Zweiter Artikel

[415] Aber indem Referent sich sehnt und bestrebt, aus diesem unergründlichen Pfuhle einen Ausgang zu gewinnen, erinnert[415] er sich daran, daß noch erst vom Anfange zu reden wäre. Denn der Verfasser beginnt mit der Untersuchung des abstrakten logischen Anfangs und kommt darauf oft zurück; er läßt sich auch auf weitere logische Materien, nach Willkür und Zufall, und auf die Methode insbesondere übergehen. Nachdem seine Verfahrungsweise an konkreteren Gegenständen geschildert worden ist, an welchen die Anwendung der Verdrehung, faktische Unrichtigkeit und Verunglimpfung bei den Unkundigen das schreiendste Aufsehen hervorbringt, so kann das Ergehen des Verfassers über abstrakte Materien kürzer behandelt werden. Ohnehin ist es unmöglich, demselben durch die Art oder vielmehr Unart des Gewirres von Räsonnement zu folgen; der Vortrag zerfährt allenthalben in eine kunterbunte Vermischung abstrakter Formeln, trivialer psychologischer Popularitäten, unterbrochen durch salbungsreiche Tiraden vortrefflicher Gesinnungen, mit derselben Paralysis des Auffassens und zusammenhängenden Denkens, die aufgezeigt worden. Um zuerst von dem etwas zu erwähnen, was der Verfasser über die Methode der Philosophie, die er bestreitet, vorbringt – und hiermit macht er sich viel zu tun –, so verkehrt die richtige Vorstellung, die er angibt, daß diese Philosophie ganz auf ihrer Methode beruhe, sich ihm in die, daß die Methode in ihr ein nur Vorausgesetztes sei und derselben zuliebe die Resultate wie die Ausgangspunkte angenommen werden. Auf die Versicherungen, die Methode setze voraus, daß die Wahrheit einen negativen Charakter habe (S. 39), sie beruhe »auf dem verneinenden Prinzip«, auf der Abstraktion, die ihrerseits voraussetze (S. 53 und öfters), daß man durch Weglassen desjenigen, was bloß Bestimmung der Sache sei, die Wahrheit erkenne, werden wir zurückkommen. Es ist dabei nicht gegen das Voraussetzen selbst, daß sich der Verfasser erklärt; er dringt nicht darauf, daß in der Philosophie eine Voraussetzung bloß für eine Autorität gilt und nicht ihr, sondern nur der Kirche es erlaubt ist, die Wahrheit auf Autorität zu gründen. Woher der Verfasser aber seinerseits die Voraussetzungen[416] genommen, die er selbst macht, wird sich im Verfolge zeigen.

Um es zu unterstützen, daß die Methode vorausgesetzt sei, sagt er (S. 121): »Von der Methode ist in der Logik, in der Vorrede und Einleitung, endlich am Schlüsse derselben, in der Lehre von der absoluten Idee, die Rede, und in der letztgedachten Lehre wird sie als das Allgemeine der Form des Inhalts betrachtet. Durch diese Stelle beurkundet sich denn ganz klar, daß sie das Mittel gewesen ist, die ganze Lehre herauszubringen; ferner beurkundet sich dadurch, daß sie früher fertig war als die Wissenschaft; endlich aber möchte hieraus erhellen, daß man nicht so sehr den Inhalt zu durchdringen, als vermittels der Methode einen einmal vorhandenen Inhalt aneinanderzureihen suchte.« Wenn jene Angaben ganz klar beurkundet sind, so möchte es nur ein aufwachendes Gewissen sein, welches den Ton der Versicherung wieder in ein »möchte« herabdrückt. In der Logik, die der Verfasser zitiert, wie in der Enzyklopädie ist es wiederholt gesagt, daß in Vorreden und Einleitungen, d.h. vor der Wissenschaft nicht wissenschaftlich, sondern geschichtlich und etwa nur räsonierend gesprochen werde; es ist wohl noch niemand eingefallen, in die Vorrede und Einleitung die wissenschaftlichen Grundlagen einer Philosophie zu verlegen, ebensowenig, als sie darin zu suchen. Der Schluß aber enthält das Resultat; die Prämissen, welche die Grundlage dazu bilden, sind im Vorhergehenden und, im vorliegenden Fall, im ganzen Verlauf der Wissenschaft enthalten. Wenn es aber in dem angeführten Schlüsse heißt, die Methode sei das Allgemeine der Form des Inhalts, und wenn sich etwas dadurch beurkunden ließe, so müßte es nicht sein, daß die Methode das Mittel zum Inhalte, sondern vielmehr der Inhalt (um in des Verfassers Ausdrücken zu sprechen) das Mittel zur Methode gewesen sei. Jener angeschuldigten Methode stellt der Verfasser seinerseits einen Begriff derselben entgegen: »Das Erkennen selbst«, sagt er (S. 183), »muß die Wahrheit gewinnen; die Methode sucht die Wahrheit in ihrem, in ihr[417] selbst enthaltenen, durch sich selbst gegebenen Zusammenhange, in ihrer solchergestalt durch sie selbst gesetzten lebendigen Entwicklung darzustellen. So ist denn ihre höchste Stufe die Dialektik, eine Bewegung im Erkennen wie das Werden; ist die dialektische Tätigkeit des Erkennens vollendet, so ist die Wissenschaft da.« Referent kann diesen solchen Voraussetzungen nicht anders als Beifall geben, denn es sind dessen eigenste Ausdrücke, wie sie sich zur Genüge in dessen Logik und Enzyklopädie finden; sogar das Werden als Bewegung taucht hier wieder auf; wie sehr der Verfasser sich früher (S. 29) damit gemartert, werden wir nachher anführen; auch die Dialektik, dies negative Prinzip, hat hier bei ihm einen Ehrenplatz erhalten. Der Verfasser hat sich diese angeführten Gedanken so sehr zu eigen gemacht, daß er damit unbefangen als mit dem Seinigen, und zwar mit der Miene großtut, als ob damit gegen die Philosophie, die er bestreitet, etwas gesagt worden sei. Wenn diese die Methode darein setzt, daß der Inhalt durch sich selbst sich entwickle, und der Verfasser dies wörtlich nachspricht, so hätte er vorab und in etwa (wie derselbe zu sprechen pflegt) bei dieser Philosophie die Methode als Form bei den Sätzen, über die er sich ausläßt, zunächst vergessen und sich in den Inhalt vertiefen müssen; so wäre er in dessen Fortbestimmung eingegangen und hätte dann das Bewußtsein über diesen Gang des Inhalts, über die Methode erlangen können. Dieses Sichfortbestimmen des Inhalts aber, und ob es so ist, daß derselbe sich so bestimmt, dies kümmert den Verfasser nicht. Durchweg faßt er vielmehr das, was ihm vorzunehmen beliebt, als ein Aufgestelltes; erzählungsweise führt er Sätze und Reihen von Sätzen an, die aufgestellt seien, ohne sich darauf einzulassen, ob der Inhalt an ihm selbst die Sätze herbeigeführt habe. Aber ein ehern Band (wäre es auch nur als einen Schnitt der Haare) hat ihm der Gott (der Hypochondrie? – oder die Gewalt, welche ihm die Schilderung der Degradation dieser Gewalt zu einer Degradation des Himmels – s. vorherg. Artikel – graduierte?) um die[418] Stirn geschmiedet, um das nicht zu sehen, was vorhanden ist.

Die eigene Methode des Verfassers aber in den unzählbaren faktischen Unrichtigkeiten seiner Expositionen des Logischen, in den weiteren Verkehrungen durch Schließen und Räsonieren darüber zu schildern, wird hier vollends untunlich. Einiges, um die Charakterisierung zu vervollständigen, ist auszuheben.

Eine einfache Weise, die oft wiederkommt, ist die Versicherung, daß von Sätzen, die er vornimmt, gar kein Beweis gegeben sei. Der Verfasser gebraucht diese seine beliebige Angabe als Grund, weshalb er für seine Behauptungen keinen Beweis zu geben nötig habe. Die Versicherung, daß kein Beweis gegeben sei, macht er selbst, indem er diejenige Exposition, welche den Beweis ausmacht, hererzählt; wie solche Auszüge beschaffen sind, ist ihnen freilich nicht anzusehen, daß sie ein Beweis sind. – So heißt es S. 114: »Von dem Wesen wird nicht die mindeste Erklärung gegeben.« Die Erklärung, was das Wesen ist, macht, wie dem Verfasser bekannt ist, einen eigenen Band der Logik aus, die er kritisiert. Gleich einfach ist es, wie z.B. S. 169, nachdem die Exposition der Momente des Begriffs, Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit, allerdings fahrlässig genug, erzählt worden, zu versichern: »Es liegt aber klar vor Augen, daß diese Momente nicht ihrem wesentlichen Begriffe nach aufgefaßt worden sind.« Es wäre für ein Glück zu achten, wenn dies klar vor Augen läge, denn der Verfasser zeigt sich nicht imstande, es dartun zu können. Eine verbrauchte rhetorische Wendung fehlt auch nicht, nachdem irgend etwas gegen einen Gegenstand vorgebracht worden, bald auszubrechen in ein: da sich nun ergeben hat, (S. 216) es wird sich so ziemlich klar ergeben haben, daß jene Lehre gar keinen vernünftigen Sinn hat. Zu einem solchen »gar keinen« gehört eigentlich mehr als nur ein »so ziemlich«. Am meisten Befriedigung gibt dem Verfasser die Entdeckung, mit der er gleich anfängt, daß die Philosophie, die er kritisiert, sich [419] abstrahierend verhalte, verneinend zu Werke gehe und in ihr die Wahrheit einen negativen Charakter habe. Viel beschäftigen ihn die Sätze, die in der Logik vom Sein und Nichts aufgestellt seien; besonders läßt er sich das Nichts sehr angelegen sein und spricht dazu sehr ernsthaft von »der Pflicht, aufs Innerste zu prüfen«, »dem Zwecke seiner Schrift, das vernünftige, spekulative Denken zu befördern«. Über die Verwirrung, in der der Verfasser sich hier über jene allereinfachsten Kategorien herumtreibt, wollen wir daher etwas Näheres angeben. S. 26 heißt es: Werden sei vorgestellt als die Bewegung eines unmittelbaren Verschwindens des einen in dem anderen (des Seins und Nichts); der Verfasser macht hierüber die Kritik, es werde schon bei der Erörterung des ersten Begriffs des Seins, ehe vom Werden die Rede sei, behauptet: das Sein sei in der Tat Nichts, – in allen Teilen der Logik konnte er dasselbe finden, daß zuerst von derjenigen Bestimmung, aus der eine andere hervorgeht, die Rede ist, und nachher von der, die daraus hervorgeht. Ebenso bemerkt er (S. 17, 29), daß das Sein schon an sich Nichts sei, ehe das Nichts an sich erörtert worden und ehe die im Werden behauptete Bewegung gesetzt sei; – etwas Besonnenheit auf sein Denken hätte ihm sagen können, daß selbst das, was er anführt, die Gedankenreihe, Sein (welches schlechthin in der Vorstellung vom Nichts verschieden sein soll) ist schon an sich Nichts, eben diese Bewegung selbst ist, die also nicht von ihr selbst schon gesetzt sein kann, sie »diese dialektische Tätigkeit des Erkennens« [ist], die vom Verfasser selbst erwähnt worden; und wenn S. 29 »der Unbefangene sagen soll: das Sein sei also schon zunichte geworden, ehe man zum Nichts gekommen«, so möchte der Verfasser doch den unbefangenen Wundermenschen herbeibringen, dem etwas zunichte hätte werden können, ehe und also noch ohne daß er bei dem Nichts desselben wäre. S. 204 spricht der Verfasser im Unterschied gegen die elementarische und konkrete Natur von einer ätherischen Natur und macht der Philosophie, die er bestreitet, den Vorwurf, daß[420] »in derselben von der ›ätherischen Natur‹ nicht die Rede sei« (»was leicht erklärlich« sei – vielleicht aber wohl aus dem entgegengesetzten Grunde, als der Verfasser etwa in petto hat); was diese »ätherische Natur« sei, hat er übrigens nicht näher angegeben. Aber die dünnen Regionen des abstrakten Denkens sind wohl noch ätherischer als des Verfassers ätherische Natur; die leiseste Nuance macht sich schon als Unterschied bemerkbar, und ein noch sehr inhaltsloser Satz ist schon eine Handlung, über welche und deren tempi in diesem Felde ein Bewußtsein zu haben nötig ist. Jedoch haben wir soeben gesehen, daß auch der Verfasser so dünne Unterschiede zu machen weiß, daß nichts an ihnen bleibt; so macht er ferner S. 30 den feinen Unterschied, daß das Verschwinden des Nichts und des Seins an sich selbst etwas anderes sei als das Verschwinden des einen in dem anderen; – es hätte ohne Zweifel interessant werden können, wenn er aufgezeigt hätte, wie z.B. das Verschwinden, d.h. das Zunichtswerden des Seins an sich zu denken sei, ohne an sein Anderes, das Nichts, dabei zu denken, – wie das Sein an sich verschwinde und dies sein Anderes dabei wegbleibe.

Wenn er nun ebendaselbst vorbringt, daß das Verschwinden des einen in dem anderen eben der Beweis sei, daß weder das Sein noch das Nichts wäre, so sieht er nicht, daß er hiermit eine der Bestimmungen, daß weder Sein noch Nichts sei (to on ouden mallon tou mê ontos), selbst aussagt, welche in der Logik aufgestellt sind; wenn er hinzufügt, daß umgekehrt beide. Sein und Nichts, der Beweis seien, daß das Verschwinden nicht wäre, so setzt er umgekehrt die Festigkeit des Seins und des Nichts voraus, wie er vorhin das Verschwinden voraussetzt und zu demselben sogar weder ein Sein noch ein Nichts bedarf. Wenn er fortfährt, daß das Werden selbst ein Verschwinden sei, sich verneine, so ist dies wieder eine der Bestimmungen jener Logik selbst, aber immer auch nur die eine und damit für einseitig erklärte. Vornehmlich aber hat er viel mit dem Nichts zu tun, das er[421] sich vorhin als selbständig vorstellte und es so als Beweis gebrauchte, daß kein Verschwinden sei. – Das Nichts ist Nichts. Nichts ist gar nicht (und dann ex nihilo nihil fit), ist der Satz der Eleaten und jedes metaphysischen Pantheismus. Das Nichts, sagt der Verfasser S. 59, »hat noch niemand gesehen« (wahrscheinlich nicht, – auch nicht das Nichts, woraus Gott die Welt erschaffen; schwerlich auch jemand das Stück ägyptischer Finsternis, welches in einer Flasche als Reliquie soll aufbewahrt werden); »kein Mensch hat es je gedacht« (ebend.). Wie kommt der Verfasser dazu, daß ihm dies auf die bloße Autorität seines Versichern; oder, wenn er lieber will, dieses seines Aufstellens geglaubt werden soll? Wenn es aufs Versichern nur ankäme, so wäre das Philosophieren freilich eine leichte Arbeit. Wie kommt er dazu, von »keinem Menschen je« zu sprechen? Weiß er von allen menschlichen Individuen, die je gelebt haben? Möge er angeben, wo die Geschichte von diesen allen und dann von allem, was jedem je durch den Kopf gegangen, aufgezeichnet ist! Wenn es gleichfalls erlaubt wäre, so ins Gelag hinein von allen Menschen, die je gelebt haben, zu versichern, so wäre die Geschichte eine leichte Arbeit. Nur wenn es um leere Tiraden zu tun ist, so läßt man es sich zu, von keinem Menschen je Versicherungen [zu] machen. Eher ließe es sich, wenigstens auf räsonierende, nicht aber geschichtliche Art plausibel machen, daß alle Menschen, z.B. auch der Verfasser, das Nichts gedacht haben; sehen läßt es sich nicht; wenn wir dies aus der Erfahrung zugeben, so könnte man schließen, daß es ein Gedanke sei. Der Verfasser führt Nichts oft genug im Munde. Wenn er, wie früher angeführt, einmal sagt: »die Beispiele (in der Logik) beweisen auch nichts«, war dies nur gedankenlos so gesagt? Ohne Zweifel hat der Verfasser auch gelernt, glaubt, hat vielleicht auch gelehrt, daß Gott die Welt aus Nichts geschaffen. Ist dies auch nur gedankenlos gesprochen? Bei solchem Satze, daß Gott die Welt aus Nichts geschaffen, kommt man mit dem Nichts nicht so leicht weg, um nur sagen zu brauchen: Niemand hat[422] das Nichts gesehen, kein Mensch hat es je gedacht. Der Verfasser kommt (S. 59) in seinem Eifer so weit, daß beide, auch das Sein wie das Nichts, weder Begriffe (daß sie keine Begriffe, sondern nur Gedanken sind, ist ein Satz der Logik) noch Vorstellungen, sondern, wie sie dahingestellt sind, bloße Worte seien. Doch schreibt er diesen Mangel nicht etwa dem Hinstellen der Logik zu, sondern sagt aus sich (ebendaselbst oben), daß »das Nichts stets nur eine Bezeichnung bleiben muß und nie eine absolute Bedeutung haben kann«. Das Wort absolut ist wohl hier nur des Wohlklangs oder auch Tiefklangs wegen da; eine relative Bedeutung, die dem Nichts bleiben könnte, wäre schon genug, um das Gegenteil dessen zu sein, was der Verfasser sagen will. Bleibt es aber, worauf der Verfasser das Muß seiner Autorität legt, eine Bezeichnung, ein Wort, so wird man doch sich dabei etwas vorstellen und mit gutem Glücke auch etwas denken, wenn dies Etwas auch bloß das Nichts wäre; auch der Verfasser wird das Nichts von anderem sinnlosen Laute oder bedeutenden Worte zu unterscheiden wissen, und ohne Zweifel nur durch die Bedeutung. Der Verfasser macht S. 96, wo er ganz richtig angibt, daß die Vernunft das Nichts nicht anerkenne, sich den Einwurf, daß doch das Werden, als aus dem Sein und Nichts kommend, zugleich das Sein und Nichts enthalte. Er gibt darauf als »die eine Antwort« (die andere soll nachher angeführt werden) das, was oben schon erwähnt ist: das Hegelsche Sein und Nichts sei schon verschwunden, ehe an ein Werden gedacht wurde. – Der Verfasser hätte vergessen können, was in jener Logik davon vorkommt, um nur mit gewöhnlicher Analyse an das zu denken, was in seiner Vorstellung des Werdens enthalten sei. Darüber findet sich S. 141 wenigstens doch so viel, daß es heißt: »So kann man freilich sagen, Werden sei ein Anderes als das bloße Sein, indem man beim Werden mehr denkt als bei Sein.« So haben wir hier wenigstens zunächst das Sein, dem er früher auch das Sein absprach, – dann ein Anderes, darin ist doch wohl eine Negation, und somit mehr im Werden als im Sein.[423] Was wäre dieses Mehr anderes als das Nichts? – Es versteht sich von sich selbst, daß in des Verfassers, wie erinnert, so sehr als in jedes anderen Vorstellungen die Kategorien von Sein und Nichts unterlaufen; es würde lächerlich sein, aus seinem Vortrage hiervon weitere Beispiele beibringen zu wollen. Der Verfasser, wie jeder andere, der an dem Nichts als allgemeinem Elemente einen Anstoß nimmt, wolle die Anforderung an sich machen, irgend etwas aufzufinden, in welchem nicht die Bestimmung des Nichts, die eines Negativen, einer Beschränkung sich fände. Von dem Endlichen gibt man solches etwa leicht zu, hat aber mehr Schwierigkeit in Ansehung des Unendlichen in seinem affirmativen Sinne. An die Selbstentäußerung Gottes, vermöge deren er Knechtsgestalt angenommen, mögen die erinnert werden, welchen die höheren Wahrheiten noch etwas gelten; daß aber überhaupt in Geist, Tätigkeit usf. die Bestimmung des Negativen – der intensivsten Affirmation unerachtet – liege, darüber ist auf die Logik zu verweisen, wo auch jenes Abstraktum Gottes, an das sich die theistische Vorstellungsweise hält, das höchste Wesen in seiner in ihm aufgelösten Negation beleuchtet ist. – Das, worauf es angekommen wäre, würde sein, gezeigt zu haben: das bekannte Sein und Nichts müssen, und zwar noch vor aller dialektischen Betrachtung, nur so, wie sie für sich ausgesprochen werden, logisch anders bestimmt werden, als sie in der bestrittenen Logik aufgestellt werden. Darauf hätte man neugierig sein können, was etwa der Verfasser für eine Definition nur des Seins, da er vom Nichts nichts wissen will, gegeben hätte; dessen aber hat er sich wohl enthalten. Diejenigen, welche Schwierigkeit in dem Anfange der Wissenschaft, wie ihn jene Logik machte, finden, mögen sich versuchsweise die Aufgabe machen, das Sein zu definieren, nur das Sein in seiner vollkommenen Abstraktion; die Schwierigkeit, die sie in der Erfüllung dieser wissenschaftlichen Forderung finden werden, möchte sie vielleicht mit jener Schwierigkeit aussöhnen.

Die andere originelle Antwort darauf, daß das Sein und[424] Nichts im Werden enthalten sei, ist (ebendaselbst S. 95), daß absolut aufgefaßt (was soll hier das absolute Auffassen heißen?) im Werden kein Nichts, sondern ein Wechsel enthalten sei. Wie aber ein Wechsel von dem Übergehen des Einen in ein Anderes verschieden, wie ein Wechsel, unter anderem die Wechsel, welche Entstehen und Vergehen genannt werden, ohne Negatives in sich zu enthalten, sei, hat der Verfasser zu sagen sich gleichfalls erspart; nur dies ist seine Leistung, an die Stelle des Werdens das Wort Wechsel und damit einen ganz leeren Wortwechsel gesetzt zu haben. Er fügt pathetisch hinzu: »Mag dieser Wechsel oft von uns nicht wahrgenommen (!) werden können, mag es uns entgehen, wie sich alles stets neu und immer neu wieder bildet – ein Nichts treffen wir nirgends, es ist nirgends.« Der Verfasser spricht hier den Heraklitischen Satz aus: Alles ist ein Werden (s. Logik, 1. Bd., 1. Buch, S. 24). – Es fehlt niemals, daß das, was der Verfasser mit Salbung als seine Weisheit vorbringt und mit Prätention doziert, in der Philosophie vorhanden ist, die er aufs heftigste anfeindet und gegen welche er es vorbringt. Die Verweisung auf die Logik, die soeben gemacht worden, ist daher nicht an den Verfasser gerichtet, denn er mußte wissen, daß das, was er vorbringt, darin steht. Doch muß auch hier die Billigkeit eintreten, zu erwähnen, daß der Verfasser so billig auf seine Art gewesen, hier und da zu sagen, daß einiges dieser Art bei Hegel selbst zu finden sei. So sagt er S. 89: »Auch Hegel hat zugestanden, daß Abstrahieren nicht alles vermöge, daß sie (statt es) an sich unvollkommen ist.« Nur ist über solche Anführung zu bemerken, daß es sich dabei weder um ein bloßes Zugestehen Hegels, noch um ein Auch handelt, noch auch um ein Alles- oder Nicht-Alles-Vermögen der Abstraktion, noch bloß um eine Unvollkommenheit derselben, noch daß sie nur an sich unvollkommen sei. Auch da, wo der Verfasser tut, als ob er etwas zugestände, macht sich[425] dies so flach und unrichtig, daß man es so, wie er es zugesteht, nicht annehmen kann, sondern vielfach korrigieren müßte. An demselben Orte, S. 94 f., sagt er gleichfalls: »Auch kann sich die Natur (!) hier nie ganz (!) verleugnen, wie die Hegelsche Lehre selbst zeigt; der absolute Anfang und mehrere« (vielmehr alle) »Anfänge spezieller Lehren werden durch die nächstfolgenden Momente verneint, weil sie nichts sind.« – Das Nichts, weiß der Verfasser, kommt nur im allerersten Anfange vor; dort ist es ein für allemal abgetan und kommt nie wieder zum Vorschein. Es ist die Natur des Verfassers, die sich nicht verleugnet, an den Fortgängen und den Resultaten die Hauptsache, die Affirmation, zu übersehen und bloß natürlich und geistlos nur das Verneinen aufzufassen. Weitläufig läßt er sich eben über dies Abstrakte und das Abstrahieren aus: »Wenn ich«, sagt er (S. 48, 53, 65 und sogar noch öfters wiederholt er diese Weisheit), »Bestimmungen weglasse, die Dinge aber diese Bestimmungen haben, so erkenne ich offenbar diese Dinge nicht, denn ich nehme ihnen Bestimmungen, welche sie wirklich haben.« Wer hat hieran je gezweifelt? Der Verfasser hätte sich dieser Wahrheit am meisten selbst bei seinen historischen Relationen über die Philosophie erinnern sollen, mit der er seine Leser bekannt machen will. Wie er das Verneinen im dialektischen Fortgange darstellt, in diese Verworrenheiten sich einzulassen, ist nicht möglich. Die Bewußtlosigkeit über die Negation in einem Fortgange geht ins Weite; S. 53 versichert er z.B. mit seiner gewöhnlichen Emphase: »Der Übergang vom gewöhnlichen Denken zum spekulativen ist kein verneinender, sondern ein Erheben zu höherer Einsicht.« Getroffen! Geschieht denn nun aber ein Erheben ohne Weggehen, ist ein Höheres ohne ein Nicht? Ist also nicht ein Weglassen, Verneinen, Abstrahieren darin enthalten? Aber mehr als Bewußtlosigkeit ist es, wenn er seinem unausgesetzten Ereifern immer die Stellung eines Eifers gegen die Philosophie gibt, deren Sätze und Worte sein Eifer aus ihr nimmt und der er auch S. 95 (nach der[426] großartigen Rede: »das vernünftige Denken lebt aber im Reiche wirklicher lebendiger Gedanken«) das Zeugnis gibt, daß »sie nicht an der abstrakten Seite, sondern an derjenigen Seite, welche die konkrete Totalität« (dieses Wort hat er sich daraus zum Lieblingswort, aber auch nur als Wort genommen) »enthält, fortgeht«. Das konnte also doch der Verfasser nicht übergehen zu erwähnen, daß die von ihm bekämpfte Logik durchweg die Nichtigkeit der Abstraktionen dartut und dies eine der wichtigsten Seiten derselben ausmacht; dem Verfasser wird aber dies daraus, daß die Form der Abstraktion, das Allgemeine überhaupt ein Nichtiges sei. Daraus zeige sie, daß sie ihre eigenen Erzeugnisse verwirft (dazu nur wird dem Verfasser das Fortgehen), »vor ihnen« (vielmehr immer nach und aus ihnen) »ins Reich wirklicher Gedanken zu entfliehen sucht.« Solches Entfliehen wäre schon darum überflüssig, als Erzeugnisse »des Fortgangs an der konkreten Totalität«, welchen er jener Logik zuschreibt, doch wohl bereits wirkliche Gedanken sind; – aber so stark ist die Inkohärenz der Gedanken des Verfassers! – Ein Meisterstück von Exposition ist sein Versuch (S. 51 f.), »das abstrahierende Prinzip näher zu erklären und dies so faßlich zu geben, daß beim Lesen keine Bekanntschaft mit den Aussprüchen bestimmter Philosophien vorausgesetzt wird«.

»Die Philosophie ist kein Geheimnis, sie ist eine rege Tätigkeit der menschlichen Vernunft. Sie strebt dahin, Licht in unsre Erkenntnisse zu bringen« usf. Was diese Emphase für Wahrheiten erzeugt, mag man daselbst nachsehen; nur eins mag daraus entnommen werden. S. 54 stellt der Verfasser einen Unterschied des Abstrahierens als eines subjektiven Tuns vom wirklichen Verneinen auf; diesen läßt er darin bestehen, daß jenes »etwas Willkürliches, Unwahres ist, das wirkliche Verneinen aber nicht unwahr ist«. Das hinzugefügte Beispiel wird wohl »Licht in diese Erkenntnis bringen«: »Sage ich« (die Bangigkeit, die man etwa vor dem wirklichen Verneinen hätte fassen können, mildert sich dadurch;[427] es ist doch nur ein Sagen) »z.B. die Erde ist nicht viereckig, so ist dieses nicht unwahr, lasse ich aus der Vorstellung der Erde die Vorstellung des Runden weg, so bleibt sie rund, meine Vorstellung der Erde ist also eigentlich unwahr, und ich weiß durch mein Weglassen weniger als vorher.« – Von einem Unterschiede eines wirklichen Verneinens und eines Abstrahierens weiß man auf des Verfassers Erklärung wohl so wenig als vorher, höchstens dies; Wenn ich das Unrichtige verneine, so bin ich richtig daran, wenn ich aber das Richtige verneine, so bin ich unrichtig daran. Es muß aber dem Verfasser zugestanden werden, daß er sein Wort gehalten, so faßlich zu sein, daß keine Bekanntschaft mit den Aussprüchen bestimmter Philosophien beim Leser vorausgesetzt werde, um solche Wahrheiten zu fassen; man muß zugeben, daß »dergleichen Philosophie kein Geheimnis« ist; nur daran kann gezweifelt werden, ob dergleichen Weisheit ein Produkt »der Tätigkeit der menschlichen Vernunft« ist! – Der aufgestellte Kanon, »daß das wirkliche Verneinen nicht unwahr ist«, ist aber auch gefährlich; denn wenn jemand von des Verfassers Schrift wirklich verneinte, d.i. sagte, daß in des Verfassers Schrift irgendein intellektueller und moralischer Wert sei, so würde dies nach dem kanonischen Rechte des Verfassers nicht unwahr sein. Jedoch wenn es in des Verfassers Beispiel heißt: »wenn ich sage«, hätte er etwa damit das wirkliche Verneinen nur sich selbst vorbehalten wollen?

Sonst hält man dafür, daß das Denken, das Erzeugen des Allgemeinen nicht ohne Abstraktion vor sich gehe, daß alle Allgemeinen, Gattungen, Mensch, Tier usf., auch die konkrete Totalität, die der Verfasser aufgenommen, usf., das Ingrediens der Abstraktion an ihr enthalten. Aber der Verfasser sieht durch das Abstrahieren alles nur zu Nichts werden; er sagt demselben überall das Übelste nach: daß (S. 83) man schon oft bemerkt habe, »daß die tiefsten Ideen sich nicht abstrakt auffassen lassen, daß bei dem Bestreben, sie rein aufzufassen, sich in der Seele begleitende Vorstellungen«[428] (die Allotria, die dem Verfasser überall einfallen, sind Belege dazu) »zeigen«; S. 90, »daß die Abstraktion, wenn sie das Allgemeine erzeugen soll, nur Undinge erzeugt«. Seines Unwillens gegen das Abstrahieren ungeachtet oder vielmehr um desselben willen läßt er sich in eine Erklärung des Abstrahierens ein: »Da aber« (sagt er S. 54) »nun einmal abstrahiert worden, da sogar (?) auf absolute Weise abstrahiert worden, so muß die Abstraktion, da sie sich als menschliche Tätigkeit dargestellt hat, auch aus der menschlichen Tätigkeit erklärt werden.« Man sieht, der Verfasser ist so billig, das Abstrahieren doch auch gelten zu lassen und sich mit dessen Erklärung zu befassen, und zwar darum, weil nun einmal abstrahiert worden ist; die Erklärung selbst ist allzu faßlich, um einer Beleuchtung zu bedürfen. Aber ein Weiteres, worauf der Verfasser kommt und worauf er sich viel zugute tut, ist noch näher zu erwähnen, nämlich seine Exposition der Momente des Begriffs, der Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit. S. 106 ff. macht er die Darstellung, die davon »in der Hegelschen Logik gegeben« sei, wie schon angeführt worden, herunter: daß klar vor Augen liege, daß sie nicht ihrem wesentlichen Begriffe nach aufgefaßt worden seien; nämlich die behauptete Identität jener Momente sage weiter nichts aus, als daß diese Momente zusammengehören, und bleibe eine bloße Behauptung, welche nie darüber wegkommen würde, daß Einzelnes Einzelnes, Besonderes Besonderes, Allgemeines Allgemeines bleibe. – Selbst die ganz entstellende Erzählung, die der Verfasser von jener Exposition gibt, zeigt, daß die Identität mehr ausdrückt als bloß das Flache eines Zusammengehörens; die Identität (und zwar, wie immer, nicht die abstrakte, sondern die konkrete, die den Unterschied der Momente an ihr hat) ist als Untrennbarkeit dieser Momente, und zwar an jedem selbst seine Untrennbarkeit von den anderen, was die Dialektik derselben ausmacht, aufgezeigt, so daß das Einzelne nicht Einzelnes, das Besondere nicht Besonderes, das Allgemeine nicht Allgemeines bleibt. Der Verfasser, der hier versichert,[429] die Behauptung werde nie darüber, daß Einzelnes Einzelnes usf. sei, hinauszukommen, hat seinerseits über diese Bestimmungen S. 66 ff. ein Kunststück seiner Art geliefert. In demselben legt er das »notwendige Ineinandersein des Einzelnen, Besonderen und Allgemeinen zugrunde« und macht in seiner Weise klar: »Das Einzelne an und für sich könnte weder sein noch gedacht werden, wenn es keine Besonderheit hätte« usf.; so daß er nach seinem Klarmachen (S. 67) dazu kommt, zu sagen: »Das Besondere kommt daher aus dem Einzelnen, das Besondere wird allgemein, indem es das Prinzip der Einzelheit sich im Besonderen als solchem setztWo bleibt hier das Bleiben des Einzelnen als Einzelnen usf., über welches Bleiben man nicht hinauskommen könne? Wie mochte der Verfasser mit diesem notwendigen Ineinandersein der besagten Momente doch jener Untrennbarkeit widersprechen? Er macht sich hier, wie immer, mit dem Gelernten als mit dem Seinigen breit, und eben dasselbe, insofern er davon spricht, daß es sich in der Logik eines anderen befinde, verunglimpft er. Der Verfasser geht von da aus weiter, er läßt sich verführen, acht Formen der Beziehung des Einzelnen, Besonderen und Allgemeinen zu deduzieren – auf seine Weise, d.h., soviel sich eines teils herausfinden läßt, [so,] daß er Verhältnisse, die er dialektisch erwiesen vorgefunden, geradezu voraussetzt, andernteils [so], daß der Verfasser den Verstand dieser Formen sich selbst vorbehalten hat, in den wenigstens Referent nicht näher einzudringen vermochte.

Nur dies war einzusehen, daß der Verfasser alte logische Formen dadurch hat beleben wollen; die eine seiner Formen, sagt er, entspreche dem dictum de exemplo, eine andere dem dictum de diverso, usf. Er führt weiterhin das »Versehen« an: S vult simpliciter verti, P verte per accidens usf. Dies ist die einzige Spur in der ganzen Schrift, daß der Verfasser sich früher je mit irgend etwas Wissenschaftlichem beschäftigt hat; schwerlich ist seit 50 Jahren in diesen verlebten Ausdrücken alter Schullogik auf einer protestantischen Schule[430] oder Universität Unterricht erteilt worden. Und dennoch hat der Verfasser sich verführen lassen, gegen jene alte Logik vornehm zu tun; S. 96 sagt er, bei einer seiner Ergehungen gegen Sein und Nichts: »Auf das Hegelsche Sein konnte logisch oder, um nicht in den Verdacht zu geraten, daß hier der Ausdruck logisch nur auf die gewöhnliche Schullogik hindeuten sollte, spekulativ-dialektisch gar nichts folgen« usf. Also nicht weniger als spekulativ-dialektisch spricht der Verfasser! In einer der noch unzahmen Xenien ist irgendeinem gesagt, daß ihm gern die moralische Delikatesse erlassen würde, wenn er nur so notdürftig die Zehn Gebote erfüllte; auch beim Verfasser könnte man wünschen, daß er sich mehr in den Verdacht gesetzt hätte, die gewöhnliche Schullogik zu befolgen. Wie treu aber der Verfasser auch den Unterricht in der Schullogik behalten, geht aus dem Weiteren hervor, das er S. 75 aufsagt: »Die gewöhnlichen modi der zweiten Figur werden partikulär, die der dritten verneinend ausgedrückt« (durch diese Verwechslung der zweiten und dritten Figur zeigt der Verfasser entweder Unwissenheit in der Schullogik, oder, was gar noch schlimmer wäre, daß er die Stellung der Figuren in der Hegelschen Logik aufgenommen hat; in dieser allein ist als zweite Figur gestellt, was in der sogenannten Schullogik (auch in der Aristotelischen) die dritte Figur ist und umgekehrt. Ebenso gibt das Folgende von der Reduktion auf die vierte Figur ein Zeugnis von den Schulstudien des Verfassers), – und dies stimme, wenn man der Sache tiefer auf den Grund gehe, ganz mit seiner Darstellung [überein]; in den modis an sich seien solche Resultate der syllogistischen Tätigkeit ausgedrückt, welche sich nach dem obigen »Verschen« auf die vierte Figur reduzieren lassen. – Woher ist dem Verfasser der Gedanke einer Belebung der abgelegten syllogistischen Formen gekommen? In der Logik, die er kritisiert, hat er eine Belebung und Vernünftigung derselben vorgefunden. Er kommt ferner sogar[431] darauf zu sprechen (S. 75), daß alle Schlüsse sich als ein Trieb zeigen, daß die Syllogistik der Trieb des Begriffes sei, sich in sich vollständig zu realisieren; ferner S. 79: »Der absolute Begriff setzt sich als Prinzip, und dieses ist der spekulative Begriff des Urteils«; S. 80: »Sobald der Begriff überhaupt da ist, ist das Urteil seine nächste Tätigkeit.« Beim Einzelnen spricht er ohnehin immer davon, daß es sich durch Besonderheiten manifestiere. So spricht er (S. 81 ff.) vom Verhältnis der Form und des Inhalts so, daß jene der Begriff und der Inhalt dieser Form wieder dasjenige sei, was durch den Begriff als daseiend gesetzt und das Wesen der Sache sei, daß ihr so durch die Form gesetzter Inhalt vollkommen der Form entspreche. Zu dem letzteren entblödet er sich nicht hinzuzufügen, daß Form und Inhalt daher nicht, wie Hegel meine, eine Reflexionsbestimmung des Grundes sein möchten. Auch hier, wie sonst, trägt er solche Bestimmungen, die ganz nur aus jener Philosophie entnommen sind, so vor, als ob er damit etwas sagte, was er ihr entgegenstellte. La vérité en la repoussant, on l'embrasse, – wenn der Verfasser noch ein halb Dutzend polemische Schriften gegen dieselbe Philosophie schreiben möchte, so möchte er Gefahr laufen, noch sechsmal mehr von derselben sich angeeignet zu haben, vielleicht auch bis so weit angesteckt zu werden, um zur Aufrichtigkeit des Bekenntnisses dieses Umstandes getrieben zu sein. Wenn wir nicht die obige Hypothese übler Hypochondrie gelten ließen, die bekanntlich alles Äußerliche falsch und ihr zuwider sieht, was sie davon empfangen hat, sich selbst zuzuschreiben und dieses gegen jenes, wovon sie es empfangen, widerwärtig hinauszukehren pflegt, so würde es noch widerwärtiger sein, sich eine andere Hypothese zur Erklärung solcher Bewußtlosigkeit, als sich über das Verhältnis der thetischen Sätze und Vorstellungen dieser Schrift zu der Philosophie, gegen welche sie polemisiert, zeigt, zu machen. Manches ist beim Verfasser so geläufig (freilich[432] leidet er überhaupt an dem Fehler schlechter Schriftsteller, in ihrer Verworrenheit das Dürftige, was sie innebekommen haben, unzähligemal zu wiederholen), daß man auf die Vermutung verfällt, es sei ihm noch durch andere Art der Belehrung als das Lesen so geläufig geworden; dann gilt um so mehr ein Diktum der Xenien auch hier:


Hat man Schmarotzer doch nie dankbar dem Wirte gesehen!


Wie weit es mit der Ansteckung des Verfassers bereits gekommen, möge noch folgende Stelle S. 129 zeigen: »Durch die Methode überhaupt entwickelt sich das vernünftige Erkennen zur Wissenschaft. Nur die Gewißheit, daß das wahrhaft Vernünftige auch das Prinzip der Dinge überhaupt sei« (und sonst S. 130, 136 wiederholt), »kann die menschliche Vernunft berechtigen, die Dinge an sich betrachten zu wollen, und das vernünftige Erkennen erfaßt das Vernünftige in allen Dingen.« Macte virtute puer! möchte man hierbei dem Verfasser zurufen und sich nur wundern, wieviel anderes in solchem Kopfe noch daneben Platz hat. Referent, nicht der Verfasser, zitiert zu jenen Sätzen Phänomenologie S. 174 wo es heißt: »Die Vernunft geht darauf, die Wahrheit zu wissen;... sie hat... ein allgemeines Interesse an der Welt, weil sie die Gewißheit ist, Gegenwart in ihr zu haben, oder daß die Gegenwart vernünftig ist.« Doch um bloße Stellen über die Ansicht jener Philosophie von der Vernunft kann es nicht zu tun sein.

Wir verlassen aber endlich auch die philosophische Polemik und philosophischen Exertionen des Verfassers; die Charakterisierung zu vervollständigen, wären die vielen Allotria, die er einmischt, und zuletzt die schon erwähnten paränetischen Vortrefflichkeiten näher anzugeben. Der Vortrag der Schrift gleicht dem eines Predigers, der bei gänzlichem Mangel geistiger Bildung die Absicht hat, gründlich, tief und herrlich sein zu wollen. Der Mangel an Bildung läßt keine[433] Übersicht und Ordnung aufkommen; sind die Schleusen einmal aufgetan, so geht es in hitziger Verworrenheit fort, die rechts und links nach allem greift, was ihr einfällt, dasselbe in der Verlegenheit wiederholt, in der Mitte nicht über den Anfang hinausgekommen, im Fortgang vergessen hat, was früher gesagt war, und sich von der sauren Anstrengung und dem Umhergeworfenwerden von der erhitzten Unruhe in dem süßen Flusse honigvoller, edler Tiraden erholt.

Von den Allotriis könnte die vom Verfasser aufgestellte Beziehung der Hegelschen Philosophie auf diese Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik angeführt werden. Der Verfasser hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, bei anderthalbtausend Seiten dieser Jahrbücher zu durchlaufen, bis er eine Stelle fand, die ihm Aufschluß gibt; S. 1480 findet er eine solche, die gegen gewisse Theologen (der Verfasser sagt S. 199, »einen Stand, dem das Heiligste anvertraut ist« – in der protestantischen Kirche ist dasselbe gleicherweise den Laien anvertraut –, »der so viele würdige Mitglieder zählt« – in derselben Kirche würdig nicht durch den Stand, sondern nur durch Wissenschaft und Wandel) gerichtet ist. Auf diese Stelle deckt er die Hand und zieht in seiner Weise Schlüsse daraus – Schlüsse, über welche sich die Jahrbücher selbst ausweisen; »dem Institute selbst«, heißt es S. 10, »wünschen wir« (der Verfasser) »ein wahrhaftes Gedeihen, die Publizität und Teilnahme ausgezeichneter Gelehrten zeichnen es aus«-, Salopperie der Schreibart braucht an einer solchen Schrift nicht besonders gerügt zu werden. – Andere Allotria (z.B. die geschichtliche Notiz, daß Friedrich von Schlegel ein Lehrer Hegels gewesen, wodurch wenigstens der Ursprung der Hegelschen Philosophie etwa sogar einer gewissen Kirche sollte vindiziert werden) übergehen wir; die Unrichtigkeit des Verfassers im Geschichtlichen ist genug dokumentiert worden. Nur ein Allotrium mag noch angeführt werden, in welchem der Humor des Verfassers sich zur Possierlichkeit steigert; er kommt S. 197 auf die – von ihm als Verteidigung des Pantheismus qualifizierten – Anführungen[434] aus morgenländischen Schriftstellern, welche sich am Schlüsse der 2. Ausgabe der Enzyklopädie befinden. »Sehr charakteristisch« (!?), sagt er S. 198, »ist es, daß Hegel dort auf krasse mohammedanische Dichtung Bezug genommen hat, – zu einer Zeit, wo die Christen mit den Ungläubigen kämpfen.« Der Verfasser hätte die Chronologie zu Rate ziehen müssen, so hätte er gefunden, daß jene 2. Ausgabe noch vor dem Ausbruch wenigstens des Krieges der Russen gegen die Türken erschienen ist; daß die teils vortrefflichen, teils verdienstlichen Sammlungen von Blüten morgenländischer Poesie, aus deren einer jene Stellen entlehnt sind, zur Zeit des bereits begonnenen Freiheitskampfes der Christen Griechenlands mit den Ungläubigen bekanntgemacht worden sind, daß solche Mitteilungen nicht aufhören, bekanntgemacht zu wer den; – oder ist der Verfasser mit dem Stande der Literatur ganz unbekannt? Vor allem hätte er bedenken müssen, wie sehr vielmehr eine Schrift voll Verworrenheit, Unphilosophie und bösen Eifers dem Türkentum die Hand bietet und Vorschub tut.

Wir schließen endlich mit dem verdienten Lobe der edelsten Gesinnungen, mit deren Ausbrüchen nicht nur die ganze Schrift durchwebt ist, sondern [die] natürlich auch mit dem glänzendsten Epiphonem schließt. Von der geschilderten gewaltigen Exasperation und von dem Strome faktischer Unrichtigkeit, allgemeiner Schiefheit und Verdrehung geht sie quasi re bene gesta in einem salbungsvollen Fluß der trefflichen Lehren und Aufmunterungen aus; nur einige Tropfen aus diesem mehrere Seiten fort sich ergießenden Endstrome. S. 230 heißt es: »Der Beruf unserer Zeit ist, das Verhältnis der spekulativen Vernunft zur reinen Idee in der Logik, Physik und Ethik« (gleich von Anfang tadelt er die Enzyklopädie, daß daselbst statt Ethik der dritte Teil die Philosophie des Geistes sei), »zu Leben, Natur und Kunst und zur Religion zu begreifen. – Möchten alle diejenigen, die sich mit kräftigem Sinne, treuer« (jawohl!) »Liebe zum Wahren, Guten und Schönen und andächtiger Verehrung für das[435] Höchste und Ewige der Wissenschaft widmen, sich brüderlich die Hand reichen« (s. des Verfassers Schrift), »Belehrung empfangen« (dies hat der Verfasser geleistet), »Belehrung erteilen; sanft walte die Eintracht, allein – sie sei lebendig und kräftig.« – S. 234: »Die Philosophie versöhnt nicht Parteien, sie versöhnt nicht den Irrtum und die Einseitigkeit, sie versöhnt nicht Irdisches und Himmlisches« (warum nicht?), »sie bedarf keiner Versöhnung (?!). Das Tiefste erfaßt sie in seiner Tiefe – sie erfaßt den tiefen Gedanken, seine unendliche Offenbarung« usf. S. 233: »Der Geist der Philosophie ist der Geist des Friedens: – der Frieden ist das wahre Leben der Persönlichkeit. Wo wahre Persönlichkeit ist, da erzeugt sie die Ordnung« (s. des Verfassers Schrift). »Durch Ordnung schafft sie Einigkeit, und so gebiert sie die Freiheit. Wahre Freiheit ist tätig durch die Liebe, die Liebe ist« usf. S. 235: »Es wache der prüfende Geist, er schaue ernst in die Tiefen, er blicke forschend umher« usf. »Liebend umfasse der Mensch die herrlichsten Früchte des Lebens, er fördere die Erkenntnis der Wahrheit auf Erden, mit Demut verehre er andächtig das Heiligste« usf. Wen solche Lehren nicht erfreun, verdienet nicht ein Mensch zu sein! Aber was verdient der, der »in etwa« von solchen Lehren, die er gibt, so wenig, so gut als nichts befolgt hat? – Diese Schrift ist hin und wieder für sehr bedeutend unter der Hand ausgegeben worden; es ist dem Verfasser sauer angekommen, es zu dokumentieren, wie sie beschaffen ist; wenn es erlaubt wäre, parva componere magnis, so hätte er sich mit dem Schicksal eines großen Königs getröstet, der einen Haufen von Halbbarbaren (schlimmere als die ganzen) einem Begleiter mit den Worten zeigte: »Sieht er, mit solchem Gesindel muß ich mich herumschlagen.«

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 11, Frankfurt a. M. 1979, S. 415-436.
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