a. Das kategorische Urteil

[335] Die Gattung teilt sich oder stößt sich wesentlich in Arten ab; sie ist Gattung nur, insofern sie Arten unter sich begreift; die Art ist Art nur, insofern sie einerseits in Einzelnen existiert, andererseits in der Gattung eine höhere Allgemeinheit ist. – Das kategorische Urteil hat nun eine solche Allgemeinheit zum Prädikate, an dem das Subjekt seine immanente Natur hat. Es ist aber selbst das erste oder unmittelbare Urteil der Notwendigkeit; daher die Bestimmtheit des Subjekts, wodurch es gegen die Gattung oder Art ein Besonderes oder Einzelnes ist, insofern der Unmittelbarkeit äußerlicher Existenz angehört. – Die objektive Allgemeinheit aber hat ebenso hier nur erst ihre unmittelbare Partikularisation;[335] einerseits ist sie darum selbst eine bestimmte, gegen welche es höhere Gattungen gibt; – andererseits ist sie nicht gerade die nächste, d.h. deren Bestimmtheit nicht gerade das Prinzip der spezifischen Besonderheit des Subjekts ist. Was aber daran notwendig ist, ist die substantielle Identität des Subjekts und Prädikats, gegen welche das Eigene, wodurch sich jenes von diesem unterscheidet, nur als ein unwesentliches Gesetztsein – oder auch nur ein Namen ist; das Subjekt ist in seinem Prädikate in sein Anundfürsichsein reflektiert. – Ein solches Prädikat sollte mit den Prädikaten der bisherigen Urteile nicht zusammengestellt werden; wenn z.B. die Urteile


die Rose ist rot,

die Rose ist eine Pflanze,

oder: dieser Ring ist gelb,

er ist Gold


in eine Klasse zusammengeworfen und eine so äußerliche Eigenschaft wie die Farbe einer Blume als ein gleiches Prädikat mit ihrer vegetabilischen Natur genommen wird, so wird ein Unterschied übersehen, der dem gemeinsten Auffassen auffallen muß. – Das kategorische Urteil ist daher bestimmt von dem positiven und negativen Urteile zu unterscheiden; in diesen ist das, was vom Subjekt ausgesagt wird, ein einzelner zufälliger Inhalt, in jenem ist er die Totalität der in sich reflektierten Form. Die Kopula hat daher in ihm die Bedeutung der Notwendigkeit, in jenen nur des abstrakten, unmittelbaren Seins.

Die Bestimmtheit des Subjekts, wodurch es ein Besonderes gegen das Prädikat ist, ist zunächst noch ein Zufälliges; Subjekt und Prädikat sind nicht durch die Form oder Bestimmtheit als notwendig bezogen; die Notwendigkeit ist daher noch als innere. – Das Subjekt aber ist Subjekt nur als Besonderes, und insofern es objektive Allgemeinheit hat, soll es sie wesentlich nach jener erst unmittelbaren Bestimmtheit haben. Das Objektiv-Allgemeine, indem es sich bestimmt,[336] d. i. sich ins Urteil setzt, ist wesentlich in identischer Beziehung mit dieser aus ihm abgestoßenen Bestimmtheit als solcher, d. i. sie ist wesentlich nicht als bloß Zufälliges zu setzen. Das kategorische Urteil entspricht erst durch diese Notwendigkeit seines unmittelbaren Seins seiner objektiven Allgemeinheit und ist auf diese Weise in das hypothetische Urteil übergegangen.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke. Band 6, Frankfurt a. M. 1979, S. 335-337.
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