b. Albertus Magnus

[568] Albertus Magnus ist der berühmteste deutsche Scholastiker, aus dem adligen Geschlecht von Bollstädt; Magnus ist entweder Familienzuname oder wegen des Ruhms gegeben. Er wurde 1193 oder 1205 in Lauingen an der Donau in Schwaben geboren und studierte anfangs in Padua, wo sein Studierzimmer noch jetzt den Reisenden gezeigt wird. Im Jahre 1221 wurde er Dominikanermönch und lebte nachher in Köln als Ordensprovinzial in Deutschland; er starb 1280.[568]

Es wird von ihm erzählt, er habe sich in seiner Jugend sehr stumpfsinnig gezeigt, bis ihm nach einer Legende die Jungfrau Maria in Gesellschaft von drei anderen schönen Frauen erschien, ihn zur Philosophie aufmunterte, von seiner Geistesschwäche befreite und das Versprechen gab, daß er die Kirche erleuchten und, seiner Wissenschaft ungeachtet, doch rechtgläubig sterben werde. So geschah es auch; denn fünf Jahre vor seinem Tode habe er ebenso schnell alle seine Philosophie wieder vergessen und sei dann wirklich in der Stumpfheit und Orthodoxie seiner früheren Jahre gestorben. Und daher führt man das alte Sprichwort von ihm an: Albertus repente ex asino factus philosophus, et ex philosopho asinus. Nämlich unter seiner Wissenschaft verstand man dann auch besonders die Zauberei. Denn obwohl es der eigentlichen Scholastik ganz fremd war, diese vielmehr über die Natur vollkommen blind war, beschäftigte er sich doch mit natürlichen Dingen und verfertigte unter anderem eine Sprachmaschine, vor der sein Schüler, Thomas von Aquino, erschrak und nach ihr selbst schlug, weil er darin ein Werk des Teufels sah. Daß er Wilhelm von England mitten im Winter in einem blühenden Garten empfangen und bewirtet habe, wird ihm als Zauberei angerechnet, – während wir den Wintergarten bei Faust ganz natürlich finden.

Albert hat sehr viel geschrieben, und wir haben davon noch 21 Folianten übrig. Er schrieb über Dionysios Areopagita, kommentierte den Magister sententiarum, war in Arabern und Rabbinern vorzüglich bewandert, wie in der Kenntnis der Aristotelischen Werke, obschon er selber kein Griechisch auch Arabisch nicht verstand. Er schrieb auch über dessen Physik. Von der mangelhaften Kenntnis der Geschichte der Philosophie findet sich bei ihm ein Beispiel. Den Namen Epikureer leitet er her, weil sie epi cutem, auf der faulen Haut, lägen, oder auch von cura, weil sie sich um viel[569] unnütze Dinge bekümmerten (supercurantes). Die Stoiker stellt er sich vor wie unsere Chorschüler; sie seien, sagt er, Leute gewesen, die Lieder gemacht (facientes cantilenas) und in den Säulengängen sich herumgetrieben hätten. Denn, bemerke er hierbei sehr gelehrt, die ersten Philosophen haben ihre Philosophie in Verse eingekleidet und sie dann in den Hallen abgesungen, daher wurden sie Hallensteher (Stoici) genannt. Es wird erzählt, als die ersten Epikureer habe Albertus Magnus genannt den Hesiodos, Athalius oder Achalius (von dem wir nichts wissen), Cäcina oder, wie ihn andere nennen, Tetinnus, einen Freund (familiaris) des Cicero, und Isaacus, den israelitischen Philosophen (man weiß nicht, wie der dazu kommt); aus den Stoikern führt er dagegen Speusippos, Platon, Sokrates und Pythagoras an.

Diese Anekdoten geben uns ein Bild des Zustandes der Bildung der damaligen Zeit. Eine Hauptsache aber ist die Bekanntschaft mit Aristoteles und besonders mit seiner Logik, was sich von der ältesten Zeit her erhalten hat. Durch die Aristotelische Logik ward die dialektische Spitzfindigkeit noch sehr vermehrt und diese Verstandesformen auf das Weiteste ausgesponnen, während das eigentlich Spekulative bei Aristoteles im Hintergrund blieb für den Geist der Äußerlichkeit und damit auch der Unvernunft.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 19, Frankfurt am Main 1979, S. 568-570.
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