B. Kant

[329] Die Erscheinung der Kantischen Philosophie ist gleichzeitig; sie ist ausführlicher zu betrachten.

Kant kehrt zum Standpunkt des Sokrates zurück, zum[329] Denken, aber mit der unendlichen Bestimmung zum Konkreten, mit der Regel der Vollkommenheit. Cartesius setzte die Gewißheit als Einheit des Denkens und Seins. Jetzt haben wir das Bewußtsein des Denkens in seiner Subjektivität: d. i. α) als Bestimmtheit gegen die Objektivität; β) als Endlichkeit, Fortgehen an endlichen Bestimmungen. Wir sehen die Freiheit des Subjekts wie bei Sokrates und den Stoikern; aber die Aufgabe in Ansehung des Inhalts ist höher gestellt. Es wird gefordert die Erfüllung mit der Idee der Vollkommenheit, d. i. daß der Inhalt selbst sei die Einheit des Begriffs und der Realität.

Das abstrakte Denken, die eigene Überzeugung ist das Feste, seine Erfüllung die Erfahrung, das Mittel der Erfahrung das formelle Denken und Schließen. Bei Jacobi kommt α) dies Denken, die Demonstration, nicht über das Endliche, Bedingte hinaus; β) auch wenn der Gegenstand Gott, der metaphysische, ist, so ist die Demonstration vielmehr dies, ihn bedingt, endlich zu machen; γ) das Unbedingte, was denn doch gewiß, das Absolute ist nur im Glauben, in der unmittelbaren Gewißheit, – ein subjektiv Festes, aber Unerkennbares, d.h. Unbestimmtes, Unbestimmbares, somit Unfruchtbares. – In der Kantischen Philosophie ist dies Denken als entscheidend aufzufassen. Im Endlichen, im Zusammenhang mit demselben erhebt sich ein absoluter Standpunkt, der das Mittelglied ist, das Verbindende des Endlichen und zum Unendlichen Emporführende ist. – Beide bleiben Philosophien der Subjektivität. Gott ist bei Kant α) in der Erfahrung nicht zu finden: weder in der äußeren, wie Lalande sagte, er habe am ganzen Himmel gesucht und ihn nicht gefunden, noch in der inneren, – die Mystiker, Schwärmer können allerhand in sich erfahren und ebenso Gott, d. i. das Unendliche erfahren. β) Kant schließt auf Gott: er ist eine Hypothese zur Erklärung, – das Postulat der praktischen Vernunft ist dasselbe; je n'ai pas eu besoin de cette[330] hypothèse, gab ein französischer Astronom dem Kaiser Napoleon zur Antwort.

Der Standpunkt der Kantischen Philosophie ist, daß das Denken durch sein Räsonnement dahin kam, sich in sich selbst als absolut und konkret, als frei, Letztes zu erfassen. Es erfaßte sich als solches, daß es in sich alles in allem sei. Für seine Autorität ist nichts Äußeres Autorität; alle Autorität kann nur durch das Denken gelten. So ist das Denken in sich selbst bestimmend, konkret. Dieses in sich selbst konkrete Denken ist zweitens als etwas Subjektives aufgefaßt worden; und diese Seite der Subjektivität ist die Form, die in der Jacobischen Ansicht vorzüglich die herrschende ist. Daß Gott ist, ist nicht an und für sich wahr; zum Erkennen gehört sein objektives Anundfürsichsein, aber er soll nicht erkannt sein. Es ist Tatsache meines Bewußtseins, daß er außer meinem Bewußtsein selbständig ist; dieses ist aber selbst durch mein Bewußtsein gesetzt, die subjektive Seite ist also bei Jacobi Hauptmoment. Daß das Denken konkret sei, hat Jacobi mehr auf der Seite gelassen. Indem das Denken subjektiv ist, so wird ihm die Fähigkeit abgesprochen, das Anundfürsichseiende zu erkennen.

Das Wahrhafte der Kantischen Philosophie ist, daß das Denken als konkret in sich, sich selbst bestimmend aufgefaßt ist; so ist die Freiheit anerkannt. Rousseau hat so in der Freiheit schon das Absolute aufgestellt; Kant hat dasselbe Prinzip aufgestellt, nur mehr nach theoretischer Seite; Frankreich faßt dies nach der Seite des Willens auf. Die Franzosen sagen: Il a la tête près du bonnet; sie haben den Sinn der Wirklichkeit, des Handelns, Fertigwerdens, – die Vorstellung geht unmittelbarer in Handlung über. So haben sich die Menschen praktisch an die Wirklichkeit gewendet. Sosehr die Freiheit in sich konkret ist, so wurde sie doch als unentwickelt in ihrer Abstraktion an die Wirklichkeit gewendet; und Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören. Der Fanatismus der Freiheit, dem Volke in die Hand gegeben, wurde fürchterlich.[331] In Deutschland hat dasselbe Prinzip das Interesse des Bewußtseins für sich genommen; aber es ist theoretischerweise ausgebildet worden. Wir haben allerhand Rumor im Kopfe und auf dem Kopfe; dabei läßt der deutsche Kopf eher seine Schlafmütze ganz ruhig sitzen und operiert innerhalb seiner. Das letzte Resultat der Kantischen Philosophie ist die Aufklärung; das Denken ist nicht zufällig räsonnierend, sondern konkret.

Immanuel Kant wurde 1724 zu Königsberg geboren, studierte dort anfangs Theologie, trat im Jahre 1755 als akademischer Lehrer auf; 1770 wurde er Professor der Logik und starb in Königsberg 1804, den 12. Februar, beinahe 80 Jahre alt; er ist nicht aus Königsberg hinausgekommen.

Indem nun hier so das Denken als Denken nur das positive Sichselbstgleiche war und sich so faßte, so sahen wir das negative sich bewegende Denken, den absoluten Begriff in Frankreich in seiner Macht und auch in der Aufklärung so nach Deutschland übergehen, daß alles Ding, alle Existenz, alles Tun und Lassen etwas Nützliches sein sollte, d.h. eben das Ansich aufgehoben und nur für ein Anderes sein sollte; und dasjenige, für welches alles sein sollte, ist der Mensch, das Selbstbewußtsein, aber als alle Menschen überhaupt. Das Bewußtsein über dies Tun, eine abstrakte Weise, ist die Kantische Philosophie. Der sich selbstdenkende, in sich gehende absolute Begriff ist es nun, den wir in Deutschland hervortreten sehen, daß in das Selbstbewußtsein alle Wesenheit falle, – den Idealismus, der dem Selbstbewußtsein alle Momente des Ansich vindiziert, aber selbst zuerst noch mit einem Gegensatze behaftet bleibt, doch dieses Ansich noch unterscheidet. Oder die Kantische Philosophie führt die Wesenheit in das Selbstbewußtsein zurück, aber kann diesem Wesen des Selbstbewußtseins oder diesem reinen Selbstbewußtsein keine Realität verschaffen, in ihm selbst das Sein nicht aufzeigen; begreift das einfache Denken als den Unterschied an ihm selbst habend, aber begreift noch nicht, daß alle Realität eben in diesem Unterscheiden besteht; weiß[332] über die Einzelheit des Selbstbewußtseins nicht Meister zu werden; beschreibt die Vernunft sehr gut, aber tut dies auf eine gedankenlose, empirische Weise, die sich ihre Wahrheit selbst wieder raubt.

Die Kantische Philosophie ist theoretisch die methodisch gemachte Aufklärung, nämlich, daß nichts Wahres, sondern nur die Erscheinung gewußt werden könne. Sie führt das Wissen in das Bewußtsein und Selbstbewußtsein hinein, aber hält es auf diesem Standpunkte als subjektives und endliches Erkennen fest. Und wenn sie schon den Begriff und die unendliche Idee berührt, seine formellen Bestimmungen ausspricht und zur konkreten Forderung derselben kommt, so verwirft sie dieselbe wieder als das Wahre, macht sie zu einem bloß Subjektiven, weil sie einmal das endliche Erkennen als den fixen, letzten Standpunkt angenommen hat. Diese Philosophie hat der Verstandesmetaphysik, als einem objektiven Dogmatismus, ein Ende gemacht, in der Tat aber dieselbe nur in einen subjektiven Dogmatismus, d. i. in ein Bewußtsein, in welchem dieselben endlichen Verstandesbestimmungen bestehen, übersetzt und die Frage nach dem, was an und für sich wahr ist, aufgegeben.

Wir wollen dem Gange Kants folgen. Die kantische Philosophie hat unmittelbare Beziehung auf das, was oben von Hume angeführt ist (S 276 ff.). Der allgemeine Sinn der Kantischen Philosophie ist der, daß sich solche Bestimmungen wie die Allgemeinheit und Notwendigkeit nicht in der Wahrnehmung finden, wie Hume gezeigt hat; sie haben also eine andere Quelle als das Wahrnehmen, und diese Quelle ist das Subjekt, Ich in meinem Selbstbewußtsein.

Dies ist der Hauptsatz der Kantischen Philosophie. Sie wird auch kritische Philosophie genannt, indem ihr Zweck zunächst ist, sagt Kant, eine Kritik des Erkenntnisvermögens zu sein. Vor dem Erkennen muß man das Erkenntnisvermögen untersuchen. Das ist dem Menschenverstand plausibel,[333] ein Fund für den gesunden Menschenverstand. Das Erkennen wird vorgestellt als ein Instrument, die Art und Weise, wie wir uns der Wahrheit bemächtigen wollen; ehe man also an die Wahrheit selbst gehen könne, müsse man zuerst die Natur, die Art seines Instruments erkennen. Es ist tätig; man müsse sehen, ob dies fähig sei, das zu leisten, was gefordert wird, – den Gegenstand zu packen; man muß wissen, was es an dem Gegenstand ändert, um diese Änderungen nicht mit den Bestimmungen des Gegenstandes selbst zu verwechseln. – Es ist, als ob man mit Spießen und Stangen auf die Wahrheit losgehen könnte. Vor der Wahrheit erkennt das Erkennen nichts Wahres; es geht ihm dann wie den Juden, der Geist geht mitten hindurch. Das Erkenntnisvermögen untersuchen heißt, es erkennen. Die Forderung ist also diese: man soll das Erkenntnisvermögen erkennen, ehe man erkennt; es ist dasselbe wie mit dem Schwimmenwollen, ehe man ins Wasser geht. Die Untersuchung des Erkenntnisvermögens ist selbst erkennend, kann nicht zu dem kommen, zu was es kommen will, weil es selbst dies ist, – nicht zu sich kommen, weil es bei sich ist.

Indem Kant so das Erkennen der Betrachtung unterwirft, so ist dies ein großer, wichtiger Schritt. Diese Kritik des Erkennens betrifft also das empirische Erkennen Lockes, das vorgibt, es gründe sich auf Erfahrung, und die mehr metaphysische Art des Wolffischen und deutschen Philosophierens überhaupt, welches die Wendung genommen hatte, nach der mehr empirischen Manier zu verfahren, die geschildert ist. – Im Praktischen herrschte damals die sogenannte Glückseligkeitslehre, die Moral war auf Triebe gegründet; der Begriff des Menschen und die Art, wie er diesen Begriff realisieren soll, ist aufgefaßt als Glückseligkeit, seine Triebe zu befriedigen. Kant hat richtig gezeigt, daß dies eine Heteronomie, nicht Autonomie der Vernunft sei, eine Bestimmung durch Natur, somit ohne Freiheit. Aber weil das[334] Kantische Vernunftprinzip freilich formal und sie von der Vernunft aus nicht weiterkonnten und doch die Moral einen Inhalt erhalten sollte, so sind Fries und andere wieder Glückseligkeitslehrer, hüten sich freilich, es so zu heißen. – Wir sehen einerseits gesunden Menschenverstand, Erfahrung, Tatsachen des Bewußtseins. Andererseits ist aber auch noch Wolffisches Metaphysizieren im Schwange gewesen, wie z.B. bei Mendelssohn. Dies Metaphysizieren hat sich unterschieden gehalten von dem bloß empirischen Verfahren; aber seine Haupttätigkeit hat darin bestanden, den Gedankenbestimmungen, wie z.B. Möglichkeit, Wirklichkeit, Gott usf., Verstandesbestimmungen zugrunde zu legen und damit zu räsonieren. Gegen beides ist zunächst Kantische Philosophie gerichtet. (Hume geht gegen die Allgemeinheit und Notwendigkeit jener Bestimmungen, Jacobi gegen die Endlichkeit derselben, Kant gegen die Objektivität derselben, obzwar sie objektiv sind im Sinne des Allgemeingültigen und Notwendigen.) Der Hauptsatz derselben ist der einfache, der schon angeführt ist. Erschwert wird ihr Studium durch die Breite, Weitläufigkeit und eigentümliche Terminologie, in der sie vorgestellt ist. Indessen hat die Breite auch einen Vorteil; dasselbe wird oft wiederholt, so daß man die Hauptsätze behält und nicht leicht aus dem Auge verlieren kann. – Ich will die Hauptmomente kurz anführen.

Das Erste, Allgemeinste ist dies. Kant ist von Hume ausgegangen. Hume zeigt gegen Locke, daß Notwendigkeit und Allgemeinheit nicht in der Wahrnehmung anzutreffen seien; Locke sagt, der Geist sei tabula rasa, und durch Erfahrung bekommen wir sie. Kant gibt nun sogleich von Haus aus zu, daß in der Wahrnehmung keine Notwendigkeit und Allgemeinheit, nämlich in den äußeren Dingen selbst, daß aber zugleich Notwendigkeit und Allgemeinheit doch vorhanden sind, in den Beispielen der Mathematik und Naturwissenschaft. Die Frage ist nun: wo sind sie zu finden? Daß wir[335] die Allgemeinheit und Notwendigkeit, als welches erst das Objektive ausmache, verlangen, dieses Faktum läßt Kant stehen. Aber, sagt er dann gegen Hume, weil nun Notwendigkeit und Allgemeinheit nicht in den äußeren Dingen ist, so müssen sie a priori, d.h. in der Vernunft selbst liegen, in der Vernunft als selbstbewußter Vernunft; sie kommen dem Denken zu. Auf der andern Seite setzt er sich der Wolffischen Metaphysik entgegen, nimmt den Bestimmungen derselben die sachliche Bedeutung und zeigt, wie sie bloß dem subjektiven Denken zugeschrieben werden müssen. – Gleichzeitig erklärte sich auch Jacobi gegen diese Metaphysik; aber da er besonders von den Franzosen und Deutschen ausging, so war sein Gesichtspunkt ein anderer: daß nämlich unser endliches Denken nur endliche Bestimmungen zu setzen, also Gott, Geist nur nach endlichen Verhältnissen zu betrachten wisse.

Diese Bestimmungen des Denkens sind näher von der Art, daß sie Bestimmungen der Allgemeinheit, der Einheit überhaupt sind. Einheit heißt die Verknüpfung von unterschiedenen Bestimmungen, und das Denken nennt Kant insofern Synthesieren, Verknüpfen. Das Denken enthält aber schon in ihm selbst, in seinen Bestimmungen solche Verknüpfungen; es ist ein Einen, ein Vereinen von Unterschieden. Die Unterschiede sind der Stoff, der durch die Erfahrung gegeben ist; und um diesen Stoff zu verknüpfen, muß in den subjektiven Bestimmungen schon die Anlage sein, sie verknüpfen zu können, wie in Ursache und Wirkung (Kausalität) usf. Dies ist für sich selbst eine Verknüpfung.

Kant stellt nun die Frage der Philosophie auch so: »Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?« Urteil heißt Verknüpfung von Gedankenbestimmungen, wie Subjekt und Prädikat; Synthesieren heißt Verknüpfen. Synthetische Urteile a priori sind nichts anderes als ein Zusammenhang des Entgegengesetzten durch sich selbst oder der absolute Begriff,[336] d.h. Beziehungen von unterschiedenen Bestimmungen, Verknüpfungen, die nicht durch die Erfahrung gegeben sind, wie Ursache und Wirkung usf.; es sind Denkbestimmungen. Hume zeigt schon, daß sie nicht in der Erfahrung sind. Da ist nun Raum und Zeit das Verbindende; sie sind also a priori, d.h. im Selbstbewußtsein. Das ist die große Seite dieser Philosophie. Kant zeigt dies auf, daß das Denken in sich konkret sei, synthetische Urteile a priori habe, die nicht aus der Wahrnehmung geschöpft werden. Die Idee, die darin liegt, ist groß; aber die Ausführung selbst bleibt innerhalb ganz gemeiner, roher, empirischer Ansichten und kann auf nichts weniger Anspruch machen als auf Wissenschaftlichkeit. Und anderenteils erhält dies wieder einen ganz gemeinen Sinn. Es ist Mangel an philosophischer Abstraktion in der Darstellung, in gemeinster Weise gesprochen. Von der barbarischen Terminologie nicht zu sprechen, bleibt Kant innerhalb der psychologischen Ansicht und empirischen Manier eingeschlossen.

Kant nennt nun seine Philosophie deshalb Transzendentalphilosophie (diese Ausdrücke sind barbarisch), d.h. ein System der Prinzipien der reinen Vernunft, d.h. der Prinzipien, die das Allgemeine und Notwendige in dem selbstbewußten Verstande aufzeigen, ohne sich mit Gegenständen zu beschäftigen, noch zu untersuchen, was Allgemeinheit und Notwendigkeit sei; dies wäre transzendent. Transzendent und transzendental ist zu unterscheiden. Die transzendente Mathematik ist die, in der die Bestimmung des Unendlichen vornehmlich gebraucht wird. In dieser Sphäre der Mathematik sagt man z.B., der Kreis besteht aus unendlich vielen geraden Linien; die Peripherie wird vorgestellt als gerade, und indem so das Krumme als Gerades vorgestellt wird, so geht dies über die geometrische Bestimmung hinaus, ist so transzendent. – Die Transzendentalphilosophie bestimmt Kant so, daß es nicht eine Philosophie[337] sei, die mit Kategorien hinausgeht über ihre Sphäre, sondern die die Quellen aufzeigt von dem, was transzendent werden kann; es bezieht sich dieser Ausdruck nur auf die Quellen solcher Bestimmungen, und dies ist das Bewußtsein. Transzendent würde das Denken sein, wenn diese Bestimmungen von Allgemeinheit, Ursache und Wirkung vom Objekt ausgesagt würden; man würde vom Subjektiven in ein Anderes transzendieren. Dazu sind wir dem Resultat nach nicht berechtigt, aber schon im Anfange nicht, da wir das Denken nur innerhalb seiner betrachten. Wir wollen also nicht die Bestimmungen in ihrem objektiven Sinne betrachten, sondern insofern das Denken die Quelle solcher synthetischen Beziehungen ist; das Transzendentale besteht darin, im subjektiven Denken solche Bestimmungen aufzuzeigen. Das Notwendige und Allgemeine erhält hier die Bedeutung, in dem menschlichen Erkenntnisvermögen zu liegen. Von diesem menschlichen Erkenntnisvermögen aber unterscheidet Kant noch das Ansich, Ding-an-sich; so daß jene Allgemeinheit und Notwendigkeit doch zugleich nur eine subjektive Bedingung des Erkennens ist, daß die Vernunft mit ihrer Allgemeinheit und Notwendigkeit doch nicht zur Erkenntnis der Wahrheit kommt. Denn sie hat als Subjektivität zur Erkenntnis der Anschauung und Erfahrung nötig, eines empirisch gegebenen Stoffes. Dies sind die Bestandstücke, wie es Kant nennt, derselben; ein Stück hat sie an ihr selbst, das andere aber ist das empirisch gegebene. Wenn die Vernunft für sich sein will, an ihr selbst und aus ihr selbst Wahrheit schöpfen will, so wird sie transzendent, sie überfliegt die Erfahrung, weil sie des anderen Bestandstücks entbehrt, und erzeugt dann bloße Hirngespinste. Sie ist daher im Erkennen nicht konstitutiv, sondern nur regulativ; sie ist die Einheit und Regel für das sinnliche Mannigfaltige. Diese Einheit aber für sich ist das Unbedingte, das, die Erfahrung überfliegend, nur in Widersprüche gerät. Im Praktischen nur ist die Vernunft konstitutiv. Die Kritik der Vernunft ist eben dies, nicht die Gegenstände zu erkennen, sondern die Erkenntnis[338] und die Prinzipien derselben, ihre Grenze und Umfang, daß sie nicht überfliegend wird. – Dies ist das Allgemeine, das wir nun in seinen einzelnen Teilen näher betrachten wollen.

Näher nimmt Kant den Weg, daß er 1. die theoretische Vernunft betrachtet, die Erkenntnis, die sich auf äußere Gegenstände bezieht. Er untersucht 2. den Willen als Selbstverwirklichung; 3. die Urteilskraft, die eigentliche Betrachtung der Einheit des Allgemeinen und der Einzelheit; wie weit sie es da bringt, werden wir ebenfalls sehen. Die Kritik des Erkenntnisvermögens ist aber die Hauptsache.

1. Theoretische Vernunft. Kant geht nun psychologisch zu Werke, d.h. geschichtlich; er geht die Hauptweisen des theoretischen Bewußtseins durch. Das erste ist die Anschauung, das Sinnliche; das zweite der Verstand; das dritte die Vernunft. Das erzählt er so her, nimmt es ganz empirisch auf, ohne es aus dem Begriff zu entwickeln.

a) Sinnlichkeit. Den Anfang dieses Apriorischen, Transzendentalen macht das Apriorische der Sinnlichkeit, die Formen der Sinnlichkeit. Erfahrung ist, daß wir eine Sinnlichkeit haben, durch Vorstellungen als äußere affiziert zu werden. In der Anschauung findet sich allerhand Inhalt. Er unterscheidet dabei zuerst die Empfindung als äußerlich: Rot, Farbe, Hartes, – und innere: das Rechtliche, Zorn, Liebe, Furcht, Angenehmes, Religiöses usf. Solcher Inhalt macht das eine Bestandstück aus, er gehört dem Gefühle an; diese sind alle Subjektives und nur subjektiv. In diesem Sinnlichen ist aber auch ein allgemeines Sinnliches selbst; dies Andere bei solchem Stoff ist die Bestimmung von Raum und Zeit, sie sind das Leere. Außer uns ist das Räumliche, für sich ist es unerfüllt; die Erfüllung macht jener Stoff aus, Farbiges, Weiches usw. Die Zeit ist ebenso leer; derselbe Stoff oder anderer, vornehmlich innere Gefühle sind das Bestimmende.[339]

Raum und Zeit sind reine Anschauungen, d.h. abstrakte Anschauungen, – Empfinden und Anschauen, so daß wir die Empfindung außer uns verlegen, entweder in die Zeit als fließend oder in den Raum als abgetrennt nebeneinander. Der Inhalt ist neben- oder nacheinander; isolieren wir das Neben und Nach, so haben wir Raum und Zeit. Dieses reine Anschauen sind die Formen der Anschauung. Jetzt heißt freilich alles Anschauung, Denken, Bewußtsein; Gott, der doch nur dem Gedanken angehört, heißt Anschauung, sogenanntes unmittelbares Bewußtsein. Also Raum und Zeit ist das Allgemeine des Sinnlichen selbst, nach Kant die apriorischen Formen der Sinnlichkeit; sie gehören auch nicht der Empfindung an als solcher, insofern sie unmittelbar bestimmt ist. Ich habe diese oder jene Empfindung, es ist immer eine einzelne; das Allgemeine, der Raum und die Zeit, gehören der Sinnlichkeit a priori an. – Diese Beurteilung nennt er nun transzendentale Ästhetik. Jetzt heißt Ästhetik die Kenntnis des Schönen. Hier ist es die Lehre von der Anschauung nach dem, was das Allgemeine in der Anschauung ist, d.h. was im Subjekt als solchem liegt, ihm zukommt, d.h. Raum und Zeit. Die Härte ist meine Empfindung; Anschauung ist, daß ich etwas Hartes empfinde, das Harte hinauslege in den Raum. Es ist diese Teilung von Subjektivität und Objektivität. Im Raum ist der Inhalt außereinander und außer mir; es ist die Tätigkeit, das Tun der apriorischen Sinnlichkeit, den Inhalt hinauszuwerfen. Dies ist der Raum, – oder die Zeit, sobald es ein Vorübergehendes ist.

»1. Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden.« (Daß nun Raum und Zeit keine empirischen Begriffe sind, – in solchen barbarischen Formen spricht Kant beständig; Begriff ist nichts Empirisches.) ›Denn damit ich meine Empfindungen auf etwas außer mir beziehe, setze ich den Raum voraus. Daß etwas Äußerliches in verschiedenem Orte oder Zeit vorgestellt werde, muß die Vorstellung des Raumes und der Zeit schon[340] vorhergegangen sein; oder sie kann nicht von der äußeren Erfahrung abgeborgt sein, sondern die äußere Erfahrung ist erst durch diese vorausgesetzte Vorstellung möglich.‹ D.h. Zeit und Raum sind das Allgemeine der sinnlichen Erfahrung; sie sind Anschauungen, aber a priori. Die Erfüllung ist ohnehin subjektiv, gehört dem Gefühle an. Das, was als das Objektive erscheinen kann, Raum und Zeit, ist nichts Empirisches, sondern das Bewußtsein hat vorher in ihm selbst Raum und Zeit; sie erst machen es möglich, daß Partikuläres, die Erfüllung, in sie gesetzt wird. »2. Der Raum ist eine notwendige Vorstellung, die allen äußeren Anschauungen zugrunde liegt.« Raum und Zeit ist eine Vorstellung a priori, weil man sich die Dinge nicht vorstellen kann ohne Raum und Zeit; sie liegen notwendig den äußeren Erscheinungen zugrunde. Als a priori sind sie allgemein und notwendig; nämlich so finden wir es. Aber daß sie vorher müssen dasein, als Vorstellungen zugrunde liegen, folgt nicht. Zugrunde liegen sie wohl, aber ebenso als ein äußerliches Allgemeines. Es ist die Sache so vorgestellt: Es sind da draußen Dinge an sich, aber ohne Zeit und Raum, nun kommt das Bewußtsein und hat vorher Zeit und Raum in ihm als die Möglichkeit der Erfahrung, so wie, um zu essen es Mund und Zähne usw. hat als Bedingungen des Essens. Die Dinge, die gegessen werden, haben den Mund und die Zähne nicht, und wie es den Dingen das Essen antut, so tut es ihnen Raum und Zeit an; wie es die Dinge zwischen Mund und Zähne legt, so in Raum und Zeit. – ›3. Raum und Zeit ist kein allgemeiner (abstrakter) Begriff von Verhältnissen der Dinge, sondern eine Anschauung. Denn man kann sich den Raum nur als einen einigen vorstellen; er hat nicht Bestandteile.‹ Der abstrakte Begriff (die allgemeine Vorstellung) aber, z.B. Baum, in seiner Wirklichkeit ist eitle Menge einzelner getrennter Bäume. Räume aber sind nicht solche besondere oder auch nicht Teile; sondern es bleibt eine Kontinuität. Er ist daher eine unmittelbare, einfache Einheit oder Kontinuität. Sie sind Abstrakta. Die Anschauung,[341] Wahrnehmung hat immer nur etwas Einzelnes vor sich; der Raum, die Zeit sind aber immer nur Eines, darum sind sie a priori. Ebenso gibt es aber auch nur ein Blau. Raum und Zeit sind keine Gedankenbestimmungen, – besonders, wenn man keine Gedanken dabei hat. Raum und Zeit sind nichts Einzelnes, sondern Allgemeines, Abstraktes, – dies die Natur des Raums und der Zeit, – aber ein Begriff, sobald man einen Begriff davon hat. ›4. Der Raum ist eine unendliche Menge, nicht Begriff, der wohl unter sich, aber nicht in sich eine unendliche Menge von Vorstellungen enthält. Er ist daher eine Anschauung.‹

Die transzendentale Erörterung sagt noch dies aus, daß diese Vorstellung von Raum und Zeit synthetische Sätze a priori enthalte, die mit dem Bewußtsein ihrer Notwendigkeit verbunden sind. Solche synthetische Sätze sind z.B., daß der Raum drei Abmessungen habe, oder die Definition der geraden Linie, daß sie der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten sei; ebenso 5+7=12. (Dieses letzte ist sehr analytisch, ebenso das andere., Dies ist erstens nicht aus der Erfahrung, besser: nicht eine einzelne zufällige Wahrnehmung; dies ist richtig, sie ist allgemein und notwendig. Zweitens ist es aus der Anschauung, wir haben es eben in der Anschauung, nicht durch den Verstand oder Begriff. Dies faßt Kant aber nicht zusammen. Es ist eben in der Anschauung unmittelbar gewiß. – Wir haben mancherlei Empfindungen, die »den eigentlichen Stoff ausmachen«, mit denen wir äußerlich und innerlich »unser Gemüt besetzen«, und das Gemüt hat eine »formale Bedingung der Art« in ihm selbst, »wie wir sie im Gemüte setzen«; dies ist Raum und Zeit. Wie nun das Gemüt dazu kommt, gerade diese Formen zu haben, was die Natur der Zeit und des Raums ist, darüber fällt es der Kantischen Philosophie gar nicht ein zu fragen. Was sind Raum und Zeit an sich, heißt nicht: was[342] ist ihr Begriff? sondern: sind sie Dinge äußerlich oder etwas im Gemüt?

b) Das zweite Vermögen, wie das erste Sinnlichkeit überhaupt ist, ist der Verstand; dieser ist nun etwas ganz anderes als die Sinnlichkeit. Er zählt das her, wie in der empirischen Psychologie; die Darstellung einer Notwendigkeit eines solchen Fortgangs fehlt. Die Sinnlichkeit ist Rezeptivität. Den Verstand nennt Kant die Spontaneität des Denkens; dieser Ausdruck kommt aus der Leibnizischen Philosophie her. Der Verstand ist tätiges Denken, Ich selbst; er ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken. Er hat aber nur Gedanken ohne Inhalt »Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.« Der Verstand bekommt von der Sinnlichkeit also den Stoff, sowohl den empirischen als den apriorischen, Zeit und Raum; und er denkt diesen Stoff, aber seine Gedanken sind etwas ganz anderes als dieser Stoff. Oder er ist ein Vermögen von einer besonderen Art; und nur wenn beides geschehen, die Sinnlichkeit Stoff geliefert, der Verstand seine Gedanken damit verbunden hat, so kommt die Erkenntnis heraus.

Die Logik nun als transzendentale Logik stellt ebenso die Begriffe auf, welche der Verstand a priori an ihm selbst hat und wodurch er die Gegenstände völlig a priori denkt. Der Verstand hat Gedanken, aber als Verstand hat er eingeschränkte Gedanken, Gedanken des Endlichen. Die Gedanken haben die Form, das Mannigfaltige zu einer Einheit zu bringen. Diese Einheit bin Ich, die Apperzeption des Selbstbewußtseins. Ich soll »begleiten«; das ist eine barbarische Exposition. Selbstbewußtsein bin ich, das ganz leere, abstrakte Ich, und dann das Apperzipieren; dies ist das Bestimmen überhaupt. Perzipieren heißt mehr Empfinden, Vorstellen; Apperzipieren ist mehr die Tätigkeit, wodurch[343] etwas in mein Bewußtsein gesetzt wird. Ich bin das ganz Allgemeine, völlig Bestimmungslose, Abstrakte; insofern ich einen empirischen Inhalt in das Ich versetze, apperzipiere, so muß er in dies Einfache hinein. Damit er hineinkann in dies Eine, Einfache, muß er selbst vereinfacht werden, infiziert werden von der Einfachheit. Ein Inhalt im Bewußtsein wird so Einer, wird mein Inhalt; Ich bin Ich, dies Eine, so wird er in die Einheit versetzt, so wird er Einer. Und diese Einheit des Mannigfaltigen ist gesetzt durch meine Spontaneität; diese ist das Denken überhaupt, das Synthesieren des Mannigfaltigen. Dies ist ein großes Bewußtsein, eine wichtige Erkenntnis. Daß ich das Eine bin und als denkend tätig, Einheit setzend, ist indessen bei Kant nicht so genau auseinandergesetzt. Das, was das Denken produziert, ist Einheit; so produziert es sich selbst, denn es ist das Eine. (Die Einheit kann auch Beziehung genannt werden; insofern ein Mannigfaltiges vorausgesetzt wird und dies nach einer Seite als Mannigfaltiges bleibt, heißt es bezogen.) Das ist die transzendentale Apperzeption; das reine Apperzipieren des Selbstbewußtseins ist die synthesierende Funktion. Das Fassende ist Ich; was ich berühre, muß Sich einzwängen lassen in diese Formen der Einheit.

Es gibt nun verschiedene Weisen dieser Einfachheit. Die Beziehungen bestimmen sich näher; und die bestimmten Arten dieses Synthesierens sind die Kategorien, allgemeinen Denkbestimmungen. Es sind nach Kant zwölf Grundkategorien, die in vier Klassen zerfallen; und es ist merkwürdig und ein Verdienst, daß jede Gattung wieder eine Dreiheit ausmacht. Die Triplizität, diese alte Form der Pythagoreer, Neuplatoniker und der christlichen Religion, kommt hier, wiewohl ganz äußerlich, wieder hervor. 1. Die erste Art sind die Kategorien der Quantität: Einheit, Vielheit und Allheit. Vielheit ist Negation des Einen, die Differenz ist die Vielheit; und das Dritte, das Ineinssetzen der zwei ersten, die[344] Vielheit als geschlossen, ist die Allheit. Die Allheit ist die Vielheit als Eins gesetzt: Vieles ist unbestimmt; als Eins zusammengefaßt ist es Allheit; Allheit ist umschlossene Vielheit. 2. Die zweite Art sind die Kategorien der Qualität: Realität, Negation, Limitation. Die Grenze ist ebenso Reales, Positives, aber ebenso Negation usw. 3. Die dritte Art sind die Kategorien der Relation, des Verhältnisses: Substantialitätsverhältnis, Substanz und Akzidenzen; Kausalitätsverhältnis, Verhältnis von Ursache und Wirkung; und drittens Wechselwirkung. 4. Die vierte Art sind die Kategorien der Modalität, der Beziehung des Gegenständlichen auf unser Denken: Möglichkeit, Dasein, Wirklichkeit, und Notwendigkeit. Möglichkeit sollte das Zweite sein; nach dem abstrakten Denken ist aber das leere Vorstellen das Erste. Es ist großer Instinkt des Begriffs, daß er sagt: die erste Kategorie ist positiv; die zweite ist das Negative der ersten; das Dritte ist das Synthetische aus beiden. Die Form der Triplizität, die hier nur Schema ist, verbirgt in sich die absolute Form, den Begriff. Kant leitet diese Kategorien nicht ab, findet sie unvollständig, sagt aber, die anderen sind von ihnen abgeleitet.

Kant kommt nun auf folgende Weise zu diesen Arten der Einheit, er nimmt sie aus der gewöhnlichen Logik. In der allgemeinen Logik, sagt er, werden besondere Arten des Urteils aufgeführt, das Urteil wird vorgestellt als Art der Beziehung; daran zeigen sich die verschiedenen Arten der Einfachheit, des Denkens. Nämlich allgemeine, besondere und einzelne Urteile; bejahende, verneinende, unendliche Urteile; kategorische, hypothetische, disjunktive; assertorische, problematische und apodiktische. Man bemerkt, daß es solche Arten des Urteils, Funktionen des Denkens, und zugleich besondere Weisen des Beziehens gibt, überhaupt, daß das einfache Denken Unterschiede an ihm hat, – daß Ich bestimmt, Unterschiede macht. Aus dieser Bemerkung[345] nimmt nun Kant die Kategorien her. Aus diesen Urteilen nimmt Kant die Kategorien heraus; insofern diese besonderen Weisen des Beziehens herausgehoben werden, sind es Kategorien. Kant nimmt sie empirisch auf, und die Notwendigkeit derselben erkennt er nicht. Er denkt nicht daran, die Einheit zu setzen und aus der Einheit die Unterschiede zu entwickeln. Daran wird gar nicht gedacht, diese Arten zu deduzieren, sowenig als Raum und Zeit; sondern sie sind aus der Erfahrung aufgenommen, wie sie in der Logik zurechtgemacht sind. Dieses sind formendes Verstandes, oder Weisen der Beziehung des Mannigfaltigen.

Die transzendentale Natur dieser Kategorien ist nun diese, daß Ich die Einheit ist, welche die Vorstellungen, den empirischen Stoff, verbindet. Diese Einheit des Selbstbewußtseins ist die transzendentale Einheit, in welcher die Apperzeption; und die besondere Art, wie dieser Stoff verbunden wird in dem Selbstbewußtsein, ist die einzelne Kategorie, z.B. als Ursache und Wirkung oder als Einheit überhaupt usf. Weiter sagt Kant, diese treffe man nicht in der Wahrnehmung an, was Locke behauptete, Hume leugnete. Der denkende Verstand ist so also die Quelle der Kategorien, der ganz allgemeinen Denkbestimmungen. Für sich sind diese leer, unerfüllt und gehören dem Denken an; damit sie erfüllt werden, dazu bedürfen sie eines Stoffes. Sie haben nur einen Inhalt durch den gegebenen mannigfaltigen Stoff der Anschauungen; sie sind die Beziehung, das In-Einheit-Setzen der mannigfaltigen Stoffe, und haben nur Bedeutung durch ihre Verbindung mit diesen Stoffen. Diese Erfüllung kommt uns aus der Sinnlichkeit, der Wahrnehmung, Anschauung, dem Gefühle usf. Dieser Inhalt, als das Mannigfaltige, wird vom Verstand auf seine Weise verbunden, durch die transzendentale Apperzeption des Ich synthesiert; und das ist Erkenntnis, Erfahrung. Solche Verbindung von Stoffen der[346] Wahrnehmung, Anschauung, und Kategorien ist nun Sache der Erfahrung. Wahrnehmung ist noch nicht Erfahrung. Diese ist Wahrgenommenes, Empfundenes unter Kategorien gebracht; diese sind leer, abstrakt, relativ leer. Die Erfahrung überhaupt oder die Erkenntnis ist also eine Synthesis des Mannigfaltigen; das apperzipierende Ich ist die synthesierende Funkion. Es kommt darauf an, ob die erfüllte Sinnlichkeit oder der Begriff höher ist. In der Erfahrung wird wahrgenommen; es ist darin Stoff, der dem Gefühl, der Anschauung angehört. Dieser wird aber nicht aufgenommen nach seiner Einzelheit, Unmittelbarkeit; sondern er wird in Verbindung gesetzt durch die Kategorien, durch Ursache und Wirkung, durch die Naturgesetze, allgemeine Bestimmungen, Gattungen, – es sind nicht unmittelbare Wahrnehmungen. Man nimmt nicht die Gesetze des Himmels unmittelbar wahr, sondern nur die Veränderung des Orts der Gestirne; aber das so Wahrgenommene, festgehalten, gebracht unter das Allgemeine, ist Erfahrung. In der Erfahrung ist so die allgemeine Gedankenbestimmung; was Erfahrung ist, soll allgemein, zu allen Zeiten gelten.

Der Übergang aber der Kategorie zum Empirischen wird auf folgende Weise gemacht. »Reine Verstandesbegriffe sind mit empirischen (ja überhaupt sinnlichen) Anschauungen ganz ungleichartig.« Es ist also »die Möglichkeit zu zeigen, wie reine Verstandesbegriffe auf Erscheinungen angewendet werden können«. Davon handelt die transzendentale Urteilskraft. Im Gemüte, Selbstbewußtsein sind also reine Verstandesbegriffe und reine Anschauungen; die Beziehung beider aufeinander ist der Schematismus des reinen Verstands, die transzendentale Einbildungskraft, welche die reine Anschauung, der Kategorie, dem reinen Verstandesbegriffe gemäß, bestimmt, so den Übergang zur Erfahrung macht. – Diese Verbindung ist wieder eine der schönsten[347] Seiten der Kantischen Philosophie, wodurch reine Sinnlichkeit und der reine Verstand, die als absolut entgegengesetzte Verschiedene vorhin ausgesagt wurden, vereinigt werden. Es ist ein anschauender, intuitiver Verstand, oder verständiges Anschauen; aber so nimmt und begreift es Kant nicht, er bringt diese Gedanken nicht zusammen, daß er hier beide Erkenntnisstücke in Eins gesetzt hat, – das Ansich derselben. Denken, Verstand bleibt ein Besonderes, Sinnlichkeit ein Besonderes, die auf äußerliche, oberflächliche Weise verbunden werden, wie ein Holz und Bein durch einen Strick. – So z.B. der Begriff der Substanz wird im Schema ein Beharrliches in der Zeit, d.h. der reine Verstandesbegriff, die reine Kategorie, mit der Form der reinen Anschauung in Einheit gesetzt. – Die Vorstellung in mir ist bestimmt als Akzidentelles, ebenso kann sie auch als Wirkung, dann Ding-an-sich, Ursache, Vielheit, die Einheit voraussetzt, bestimmt sein; so haben wir die ganze Verstandesmetaphysik.

Bei dieser Gelegenheit bringt Kant auch die Widerlegung des empirischen oder materialen Idealismus bei, nämlich: »Ich bin mir meines Daseins als in der Zeit bestimmt bewußt. Alle Zeitbestimmung setzt etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraus. Dieses Beharrliche kann nicht« eine Anschauung »in mir sein.« Denn alle Bestimmungsgründe meines Daseins, die in mir angetroffen werden, sind Vorstellungen und bedürfen als solche selbst ein von ihnen unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel derselben, mithin »mein Dasein in der Zeit«, darin sie wechseln, »bestimmt werden könne«. Oder ich bin mir meines Daseins als eines empirischen Bewußtseins bewußt, das nur in Beziehung auf etwas, das außer mir ist, bestimmbar ist; d.h. ich bin mir eines Äußeren bewußt. – Man kann dies umgekehrt sagen: Ich bin mir der äußeren Dinge als in der Zeit bestimmter und wechselnder bewußt; diese setzen[348] also etwas Beharrliches voraus, das nicht an ihnen, sondern außer ihnen ist. Und dies bin Ich, der transzendentale Grund ihrer Allgemeinheit und Notwendigkeit, ihres Ansichseins, die Einheit des Selbstbewußtseins. So faßt es auch ein andermal Kant selbst; diese Momente verwirren sich, denn das Beharrliche eben ist selbst eine Kategorie. – Der Idealismus in dem Sinne genommen, daß außer meinem einzelnen Selbstbewußtsein als einzelnem nichts ist, oder die Widerlegung desselben, daß außer meinem Selbstbewußtsein als einzelnem Dinge sind, ist eins so schlecht als das andere. Jener ist der Berkeleysche, worin allein vom Selbstbewußtsein als einzelnem die Rede ist, oder eben die Welt des Selbstbewußtseins als eine Menge beschränkter, sinnlicher, einzelner Vorstellungen, die ebenso ohne Wahrheit sind, als wenn sie Dinge genannt werden. Die Wahrheit oder Unwahrheit liegt nicht darin, ob es Dinge oder Vorstellungen sind, sondern in der Beschränkung und Zufälligkeit derselben, es seien Vorstellungen oder Dinge. Die Widerlegung dieses Idealismus heißt nichts anderes, als eben darauf aufmerksam machen, daß dies empirische Bewußtsein nicht an sich ist, – so wie aber diese empirischen Dinge auch nicht an sich sind. Aber das Kantische Ich kommt eigentlich nicht zur Vernunft, sondern bleibt wieder das einzelne Selbstbewußtsein als solches, das dem allgemeinen entgegengesetzt ist.

Ich ist nun also in sich beschlossen, daß es die transzendentale Einheit der Wahrnehmung ist, Einheit eines Gedoppelten, der reinen Anschauungen und der reinen Begriffe, und Einheit von beiden. Nach Kant sind nun in der Erfahrung zwei Bestandstücke: einerseits das Empirische, die Wahrnehmung; andererseits das zweite Moment, die Kategorie, Ursache und Wirkung, Substanz und Akzidenz, Gattung, Allgemeines. Es ist dies eine ganz richtige Analyse; in der Erfahrung finden wir diese beiden Bestimmungen. Kant knüpft aber daran, daß die Erfahrung nur Erscheinungen[349] faßt und daß wir durch die Erkenntnis, die wir durch Erfahrung haben, nicht die Dinge erkennen, wie sie an sich sind. Denn ihre zwei Bestandstücke sind: 1. Empfindung, welche ohnehin subjektiv ist; 2. Kategorien, welche nur Bestimmungen unseres Verstandes sind. Aber der reale Inhalt, Stoff sind die Empfindungen, das andere Bestandstück der Erkenntnis; weder das eine noch das andere ist etwas an sich, und beide zusammen, das Erkennen, auch nicht, sondern es er kennt nur Erscheinungen, – ein sonderbarer Widerspruch. Erkennen ist in der Tat ihre Einheit; aber bei der Erkenntnis hat Kant immer das erkennende Subjekt als einzelnes im Sinne. Das Erkennen selbst ist die Wahrheit beider Momente; das Erkannte ist nur die Erscheinung, Erkennen fällt wieder in das Subjekt. Dies Erkennen des Subjekts enthält also nur Erscheinungen, nicht das Ansich. Denn es enthält die Dinge nur in der Form der Gesetze des Anschauens und der Sinnlichkeit.

In der Tat ist in dem, was wir gesehen, nur das empirische, endliche Selbstbewußtsein beschrieben, das eines Stoffes von außen nötig hat oder das ein einzelnes, beschränktes ist. Es wird nicht gefragt, ob diese Erkenntnisse an und für sich ihrem Inhalte nach wahr oder nicht wahr sind. Die ganze Erkenntnis bleibt innerhalb der Subjektivität stehen, und drüben ist als Äußeres das Ding an sich. Dieses Subjektive ist jedoch konkret in sich, Denken, Verstand, der bestimmt ist (Kategorien). Schon die Kategorien sind konkret, noch mehr aber die Erfahrung, die Synthesis des Empfundenen mit der Kategorie. Das Allgemeine und Notwendige heißt bei Kant das Objektive; durch Allgemeinheit und Notwendigkeit ist die Erfahrung objektiv. Das Wahrgenommene ist nicht objektiv; die Wahrnehmung in der Erfahrung nennt Kant das Subjektive, Zufällige. Die Kategorie dagegen, wodurch der Stoff in Beziehung gesetzt wird, die Einheit, die das Denken hineinbringt, ist das Objektive in derselben, das Gesetz, das Allgemeine. Auf der andern Seite ist dieser Stoff des Gebiets der Anschauung subjektiv überhaupt; d.h. er ist nur so, wie[350] er in meiner Empfindung ist: ich weiß nur von der Empfindung, nicht von der Sache. Dies ist ohnehin subjektiv. Aber das Objektive, was den Gegensatz machen soll, ist selbst ebenso subjektiv, gehört zwar nicht meinem Gefühl an, aber bleibt im Kreise des Subjekts, in dem reinen Ich meines Selbstbewußtseins, dem Gebiet des denkenden Verstandes, eingeschlossen. Ich habe einerseits Gefühlsinhalt, andererseits bin ich tätig dagegen, lasse ihn nicht in seiner zufälligen Bestimmung, mache ihn allgemein. Aber dies ist auch subjektiv, und so erkennen wir die Sache nicht an ihr selbst. Einerseits sind Gefühlsbestimmungen, die mit unseren Organen zusammenhängen, andererseits Denkbestimmungen, die in meinem Ich liegen; so sind es nur Erscheinungen, die wir erkennen und bestimmen. Insofern nannte sich die Kantische Philosophie Idealismus: wir haben es nur mit unseren Bestimmungen zu tun, kommen nicht zum Ansich; zum wahrhaft Objektiven kommen wir nicht.

c) Das dritte bei Kant ist nun die Vernunft. Das zweite war der Verstand, das denkende Bestimmen. Kant geht von dem Verstand nun ebenso psychologisch zur Vernunft fort; sie wird eben auch angetroffen. Es wird im Seelensack herumgesucht, was darin für Vermögen sich befinden; es findet sich zufälligerweise noch Vernunft, – es wäre ebensogut, wenn auch keine: wie Magnetismus bei den Physikern zufällig ist, – es ist gleichgültig, ob er sei oder auch nicht. »Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da zum Verstande und endigt bei der Vernunft, über welche nichts Höheres in uns angetroffen wird, den Stoff der Anschauung zu bearbeiten und unter die höchste Einheit des Denkens zu bringen.« Die Vernunft ist das Vermögen, aus Prinzipien zu erkennen, das Besondere im Allgemeinen durch Begriffe: der Verstand nicht; sein Besonderes ist durch Anschauung, – aber die Kategorien sind selbst etwas Besonderes. Das Vernunftprinzip überhaupt ist nun das Allgemeine, das[351] Denken, insofern es das Unbedingte und Unendliche zu seinem Gegenstand macht. Ihr Produkt ist die Idee überhaupt; und unter Idee versteht Kant das Unbedingte, Unendliche. Das ist das abstrakt Allgemeine, Unbestimmte. Und seitdem ist es philosophischer Sprachgebrauch geworden, Verstand und Vernunft zu unterscheiden; bei älteren Philosophen ist dieser Unterschied dagegen nicht vorhanden. Verstand ist das Denken in endlichen Verhältnissen, – Vernunft, nach Kant, das Denken, was das Unbedingte, Unendliche zum Gegenstand hat; und dies Unbedingte nennt er Idee, ein Ausdruck von Platon.

Dies Unbedingte muß nun konkret gefaßt werden. Die Hauptschwierigkeit liegt nun in folgendem. Die Vernunft hat das Unbedingte, Unendliche zu erkennen. Was heißt dies? Es heißt, das Unbedingte bestimmen, die Bestimmungen desselben ableiten; dies heißt Erkennen oder soll so genannt werden. Es ist viel über Wissen, Erkennen usf. geschrieben und gesprochen worden; aber es ist nicht definiert. Aber in der Philosophie ist es darum zu tun, daß das, was als bekannt vorausgesetzt wird, erkannt wird; es handelt sich also hier darum, daß das Unbedingte erkannt werde. Die Vernunft hat nun den Trieb, das Unendliche zu erkennen; aber dies vermag die Vernunft nicht. Und der Grund, den Kant angibt, ist einerseits dieser, daß das Unendliche nicht in der Erfahrung gegeben ist, daß diesem keine psychologisch sinnliche Anschauung, Wahrnehmung entspricht, daß es nicht in der äußerlichen oder inneren Erfahrung gegeben ist; – der Idee kann kein kongruierender Gegenstand in der Sinnenwelt gegeben werden. Es kommt darauf an, wie man die Welt ansieht; aber die Erfahrung, Betrachtung der Welt heißt Kant nie was anderes, als daß hier ein Leuchter steht, hier eine Tabaksdose. Das ist nun allerdings richtig das Unendliche ist nicht in der Welt, in der sinnlichen Wahrnehmung[352] gegeben. Und vorausgesetzt, was wir wissen, sei Erfahrung, ein Synthe sieren von Gedanken und Gefühlsstoffen, so kann allerdings das Unendliche nicht erkannt werden in dem Sinne, daß man eine sinnliche Wahrnehmung davon hat. Aber man wird auch für die Bewahrheitung des Unendlichen nicht eine sinnliche Wahrnehmung fordern wollen; der Geist ist nur für den Geist.

Die zweite Seite ist, wenn das Unendliche erkannt werden soll, so soll es bestimmt werden; dazu hat die Vernunft aber nichts als die Formen des Denkens, die wir Kategorien nennen, und diese geben das, was Kant objektive Bestimmungen nennt, aber so, daß sie an sich doch wieder nur ein Subjektives sind. Wenn wir aber diese Kategorien, die nur auf sinnliche Anschauungen angewendet werden können, zum Bestimmen des Unendlichen gebrauchen, so verwickeln wir uns in falsche Schlüsse (Paralogismen) und Widersprüche (Antinomien); und es ist dies eine wichtige Seite der Kantischen Philosophie, die Bestimmung, daß das Unendliche, soweit es durch Kategorien bestimmt wird, sich in Widersprüchen verliert. Diese Widersprüche, sagt er, sind notwendig; und die Vernunft wird darin transzendent. Die Vernunft hat auch die Forderung in sich, die Wahrnehmung, Erfahrung, Verstandeserkenntnis auf das Unendliche zurückzuführen. Das wäre das höchst Konkrete, Vereinigung des Unendlichen mit dem Endlichen der Verstandeserkenntnis oder gar der Wahrnehmung. Es ist großes Wort, daß die Vernunft Ideen hervorbringt; bei Kant ist es aber Abstraktion. Das Konkrete der Vernunft wäre erst die Vereinigung des Unbedingten mit dem Bedingten.

Dieses Unbedingten gibt es nun verschiedene Arten, eigentümliche, durch die Vernunft erzeugte Gegenstände, transzendentale Ideen; sie sind also selbst ein Besonderes. Die Art, wie er zu diesen Arten kommt, ist nun wieder aus der Erfahrung, der formalen Logik, nach welcher es verschiedene Arten des Vernunftschlusses gibt. Kant leitet aus Formen der Syllogismen die Ideen ab; es gibt mehrere Formen[353] der Schlüsse: α) kategorische, β) hypothetische und γ) disjunktive. Das Unbedingte ist daher von dreierlei Art: 1. Das »Unbedingte der kategorischen Synthesis in einem Subjekt«. Synthesis ist das Konkrete, es ist zweideutig; es ist Verknüpfung, aber Selbständiger, so äußerliche. Diese Verbindung machen wir, indem wir uns das denkende Subjekt vorstellen. 2. Das Unbedingte der »hypothetischen Synthesis der Glieder in einer Reihe; 3. der disjunktiven Synthesis der Teile in einem System.« Die erste Verbindung, als Gegenstand der Vernunft, transzendentale Idee ausgesprochen, machen wir, indem wir uns »das denkende Subjekt« vorstellen; das zweite »ist der Inbegriff aller Erscheinungen, die Welt«; und das dritte »das Ding, welches die oberste Bedingung der Möglichkeit von allem, was gedacht werden kann, enthält, das Wesen aller Wesen«, – das ist Gott. Es ist nun die Frage, ob diesen Gegenständen Realität verschafft werden, ob die Vernunft sie bis zur Wirklichkeit bringen kann. Oder bleiben sie ins subjektive Denken eingeschlossen? Das ist die letzte Spitze. Die Vernunft ist nun nicht fähig, ihren Ideen Realität zu geben, sonst wird sie transzendent, überfliegend; sondern sie bringt nur Paralogismen, Antinomien und ein Ideal ohne Wirklichkeit hervor.

α) ›Paralogismus ist ein falscher Vernunftschluß der Form nach.‹ Indem die Vernunft die Art des Unbedingten, die Kategorische Synthesis in einem Subjekte, das denkende Subjekt als real denkt, so heißt es Substanz. Ist Ich, das Denkende, eine Substanz, eine Seele, ein Seelending? Weiter fragt es sich, ob es beharrlich, immateriell, inkorruptibel, persönlich, unsterblich ist und ein solches, das eine reale Gemeinschaft mit den Körpern hat. – Die Falschheit des Schlusses besteht darin, daß die notwendige Vernunftidee von der Einheit des transzendentalen Subjekts als ein Ding ausgesagt wird. Ich finde mich in meinem Denken beharrlich,[354] das Beharrliche ist Substanz. Ich finde mich aber nur beharrlich im wahrnehmenden Bewußtsein, nicht außer dem Bewußtsein. Ich ist das leere transzendentale Subjekt unserer Gedanken, es wird aber nur durch seine Gedanken er kannt; was es aber an sich ist, davon können wir daraus nicht den geringsten Begriff haben. (Eine abscheuliche Unterscheidung! Der Gedanke ist das Ansich.) Wir können kein Sein von ihm aussagen, weil das Denken, Selbstbewußtsein, eine bloße Form ist und wir von denkenden Wesen durch keine äußere Erfahrung, sondern bloß durchs Selbstbewußtsein eine Vorstellung haben, – d.h., weil wir das Ich nicht in die Hände nehmen, nicht sehen, nicht daran riechen können usw. In der Tat, wenn es ein gemeines Ding sein sollte, so mußte es auch erfahren werden können. Wir wissen wohl, Ich ist Subjekt; gehen wir aber über das Selbstbewußtsein und sagen, daß es Substanz sei, so gehen wir weiter, als wir berechtigt sind. Ich kann dem Subjekte keine Realität geben.

Hier, sehen wir, gerät Kant mit der Barbarei der Vorstellungen, die er widerlegt, und der Barbarei seiner eigenen Vorstellungen, die innerhalb der widerlegten bleiben, in Widerspruch. α) Kant hat ganz recht, wenn er behauptet, daß Ich nicht ein sinnliches Ding ist, ein totes Beharrendes, ein Seelending, das ein sinnliches Dasein hat. β) Das Gegenteil, das er behauptet, ist aber nicht, daß Ich, als dieses Allgemeine oder das Sich-Denken, das Wesen und die wahrhafte Realität, das Moment der Wirklichkeit, die er verlangt als gegenständliche Weise, an ihm selbst hat; sondern er bleibt innerhalb dieser Vorstellung der Realität und des Seins stehen, daß die Realität darin bestehe, ein sinnliches Dasein zu sein; aus dieser Vorstellung kommt Kant nicht heraus. Weil Ich kein sinnliches Dasein hat, uns in keiner äußeren Erfahrung gegeben ist, so ist es nicht reell. Denn Selbstbewußtsein, Ich als solches, ist nicht die Realität; es ist nur unser Denken, oder Kant faßt das Selbstbewußtsein schlechthin selbst nur als sinnliches auf. – Sein, Ding, Substanz hat bei Kant die Gestalt, als ob dies zu hoch wäre fürs Subjekt,[355] zuviel vom Subjekt gesagt würde. Vielmehr ist solche Bestimmung aber arm, das Lebendige ist kein Ding, ebensowenig Seele, Geist; Ding, Substanz ist vielmehr zu schlecht für das Ich, – es ist Kategorie des Verstandes. Sein ist ebenso das Wenigste, was man vom Geist sagen kann, seine abstrakte, unmittelbare Identität mit sich; Sein kommt dem Geist zu, man muß es aber kaum der Mühe wert halten, es auf ihn anzuwenden.

β) Das zweite ist dann die Antinomie, der Widerspruch der Vernunftidee des Unbedingten, auf die Welt angewendet, sie als einen vollständigen Inbegriff der Bedingungen darzustellen oder sie selbst als unbedingt, als unendlich. Es sind Erscheinungen gegeben, die Vernunft fordert die absolute Vollständigkeit der Bedingungen ihrer Möglichkeit, sofern diese eine Reihe ausmachen, eine schlechthin vollständige Synthesis. Wenn nun diese Vollendung als seiend ausgesagt wird, so stellt sich nur eine Antinomie dar und die Vernunft nur als dialektisch. Es findet sich in diesem Gegenstande nach allen Seiten hin vollkommener Widerspruch. Die Erscheinungen sind endlicher Inhalt; die Vernunftbestimmung soll das Unbedingte, Unbeschränkte sein. Die Welt ist Zusammenhang von Beschranktem; wird dieser Inhalt von der Vernunft gedacht, unters Unendliche subsumiert, so haben wir zwei Bestimmungen, Endliches und Unendliches, die sich widersprechen. Die Vernunft fordert schlechthin vollständige Synthesis, in den Erscheinungen haben wir Reihe von Ursachen und Wirkungen; die Vernunft fordert aber Vollendung der Reihe, Anfang. Kant zeigt vier Widersprüche auf; das ist wenig, allenthalben sind Antinomien. In jedem Begriffe ist es leicht, einen Widerspruch aufzuzeigen; denn der Begriff ist konkret, so nicht einfache Bestimmung. So enthält er unterschiedene Bestimmungen, diese sind sogleich Entgegengesetzte; diese Widersprüche nannte Kant Antinomien. Das ist wichtig, aber gegen die Intention Kants.[356]

αα) Diese Antinomien enthalten z.B. dieses, daß man ebenso die eine Bestimmung, die Begrenztheit, geltend machen muß als die Unbegrenztheit. Die Vollendung der Synthesis im Fortgehen nach der Zeit und dem Raum ist ein erster Anfang der Zeit und des Raums. – 1. Die Welt hat einen Anfang und Ende in der Zeit, und sie ist in einem umschlossenen Raum. 2. Sie hat keinen Anfang und Ende in der Zeit und auch keine Grenzen im Raum. Eines kann sogut als das andere bewiesen werden; es sind keine »Advokatenbeweise«; er beweist apagogisch. Es soll erkannt werden, ob die Welt einen Anfang und ein Ende hat oder nicht, ob sie begrenzt ist in Raum und Zeit. Die Welt aber ist dies Universum, das Ganze; so ist sie ein Allgemeines, eine Idee, und diese könnte als begrenzt oder unbegrenzt bestimmt werden. Wendet man nun diese Kategorien darauf an, so verfällt man in Widersprüche.

ββ) Oder zweite Antinomie: die einfachen Teile, woraus die Substanz zusammengesetzt wäre, sind notwendig zu setzen, oder die Einfachheit kann bewiesen werden; aber ebenso die Nichtvollendung, der unendliche Fortgang. – 1. »Eine jede zusammengesetzte Substanz besteht aus einfachen Teilen«, Atomen. 2. Oder »es existiert nichts Einfaches«. Das Atom ist auch die Grenze, materielles Fürsichseiendes; ebenso ist die umschließende Oberfläche das Punktuelle. Das Andere ist die Teilbarkeit ins Unendliche.

γγ) Dritte Antinomie: Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit. Das Erste ist das sich aus sich Bestimmende, das ist die Seite der Unendlichkeit; die Kausalität nach Gesetzen der Freiheit ist die einzige. Das Andere ist: es ist nur Determinismus vorhanden; jedes ist durch einen Grund determiniert.

δδ) Vierte Antinomie: In einer anderen Rücksicht vollendet sich die Totalität in der Freiheit, als einem ersten Anfange[357] des Tuns, oder in einem absolut notwendigen Wesen, als der Ursache der Welt, – der Fortgang ist zerbrochen; aber jener Freiheit steht ebenso die Notwendigkeit des Fortgangs nach Bedingungen der Ursachen und Wirkungen gegenüber und dem notwendigen Wesen dieses, daß alles zufällig ist. »Zu der Welt gehört ein schlechthin notwendiges Wesen«, absolute Substanz, die absolute Notwendigkeit der bedingten Welt. Das Gegenteil ist: »Es existiert kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt noch außer der Welt.«

Einer von diesen Gegensätzen ist so notwendig als der andere; und es ist überflüssig, dies hier näher auszuführen. Die Notwendigkeit dieser Widersprüche ist die interessante Seite, die Kant zum Bewußtsein gebracht hat. Man stellt sich nach der gemeinen Metaphysik vor, eins müsse selten und das andere widerlegt werden; die Notwendigkeit aber, daß solche Widersprüche stattfinden, ist gerade das Interessante.

Kant löst auch diese Antinomien auf, und zwar auf diese eigentümliche Weise im Sinne des transzendentalen Idealismus, der nämlich nicht die Existenz äußerer Dinge bezweifelt oder leugnet, sondern der es erlaubt, daß die Dinge in Raum und Zeit angeschaut werden (wozu man keiner Erlaubnis bedarf), aber für den Raum und Zeit an sich selbst keine Dinge sind und daher außer unserem Gemüt nicht existieren, also weder das Bedingte noch das Unbedingte von Dingen an sich ausgesagt werden kann; d.h. alle diese Bestimmungen vom Anfang in der Zeit usw. kommen nicht den Dingen, dem Ansich selbst zu, das außerhalb unseres subjektiven Denkens für sich existierte. Kämen solche Bestimmungen der Welt, Gott, den Freien zu, so wäre objektiver Widerspruch vorhanden; dieser Widerspruch ist aber nicht an und für sich vorhanden, sondern kommt nur uns zu: er hat seine Quelle allein in unserem Denken. Oder[358] dieser transzendentale Idealismus läßt den Widerspruch bestehen, nur daß das Ansich nicht so widersprechend sei, sondern dieser Widerspruch allein in unser Gemüt falle. So bleibt denn dieselbe Antinomie in unserem Gemüte; wie sonst Gott das war, das alle Widersprüche in sich aufzunehmen hatte, so jetzt das Selbstbewußtsein. Daß aber nicht die Dinge sich widersprechen, sondern es, das ficht die Kantische Philosophie weiter nicht an; es tut nichts. Die Erfahrung lehrt, daß es sich nicht auflöst; wir wissen, daß Ich ist. Man kann also um seine Widersprüche unbekümmert sein, denn sie löst es nicht auf, es kann sie ertragen. – So ist aber der Widerspruch nicht aufgelöst; er besteht vor wie nach. Das ist zuviel Zärtlichkeit für die Dinge; es wäre schade, wenn sie sich widersprächen. Daß aber der Geist (das Höchste) der Widerspruch ist, das soll kein Schade sein. Der transzendentale Idealismus löst also den Widerspruch gar nicht auf. Die Erscheinungswelt hat ein Ansich, dem kommt er nicht zu. Dieses ist ein Anderes als der Geist. Das Widersprechende zerstört sich; so ist der Geist Zerrüttung, Verrücktheit in sich selbst. Die wahrhafte Auflösung geht auf den Inhalt, daß die Kategorien keine Wahrheit an ihnen haben, ebensowenig aber das Unbedingte der Vernunft, sondern nur die Einheit beider als konkrete.

γ) Kant kommt dann auch auf die Idee Gottes. Die dritte Idee ist das Wesen der Wesen; die übrigen Ideen setzten sie voraus. Das ist das Ideal der Vernunft, der Inbegriff aller Möglichkeit. Er sagt, Gott ist das allerrealste Wesen, die Wolffische Definition; da handelt es sich denn darum, zu beweisen, daß Gott nicht bloß Gedanken ist, sondern daß er ist, Wirklichkeit, Sein hat. Dies nennt er nun das Ideal, zum Unterschied von der Idee; es ist die Idee als seiend. So nennen wir in der Kunst Ideal die Idee, die realisiert ist auf sinnliche Weise.

Hier betrachtet Kant den Beweis vom Dasein Gottes, fragt,[359] ob diesem Ideal Realität verschafft werden könne. Der ontologische Beweis geht vom absoluten Begriffe aus, schließt aus dem Begriff auf das Sein; es wird Übergang zum Sein gemacht: so bei Anselm, Descartes, Spinoza; alle nehmen Einheit des Seins und Denkens an. Kant sagt aber: diesem Ideal der Vernunft kann ebensowenig Realität verschafft werden; es gibt keinen Übergang von dem Begriff in das Sein, aus dem Begriff kann das Sein nicht abgeleitet werden; »Sein ist kein reales Prädikat« wie ein anderes, »ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könnte... Hundert wirkliche Taler enthalten nicht das mindeste mehr als hundert mögliche«, sind derselbe Inhalt, d.h. der Begriff; sie sind auch hundert. Das eine ist der Begriff (Vorstellung), das andere der Gegenstand. Sein ist nicht eine neue Bestimmung des Begriffs, die hinzukommt; sonst enthielte mein Begriff von hundert wirklichen Talern etwas anderes als wirkliche hundert Taler. Allein der Gegenstand ist, als wirklicher, nicht bloß in meinem Begriffe enthalten; oder zu meinem Begriffe kommen die wirklichen hundert Taler synthetisch hinzu. – Aus dem Begriff kann also nicht auf das Sein geschlossen werden, weil das Sein nicht im Begriffe liegt, sondern zum Begriffe hinzukommt. ›Wir müssen aus dem Begriff herausgehen, um zur Existenz zu gelangen. Für Objekte des reinen Denkens ist kein Mittel, ihr Dasein zu erkennen, weil es a priori erkannt werden müßte; unser Bewußtsein aller Existenz aber gehört ganz und gar zur Erfahrung.‹ D.h. gerade jene Synthese des Begriffs und des Seins oder die Existenz zu begreifen, d.h. sie als Begriff zu setzen, dazu kommt Kant nicht. Existenz bleibt ihm ein schlechthin Anderes als ein Begriff. Der Inhalt ist derselbige im Existierenden und im Begriffe. Da das Sein nicht im Begriff liegt, so ist der Versuch, es aus ihm abzuleiten, nichtig.

Allerdings liegt nicht positiv im Begriff die Bestimmung des[360] Seins; er ist ein Anderes als Objektivität, Realität. Das Andere liegt nicht fertig in ihm; und bleiben wir bei dem Begriff stehen, so bleiben wir beim Sein als dem Anderen des Begriffs stehen. Wir haben die Vorstellung und eben nicht das Sein; es wird an der Trennung beider festgehalten. Daß hundert mögliche Taler eingebildet etwas anderes sind als hundert wirkliche, dies ist ein so populärer Gedanke, daß nichts so gute Aufnahme gefunden hat als dies, daß aus dem Begriff nicht zum Sein übergegangen werden könnte; wenn ich mir hundert Taler einbilde, so habe ich sie noch nicht. Ebenso populär kann man sagen: das Einbilden muß man bleiben lassen.

α) Es ist eine bloße Vorstellung, d.h. das bloß Eingebildete ist unwahr; die hundert eingebildeten Taler sind und bleiben eingebildete. Also bei ihnen bleiben, ist ungesunder Menschenverstand, er taugt nichts; und dies ist ein eitler Mensch, der sich mit solchen Einbildungen und Wünschen herumtreibt. Hat man soviel Mut, hundert Taler zu haben, so hat man sie nur als wirkliche. Will man hundert Taler besitzen, so muß man Hand ans Werk legen, um sie in Besitz zu bekommen; d.h. man muß über die Einbildung hinausgehen, nicht bei ihr stehenbleiben. Dieses Subjektive ist nicht das Letzte, Absolute; das Wahre ist das, was nicht bloß ein Subjektives ist. Besitze ich hundert Taler, so habe ich sie im Besitz und stelle sie mir auch zugleich vor. Nach der Kantischen Vorstellung wird bei dem Unterschiede stehengeblieben, der Dualismus ist das Letzte; jede Seite für sich gilt als etwas Absolutes. Dies ist das Schlechte, was hier das Absolute und Letzte sein soll. Dagegen ist der gesunde Menschenverstand gerichtet; jedes gemeine Bewußtsein ist darüber hinaus, jede Handlung will eine Vorstellung (Subjektives) aufheben und zu einem Objektiven machen. So töricht ist kein Mensch als jene Philosophie; wenn ihn hungert, so stellt er sich nicht Speisen vor, sondern macht, daß er satt wird. Alle Tätigkeit ist Vorstellung, die noch nicht ist, aber als subjektiv aufgehoben wird. Auch die vorgestellten[361] hundert Taler werden zu wirklichen und die wirklichen zu vorgestellten, – durch äußere Umstände; das ist oft Erfahrung, dies ist ihr Schicksal; es hängt von ganz äußerlichen Bedingungen ab, ob hundert Taler mein Eigentum werden oder nicht.

β) Allerdings, die Vorstellung tut's nicht, wenn ich hartnäckig darin steckenbleibe; ich kann mir einbilden, was ich will, darum ist es nicht. Es kommt nur darauf an, was ich mir vorstelle: ob ich das Subjektive und das Sein denke oder begreife; dann gehen sie über. Descartes behauptet ausdrücklich nur beim Begriffe Gottes jene Einheit (eben das ist Gott) und spricht von keinen hundert Talern; sie sind nicht eine Existenz, die Begriff an ihr selbst ist. Eben absolut hebt sich jener Gegensatz auf, d.h. das Endliche vergeht; er gilt nur in der Philosophie der Endlichkeit. Denken, Begriff ist notwendig dies, daß er nicht subjektiv bleibt, sondern dies Subjektive daß aufhebt und sich als objektiv zeigt. Wenn die Existenz nicht begriffen wird, so ist das das begrifflose, sinnliche Wahrgenommene; und das Begrifflose ist allerdings kein Begriff, – so Empfinden, in die Hand Nehmen. Solche Existenz hat freilich das Absolute, das Wesen nicht; oder solche Existenz hat keine Wahrheit, sie ist nur verschwindendes Moment. Dies Leeres-Stroh-Dreschen mit dem leeren, ganz kornlosen Stroh der gewöhnlichen Logik heißt Philosophieren. Es ist wie mit Isaschar, dem beinernen Esel, der nicht von der Stelle zu bringen ist. Wir taugen eben einmal nicht, und weil wir nichts taugen, so taugen wir eben nichts und wollen nichts taugen. Es ist eine sehr falsche christliche Demut und Bescheidenheit, durch seine Jämmerlichkeit vortrefflich [zu] sein, – das Erkennen seiner Nichtigkeit ein innerer Hochmut und Selbstgefälligkeit. Aber man muß zur Ehre wahrer Demut nicht in seiner Erbärmlichkeit stehenbleiben, sondern sich erheben über sie durch Ergreifung des Göttlichen.[362]

Die Bestimmung, an der Kant festhält, ist die, daß aus dem Begriff nicht das Sein herausgeklaubt werden kann. Hiervon ist die Folge, daß die Vernunft es ist, die Gedanken des Unendlichen, Unbestimmten zu haben, aber daß von ihrer Idee getrennt ist die Bestimmung überhaupt und näher die Bestimmung, die Sein heißt. Die Ideen der Vernunft können nicht aus der Erfahrung bewiesen, betätigt werden, ihre Ideen erhalten aus der Erfahrung keine Beglaubigung; werden sie durch Kategorien bestimmt, so entstehen Widersprüche. Soll die Idee überhaupt nur als seiend bestimmt werden, so ist die Idee nur der Begriff; und davon ist immer unterschieden das Sein des Existierenden. Dies in Ansehung der Verstandeserkenntnisse höchst wichtige Resultat führt aber Kant in Ansehung der Vernunft zu weiter nichts. als daß diese für sich nichts als die formale Einheit zur methodischen Systematisierung der Verstandeserkenntnisse habe. Das ganz abstrakte Denken, die reine Identität mit sich wird festgehalten. Es wird gesagt, der Verstand kann nur Ordnung in den Dingen hervorbringen, die nichts an und für sich, nur subjektiv ist. So bleibt der Vernunft nichts als die Form ihrer Identität, Einheit; und diese reicht zu nichts, als die mannigfaltigen Verstandesgesetze und Verstandesverhältnisse zu systematisieren. Der Verstand findet Klassen, Arten, Gesetze, Gattungen; und diese ordnet dann die Vernunft, sucht sie in Einheit zu bringen. – In der Kritik der reinen Vernunft sehen wir Beschreibung der Stufen: Ich als Vernunft, Vorstellung, und draußen die Dinge; beide sind schlechthin Andere gegeneinander, und das ist der letzte Standpunkt. Das Tier bleibt nicht auf diesem Standpunkt stehen, bringt praktisch die Einheit hervor. Dies ist die theoretische Vernunft bei Kant.

Dies ist nun das Apriorische der Kantischen Philosophie, das Bestimmtsein, der Unterschied der Vernunft an sich selbst. Zur Bestimmtheit der Einzelheit bringt sie es nicht.

Noch wäre der positiven Philosophie oder Metaphysik zu erwähnen, die Kant a priori über das gegenständliche Wesen[363] aufstellt, den Inhalt des Gegenstands der Erfahrung, die Natur, – seine Naturphilosophie. Allein dies ist teils an Inhalt etwas ganz Dürftiges, enthaltend einige allgemeine Qualitäten und Begriffe der Materie, und in Ansehung des Wissenschaftlichen oder Apriorischen, wie es Kant nennt, etwas ebenso durchaus Unbefriedigendes. Denn daß die Materie Bewegung habe, ferner Anziehungs- und Repulsionskraft usf., alle diese Begriffe setzt er vor aus, statt ihre Notwendigkeit aufzuzeigen. – Es ist der Anfangsgrunde der Naturwissenschaft großes Verdienst, für einen Anfang einer Naturphilosophie darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß die Physik Gedankenbestimmungen ohne deren weitere Untersuchung gebraucht, welche die wesentlichen Grundlagen ihrer Gegenstände ausmachen. Z.B. Dichtigkeit wurde für ungleiche Menge (Quantum) im Raume angesehen; stattdessen behauptete sie Kant als einen Grad der Raumerfüllung, Energie, Intensität der Aktion. Er verlangt Konstruktion der Materie aus Kräften, Tätigkeiten, Energien, nicht Atomen. Schelling steckt ganz darin. Es ist Aufzeigen der Metaphysik, der allgemeinen Begriffe von der Natur; dies ist sehr eingeschränkt, auf Materie und Bewegung. Es ist Versuch zu denken, d.h. die Gedankenbestimmungen aufzuzeigen, deren Produkt solche Vorstellungen wie Materie seien. Er hat die Grundbegriffe und Grundprinzipien dieser Wissenschaft zu bestimmen versucht und zu einer sogenannten dynamischen Naturlehre die Veranlassung gegeben.

Die Religion innerhalb der bloßen Vernunft ist auch Aufzeigen der Glaubenslehren als Seiten der Vernunft, wie in der Natur. So hat Kant in der positiven Dogmatik der Religion mit welcher die Aufklärung (Ausklärung) fertiggeworden war, an Vernunftideen erinnert: welche vernünftige (und[364] zunächst moralische) Bedeutung das, was man Dogmen der Religion heißt, habe, – also Erbsünde. Er ist viel vernünftiger als die Ausklärung, die sich schämt, davon zu sprechen. – Dies sind die Hauptbestimmungen in Rücksicht des Theoretischen in der Kantischen Philosophie.

2. Kritik der praktischen Vernunft. Das erste in der Kantischen Philosophie war die Intelligenz, das Theoretische. Das zweite ist das Praktische, die Natur des Willens, das, was das Prinzip des Willens ist. Die Rousseausche Bestimmung, daß der Wille an und für sich frei ist, hat Kant aufgestellt. Die theoretische Vernunft hat Kant so gefaßt, daß ihr, insofern sie sich auf einen Gegenstand bezieht, dieser Gegenstand gegeben sein muß; insofern sie ihn sich selbst gibt, hat er keine Wahrheit, und die Vernunft kommt im Erkennen (in diesem) nicht zur Selbständigkeit. Selbständig in sich ist sie dagegen als praktische Vernunft; als moralisches Wesen ist der Mensch frei, über alles Naturgesetz und Erscheinung erhaben. Wie die theoretische Vernunft Kategorien, apriorische Unterschiede an ihr hatte, so auch die praktische Vernunft das Sittengesetz überhaupt, dessen nähere Bestimmungen die Begriffe Pflicht und Recht, Erlaubtes und Unerlaubtes ausmachen. Und hier verschmäht die Vernunft allen gegebenen Stoff, der ihr im Theoretischen notwendig ist. Der Wille bestimmt sich in sich, auf Freiheit beruht alles Rechtliche und Sittliche; darin hat der Mensch sein absolutes Selbstbewußtsein. Nach dieser Seite ist das Selbstbewußtsein sich das Wesen, wie die theoretische Vernunft ein anderes hatte. α) Ich ist in seiner Einzelheit unmittelbar Wesen, Allgemeinheit, Objektivität. β) Die Subjektivität hat das Streben zur Realität, nicht der Realität im Vorherigen; hier gilt sich die Vernunft als das Wirkliche. Hier ist der Begriff, der das Bewußtsein seiner Mangelhaftigkeit hat; was die theoretische Vernunft nicht haben[365] sollte, – der Begriff sollte eben der Begriff bleiben. γ) Es ist Standpunkt der Absolutheit; aufgeschlossen in seiner Brust ist dem Menschen ein Unendliches. Das ist das Befriedigende an der Kantischen Philosophie, es ist wenigstens ans Gemüt gelegt; ich anerkenne nur, was meiner Bestimmung gemäß ist.

a) Den Willen teilt Kant in niederes und höheres Begehrungsvermögen. Dieser Ausdruck ist nicht ungeschickt. Das niedere Begehrungsvermögen sind die Begierden, Neigungen usf.; das höhere ist der Wille als solcher, der nicht äußerliche, einzelne Zwecke hat, sondern allgemeine Zwecke. Die Frage ist nun Was ist das Prinzip des Willens? Was soll den Menschen bestimmen in seinen Handlungen? Da hat man denn allerlei Prinzipien angegeben, Wohlwollen, Glückseligkeit usf. Materiale Prinzipien des Handelns reduzieren sich alle auf Triebe, auf die Glückseligkeit. Aber das Vernünftige an ihm selbst ist rein formal und besteht darin, daß das, was als Gesetz gelten soll, als allgemeingültige Gesetzgebung muß gedacht werden können; so daß es sich nicht aufhebt, wenn es als solches gedacht wird. Alle Moralität der Handlung nun beruht auf der Gesinnung, daß sie mit Bewußtsein des Gesetzes und um des Gesetzes willen aus Achtung für dasselbe und vor sich selbst geschehe, mit Erwehrung dessen, was glückselig macht. Und als moralisches Wesen hat der Mensch das Sittengesetz in sich selbst, dessen Prinzip Freiheit und Autonomie des Willens ist. Kant sagt nun, solche Bestimmungen, die aus den Neigungen genommen sind, sind heterogene Prinzipien für den Willen, oder der Wille ist Heteronomie, wenn er solche Bestimmungen sich zum Zweck macht; er nimmt seine Bestimmungen von etwas anderem her. Der Wille aber ist, frei zu sein, sich aus sich zu bestimmen; er ist autonomisch, absolute Spontaneität, Prinzip der Freiheit. Das Wesen des Willens ist, sich[366] selbst zu bestimmen; er kann nur zu seinem Zweck haben seine Freiheit. Kant nennt insofern die praktische Vernunft autonomisch, sie gibt sich selbst Gesetze; der empirische Wille ist heteronomisch, er wird durch Begierde, Trieb bestimmt. Das gehört unserer Natur, nicht dem Gebiete der Freiheit an.

Es ist eine große, höchst wichtige Bestimmung der Kantischen Philosophie, daß Kant, was für das Selbstbewußtsein Wesen hat, als Gesetz, Ansich gilt, in es selbst zurückgeführt hat. Indem der Mensch sucht nach diesem und jenem Zweck, wie er die Welt, die Geschichte beurteilen soll, was soll er da zum letzten Zweck machen? Aber für den Willen ist kein anderer Zweck als der aus ihm selbst geschöpfte, der Zweck seiner Freiheit. Es ist ein großer Fortschritt, daß dies Prinzip aufgestellt ist, daß die Freiheit die letzte Angel ist, auf der der Mensch sich dreht, diese letzte Spitze, die sich durch nichts imponieren läßt, so daß der Mensch nichts, keine Autorität gelten läßt, insofern es gegen seine Freiheit geht. Dies hat der Kantischen Philosophie von einer Seite die große Ausbreitung, Zuneigung gewonnen, daß der Mensch ein schlechthin Festes, Unwankendes in sich selbst findet, einen festen Mittelpunkt, so daß ihn nichts verpflichtet, worin diese Freiheit nicht respektiert wird. Dies ist das Prinzip; aber dabei bleibt es auch stehen.

Die praktische Vernunft ist sogleich als konkret aufgefaßt. Die letzte Spitze der theoretischen Vernunft ist abstrakte Identität; sie kann nur Kanon, Regel zu abstrakten Ordnungen abgeben. Nur die praktische Vernunft ist gesetzgebend, konkret; das Gesetz, das sie sich gibt, ist Sittengesetz. Es ist ausgesprochen, daß sie in sich konkret sei. Das Weitere ist, daß diese Freiheit zunächst leer ist, das Negative alles anderen; kein Band, nichts anderes verpflichtet mich. Sie ist insofern unbestimmt; es ist die Identität des Willens mit sich selbst, daß er bei sich ist. Was ist aber der[367] Inhalt dieses Gesetzes? Hier sind wir sogleich wieder bei der Inhaltslosigkeit. Denn es soll nichts anderes das Gesetz sein als eben die Identität, die Übereinstimmung mit sich selbst, die Allgemeinheit. Das formale Prinzip der Gesetzgebung kommt in dieser Einsamkeit in sich zu keinem Inhalt, keiner Bestimmung. Die einzige Form, die dies Prinzip hat, ist die der Identität mit sich selbst. Das Allgemeine, das Sich-nicht-Widersprechen ist etwas Leeres, das im Praktischen sowenig als im Theoretischen zu einer Realität kommt. Das allgemeine Sittengesetz spricht Kant so aus (und solche allgemeine Form wollte man von jeher aufstellen, das ist auch Forderung des abstrakten Verstandes): Handle nach Maximen (das Gesetz soll auch mein besonderes sein), die fähig sind, allgemeine Gesetze zu werden. Die Bestimmung ist damit nur die Abstraktion, Identität.

So hat Kant zur Bestimmung der Pflicht (denn die abstrakte Frage ist, was ist Pflicht für den freien Willen) nichts gehabt als die Form der Identität, des Sich-nicht-Widersprechens, was das Gesetzte des abstrakten Verstandes ist. Sein Vaterland zu verteidigen, die Glückseligkeit eines anderen ist Pflicht, nicht wegen ihres Inhalts, sondern weil es Pflicht ist, – wie bei den Stoikern wahr ist das Gedachte darum, weil und insofern es gedacht ist. Das Gesetz der Moralität ist Wohltätigkeit, »Gebt eure Sachen den Armen«; schenken alle, was sie haben, so ist Wohltätigkeit aufgehoben. Mit der Identität kommt man um keinen Schritt weiter, Gott ist Gott; jeder Inhalt, der in diese Form gelegt wird, ist ohne sich zu widersprechen. Aber dies ist ebensogut, als wenn er gar nicht hineingelegt wird: z.B. Eigentum, dies muß in Beziehung auf mein Handeln respektiert werden; aber es kann auch ganz wegbleiben, es gibt kein Eigentum, die Bestimmung kann ganz wegbleiben. In Ansehung des Eigentums ist das Gesetz: das Eigentum soll respektiert werden; denn das Gegenteil kann nicht allgemeines Gesetz[368] sein. Das ist richtig. Aber das Eigentum ist vorausgesetzt; ist es nicht, so wird es nicht respektiert; ist es, so ist es. Setze ich kein Eigentum voraus, so ist im Diebstahl kein Widerspruch vorhanden; es ist ganz formelle Bestimmung. Dies ist der Mangel des Kantisch-Fichteschen Prinzips, daß es formell überhaupt ist. Die kalte Pflicht ist der letzte unverdaute Klotz im Magen, die Offenbarung gegeben der Vernunft.

b) Das erste in der praktischen Vernunft ist der freie Wille für sich, der sich bestimmt; dieses Konkrete ist abstrakt. Das zweite und dritte sind Formen, die daran erinnern, daß der Wille in höherem Sinne konkret sei. Ich bin auch besonderer Wille, als besonderes Individuum; das Konkrete ist so, daß mein besonderer Wille und der allgemeine Wille identisch seien oder daß ich ein moralischer Mensch sei. Das dritte ist das höchste Konkrete, der Begriff der Freiheit, alle Menschen als frei; die Natur, die Welt soll in Harmonie mit dem Begriff der Freiheit sein. – Das zweite ist das Verhältnis des Begriffs des Willens zum besonderen Willen. Hier fangen Postulate an. Der besondere Wille soll dem allgemeinen gemäß sein, diese Einheit wird postuliert; der Mensch soll moralisch sein, es bleibt beim Sollen stehen. Das Resultat ist, daß dieses Ziel nur im unendlichen Progresse zu erreichen sei. Es bleibt daher bei diesem Gerede von Moralität stehen. Was aber moralisch ist, oder an ein System des sich verwirklichenden Geistes wird nicht gedacht. Sondern vielmehr wie die theoretische Vernunft dem gegenständlichen Sinnlichen, so bleibt die praktische Vernunft der praktischen Sinnlichkeit, den Trieben und Neigungen gegenüberstehen. Die vollendete Moralität muß ein Jenseits bleiben; denn die Moralität setzt die Verschiedenheit des besonderen und allgemeinen Willens voraus. Sie ist Kampf und Bestimmen des Sinnlichen durch das Allgemeine; der Kampf kann nur sein, wenn der sinnliche Wille dem allgemeinen noch nicht angemessen ist. Der moralische Wille bleibt so nur ein Sollen; darauf gründet Kant das Postulat der Unsterblichkeit[369] der Seele. Der partikuläre Wille ist allerdings ein Anderes des allgemeinen Willens; er ist aber nicht Letztes, schlechthin Beharrendes.

c) Das andere Postulat ist Postulat Gottes. Der Wille hat die ganze Welt, das Ganze der Sinnlichkeit sich gegenüber. Die Vernunft dringt auf Einheit beider Seiten; die Natur, die Welt soll in Harmonie mit dem vernünftigen Willen, dem Guten sein. Die Idee des Sittengesetzes ist das Gute, als der Endzweck der Welt; da es aber formell ist, so hat es für sich keinen Inhalt, steht den Trieben und Neigungen einer subjektiven – und einer äußeren selbständigen Natur gegenüber. Den Widerspruch beider vereint Kant in dem Gedanken des höchsten Gutes, worin die Natur der Vernunft angemessen sei, – eine Übereinstimmung, um die es eigentlich gar nicht zu tun ist oder worin die praktische Realität besteht. Denn Glückseligkeit ist nur das sinnliche Selbstgefühl oder Wirklichkeit dieses als dieses Individuums, nicht die an sich allgemeine Realität. Jene Vereinigung bleibt daher selbst nur ein Jenseits, ein Gedanke. Kant geht ganz in das Geschwätze ein, daß es in dieser Welt dem Tugendhaften oft schlecht, dem Lasterhaften gut gehe usf., und postuliert näher das Dasein Gottes als des Wesens, der Kausalität, wodurch diese Harmonie zustande kommt, zum Behuf sowohl der Vorstellung der Heiligkeit des sittlichen Gesetzes als des in der Natur, aber auch nur nach dem unendlichen Progresse zu realisierenden Vernunftzwecks, -sowie die Unsterblichkeit der Seele, als den unendlichen Progreß des Subjekts in seiner Moralität, weil die Moralität selbst etwas Unvollkommenes ist und ins Unendliche Fortschritte machen muß; welche Postulate den Widerspruch, wie er ist, bestehen lassen und nur ein abstraktes Sollen seiner Auflösung aussprechen. Gott ist also ein Postuliertes; die Vernunft erkennt es nicht. Die Harmonie ist nicht vorhanden,[370] nicht wirklich; sie soll nur sein. Das Postulat selbst ist perennierend; das Gute ist ein Jenseits gegen die Natur, sie sind in diesen Dualismus gestellt. Die Natur bliebe nicht mehr Natur, wenn sie dem Begriffe des Guten angemessen würde; es bleibt so beim höchsten Widerspruche, sie können sich nicht vereinigen. Das Gesetz der Notwendigkeit und das Gesetz der Freiheit sind verschiedene voneinander. Es ist ebenso notwendig, die Einheit beider zu setzen; sie ist aber nicht wirklich. Das Andere, die Trennung beider, ist gesetzt; Kant bringt populäre Redensarten herbei; das Böse soll überwunden werden, muß es aber ebensowenig sein. Gott bleibt so Postulat, ist nur ein Glaube, ein Dafürhalten, welches nur subjektiv, nicht wahr an und für sich ist. Dieses Resultat ist auch sehr populär.

Diese Postulate drücken nun nichts als die gedankenlose Synthesis der verschiedenen Momente aus, die sich allenthalben widersprechen; sie sind ein »Nest« von Widersprüchen. Z.B. die Unsterblichkeit der Seele ist postuliert, um der unvollkommenen Moralität willen, d.h. weil sie mit Sinnlichkeit affiziert ist. Aber das Sinnliche ist Bedingung des moralischen Selbstbewußtseins; das Ziel, die Vollkommenheit, ist, was die Moralität als solche selbst aufhebt. -Ebenso das andere Ziel, die Harmonie des Sinnlichen und Vernünftigen, hebt gleichfalls die Moralität auf; denn sie besteht eben in diesem Gegensatze gegen die Sinnlichkeit. – Die Wirklichkeit, das Sein des Gottes, des die Harmonie Hervorbringenden, ist ebenso eine solche, die mit Bewußtsein zugleich keine ist; er wird vom Bewußtsein zum Behufe der Harmonie angenommen, wie die Kinder sich irgendeine Vogelscheuche machen und miteinander ausmachen, sie wollen sich vor diesem mannequin fürchten. Der Behuf, zu dem er zugleich angenommen wird, daß durch die Vorstellung eines heiligen Gesetzgebers das Sittengesetz um so mehr Achtung gewinne, widerspricht dem, daß eben die Moralität[371] darin besteht, das Gesetz rein um seiner selbst willen zu achten.

Die praktische Vernunft also, wo das Selbstbewußtsein als das Ansich sich gilt, gegen die theoretische, worin das gegenständliche Wesen, kommt eben sowenig zu einer Einheit und Wirklichkeit an sich selbst. Es kommt den Menschen schwer an, zu glauben, daß die Vernunft wirklich sei; es ist aber nichts wirklich als die Vernunft, sie ist die absolute Macht. Die Eitelkeit des Menschen will vermeintliches Ideal im Kopf haben, um alles zu tadeln: Wir sind die Gescheiten, haben es in uns, aber vorhanden ist es nicht. Das ist der letzte Standpunkt; es ist dies hoher Standpunkt, aber es wird nicht bis zur Wahrheit fortgegangen. Das absolute Gut bleibt Sollen ohne Objektivität; und dabei soll es bleiben.

3. Kritik der Urteilskraft. Noch ist die dritte Seite in der Kantischen Philosophie übrig, daß auch hier die Forderung des Konkreten eintritt, worin die Idee dieser Einheit nicht als ein Jenseits, sondern als ein Gegenwärtiges gesetzt ist, – die Idee der Urteilskraft. Ihre Gegenstände sind teils das Schöne, teils das organische Leben; und diese Seite ist besonders wichtig. Kant sagt, wir haben einen Verstand; er ist im Theoretischen wohl gesetzgebend, bringt Bestimmungen hervor, Kategorien. Aber diese Bestimmungen des Verstandes bleiben nur allgemeine Bestimmungen, außer denen das Besondere (das andere Bestandstück, das zu jeder Erkenntnis gehört) liegt; und beides ist für den Verstand voneinander verschieden. Der Verstand ist einerseits, andererseits das Besondere; seine Unterschiede sind selbst in der Allgemeinheit bleibend. Im Praktischen ist die Vernunft das Ansich; aber ihr freies Fürsichsein, die gesetzgebende Freiheit (in höherer Form), steht der Natur in ihrer Freiheit und eigenen Gesetzen gegenüber:

»Verstand und Vernunft« (praktisch) »haben zwei verschiedene[372] Gesetzgebungen« – (›im Theoretischen kann die Vernunft nur vermittels des Verstandes aus gegebenen Gesetzen durch Schlüsse Folgerungen ziehen, die doch immer nur bei der Natur stehenbleiben; nur im Praktischen ist sie selbst gesetzgebend‹) – »auf einem und demselben Boden der Erfahrung, ohne daß eine der anderen Eintrag tun darf. Denn sowenig der Naturbegriff auf die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff Einfluß hat, ebensowenig stört dieser die Gesetzgebung der Natur. – Die Möglichkeit, das Zusammenbestehen beider Gesetzgebungen und der dazu gehörigen Vermögen... bewies die Kritik der reinen Vernunft.« (!?)

»Daß diese zwei verschiedenen Gebiete, die sich zwar nicht in ihrer Gesetzgebung, aber doch in ihren Wirkungen in der Sinnenwelt unaufhörlich einschränken« (d.h. wo sie zusammentreffen), »nicht eines ausmachen, kommt daher, daß der Naturbegriff zwar seine Gegenstände in der Anschauung, aber nicht als Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen, der Freiheitsbegriff dagegen in seinem Objekte zwar ein Ding an sich selbst, aber nicht in der Anschauung vorstellig machen, mithin keiner von beiden ein theoretisches Erkenntnis von seinem Objekte (und selbst von dem denkenden Subjekte) als Ding an sich verschaffen kann, welches das Übersinnliche sein würde,... ein unbegrenztes, aber auch unzugängliches Feld für unser gesamtes Erkenntnisvermögen. «

»Ob nun zwar eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiete des Naturbegriffs als dem Sinnlichen und dem Gebiete des Freiheitsbegriffs als dem Übersinnlichen befestigt ist, so daß von dem ersteren zum anderen kein Übergang möglich ist, gleich als ob es soviel verschiedene Welten wären, davon die erste auf die zweite keinen Einfluß haben kann, so soll doch diese auf jene einen Einfluß haben, nämlich der Freiheitsbegriff den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen; und die Natur muß folglich auch so gedacht werden können, daß die[373] Gesetzmäßigkeit ihrer Form wenigstens zur Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimme. Also muß es doch einen Grund der Einheit des Übersinnlichen, was der Natur zugrunde liegt, mit dem, was der Freiheitsbegriff praktisch enthält, geben, davon der Begriff, wenn er gleich weder theoretisch noch praktisch zu einem Erkenntnisse desselben gelangt, mithin kein eigentümliches Gebiet hat, dennoch den Übergang von der Denkungsart nach den Prinzipien der einen zu der nach Prinzipien der anderen möglich macht.«

Zwischen dem Verstand und der Vernunft ist nun die Urteilskraft, wie zwischen dem Erkenntnis- und Begehrungsvermögen Lust und Unlust; in diesem Vermögen muß also der Übergang vom Gebiete der Naturbegriffe zum Gebiete des Freiheitsbegriffs liegen. Nun gibt es zwei Produkte, Werke der Kunst und der organischen Natur, die uns Einheit beider kundtun. Die Betrachtung dieser Werke enthält dies, daß wir Einheit von Verstand und Besonderem sehen; aber diese Betrachtungsweise ist nur eine subjektive. Solche Dinge werden nur nach dieser Einheit betrachtet, sie sind aber nicht an sich so; wie sie an sich sind, liegt jenseits. Kant spricht so von einem anschauenden Verstande, das ist tiefe Bestimmung; er gibt allgemeine Gesetze, bestimmt aber ebenso das Besondere. Das Zweckmäßige gehört hierher, der Zweck ist allgemeine Bestimmung; das Zweckmäßige ist besondere Realität, das nur durch das Allgemeine bestimmt ist. Der Verstand ist der Grund dieser Einheit des Mannigfaltigen; das Besondere ist durch das Allgemeine, das Sinnliche durch das Übersinnliche bestimmt. Diese Idee ist nicht das Wahre solcher Produkte, sondern nur eine Weise, wie wir sie vorstellen; das nennt Kant Urteilskraft, Verbindung eines Besonderen mit einem Allgemeinen. Die Idee der Urteilskraft vereinigt beides, – ein Allgemeines, welches das Besondere[374] an ihm selbst hat. In der unmittelbaren Urteilskraft enthält die Gattung das Besondere (es ist aber auch Besonderes, das nicht durch die Gattung bestimmt ist); so ist es nicht in der reflektierenden Urteilskraft. Die reflektierende Urteilskraft hat zu ihrem Prinzip die Einheit des abstrakt Allgemeinen des Verstandes und der Besonderheit, die Idee einer gesetzmäßigen Notwendigkeit, welche zugleich frei ist, oder einer Freiheit, die mit ihrem Inhalt unmittelbar eins ist. Sie ist hierin nicht bestimmend nach allgemeinen Gesetzen, sondern reflektierend, indem »das Besondere gegeben ist, wozu sie das Allgemeine finden Soll«.

»Dies Prinzip kann nun kein anderes sein, als daß, da allgemeine Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der Natur (obzwar nur nach dem allgemeinen Begriffe von ihr als Natur) vorschreibt, die besonderen empirischen Gesetze in Ansehung dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet werden müssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenngleich nicht der unsrige) sie zum Behuf unserer Erkenntnisvermögen, um ein System der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen möglich zu machen, gegeben hätte. Nicht, als ob ein solcher Verstand angenommen werden müßte (denn es ist nur die reflektierende Urteilskraft, der diese Idee zum Prinzip dient); sondern dies Vermögen gibt nur sich selbst, nicht der Natur ein Gesetz.«

»Weil nun der Begriff von einem Objekt, sofern er zugleich den Grund der Wirklichkeit dieses Objekts enthält, der Zweck und die Übereinstimmung eines Dings mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach Zwecken möglich ist, die Zweckmäßigkeit der Form derselben heißt, so ist das Prinzip der Urteilskraft, in Ansehung der Form der Dinge der Natur unter empirischen Gesetzen überhaupt, die Zweckmäßigkeit der Natur in ihrer Mannigfaltigkeit. D. i. die Natur wird durch diesen Begriff so vorgestellt, als ob[375] ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte.«

Aristoteles schon hat die Natur als zweckmäßig an ihr selbst, den nous, den Verstand, das Allgemeine an ihr selbst habend betrachtet, so daß in ungetrennter Einheit eins Moment des anderen ist. Zweck ist der Begriff, der immanent ist, nicht die äußerliche Form und Abstraktion gegen ein zugrunde liegendes Material, sondern durchdringend, so daß alles Besondere durch dies Allgemeine selbst bestimmt ist. Nach Kant ist es der Verstand: die Verstandesgesetze, die er in der Erkenntnis an ihm selbst hat, lassen das Gegenständliche noch unbestimmt; aber weil dies Mannigfaltige selbst einen Zusammenhang in sich haben muß, der zwar für die menschliche Einsicht zufällig ist, »muß die Urteilskraft für ihren eigenen Gebrauch es als Prinzip annehmen, daß das für uns Zufällige... eine für uns zwar nicht zu ergründende, aber doch denkbare Einheit in der Verbindung ihres Mannigfaltigen zu einer an sich möglichen Erfahrung enthalte.« Dies Prinzip fällt sogleich wieder in das Subjektive eines Gedankens zurück, ist nur eine subjektive Maxime wodurch über die objektive Natur des Gegenstandes damit nichts ausgesagt werden soll, – weil einmal das Ansich außer dem Selbstbewußtsein fixiert ist und der Verstand nur in der Form des Selbstbewußten, nicht in seinem Anderswerden aufgefaßt ist.

Dies Prinzip der reflektierenden Urteilskraft ist nun eine doppelte Zweckmäßigkeit in sich: dieses Beurteilen ist ästhetisch und teleologisch; jene ist die subjektive Zweckmäßigkeit, diese die objektive, logische.

a) Die eine Gestalt ist die ästhetische Urteilskraft, das Schöne; sie besteht darin: Lust und Unlust ist etwas Subjektives, was gar kein Erkenntnisstück werden kann. Der Gegenstand hat insofern nur Zweckmäßigkeit, wenn seine[376] Vorstellung unmittelbar mit dem Gefühl der Lust verbunden ist; und dies ist eine ästhetische Vorstellung. Die »Auffassung der Formen in die Einbildungskraft kann niemals geschehen, ohne daß die reflektierende Urteilskraft, auch unabsichtlich, sie wenigstens mit ihrem Vermögen, Anschauungen auf Begriffe zu beziehen, vergliche. Wenn nun in dieser Vergleichung die Einbildungskraft (als Vermögen der Anschauungen a priori) zum Verstande, als Vermögen der Begriffe, durch eine gegebene Vorstellung« (etwas Schönes) »unabsichtlich in Einstimmung versetzt und dadurch ein Gefühl der Lust erweckt wird, so muß der Gegenstand alsdann als zweckmäßig für die reflektierende Urteilskraft angesehen werden. Ein solches Urteil ist ein ästhetisches Urteil über die Zweckmäßigkeit des Objekts, welches sich auf keinem vorhandenen Begriff vom Gegenstande gründet und keinen von ihm verschafft. Ein Gegenstand, dessen Form (nicht das Materielle seiner Vorstellung als Empfindung) als Grund der Lust an der Vorstellung eines solchen Objekts beurteilt wird,... heißt schön«, – das erste vernünftige Wort über Schönheit: das Sinnliche ist das eine Moment des Schönen; dann muß es Geistiges, Begriff ausdrücken.

Das Schöne ist, was ohne subjektives Interesse, – was ohne Begriffe (Reflexionsbestimmungen) als Objekt eines allgemeinen Wohlgefallens vorgestellt wird. Es bezieht sich auf keine Neigung, also fühlt sich das Subjekt ganz frei darin. Es ist nicht für mich schön, – nicht durch Begriffe, Reflexion, Gesetze. »Zweck ist der Gegenstand eines Begriffs, sofern dieser als die Ursache von jenem« (dem Gegenstand) »angesehen wird; und die Kausalität eines Begriffs in Ansehung seines Objekts ist die Zweckmäßigkeit.« Zum Ideal gehört »die Vernunftidee, welche die Zwecke der Menschheit, sofern sie nicht sinnlich vorgestellt werden können, zum Prinzip[377] der Beurteilung einer Gestalt macht, durch die, als ihre Wirkung in der Erscheinung, sich jene offenbaren.« Das Ideal darf man lediglich an der menschlichen Gestalt erwarten. Das Erhabene ist das Bestreben, eine Idee sinnlich darzustellen, wo zugleich die Unangemessenheit, das Nichtgefaßtwerdenkönnen der Idee durch das Sinnliche sich darstellt.

Hier in der ästhetischen Urteilskraft sehen wir die unmittelbare Einheit des Allgemeinen und Besonderen; denn das Schöne ist eben diese begrifflose unmittelbare Einheit. Kant setzt sie in das Subjekt; und sie ist etwas Subjektives oder besser Beschränktes, – und als ästhetisch auch niedriger, insofern sie nicht die begriffene Einheit ist.

b) Die andere Weise der Übereinstimmung ist in der objektiven und materialen Zweckmäßigkeit die teleologische Betrachtung der Natur, daß in den organischen Naturprodukten die unmittelbare Einheit des Begriffs und der Realität als gegenständliche angeschaut wird, – der Naturzweck, in seiner Allgemeinheit Besonderes, in seiner Besonderheit Gattung enthaltend. Naturprodukte betrachten wir teleologisch, nicht äußerlich, sondern nach innerer Teleologie. Nach äußerer Zweckmäßigkeit hat etwas seinen Zweck in Anderem: »Der Schnee sichert die Saaten in kalten Ländern wider den Frost; er erleichtert die Gemeinschaft der Menschen durch Schlitten.« Bei der Betrachtung des Lebendigen bleiben wir nicht dabei stehen, daß wir ein Sinnliches vor uns haben, das nach den Kategorien des Verstandes nach einer Seite betrachtet wird; sondern wir betrachten es als Ursache seiner selbst, als sich selbst produzierend. Dies ist das Sich-Erhalten des Lebendigen, als Individuum ist es vergänglich; aber indem es lebt, bringt es sich selbst hervor, obzwar es Bedingungen dazu nötig hat. Ferner ist der Naturzweck Materie, insofern sie organisiert ist, innerlich organisiertes[378] Naturprodukt, in welchem alles Zweck und wechselseitig auch Mittel ist. Alle seine Glieder sind Mittel und zugleich Zweck; es ist in sich zugleich Zweck und Mittel, Selbstzweck. Sein Zweck ist nicht außerhalb; und die innere Zweckmäßigkeit ist, daß etwas an ihm selbst Zweck und Mittel ist. Es ist der aristotelische Begriff; es ist Unendliches, das in sich selbst zurückgeht, die Idee.

Kant kommt hierbei darauf: »Wir würden zwischen Naturmechanism und Technik der Natur, d. i. Zweckverknüpfung in derselben, keinen Unterschied finden, wäre unser Verstand nicht von der Art, daß er vom Allgemeinen zum Besonderen gehen muß und die Urteilskraft also... keine bestimmenden Urteile fällen kann, ohne ein allgemeines Gesetz zu haben, darunter sie jenes subsumieren könne. Da nun aber das Besondere als ein solches in Ansehung des Allgemeinen etwas Zufälliges enthält, gleichwohl aber die Vernunft in der Verbindung besonderer Gesetze der Natur doch auch Einheit, mithin Gesetzlichkeit erfordert (welche Gesetzlichkeit des Zufälligen Zweckmäßigkeit heißt) und die Ableitung der besonderen Gesetze aus den allgemeinen in Ansehung dessen, was jene Zufälliges in sich enthalten, a priori durch Bestimmung des Begriffs vom Objekte unmöglich ist, so wird der Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur in ihren Produkten ein für die menschliche Urteilskraft notwendiger, aber nicht die Bestimmung der Objekte selbst angehender Begriff sein, also ein subjektives Prinzip«, auch nur ein leitender Gedanke für die Urteilskraft, womit nichts Ansichseiendes ausgesagt werden kann.

Der Grund, warum diese wahre Idee nicht das Wahre sein soll, ist, weil die leeren Abstraktionen von einem Verstande, der sich im abstrakt Allgemeinen hält, und von einem gegenüberstehenden sinnlichen Stoffe der Einzelheit einmal als das Wahre vorausgesetzt sind. Kant kommt näher ausdrücklich[379] auf die Vorstellung eines intuitiven Verstandes. Indem nämlich zum Erkennen »auch Anschauung gehört und ein Vermögen einer völligen Spontaneität der Anschauung ein von der Sinnlichkeit unterschiedenes und davon ganz unabhängiges Erkenntnisvermögen, mithin Verstand in der allgemeinsten Bedeutung sein würde, so kann man sich auch einen intuitiven Verstand denken, welcher nicht vom Allgemeinen zum Besonderen und so zum Einzelnen durch Begriffe geht und für welchen die Zufälligkeit der Zusammenstimmung der Natur in ihren Produkten nach besonderen Gesetzen zum Verstande nicht angetroffen wird, welche dem unsrigen es so schwer macht, das Mannigfaltige derselben zur Einheit der Erkenntnis zu bringen.« Aber daß dieser »intellectus archetypus« die wahre Idee des Verstandes sei, darauf kommt Kant nicht; sondern unser Verstand ist so beschaffen, daß er »vom Analytisch-Allgemeinen zum Besonderen gehen muß« und ein von der Sinnlichkeit spezifisch unterschiedenes und ganz davon unabhängiges Erkenntnisvermögen ist.

Sonderbarerweise hat α) Kant diese Idee des Intuitiven, weiß nicht, warum sie keine Wahrheit haben soll, – weil unser Verstand anders beschaffen sei; aber β) die absolute Vernunft und der ansichseiende Verstand, haben wir gesehen, sind so beschaffen, daß sie an ihnen selbst keine Realität haben, der Verstand eines Stoffs bedarf, die theoretische Vernunft Hirngespinste erzeugt, die praktische Vernunft ihre Realität beim Postulieren bewenden lassen muß. Ungeachtet ihrer unmittelbar und bestimmt ausgesprochenen Nicht-Absolutheit sollen sie doch das wahre Erkennen sein und der intuitive Verstand, der Begriff und Anschauung in einer Einheit hat, nur so ein Gedanke, den wir uns machen.

Ein organisches Wesen ist, daß Naturmechanismus und Zweck (Seele, Allgemeines) in Einheit sind. Wir betrachten,[380] als wohnte im Sinnlichen ein Begriff, der sich das Besondere gemäß setzt; wir betrachten es nach der Weise eines intuitiven Verstandes. Das ist groß, das ist die Idee, das wahrhaft Konkrete, durch den inwohnenden Begriff bestimmte Realität; das ist die adäquate Idee, wie Spinoza sagt. In den organischen Naturprodukten haben wir die Anschauung von der unmittelbaren Einheit des Begriffs und der Realität; die Lebendigkeit, die Seele, das Allgemeine, und die Existenz, die Besonderung ist identisch, ist in einer Einheit angeschaut, – nicht so in der unorganischen Natur. So kommt die Vorstellung des Konkreten in die Kantische Philosophie, daß der Begriff, das Allgemeine, bestimmend ist das Besondere.

Kant hat diese Ideen selbst wieder nur in subjektiver Bestimmung genommen; sie sind nur Betrachtungsweisen, keine objektiven Bestimmungen. Obgleich Kant die Einheit ausspricht, so hebt er doch wieder die subjektive Seite, den Begriff heraus. Das ist der beständige Widerspruch der Kantischen Philosophie; er hat die höchsten Gegensätze aufgestellt und die Lösung ausgesprochen. Er spricht die Einseitigkeit der Gegensätze aus und ebenso ihre Einheit. Die Vernunft postuliert sie, wir haben sie in der Urteilskraft. Kant sagt indessen: Dies ist eine Weise unserer reflektierenden Urteilskraft. Das Lebendige ist nicht so, aber wir sind gewohnt, es so zu betrachten; es ist die Maxime unserer Reflexion. In der Kunst ist es die sinnliche Weise selbst, die uns die Vorstellung der Idee gibt; Realität und Idealität sind so unmittelbar in Einem. Ebenso sagt er, man muß beim Einseitigen stehenbleiben, im Augenblick, wo er drüber hinausgeht. Das Objektive ist nur das Ansich; alle Fülle aller Inhalt fällt ins Vorstellen, Denken, Postulat. Alles das ist subjektiv; wir wissen nicht, was diese Dinge an sich sind. Das Ansich ist aber nur das caput mortuum, die tote Abstraktion des Anderen, das leere, unbestimmte Jenseits. Der[381] Reichtum des Gedankens entfaltet sich in subjektiver Gestalt; er will aber seine Schranke nicht aufheben, im Momente, daß er sie als Schranke setzt.

c) Die andere Form, wie die Vorstellung des Konkreten in die Kantische Philosophie kommt, ist diese: Die praktische Vernunft hat einen Zweck; dieser Zweck in seiner ganzen Allgemeinheit ist das Gute. Dies Gute ist eine Idee, ist mein Gedanke; aber es ist die absolute Forderung vorhanden, daß dies Gute auch realisiert werde in der Welt, daß die Naturnotwendigkeit den Gesetzen der Freiheit, des Gedankens entspreche, aber nicht als Notwendigkeit einer äußerlichen Natur, sondern durch die Welt überhaupt, durch das Rechtliche, Sittliche, durch das menschliche Leben, das Staatsleben, – daß die Welt gut sei. Diese Identität des Guten und der Realität ist die Forderung in der Vernunft; aber die subjektive Vernunft kann dies nicht realisieren. In jeder guten Handlung vollbringt der Mensch etwas Gutes. Dies ist aber nur beschränkt; das allgemeine Gute? der allgemeine Endzweck als Endzweck der Welt kann nur erreicht werden durch ein Drittes. Und diese Macht über die Welt, die zum Endzweck hat das Gute in der Welt, ist Gott.

Und so ist Gott ein Postulat der praktischen Vernunft, was geglaubt werden muß. Die Natur hat ihre eigentümlichen Gesetze; diese selbständigen, einzelnen Beziehungen haben keine Beziehung auf das Gute. Aber die Vernunft ist dies, die Einheit zu verlangen, sie als das Wesentliche, Substantielle in sich zu wollen und zu wollen. Der Gegensatz, Widerspruch des Guten und der Welt ist dieser Identität zuwider; die Vernunft muß daher fordern, daß dieser Widerspruch aufgehoben werde, daß eine Macht ist, die gut für sich selbst und Macht über die Natur ist. Dies ist nun Gott; und diese Stellung hat Gott in der Kantischen Philosophie. Beweisen lasse es sich nicht, daß Gott sei. Es sei aber die Forderung. Wir haben die Zwei, die Welt und das Gute. Die Tugend,[382] Moralität ist nur gut, sofern sie im Kampfe ist; sie findet so diesen Gegensatz gesetzt, und andererseits ist notwendig die Harmonie beider. Der Mangel, daß Gott nicht bewiesen werden kann, liegt darin, daß nach Kants Dualismus nicht gezeigt werden kann, daß das Gute als abstrakte Idee an ihm selbst dies ist, seine Idee als abstrakt aufzuheben, – und die Welt dies ist an ihr selbst, sich in ihrer Äußerlichkeit, Verschiedenheit von dem Guten selbst aufzuheben und als ihre Wahrheit zu zeigen, was in Rücksicht zu ihnen als das Dritte erscheint, aber zugleich als das Erste bestimmt wird. So kann also nach Kant Gott nur geglaubt werden. Damit ist in Beziehung der Jacobische Glaube, wo Kant mit Jacobi übereinkommt.

Wenn nun nach diesem Kantisch-Jacobischen Standpunkt Gott geglaubt wird und wir diesen Standpunkt für einen Augenblick zugeben, so ist allerdings darin eine Rückkehr zum Absoluten. Aber die Frage bleibt: Was ist Gott? Das Übersinnliche ist noch blutwenig; das Allgemeine, Abstrakte, Anundfürsichseiende ist ebensowenig. Was ist nun seine Bestimmung? Würden wir übergehen zum Absoluten, so würde das für diesen Standpunkt Arge erfolgen, daß wir zum Erkennen übergehen; denn dies heißt Wissen von einem Gegenstande, der in sich konkret, bestimmt ist. Hier wird nur dazu gelangt, daß Gott überhaupt ist, Gott mit der Bestimmung des Unbegrenzten, Allgemeinen, Unbestimmten. Gott kann so nicht erkannt werden; denn um erkannt zu werden, müßte er konkret sein, also wenigstens zwei Bestimmungen enthalten. Es wäre somit Vermittlung; denn ein Wissen vom Konkreten ist sogleich vermitteltes Wissen, Erkennen. Aber dieser Standpunkt vermißt die Vermittlung und bleibt so beim Unbestimmten stehen. Indem Paulus zu den Atheniensern spricht, beruft er sich auf den Altar, den sie dem unbekannten Gotte geweiht hatten, und sagt ihnen, was Gott sei; der hier erwähnte Standpunkt aber führt uns[383] wieder zurück zu dem unbekannten Gott. – Alle Lebendigkeit der Natur wie des Geistes ist Vermittlung in sich; und dazu ist nun die Schellingsche Philosophie übergegangen.

Nach Kant wird produziert ein Sinnliches mit Denkbestimmungen, was aber nicht die Sache ist: z.B. ich fühle etwas Hartes, – ich fühle das Harte, aber Etwas fühle ich nicht. Kants Philosophie endet mit Dualismus, Beziehung, die ein schlechthin wesentliches Sollen, dem unaufgelösten Widerspruche. Anders Jacobis Glaube; er findet Vorstellung von Gott und unmittelbares Sein, alle Vermittlung ist unwahr. – Bei Kant ist also das Resultat: »Wir erkennen nur Erscheinungen«; bei Jacobi dagegen: »Wir erkennen nur Endliches und Bedingtes.«

Über beide Resultate ist nun eitel Freude unter den Menschen gewesen, weil die Faulheit der Vernunft nun, gottlob, von allen Anforderungen des Nachdenkens sich entbunden, der Freiheit ein vollkommenes Recht eingeräumt meinte und nun, da das Insichgehen, das in die Tiefe der Natur und des Geistes Steigen erspart war, es sich wohlsein lassen konnte. – Das weitere Resultat ist dabei die Autokratie der subjektiven Vernunft, welche, da sie abstrakt ist und nicht erkennt, nur subjektive Gewißheit hat, keine objektive Wahrheit. Das war die zweite Freude, daß ich diese Autarkie habe, die ich weder erkennen noch rechtfertigen kann, auch nicht brauche; meine subjektive Freiheit der Überzeugung und Gewißheit gilt für alles. – Die dritte Freude fügte Jacobi hinzu, daß, weil das Unendliche dadurch nur verendlicht werde, es sogar ein Frevel sei, das Wahre erkennen zu wollen. Trostlose Zeit der Wahrheit, wo vorbei ist alle Metaphysik, Philosophie, – nur Philosophie gilt, die keine ist!

Fassen wir das Ganze der Kantischen Philosophie zusammen, so finden wir allenthalben die Idee des Denkens, die absoluter Begriff an ihr selbst ist, den Unterschied, die Realität an ihr selbst hat, – die theoretische und praktische Vernunft aber nur den abstrakten Unterschied; in der Urteilskraft[384] geht Kant auch so weit, daß er den Unterschied als wirklichen oder nicht nur die Besonderheit, sondern die Einzelheit setzt. Er hat richtig und bestimmt das Ganze unterschieden. Aber da einmal diese philisterhafte Vorstellung von unserem, vom menschlichen Erkenntnisvermögen ausgeht, so gilt ihm dieses in seiner empirischen Form, ungeachtet er es für nicht die Wahrheit erkennend auch aussagt und die wahre Idee desselben, die er auch beschreibt, als bloß so ein Gedanke, den wir haben. Die Wirklichkeit gilt als diese sinnliche, empirische, zu deren Begreifen Kant die Kategorien des Verstandes nimmt; und er läßt sie so gelten, wie sie im gemeinen Leben gilt.

Dies ist vollendete Verstandesphilosophie, die auf Vernunft Verzicht tut; sie hat sich so viele Freunde erworben wegen des Negativen, auf einmal von dieser alten Metaphysik befreit zu sein. – Es ist schon die ganz roh empirische und barbarisch gemeine Art des Vorstellens und die gänzliche Unwissenschaftlichkeit der Form bemerkt worden. – Aber außer der allgemeinen Idee von synthetischen Urteilen a priori, Allgemeinem, das an sich den Unterschied hat, hat der Instinkt Kants in der ganzen Anordnung, in die ihm allenthalben das Ganze zerfällt, nach dem zwar geistlosen Schema der Triplizität ausgeführt, α) theoretischem, β) praktische Vernunft, γ) Einheit beider, Urteilskraft, so in den meisten weiteren Abteilungen bei den Kategorien, bei den Vernunftideen: den Rhythmus der Erkenntnis, der wissenschaftlichen Bewegung, als ein allgemeines Schema vorgezeichnet und allenthalben Thesis, Antithesis und Synthesis aufgestellt, die Weisen des Geistes, durch die er Geist ist, als sich bewußter, daß er sich so unterscheidet. Das erste ist das Wesen, aber fürs Bewußtsein Anderssein; was nur Wesen ist, ist Gegenstand. Das zweite ist das Fürsichsein, die eigene Wirklichkeit; das Negative gegen das Ansich ist ihm das Wesen, das Selbstbewußtsein ist sich das Wesen, – das umgekehrte Verhältnis. Das dritte ist die Einheit von beiden; die für sich seiende, selbstbewußte Wirklichkeit ist alle[385] wahre Wirklichkeit, in die zurückgenommen sowohl die gegenständliche als für sich seiende. – Er hat historisch die Momente des Ganzen angegeben; es ist gute Einleitung in die Philosophie. Der Mangel der Kantischen Philosophie liegt in dem Auseinanderfallen der Momente der absoluten Form; oder, von der andern Seite betrachtet, unser Verstand, unser Erkennen bildet einen Gegensatz gegen das Ansich: es fehlt das Negative, das aufgehobene Sollen, das nicht begriffen ist.

Aber der Gedanke und das Denken waren einmal ein unüberwindliches, nicht mehr zu beseitigendes Bedürfnis geworden. Es war mithin eine Forderung der Konsequenz, daß die besonderen Gedanken als nach der Notwendigkeit aus jenem ersten Einen hervorgebracht erschienen, als aus der Einheit des Ichs hervorgehend und durch sie gerechtfertigt. – Zweitens aber hatte der Gedanke sich über die Welt verbreitet, an alles sich geheftet, alles untersucht, seine Formen in alles hineingetragen, alles systematisiert; so daß allenthalben nach seinen Bestimmungen verfahren werden soll, nicht aber nach einem bloßen Gefühl, nach Routine oder praktischem Sinne, der ungeheuren Bewußtlosigkeit sogenannter praktischer Männer. So soll also in der Theologie, in Regierungen und deren Gesetzgebungen, beim Zwecke des Staats, den Gewerben und der Mechanik immer nur nach allgemeinen Bestimmungen, rationell verfahren werden (rationelle Bierbrauerei, rationelle Ziegelbrennerei). Dies ist das Bedürfnis eines konkreten Denkens, während bei dem Kantischen Resultate der Erscheinung nur ein leerer Gedanke gewesen war. Ist es ja doch auch das Wesen der geoffenbarten Religion, zu wissen, was Gott ist. Nach dem Gehalte der Wahrheit, war mithin eine Sehnsucht vorhanden, da der Mensch einmal nicht zur Brutalität zurückkehren und ebensowenig zur Form des Empfindens heruntersteigen konnte, so daß diese das allein Geltende für ihn wäre in bezug auf das Höhere. – Das erste Bedürfnis, nach Konsequenz, hat Fichte zu befriedigen gesucht.[386]

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 20, Frankfurt am Main 1979, S. 329-387.
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