nur im Elemente der absoluten Vereinzelung realisiert, in der organischen Existenz seinen wahrhaften Ausdruck, als Allgemeines da zu sein, nicht findet, sondern ein Äußeres oder, was dasselbe ist, ein Inneres der organischen Natur bleibt. – Der organische Prozeß ist nur frei an sich, ist es aber nicht für sich selbst, im Zwecke tritt das Fürsichsein seiner Freiheit ein, existiert als ein anderes Wesen, als eine ihrer selbst bewußte Weisheit, die außer jenem ist. Die beobachtende Vernunft wendet sich also an diese, an den Geist, den als Allgemeinheit existierenden Begriff oder als Zweck existierenden Zweck; und ihr eigenes Wesen ist ihr nunmehr der Gegenstand.

Sie wendet sich zuerst an seine Reinheit; aber indem sie Auffassen des in seinen Unterschieden sich bewegenden Gegenstandes als eines Seienden ist, werden ihr Gesetze des Denkens, Beziehungen von Bleibendem auf Bleibendes; aber da der Inhalt dieser Gesetze nur Momente sind, verlaufen sie sich in das Eins des Selbstbewußtseins. – Dieser neue Gegenstand[258] ebenso als Seiendes genommen, ist das einzelne, zufällige Selbstbewußtsein; das Beobachten steht daher innerhalb des gemeinten Geistes und des zufälligen Verhältnisses von bewußter Wirklichkeit auf unbewußte. Er an sich selbst nur ist die Notwendigkeit dieser Beziehung; die Beobachtung rückt ihm daher näher auf den Leib und vergleicht seine wollende und tuende Wirklichkeit mit seiner in sich reflektierten und betrachtenden Wirklichkeit, die selbst gegenständlich ist. Dieses Äußere, obzwar eine Sprache des Individuums, die es an ihm selbst hat, ist zugleich als Zeichen etwas Gleichgültiges gegen den Inhalt, den es bezeichnen sollte, so wie das, welches sich das Zeichen setzt, gleichgültig gegen dieses.

Von dieser wandelbaren Sprache geht darum die Beobachtung endlich zum festen Sein zurück und spricht ihrem Begriffe nach aus, daß die Äußerlichkeit nicht als Organ, auch nicht als Sprache und Zeichen, sondern als totes Ding die äußere und unmittelbare Wirklichkeit des Geistes sei. Was von der allerersten Beobachtung der unorganischen Natur aufgehoben wurde, daß nämlich der Begriff als Ding vorhanden sein sollte, stellt diese letzte Weise so her, daß sie die Wirklichkeit des Geistes selbst zu einem Dinge macht oder, umgekehrt ausgedrückt, dem toten Sein die Bedeutung des Geistes gibt. – Die Beobachtung ist damit dazu gekommen, es auszusprechen, was unser Begriff von ihr war, daß nämlich die Gewißheit der Vernunft sich selbst als gegenständliche Wirklichkeit sucht. – Man meint zwar dabei wohl nicht, daß der Geist, der von einem Schädel vorgestellt wird, als Ding ausgesprochen werde; es soll kein Materialismus, wie man es nennt, in diesem Gedanken liegen, sondern der Geist vielmehr noch etwas anderes als diese[r] Knochen sein; aber er ist, heißt selbst nichts anderes als: er ist ein Ding. Wenn das Sein als solches oder Dingsein von dem Geiste prädiziert wird, so ist darum der wahrhafte Ausdruck hiervon, daß er ein solches wie ein Knochen ist. Es muß daher für höchst wichtig angesehen werden, daß der wahre[259] Ausdruck davon, daß vom Geiste rein gesagt wird, er ist, sich gefunden hat. Wenn sonst vom Geiste gesagt wird, er ist, hat ein Sein, ist ein Ding, eine einzelne Wirklichkeit, so wird damit nicht etwas gemeint, das man sehen oder in die Hand nehmen, stoßen usf. kann, aber gesagt wird ein solches; und was in Wahrheit gesagt wird, drückt sich hiermit so aus, daß das Sein des Geistes ein Knochen ist.

Dies Resultat hat nun eine gedoppelte Bedeutung: einmal seine wahre, insofern es eine Ergänzung des Resultats der vorhergehenden Bewegung des Selbstbewußtseins ist. Das unglückliche Selbstbewußtsein entäußerte sich seiner Selbständigkeit und rang sein Fürsichsein zum Dinge heraus. Es kehrte dadurch aus dem Selbstbewußtsein in das Bewußtsein zurück, d.h. in das Bewußtsein, für welches der Gegenstand ein Sein, ein Ding ist; – aber dies, was Ding ist, ist das Selbstbewußtsein; es ist also die Einheit des Ich und des Seins, die Kategorie. Indem der Gegenstand für das Bewußtsein so bestimmt ist, hat es Vernunft. Das Bewußtsein sowie das Selbstbewußtsein ist an sich eigentlich Vernunft; aber nur von dem Bewußtsein, dem der Gegenstand als die Kategorie sich bestimmt hat, kann gesagt werden, daß es Vernunft habe; – hiervon aber ist noch das Wissen, was Vernunft ist, unterschieden. – Die Kategorie, welche die unmittelbare Einheit des Seins und des Seinen ist, muß beide Formen durchlaufen, und das beobachtende Bewußtsein ist eben dieses, dem sie sich in der Form des Seins darstellt. In seinem Resultate spricht das Bewußtsein dasjenige, dessen bewußtlose Gewißheit es ist, als Satz aus, – den Satz, der im Begriffe der Vernunft liegt. Er ist das unendliche Urteil, daß das Selbst ein Ding ist, – ein Urteil, das sich selbst aufhebt. – Durch dieses Resultat ist also bestimmt zur Kategorie dies hinzugekommen, daß sie dieser sich aufhebende Gegensatz ist. Die reine Kategorie, welche in der Form des Seins oder der Unmittelbarkeit für das Bewußtsein ist, ist der noch unvermittelte, nur vorhandene Gegenstand, und das Bewußtsein ein ebenso unvermitteltes Verhalten. Das Moment[260] jenes unendlichen Urteils ist der Obergang der Unmittelbarkeit in die Vermittlung oder Negativität. Der vorhandene Gegenstand ist daher als ein negativer bestimmt, das Bewußtsein aber als Selbstbewußtsein gegen ihn, oder die Kategorie, welche die Form des Seins im Beobachten durchlaufen hat, ist jetzt in der Form des Fürsichseins gesetzt; das Bewußtsein will sich nicht mehr unmittelbar finden, sondern durch seine Tätigkeit sich selbst hervorbringen. Es selbst ist sich der Zweck seines Tuns, wie es ihm im Beobachten nur um die Dinge zu tun war.

Die andere Bedeutung des Resultats ist die schon betrachtete des begrifflosen Beobachtens. Dieses weiß sich nicht anders zu fassen und auszusprechen, als daß es unbefangen den Knochen, wie er sich als sinnliches Ding findet, das seine Gegenständlichkeit für das Bewußtsein nicht zugleich verliert, für die Wirklichkeit des Selbstbewußtseins aussagt. Es hat aber auch darüber, daß es dies sagt, keine Klarheit des Bewußtseins und faßt seinen Satz nicht in der Bestimmtheit seines Subjekts und Prädikats und der Beziehung derselben, noch weniger in dem Sinne des unendlichen, sich selbst auflösenden Urteils und des Begriffs. – Es verbirgt sich vielmehr aus einem tiefer liegenden Selbstbewußtsein des Geistes, das hier als eine natürliche Honettetät erscheint, die Schmählichkeit des begrifflosen nackten Gedankens, für die Wirklichkeit des Selbstbewußtseins einen Knochen zu nehmen, und übertüncht ihn durch die Gedankenlosigkeit selbst, mancherlei Verhältnisse von Ursache und Wirkung, von Zeichen, Organ usw., die hier keinen Sinn haben, einzumischen und durch Unterscheidungen, die von ihnen hergenommen sind, das Grelle des Satzes zu verstecken.

Gehirnfibern u. dgl., als das Sein des Geistes betrachtet, sind schon eine gedachte, nur hypothetische, – nicht daseiende, nicht gefühlte, gesehene, nicht die wahre Wirklichkeit;[261] wenn sie da sind, wenn sie gesehen werden, sind sie tote Gegenstände und gelten dann nicht mehr für das Sein des Geistes. Aber die eigentliche Gegenständlichkeit muß eine unmittelbare, sinnliche sein, so daß der Geist in dieser als toten – denn der Knochen ist das Tote, insofern es am Lebendigen selbst ist – als wirklich gesetzt wird. – Der Begriff dieser Vorstellung ist, daß die Vernunft sich alle Dingheit, auch die rein gegenständliche, selbst ist; sie ist aber dies im Begriffe, oder der Begriff nur ist ihre Wahrheit, und je reiner der Begriff selbst ist, zu einer desto alberneren Vorstellung sinkt er herab, wenn sein Inhalt nicht als Begriff, sondern als Vorstellung ist, – wenn das sich selbst aufhebende Urteil nicht mit dem Bewußtsein dieser seiner Unendlichkeit genommen wird, sondern als ein bleibender Satz, und dessen Subjekt und Prädikat jedes für sich gelten, das Selbst als Selbst, das Ding als Ding fixiert und doch eins das andere sein soll. – Die Vernunft, wesentlich der Begriff, ist unmittelbar in sich selbst und ihr Gegenteil entzweit, ein Gegensatz, der eben darum ebenso unmittelbar aufgehoben ist. Aber sich so als sich selbst und als ihr Gegenteil darbietend und festgehalten in dem ganz einzelnen Momente dieses Auseinandertretens, ist sie unvernünftig aufgefaßt; und je reiner die Momente desselben sind, desto greller ist die Erscheinung dieses Inhalts, der allein entweder für das Bewußtsein ist oder von ihm unbefangen allein ausgesprochen wird. – Das Tiefe, das der Geist von innen heraus, aber nur bis in sein vorstellendes Bewußtsein treibt und es in diesem stehenläßt, – und die Unwissenheit dieses Bewußtseins, was das ist, was es sagt, ist dieselbe Verknüpfung des Hohen und Niedrigen, welche an dem Lebendigen die Natur in der Verknüpfung des Organs seiner höchsten Vollendung, des Organs der Zeugung, und des Organs des Pissens naiv ausdrückt. – Das unendliche Urteil als unendliches wäre die Vollendung des sich selbst erfassenden Lebens; das in der Vorstellung bleibende Bewußtsein desselben aber verhält sich als Pissen.[262]

1

Platon, Timaios, Steph. 71 D.

2

Shakespeare, Hamlet V, 1.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 3, Frankfurt a. M. 1979, S. 233-263.
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