C. Das Einzelne

[296] Die Einzelheit ist, wie sich ergeben, schon durch die Besonderheit gesetzt; diese ist die bestimmte Allgemeinheit, also die sich auf sich beziehende Bestimmtheit, das bestimmte Bestimmte.

1. Zunächst erscheint daher die Einzelheit als die Reflexion des Begriffs aus seiner Bestimmtheit in sich selbst. Sie ist die Vermittlung desselben durch sich, insofern sein Anderssein sich wieder zu einem Anderen gemacht [hat], wodurch der Begriff als sich selbst Gleiches hergestellt, aber in der Bestimmung der absoluten Negativität ist. – Das Negative am Allgemeinen, wodurch dieses ein Besonderes ist, wurde vorhin als der Doppelschein bestimmt; insofern es Scheinen nach innen ist, bleibt das Besondere ein Allgemeines; durch das Scheinen nach außen ist es Bestimmtes; die Rückkehr dieser Seite in das Allgemeine ist die gedoppelte, entweder durch die Abstraktion, welche dasselbe wegläßt und zur höheren und höchsten Gattung aufsteigt, oder aber durch die Einzelheit, zu welcher das Allgemeine in der Bestimmtheit selbst heruntersteigt. – Hier geht der Abweg ab, auf welchem[296] die Abstraktion vom Wege des Begriffs abkommt und die Wahrheit verläßt. Ihr höheres und höchstes Allgemeines, zu dem sie sich erhebt, ist nur die immer inhaltsloser werdende Oberfläche; die von ihr verschmähte Einzelheit ist die Tiefe, in der der Begriff sich selbst erfaßt und als Begriff gesetzt ist.

Die Allgemeinheit und die Besonderheit erschienen einerseits als die Momente des Werdens der Einzelheit. Aber es ist schon gezeigt worden, daß sie an ihnen selbst der totale Begriff sind, somit in der Einzelheit nicht in ein Anderes übergehen, sondern daß darin nur gesetzt ist, was sie an und für sich sind. Das Allgemeine ist für sich, weil es an ihm selbst die absolute Vermittlung, Beziehung auf sich nur als absolute Negativität ist. Es ist abstraktes Allgemeines, insofern dies Aufheben ein äußerliches Tun und hierdurch ein Weglassen der Bestimmtheit ist. Diese Negativität ist daher wohl an dem Abstrakten, aber sie bleibt außerhalb, als eine bloße Bedingung desselben; sie ist die Abstraktion selbst, welche ihr Allgemeines sich gegenüber hält, das daher die Einzelheit nicht in sich selbst hat und begrifflos bleibt. – Leben, Geist, Gott – sowie den reinen Begriff – vermag die Abstraktion deswegen nicht zu fassen, weil sie von ihren Erzeugnissen die Einzelheit, das Prinzip der Individualität und Persönlichkeit, abhält und so zu nichts als leb- und geistlosen, farb- und gehaltlosen Allgemeinheiten kommt.

Aber die Einheit des Begriffs ist so untrennbar, daß auch diese Produkte der Abstraktion, indem sie die Einzelheit weglassen sollen, selbst vielmehr einzelne sind. Indem sie das Konkrete in die Allgemeinheit erhebt, das Allgemeine aber nur als bestimmte Allgemeinheit faßt, so ist eben dies die Einzelheit, welche sich als die sich auf sich beziehende Bestimmtheit ergeben hat. Die Abstraktion ist daher eine Trennung des Konkreten und eine Vereinzelung seiner Bestimmungen; durch sie werden nur einzelne Eigenschaften oder Momente aufgefaßt, denn ihr Produkt muß das enthalten,[297] was sie selbst ist. Der Unterschied aber dieser Einzelheit ihrer Produkte und der Einzelheit des Begriffs ist, daß in jenen das Einzelne als Inhalt und das Allgemeine als Form voneinander verschieden sind, – weil eben jener nicht als die absolute Form, als der Begriff selbst, oder diese nicht als die Totalität der Form ist. – Diese nähere Betrachtung aber zeigt das Abstrakte selbst als Einheit des einzelnen Inhalts und der abstrakten Allgemeinheit, somit als Konkretes, als das Gegenteil dessen, was es sein will.

Das Besondere ist aus demselben Grunde, weil es nur das bestimmte Allgemeine ist, auch Einzelnes, und umgekehrt, weil das Einzelne das bestimmte Allgemeine ist, ist es ebensosehr ein Besonderes. Wenn an dieser abstrakten Bestimmtheit festgehalten wird, so hat der Begriff die drei besonderen Bestimmungen, das Allgemeine, Besondere und Einzelne; nachdem vorhin nur das Allgemeine und Besondere als die Arten des Besonderen angegeben wurden. Indem die Einzelheit die Rückkehr des Begriffs als des Negativen in sich ist, so kann diese Rückkehr selbst von der Abstraktion, die darin eigentlich aufgehoben ist, als ein gleichgültiges Moment neben die anderen gestellt und gezählt werden.

Wenn die Einzelheit als eine der besonderen Begriffsbestimmungen aufgeführt wird, so ist die Besonderheit die Totalität, welche alle in sich begreift; als diese Totalität eben ist sie das Konkrete derselben oder die Einzelheit selbst. Sie ist das Konkrete aber auch nach der vorhin bemerkten Seite als bestimmte Allgemeinheit; so ist sie als die unmittelbare Einheit, in welcher keines dieser Momente als unterschieden oder als das Bestimmende gesetzt ist, und in dieser Form wird sie die Mitte des formalen Schlusses ausmachen.

Es fällt von selbst auf, daß jede Bestimmung, die in der bisherigen Exposition des Begriffs gemacht worden, sich unmittelbar aufgelöst und in ihre andere verloren hat.[298] Jede Unterscheidung konfundiert sich in der Betrachtung, welche sie isolieren und festhalten soll. Nur die bloße Vorstellung, für welche sie das Abstrahieren isoliert hat, vermag sich das Allgemeine, Besondere und Einzelne fest auseinanderzuhalten; so sind sie zählbar, und für einen weiteren Unterschied hält sie sich an den völlig äußerlichen des Seins, die Quantität, die nirgend weniger als hierher gehört. – In der Einzelheit ist jenes wahre Verhältnis, die Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen, gesetzt, denn als Negation der Negation enthält sie den Gegensatz derselben und ihn zugleich in seinem Grunde oder Einheit, das Zusammengegangensein einer jeden mit ihrer anderen. Weil in dieser Reflexion an und für sich die Allgemeinheit ist, ist sie wesentlich die Negativität der Begriffsbestimmungen nicht nur so, daß sie nur ein drittes Verschiedenes gegen sie wäre, sondern es ist dies nunmehr gesetzt, daß das Gesetztsein das Anundfürsichsein ist, d.h. daß die dem Unterschiede angehörigen Bestimmungen selbst jede die Totalität ist. Die Rückkehr des bestimmten. Begriffes in sich ist, daß er die Bestimmung hat, in seiner Bestimmtheit der ganze Begriff zu sein.

2. Die Einzelheit ist aber nicht nur die Rückkehr des Begriffes in sich selbst, sondern unmittelbar sein Verlust. Durch die Einzelheit, wie er darin in sich ist, wird er außer sich und tritt in Wirklichkeit. Die Abstraktion, welche als die Seele der Einzelheit die Beziehung des Negativen auf das Negative ist, ist, wie sich gezeigt, dem Allgemeinen und Besonderen nichts Äußerliches, sondern immanent, und sie sind durch sie Konkretes, Inhalt, Einzelnes. Die Einzelheit aber ist als diese Negativität die bestimmte Bestimmtheit, das Unterscheiden als solches; durch diese Reflexion des Unterschiedes in sich wird er ein fester; das Bestimmen des Besonderen ist erst durch die Einzelheit, denn sie ist jene Abstraktion, die nunmehr, eben als Einzelheit, gesetzte Abstraktion ist.

Das Einzelne also ist als sich auf sich beziehende Negativität[299] unmittelbare Identität des Negativen mit sich; es ist Fürsichseiendes. Oder es ist die Abstraktion, welche den Begriff nach seinem ideellen Momente des Seins als ein Unmittelbares bestimmt, – So ist das Einzelne ein qualitatives Eins oder Dieses. Nach dieser Qualität ist es erstlich Repulsion seiner von sich selbst, wodurch die vielen anderen Eins vorausgesetzt werden; zweitens ist es nun gegen diese vorausgesetzten Anderen negative Beziehung und das Einzelne insofern ausschließend. Die Allgemeinheit auf diese Einzelnen als gleichgültige Eins bezogen – und bezogen muß sie darauf werden, weil sie Moment des Begriffs der Einzelheit ist –, ist sie nur das Gemeinsame derselben. Wenn unter dem Allgemeinen das verstanden wird, was mehreren Einzelnen gemeinschaftlich ist, so wird von dem gleichgültigen Bestehen derselben ausgegangen und in die Begriffsbestimmung die Unmittelbarkeit des Seins eingemischt. Die niedrigste Vorstellung, welche man vom Allgemeinen haben kann, wie es in der Beziehung auf das Einzelne ist, ist dies äußerliche Verhältnis desselben als eines bloß Gemeinschaftlichen.

Das Einzelne, welches in der Reflexionssphäre der Existenz als Dieses ist, hat nicht die ausschließende Beziehung auf anderes Eins, welche dem qualitativen Fürsichsein zukommt.

Dieses ist als das in sich reflektierte Eins für sich ohne Repulsion; oder die Repulsion ist in dieser Reflexion mit der Abstraktion in eins und ist die reflektierende Vermittlung, welche so an ihm ist, daß dasselbe eine gesetzte, von einem Äußerlichen gezeigte Unmittelbarkeit ist. Dieses ist; es ist unmittelbar; es ist aber nur Dieses, insofern es monstriert wird. Das Monstrieren ist die reflektierende Bewegung, welche sich in sich zusammennimmt und die Unmittelbarkeit setzt, aber als ein sich Äußerliches. – Das Einzelne nun ist wohl auch Dieses als das aus der Vermittlung hergestellte Unmittelbare; es hat sie aber nicht außer ihm, – es ist selbst repellierende Abscheidung, die gesetzte Abstraktion, aber in seiner Abscheidung selbst positive Beziehung.

Dieses Abstrahieren des Einzelnen ist als die Reflexion des[300] Unterschiedes in sich erstlich ein Setzen der Unterschiedenen als selbständiger, in sich reflektierter. Sie sind unmittelbar; aber ferner ist dieses Trennen Reflexion überhaupt, das Scheinendes einen im anderen, so stehen sie in wesentlicher Beziehung. Sie sind ferner nicht bloß seiende Einzelne gegeneinander; solche Vielheit gehört dem Sein an; die sich als bestimmt setzende Einzelheit setzt sich nicht in einem äußerlichen, sondern im Begriffsunterschiede; sie schließt also das Allgemeine von sich aus; aber da dieses [ein] Moment ihrer selbst ist, so bezieht [es] sich ebenso wesentlich auf sie.

Der Begriff als diese Beziehung seiner selbständigen Bestimmungen hat sich verloren; denn so ist er nicht mehr die gesetzte Einheit derselben, und sie [sind] nicht mehr als Momente, als der Schein desselben, sondern als an und für sich bestehende. – Als Einzelheit kehrt er in der Bestimmtheit in sich zurück; damit ist das Bestimmte selbst Totalität geworden. Seine Rückkehr in sich ist daher die absolute, ursprüngliche Teilung seiner, oder als Einzelheit ist er als Urteil gesetzt.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 296-301.
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